Die Aktualität der Frontier als Analysekonzept

Eine Einordnung der aktuellen Landkonflikte in Amazonien

Keywords: resource frontier, ongoing primitive accumulation, privatisation, property rights, land grabbing, practices of resistance, Amazonia

Schlagwörter: Ressourcen-Frontier, fortgesetzte ursprüngliche Akkumulation, Privatisierung, Eigentumsrechte, Landraub, Widerständigkeiten, Amazonien

1.  Einleitung*

Nach dem beeindruckenden Rückgang der Abholzung in der brasilianischen Amazonasregion zwischen 2004 und 2014 um 82 %, nimmt sie seit 2016 wieder kontinuierlich zu.[1] Insbesondere die Regierung des rechtsradikalen Präsidenten Jair M. Bolsonaro ab dem Jahr 2018 hat diese zerstörerischen sozial-ökologischen Dynamiken beschleunigt (Canuto u.a. 2020: 102). Bereits im Wahlkampf hatte Bolsonaro angekündigt, die Amazonasregion ökonomisch über die Agrarindustrie und den Bergbau zu erschließen. Zudem versprach er, dass während seiner Amtszeit kein Indigenes Land mehr demarkiert werden würde (vgl. Gortázar 2021); ein Wahlversprechen, das er bis Oktober 2022 gehalten hat. Knapp 500 Jahre nach der Kolonisierung Amazoniens durch Portugal und 50 Jahre nach dem Versuch der Militärs Amazonien über großformatige Entwicklungs- und Infrastrukturprojekte ökonomisch und politisch einzuverleiben, stellt sich die Frage, wie diese Entwicklungen einzuordnen sind: Wie können diese Dynamiken erklärt werden? Was ist neu an den aktuellen Zerstörungsdynamiken und inwiefern zeigen sich historische Kontinuitäten? Welche Ansatzpunkte der Veränderung gibt es – v.a. vor dem Hintergrund des knappen Wahlsieges von Luiz Inácio „Lula“ da Silva im Oktober 2022?

Wie ich im vorliegenden Artikel zeigen möchte, kann die zunehmende Abholzung nur verstanden werden, wenn sie im Zusammenhang mit Landraub und Konflikten um die Kontrolle über Landnutzung betrachtet wird. Um die Dynamiken des Landraubs verstehen zu können, ist der Ansatz der Ressourcen-Frontier von Jason Moore hilfreich. Dabei handelt es sich um eine innovative sozial-ökologische Weiterentwicklung der Weltsystemperspektive. Denn mit der Frontier rücken die Verflechtungen von Ausbeutungsverhältnissen und Stoffströmen in den Mittelpunkt der Analyse.

Obwohl Moore die Frontier als gesellschaftlich umkämpft auffasst, gibt er wenige Anhaltspunkte, wie diese gesellschaftlichen Auseinandersetzungen untersucht werden könnten. Deshalb schlage ich vor, seinen Ansatz mit einer akteurszentrierten und kontextsensibilisierten Perspektive zu verbinden und auf eine nationalstaatlich verortete Fallstudie anzuwenden. Denn wie schon Stephen Bunker gegenüber der Weltsystemanalyse kritisch anmerkte, kann eine alleinige Fokussierung auf internationale ungleiche Tauschbeziehungen die spezifischen Entwicklungen in extraktiven Regionen wie dem Amazonasbecken nicht erklären. Hierfür müssten zusätzlich die „internen“ bzw. spezifischen historischen Hintergründe untersucht werden (vgl. Bunker 1984: 1019). Zudem verdeutlichen Autor*innen der Politischen Ökologie in ihren Studien, dass Frontier-Dynamiken keinem linearen ökonomischen Gesetz folgen (Peluso & Lund 2011; Rasmussen & Lund 2018; Schmink & Wood 1992). Wie Marianne Schmink & Charles Wood hervorheben, war der soziale Wandel an der Frontier im brasilianischen Amazonasbecken nie

„[…] eine unerbittliche Chronik des Sieges der Mächtigen über die Schwachen. Es gab auch zahlreiche und signifikante Fälle, in denen Bauern ihr Land gegen Viehzüchter und Spekulanten verteidigten, in denen Indigene lethargische Bürokratien zur Anerkennung ihrer Gebiete drängten und in denen Bergleute sich gegen die Unternehmen wehrten, die versuchten, die von ihnen entdeckten Goldfelder in Besitz zu nehmen.“ (Schmink & Wood 1992: xxv-xxvi; eigene Übersetzung)

Ein Fokus auf die Ressourcen-Frontiers als dynamische Räume gesellschaftlicher Auseinandersetzungen um die Kontrolle über Landnutzung (vgl. Peluso & Lund 2011; Rasmussen & Lund 2018) eröffnet auch Perspektiven auf Widerständigkeiten und alternative Ansätze des Wald- und Klimaschutzes. Umgekehrt ermöglicht die Rückbindung an die weltökologische Perspektive von Jason Moore eine Erklärung für die Hintergründe und Triebkräfte der Frontier (s. hierzu das Stichwort „Weltökologie bei Jason Moore“ in diesem Heft, S. 401ff). Wie ich im folgenden Abschnitt zeigen möchte, ist eine akteurszentrierte Interpretation der fortgesetzten ursprünglichen Akkumulation ein hilfreiches Verbindungsstück für diese verschiedenen Konzeptionen der Frontier.

Mit dem Artikel verfolge ich zwei Ziele: Erstens möchte ich einen konzeptionellen Beitrag zur Debatte um die Frontier als Analysekonzept im Kontext der Neuinterpretationen der sogenannten ursprünglichen Akkumulation leisten. Zweitens möchte ich die oben aufgeworfenen Fragen beantworten, indem ich die Frontier-Perspektive auf die Konflikte um die Kontrolle der Landnutzung seit den 1960er Jahre anwende.

Der Artikel ist folgendermaßen aufgebaut: Im nächsten Abschnitt entwickle ich einen Analyserahmen zur Untersuchung von umkämpften Ressourcen-Frontiers. Im dritten Abschnitt wende ich diesen auf die Konflikte um Landkontrolle in Amazonien an. Im Schlusskapitel fasse ich die Ergebnisse zusammen und diskutiere die Herausforderungen für den Wald- und Klimaschutz vor dem Hintergrund der Präsidentschaftswahl im Herbst 2022.

2.  Analyserahmen für die Untersuchung von Ressourcen-Frontiers

Das Amazonasbecken steht seit fast 500 Jahren im Fokus kapitalistischer Aneignungsstrategien (vgl. etwa Bunker 1985). Spätestens seit der groß angelegten ökonomischen Entwicklungs- und Erschließungspolitik der brasilianischen Militärdiktatur in den 1970er Jahren wird diese Region als letzte Frontier der Menschheit konstruiert und erforscht (vgl. Browder u.a. 2008; Bunker 1984: 1058). Der Frontier-Begriff wurde im 19. Jahrhundert von dem US-amerikanischen Historiker Frederick Jackson Turner (1894) geprägt. Laut Turner ist die Frontier[2] ein dynamischer Raum, der sich stufenweise zunächst mit den Trappern, danach mit den europäischen Siedlern[3] in den US-amerikanischen Westen geschoben und in diesem Aufeinandertreffen von „Zivilisation“ und „Wildheit“ die Identität des weißen, männlichen US-Amerikaners und damit verknüpft die egalitäre US-amerikanische Demokratie hervorgebracht hat. Die Frontier ist in dieser Konzeption eine physisch feststellbare Linie, die „Zivilisation“ von „wilder Natur“ trennt und zu ihrem Ende kommt, wenn sich die „Zivilisation“ durchgesetzt hat. Zwar wird diese problematische androzentrische Konzeption der Frontier als Ursprung der nordamerikanischen Geschichte, die die Sklaverei ebenso wie die Gewalt gegen die First Nations ausklammert, heute nicht mehr wissenschaftlich vertreten (Geiger 2009). Doch der Mythos der Frontier als dynamischer Raum eines linearen Entwicklungsprozesses hin zu einer überlegenen Zivilisation lebt fort. All dies erklärt, warum die Frontier „keine natürliche oder Indigene Kategorie“ ist (Tsing 2003: 5101; eigene Übersetzung).

Trotz dieser Ambivalenzen halte ich an der Frontier als analytischem Konzept fest, um verschiedene historische, diskursive und polit-ökonomische Dimensionen des Landraubs in Amazonien zusammendenken zu können, die sonst vernachlässigt oder getrennt voneinander untersucht werden würden. Anknüpfend an Jason Moore[4] verstehe ich Frontier nicht als Ausdruck eines zivilisatorischen Fortschritts oder eines „ursprünglichen“ kapitalistischen Entwicklungszyklus des Siedlungskolonialismus. Vielmehr beschreibt er mit dem Begriff der Ressourcen-Frontiers ganz allgemein die Ausweitung von kapitalistischen Warenbeziehungen auf nicht-kapitalistische Bereiche und Milieus (Moore 2000; 2003). Ressourcen-Frontiers verstehe ich ebenso wie Moore als eine Variante der fortgesetzten ursprünglichen Akkumulation (ebd.).[5] In Anschluss an die Interpretation von Rosa Luxemburg (1923 [1913]) verstehe ich die fortgesetzte ursprünglichen Akkumulation nicht nur als ein historisches Moment bei der Herausbildung des Kapitalismus, sondern als einen ihm inhärenten Mechanismus (vgl. Backhouse 2015). Demzufolge muss der Kapitalismus auf ein nicht-kapitalistisches Außen zurückgreifen, um sich reproduzieren zu können. Angetrieben werden die Frontiers vom inhärenten Widerspruch des Kapitalismus. Der Widerspruch besteht darin, dass der Kapitalismus zwar auf die Herstellung und Aneignung von natürlichen Ressourcen (und damit verbunden auch auf die Ausbeutung von Arbeit) angewiesen ist, diese aber durch seinen Wachstumszwang übernutzt und damit langfristig seine eigenen Grundlagen untergräbt. Dadurch entsteht der Zwang, immer neue Ressourcen und Regionen zu erschließen. Dieser Expansionszwang erklärt die raum-zeitliche Dynamik von Ressourcen-Frontiers sowie die kontinuierliche Entstehung neuer Frontiers (vgl. Moore 2000) – nicht nur in den Peripherien des Weltsystems, sondern auch in den kapitalistischen Zentren wie Feminist*innen (s. unten) bereits gezeigt haben.

Innovativ an Moores Weiterentwicklung der Weltsystemanalyse ist, dass er die Ressourcen-Frontiers der Zuckerrohrplantagen und des Silberabbaus in den Amerikas ab dem 16. Jahrhundert als kapitalistische Verflechtungsgeschichte analysiert (Moore 2000; 2003). Demzufolge entstand der Kapitalismus aus dem Zusammenspiel von spezifischen Klassenkonstellationen in den entstehenden kapitalistischen Zentren Europas und den ersten Ressourcen-Frontiers in Madeira und später den Amerikas (vgl. Moore 2003). Damit überwindet er den Kritikpunkt an der Weltsystemperspektive, dass diese bei der Untersuchung der Herausbildung des Kapitalismus einseitig auf Handelsbeziehungen statt auf Klassenverhältnisse fokussieren würde (vgl. Brenner 1977; sowie das Stichwort „Weltsystem, Weltsystemtheorie“ in diesem Heft, S. 397ff). Zudem entwickelt Moore die Weltsystemanalyse sozial-ökologisch weiter. In seinen umwelthistorischen Analysen zeigt er materialreich, wie die ersten Ressourcen-Frontiers nicht nur die sozialen Verhältnisse in den Amerikas tiefgreifend veränderten und zerstörten, sondern damit verbunden auch die Ökosysteme (vgl. Moore 2003). Diese tiefgreifenden sozial-ökologischen Umbrüche betreffen aber nicht nur die kolonisierten Peripherien, sondern auch die kapitalistischen Zentren. Mit der Herausbildung des Kapitalismus und den damit verbundenen Stoffströmen und Ausbeutungsverhältnissen entstand eine Weltökologie (ebd.).

Dennoch ist der Erklärungsgehalt dieses Ansatzes für die Ausgangsfragen des vorliegenden Artikels begrenzt, da Moore auf einer sehr hohen Abstraktionsebene ansetzt und mit ihm die widersprüchlichen Dynamiken in Amazonien nicht erklärt werden können. Wie ich bereits in der Einleitung problematisiere, erkennt Moore zwar die Akteur*innen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen um Ressourcen-Frontiers an, berücksichtigt sie aber nicht ausreichend in seiner Analyse. Deshalb schlage ich vor, den Frontier-Begriff mit einer akteurszentrierten Interpretation der fortgesetzten ursprüngliche Akkumulation weiterzudenken, wie sie Massimo De Angelis (2001) skizziert. Diese Perspektive setzt voraus, dass stärker als die Herstellung und die Aneignung von Ressourcen, die damit verbundenen Trennungsprozesse der Produzent*innen von ihren Produktionsmitteln (im hier behandelten Fall: Land) untersucht werden (ebd.; Görg 2004; Kößler 2013). Die Trennungen folgen aber keinem Naturgesetz, sondern werden mittels nicht-ökonomischer Mittel (wie physische Gewalt oder Gesetzesänderungen) durchgesetzt. Der Staat spielt hierbei – wie schon Karl Marx im klassischen Kapitel hervorhebt (vgl. Marx 1973 [1867]) – eine zentrale Rolle.

Am Ende solcher Trennungsprozesse werden nicht nur kapitalistische Lohnverhältnisse etabliert oder tiefgreifend restrukturiert, wie sie sich in Westeuropa durchgesetzt haben. Diverse Autor*innen aus dem Forschungsfeld zum Weltsystem haben gezeigt, dass der Kapitalismus auch verschiedenste Formen der unbezahlten Arbeit hervorgebracht hat – von der Sklaverei, über Schuldknechtschaftssysteme bis zur Hausfrauenarbeit (vgl. etwa Werlhof u.a. 1988). Eine fortgesetzte ursprüngliche Akkumulation findet somit auch dann statt, wenn es zu Neukombinationen dieser Ausbeutungsverhältnisse kommt. Beispielsweise können Plantagenarbeiter*innen unter ihren Reproduktionskosten bezahlt werden, wenn sie sich mit Hilfe eines Gemüsegartens und der Einbindung der unbezahlten Arbeit von Frauen und Kindern ernähren können (Meillassoux 1978). Eine Trennung im Sinne der fortgesetzten ursprünglichen Akkumulation findet aber auch dann statt, wenn Menschen von ihrem Land vertrieben werden und sie überhaupt keine Aussicht auf Lohnarbeit oder einer unbezahlten Tätigkeit zur eigenen Reproduktion haben. Laut Saskia Sassen (2014) handelt es sich hierbei um die „Ausgestoßenen“ der globalen Ökonomie.

Was die Ressourcen-Frontiers als Variante der fortgesetzten ursprünglichen Akkumulation von anderen Akkumulationsformen unterscheidet, ist, dass sie die vorhandenen sozialen Milieus und Eigentumsverhältnisse erstmalig oder auf eine neue Art und Weise für eine bessere Mehrwertabschöpfung tiefgreifend restrukturiert (Görg 2004). Wichtig für meine Analyse ist nun, dass diese Trennungsprozesse in Anschluss an De Angelis als umkämpft und die kapitalistischen Entwicklungen deshalb grundsätzlich als kontingent und ergebnisoffen aufgefasst werden. Ein Trennungsprozess kann somit von widerständigen Akteur*innen aufgehalten werden. Umgekehrt können aber auch soziale Barrieren (z.B. die Demarkierung Indigener Gebiete), die schon mal von sozialen Bewegungen erfolgreich gegen die Ausweitung kapitalistischer Arbeits- und Eigentumsverhältnisse durchgesetzt worden sind, erneut unter den Trennungsdruck einer Ressourcen-Frontier geraten (De Angelis 2001: 13).

Diese Perspektive auf die Akteur*innen und ihre Auseinandersetzungen verknüpfe ich mit Ansätzen der Politischen Ökologie zur Ressourcen-Frontier (Schmink & Wood 1992; Peluso & Lund 2011; Rasmussen & Lund 2018). Diese rücken die Konflikte von Akteur*innen um neue kapitalistische Aneignungs- und Einhegungsprozesse von Ressourcen, insbesondere von Land, in den Mittelpunkt der Untersuchung. Wie die Autor*innen für die empirische Untersuchung spezifizieren, geht es bei den Auseinandersetzungen letztlich um die Kontrolle über Landzugang und -nutzung. Denn wie Nancy Peluso und Christian Lund hervorheben:

„[...] Grenzen der Landkontrolle werden aktiv durch Kämpfe geschaffen, an denen verschiedene Akteure [sic!], Kontexte und Dynamiken beteiligt sind. Diese geschaffenen Grenzen sind keine Orte, an denen ‚Entwicklung‘ und ‚Fortschritt‘ auf ‚Wildnis‘ oder ‚traditionelles Land und Völker‘ treffen. Es sind Orte, an denen Autoritäten, Souveränitäten und Hegemonien der jüngsten Vergangenheit durch neue Einhegungen, Territorialisierungen und Eigentumsregimes in Frage gestellt wurden oder werden.“ (Peluso & Lund 2011: 668; eigene Übersetzung)

Die Frontiers sind somit dynamische Konflikträume. Sie sind verortet und schreiben sich in die Landschaften ein. In neuen Abholzungsschneisen oder Infrastrukturprojekten (Straßen, Wasserkraftwerken) werden sie erfahrbar (vgl. Torres 2005a; Tsing 2003). Die gesellschaftlichen Konflikte beschränken sich aber nicht auf diese Orte der Ressourcen-Frontiers, da sie verschiedene Akteur*innen sowie lokale, nationale und global politische Entscheidungs- und Aushandlungsebenen involvieren. Wie Anna Lowenhaupt Tsing (2003: 5101f) schreibt, sind Ressourcen-Frontiers in ihren räumlichen und zeitlichen Verläufen notorisch instabil. Die Analyse muss deshalb den spezifisch historischen Kontext der Konflikte um Land berücksichtigen.

2.1 Analyserahmen

Zusammengefasst begreife ich Ressourcen-Frontiers als kapitalistische Vereinnahmungsdynamiken neuer Bereiche und Milieus, die umkämpft und entsprechend ergebnisoffen sind. Sie beschränken sich nicht nur auf Peripherien im kapitalistischen Weltsystem, sondern expandieren auch in kapitalistischen Zentren.[6]

In der Analyse von Frontiers der Landkontrolle muss gezeigt werden, dass erstmalige oder neuartige Trennungsprozesse von Land durch Landraub oder/und Privatisierung ausgelöst werden (oder explizit geplant sind), die mit einem tiefgreifenden sozialen Wandel der vorhandenen Eigentumsordnungen und Landnutzungsformen verbunden sind. Im Fokus der Analyse stehen somit neben den Trennungsprozessen auch die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen um anvisierte Trennungen von Akteur*innen z.B. von ihrem Land durch Raub oder Verdrängung durch die Durchsetzung privater Landeigentumsverhältnisse. Ob es sich um neue Dynamiken an der Frontier handelt, muss zudem historisch sensibilisiert untersucht werden. Dabei muss herausgearbeitet werden, inwieweit neue nicht-ökonomische Mechanismen der Trennung (in diesem Fall des Landraubs) zum Tragen kommen.

Eine weitere wichtige Dimension zur Untersuchung von Frontiers ist der Staat. Entsprechend ist er – vermittelt über Institutionen, Förderprogramme oder Gesetze – ein wichtiger Akteur der Frontier, auch wenn er in vielen Landkonflikten abwesend erscheint (Peluso & Lund 2011). Wie die letzten Jahrhunderte gezeigt haben, ist der Staat entscheidend, um Privatbesitz als dominante Eigentumsform durchzusetzen (ebd.: 674). Der Staat fördert Mechanismen der Trennung wie Gesetze, Entwicklungsprojekte oder Raumplanungsinstrumente. Damit kann er Einhegungen in Gang setzen etwa in Verbindung mit Vertreibungen oder Umsiedlungsprojekten. Diese Praktiken und Institutionen sind ein staatlicher Versuch der Territorialisierung der Frontiers, um die Kontrolle über die Akteur*innen, Ressourcen und Landnutzung zu gewinnen (Rasmussen & Lund 2018). Gleichzeitig ist der Staat kein Monolith, sondern selbst Terrain gesellschaftlicher Auseinandersetzungen darum, welche Ressourcen von wem wie angeeignet werden dürfen. In der Analyse muss untersucht werden, welche Rolle der Staat an der Frontier einnimmt bzw. ob und wie er über Umwelt- und Landgesetze, Entwicklungsprojekte und Institutionen versucht, die Landnutzung der Akteur*innen zu kontrollieren (vgl. Peluso & Lund 2011) – indem er je nach Kräfteverhältnissen Landraub über private Landtitel legalisiert oder ahndet.

Schließlich umfasst der Analyserahmen auch eine diskursive Dimension. Diese ist kein Reflex der ökonomischen Basis, sondern hat im Gegenteil ihre Eigenlogik. Anstatt die dualistischen Vorstellungen von „Gesellschaft“ vs. „Natur“, „Zivilisation“ vs. „Wildheit“ und „Moderne“ vs. „Tradition“ zu reproduzieren, sind sie Untersuchungsgegenstand. Denn diese Konstruktionen machen erst eine Region zur „Frontier“ und wirken sich auch auf die Austragungsweise der Konflikte aus. Denn wenn Regionen als „leer“, „wild“ und „unzivilisiert“ konstruiert werden, können sich mächtige Akteur*innen aus den Bereichen Landspekulation, Holzindustrie, Bergbau u.a. über die bereits bestehenden Ansprüche und Landrechte – teilweise gewaltsam – hinwegsetzen, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden. Als Kontaktraum zwischen unvereinbaren Ansprüchen und Weltsichten sind Frontiers insbesondere für die Gruppen traumatisch und existenziell, die im Grenzraum als „wild“ und „unzivilisiert“ abgewertet werden (Tsing 2003; Martins 2009). Konkret muss somit auch untersucht werden, wie Amazonien von wem als Ressourcen-Frontier konstruiert wird.

Diesen hier entwickelten Analyserahmen wende ich im nächsten Kapitel an, um die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen um die Kontrolle über Landnutzung zu untersuchen. Um herausarbeiten zu können, was neu oder was eher Kontinuität an den aktuellen Konfliktdynamiken darstellt, kontextualisiere ich die Landverhältnisse und Mechanismen des Landraubs historisch in einem Zeitraum zwischen 1964 bis 2022. Um die Veränderungen abbilden zu können, habe ich folgende Periodisierung vorgenommen[7]:

  • Zunächst skizziere ich die Frontier-Dynamiken während der Militärdiktatur zwischen 1964 und 1985 (3.2). In dieser Phase nimmt der Staat erstmals eine Schlüsselrolle bei der Vermittlung zwischen Amazonien und internationalen Märkte ein (vgl. Bunker 1984: 1038f). Erklärtes Ziel der Militärs ist es zum Zeitpunkt, die periphere Amazonasregion ökonomisch in den Nationalstaat zu integrieren. Dabei wird Amazonien vom Staat als leere Frontier konstruiert (ebd.).
  • Anschließend fasse ich die demokratische Wende ab der progressiven Verfassung von 1988 und der Etablierung des Projektes einer nachhaltigen Entwicklung zusammen. Wie ich zeigen werde, wurden in diesem Zeitraum zahlreiche soziale „Barrieren“ gegen den Landraub im Kontext von Ressourcen-Frontiers etabliert, bspw. die Ausweitung kollektiver Landtitel. Gleichzeitig wurden diese Errungenschaften konterkariert durch marktbasierte Umweltschutzmechanismen, die „grüne“ Frontier-Dynamiken auslösten (3.3 & 3.4).
  • Zum Schluss gehe ich auf die Frontier-Dynamiken ein, wie sie ab 2019 unter der Regierung des rechtsradikalen Präsidenten Bolsonaro bis zu seiner Abwahl im Oktober 2022 beobachtet werden konnten (3.5).

3.  Alte und neue Frontiers und Widerständigkeiten in Amazonien

3.1 Einführung: Die „Landfrage“ in Brasilien

Das Rechtsgebiet Amazonien (Amazônia Legal) setzt sich aus neun Bundesstaaten zusammen und umfasst etwa 59 % des brasilianischen Nationalterritoriums. Amazonien ist – wie der Großteil Brasiliens – von einer hohen Landkonzentration in Form von Großgrundbesitz geprägt.[8] Diese große Konzentration von Land wurde bereits in den Kolonialzeiten etabliert und ist eine der historischen Ursachen für die eklatanten sozialen Ungleichheiten in Brasilien. Ab 1850 wurde das Lehenssystem der Seismarias von einem Landgesetz (Lei de Terras; Gesetz Nr. 601) abgelöst, das den Landkauf ermöglichte und damit Land als Privatbesitz etablierte.[9] Landkauf in Kombination mit privaten Eigentumstiteln war damit in großen Teilen Brasiliens den männlichen Großgrundbesitzern vorbehalten. Nach der Abschaffung der Sklaverei im Jahr 1888 war es den ehemaligen Sklav*innen deshalb nur in Ausnahmefällen möglich, Land zu erwerben. Das erklärt, warum die afrobrasilianische Bevölkerung bis heute überproportional wenig Land besitzt; Frauen sind dabei besonders benachteiligt.[10] Mit Ausnahme von Südbrasilien, wo europäische Kleinbauern und -bäuer*innen angesiedelt wurden[11], entstanden in Zentral-, Nordost- oder Nordbrasilien kleinbäuerliche Landnutzungsformen auf den Subsistenzflächen von Sklav*innen, widerständigen entflohenen Sklav*innen (quilombolas) oder Landlosen in Grenzgebieten zwischen Großgrundbesitztümern (Fazendas), auf an den Staat zurückgefallenen Flächen bzw. Staatsland (terras devolutas), in noch nicht erschlossenen Regionen oder in Ungunstlagen. Sie produzierten schon zu Kolonialzeiten hauptsächlich die regional konsumierten Nahrungsmittel wie Maniok, Bohnen oder Reis. Die kleinbäuerliche Landwirtschaft ist somit nicht der Vorläufer der großflächigen Landwirtschaft, sondern entstand bereits in der Kolonialzeit dort, wo der Großgrundbesitz Lücken ließ oder in der Krise war (Treccani 1998: 60). Bis heute sind viele Kleinbauen und -bäuer*innen insbesondere in den peripheren Regionen Brasiliens im Norden oder Nordosten nicht die Eigentümer*innen des bewirtschafteten Landes, sondern Landbesitzer*innen mit Gewohnheitsrechten, posseiros genannt. Diese Gewohnheitsrechte sind aber gesetzlich abgesichert. Posseiros, die nachweislich ihr Land schon länger nutzen, sind rechtmäßige Besitzer*innen ihres Landes. Sie stehen aber trotzdem immer wieder im Fokus von Landraub und teilweise gewaltsamen Verdrängungen durch Großgrundbesitzer*innen und Landspekulant*innen.

Mit der Etablierung des Landgesetzes entstand gleichzeitig eine spezifische Praxis des Landraubs: grilagem. Der brasilianische Begriff geht auf die Praxis zurück, dass die grileiros (Akteure der grilagem wie Landspekulanten) gefälschte Urkunden über Landeigentum mit einer Grille in eine Schublade steckten. Das Sekret der Grille ließ das Papier alt und damit „echt“ aussehen. Laut Maurício Torres ist der Kern der grilagem nicht der Raub von Land, sondern die Transformation einer illegalen Aneignung in einen legalen Anspruch auf Land in Form eines privaten Eigentumstitels (Torres 2018). Anders als der posseiro ist der grileiro somit nicht legaler Besitzer des Landes. Über die Jahrhunderte hat sich die Technik der grilagem bewährt, den Landraub mit legalen Mitteln wie Schenkung oder Vererbung zu kombinieren und damit zu verschleiern. Über einen längeren Zeitraum wird es dadurch immer schwieriger, die grilagem rückgängig zu machen (Holston 2008 in Torres 2018: 11). Durch Amnesien und Anpassungen von Land- und Umweltgesetzen wurde die Praxis der grilagem regelmäßig in der Geschichte Amazoniens legalisiert (ebd.). Grilagem ist der zentrale Mechanismus des Landraubs in Amazonien, der sich den technologischen Möglichkeiten im historischen Verlauf angepasst hat. Heute bedienen sich die grileiros digitaler Landkatastersysteme (Torres 2018).

Die Abholzungsraten hängen laut Torres direkt mit Landraub zusammen, denn um Land in Privatbesitz nehmen zu können, muss die Landfläche vor der Urkundenfälschung abgeholzt und damit produktiv gemacht werden (Torres u.a. 2017). In der brasilianischen Verfassung von 1988 ist nämlich festgelegt, dass jegliches Eigentum in der Stadt und auf dem Land eine soziale Funktion hat. Dies bedeutet, dass Land wieder an den Staat zurückfällt und neu verteilt wird, wenn es nicht landwirtschaftlich genutzt wird.[12]

Der Widerspruch zwischen Großgrundbesitz/grileiros einerseits und posseiros und Indigenen andererseits führt seit Kolonialzeiten zu Konflikten. Die Geschichte des Landraubs im Zusammenhang mit Ressourcen-Frontiers und der grilagem war von Anfang an auch eine Geschichte der Widerständigkeiten gegen Landraub und Vertreibung mit unterschiedlichem Ausgang.[13] Diesen Aspekt werde ich im folgenden Kapitel vertiefen.

3.2 Frontier-Dynamiken während der Militärdiktatur

Die Amazonasregion ist seit Kolonialzeiten im Fokus kapitalistischer Erschließungsstrategien. Wichtige Güter für den Weltmarkt waren neben Waldprodukten bis Anfang des 20. Jahrhunderts die Kautschukproduktion für die wachsende Automobilbranche in den kapitalistischen Zentren (vgl. etwa Bunker 1985; Costa 1989). Doch erst die Militärdiktatur (1964-1985) initiierte eine ökonomische Erschließungspolitik in vorher unbekanntem Ausmaß. Heute sind Ressourcen und Produkte Amazoniens in diverse globale Wertschöpfungsketten integriert – vom Abbau von Bauxit oder Kupfer über Super Food wie die Palmfrucht Açai bis zu Rindfleisch. Ziel der Militärs war es, das von Getúlio Vargas bereits in den 1940er Jahren initiierte Projekt umzusetzen, Amazonien nationalstaatlich zu integrieren (Abbrex Jr 2005: 32-37). Dabei konstruierten sie Amazonien als „geschichtslose“ und „leere“ Frontier-Region mit großen (Boden-)Schätzen, die für die ökonomische Entwicklung des Landes erschlossen werden müsse (Bunker 1984). Über einen Zeitraum von etwa zwei Jahrzehnten wurden verschiedene Erschließungsprojekte initiiert (Neuburger 2002: 72), mit denen unterschiedliche geostrategische, macht- und entwicklungspolitische Ziele verfolgt wurden (Schmink & Wood 1992):

  • Die Landkonflikte im Süden und Nordosten Brasiliens sollten entschärft werden, indem die Landlosen in der angeblich menschenleeren Amazonasregion angesiedelt werden sollten. Die durch den Militärputsch verhinderte Agrarreform wurde auf diese Weise auf eine Agrarkolonisierung Amazoniens verlagert (Treccani 1998: 98; Oliveira 2005).
  • Das eigene Klientel und Bündnispartner*innen aus privatwirtschaftlichen Kreisen und Eliten der südöstlichen Metropolen Brasiliens sollten über großzügige fiskalische Anreize und die Einrichtung der Freihandelszone Manaus zu Investitionen angeregt werden (Coy 1988: 33ff).
  • Über die infrastrukturelle Erschließung, Besiedlung und Inwertsetzung der Region sollten geopolitische Interessen zur Absicherung des nationalstaatlichen Territoriums und des direkten Zugriffs auf die Ressourcen (Land, Holz, Bodenschätze) durch die Zentralregierung abgesichert werden. Ziel war dabei auch die Verhinderung der Vereinnahmung der Region durch ausländische Kräfte und Interessen (Schmink & Wood 1992: 58f). Es handelte sich somit um ein umfassendes staatliches Territorialisierungsprojekt.

Zwar förderten die staatlichen Entwicklungsprogramme die kleinbäuerliche Landwirtschaft durch Agrarreform-Siedlungsprojekte (assentamentos). Im Fokus standen aber der (inter-)nationale Privatsektor und die Umsetzung einer wachstums- und exportorientierten Modernisierungsstrategie (Neuburger 2002: 73). Die Siedlungsprojekte auf der einen Seite und fiskalische Anreize für Investitionen und Bodenspekulation auf der anderen Seite schürten diverse Konfliktkonstellationen – auch zwischen den kleinbäuerlichen und Indigenen Gruppen (Schmink & Wood 1992; Schönenberg 1993). Mechanismen des Landraubs waren neben Urkundenfälschung auch der Einsatz von Gewalt wie die Zerstörung von Wohnhäusern oder Anbauflächen oder der Einsatz von Auftragsmördern (ebd.). Treiber dieser Frontier-Dynamiken waren neben Landspekulanten und Abenteurern auch internationale Unternehmen aus den Bereichen Bergbau oder Automobil (vgl. Bunker 1984).

Kommentator*innen beschrieben dieses große staatlich initiierte Erschließungsprojekt als „greatest land rush since the settling of the American West“ (Washington Post, zitiert in (Browder u.a. 2008: 1474). Doch entgegen der Erwartungen der Militärs scheiterte dieses Projekt nicht nur an der ökomischen Krise Brasiliens (Cleary 1993), sondern auch an den Widerständigkeiten unterschiedlicher amazonischer Gruppen und sozialer Bewegungen (Schmink & Wood 1992). Entgegen der pessimistischen Annahmen einer unaufhaltsamen Frontier, die erst zu einem Ende kommt, wenn sie sich schließt (vgl. etwa Foweraker 1981), setzte sie sich keineswegs flächendeckend durch. In vielen Regionen Amazoniens konnten sich die Indigenen, die sogenannten traditionellen Gemeinschaften und die kleinbäuerlichen posseiros behaupten. Dadurch konnten auch die Abholzungsraten gesenkt werden, weil ihre Landnutzungsformen den Wald eher schonen.

3.3 Gesellschaftliche Einhegungen der Ressourcen-Frontiers ab den 1990er Jahren

Nach dem Ende der Militärdiktatur und der Verabschiedung der progressiven brasilianischen Verfassung aus dem Jahr 1988 wendete sich das Blatt. In den 1990er Jahren setzte sich die Nachhaltige Entwicklung als Leitziel der Regionalplanung für das Amazonasgebiet durch. Bekräftigt wurde diese Entwicklungsperspektive im Jahr 1992 mit der UN-Nachhaltigkeitskonferenz in Rio de Janeiro. Es wurden neue kollektive Eigentumstitel auf der Basis der neuen brasilianischen Verfassung geschaffen und mit dem ökologischen Ziel des Waldschutzes verbunden: Die Demarkierung von Naturschutzgebieten, Extraktionsreservaten für Kautschuk- oder Paranuss-Sammler*innen (reservas extrativistas), Territorien Indigener Völker und sogenannter traditioneller Gemeinschaften wie die Nachfahren widerständiger Sklav*innen (quilombos) sollten eine ressourcenschonende Nutzung sicherstellen (Neuburger 2002: 77). Diese Landzugangs- bzw. Eigentumsrechte sind mit spezifischen Landnutzungen verbunden: Kollektiv tituliertes Land darf nur „traditionell“ genutzt werden und ist dauerhaft dem Landmarkt und der Agrarindustrie entzogen. Traditionell heißt in diesem Zusammenhang, dass nur schonende Ressourcen- und Landnutzungsformen zulässig sind, die sich in dem jeweiligen historischen, regionalen und kulturellen Kontext herausgebildet haben (Almeida 2010a). Traditionell oder Indigen ist demzufolge keine statische Zuschreibung, sondern basiert auf einer Selbstidentifikation. Die mit dieser Identifikation verbundenen kollektiven Landrechte werden in einem rechtlichen Rekonstruktions-, Anerkennungs- und Demarkationsprozess durch die zuständigen staatlichen Behörden anerkannt (ebd.).

Damit wurden effektiv gesetzliche Barrieren gegen die fortschreitende Privatisierung und Enteignung der genannten Gruppen in Amazonien eingezogen. Heute sind etwa 21 % der Fläche Amazoniens im privaten Eigentum (ca. 82 Mio. Hektar). Die Landnutzung auf Land in Privateigentum ist in ganz Brasilien über das Waldgesetz (Código Florestal, Gesetznr. 12.651/2012) geregelt; in der Amazonasregion muss 80 % der Fläche bewaldet sein oder wieder aufgeforstet werden. Der Großteil der Fläche des brasilianischen Amazonasbeckens (71,5 %) ist öffentliches bzw. staatliches Gebiet, das sich aus Schutzgebieten, Indigenen Territorien, Agrarreformsiedlungen, quilombola-Territorien und Militärzonen zusammensetzt. Bei der restlichen Fläche handelt es sich um unbestimmtes Land (terras não destinadas), in dem die Landbesitzverhältnisse nicht geklärt sind (vgl. Brito u.a. 2021).

Die Abholzungsrate fiel zwischen 2004 und 2014 um 82 %, was ein großer Erfolg war und unter anderem auf die Demarkierung von Gebieten Indigener Völker oder traditioneller Gemeinschaften zurückgeführt werden kann. Denn in diesen Gebieten wird der Wald nachweislich am besten geschützt (ebd.).[14]

Diese Erfolge bei der Anerkennung der Landrechte von Territorien traditioneller Gemeinschaften und Agrarreformsiedlungen sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie von Anfang an auf große Widerstände ländlicher Eliten, des Agrobusiness oder von Holzkonzessionären gestoßen sind (Torres 2005b; Almeida 2010b). Die brasilianische Agrarlobby bekämpfte sie von Anfang an über Gesetzesinitiativen oder Kampagnen gegen angeblich illegitime Sonderrechte, die einer Entwicklung Brasiliens entgegenstehen würden (Acselrad 2012; Almeida 2010b). Ein zentrales Argument gegen die weitere Demarkierung Indigener und traditionelle Gemeinschaften war, dass es sich hierbei nicht mehr um „echte“ Indigene Völker und traditionelle Kulturen handeln würden (Brum 2020). Die Demarkierung von Schutzgebieten und Indigener Territorien ebenso wie die Einrichtung von Agrarreformprojekten rückten aufgrund der politischen und ökonomischen Machtkonstellationen während der Regierungszeit der Arbeiterpartei PT zunehmend in den Hintergrund. Insbesondere unter der Regierung von Dilma Rousseff (2011-2016) waren die Anzahl der Demarkierungen und Titulierungen von Agrarreformsiedlungen, Indigenen und traditionellen Gebieten verglichen mit Lula und seinem konservativen Amtsvorgänger Fernando Henrique Cardoso (1995-2003) rückläufig.[15] Gleichzeitig nahmen die extensiven Viehweiden, der Sojaanbau (Torres & Branford 2018), die Vergabe von Bergbaukonzessionen (Maerba u.a. 2012), der Ausbau von Megainfrastrukturprojekten wie Staudämmen für die Stromerzeugung (u.a. für den Bergbau und den Export von Eisenerzen) und Wasserstraßennetze (Almeida & Carvalho 2009) kontinuierlich zu.

Die Kontrolle über Landzugang und -nutzung blieb somit auch nach der demokratischen Wende Brasiliens in Amazonien Gegenstand gesellschaftlicher Konflikte. Diese wurden verschärft, weil die Landzugangsrechte bis heute vielfach ungeklärt sind. In dem ca. 82 Mio. Hektar umfassenden Gebieten der unbestimmten Flächen (zum Vergleich: Frankreich umfasst 54 Mio. Hektar) konzentrieren sich bis heute die Landkonflikte und die Entwaldung Amazoniens (Fatheuer 2021). Allerdings sind die Eigentumsrechte nicht nur in den unbestimmten Flächen, sondern auch in den Flächen mit privaten Eigentumstiteln zum Teil unklar und Gegenstand von Konflikten. Aufgrund der Praxis der grilagem bzw. des Landraubs über Urkundenfälschung gibt es wesentlich mehr Landbesitzansprüche als Landflächen (Torres 2018).

3.4 „Grüne“ Frontier-Dynamiken

Von Anfang an stand also das Projekt einer nachhaltigen Entwicklung im Widerstreit mit dem Ziel der ökonomischen Erschließung der Ressourcen. Ein großes Problem war, dass die Schutzgebiete keine Gewinnmargen erwirtschaften, die es mit der Landspekulation, Agrarindustrie oder Bergbau aufnehmen konnten (Backhouse & Fatheuer 2021). Parallel zu der Waldschutzstrategie über die Ausweisung von Schutzgebieten wurden deshalb zunehmend marktbasierte Umweltschutzinstrumente wie Kompensationsmechanismen zum Klimaschutz (z.B. CO2-Zertifikatenhandel) von öffentlichen und zivilgesellschaftlichen Akteur*innen diskutiert und etabliert. Viele Akteur*innen von der nationalstaatlichen Ebene bis zur internationalen Umwelt- und Entwicklungspolitik sind nach wie vor überzeugt, dass der Wald nur geschützt wird, wenn er monetarisiert wird und sich Waldschutz ökonomisch lohnt.

Diese marktbasierte Strategie wird im Debattenfeld der Politischen Ökologie seit vielen Jahren in Frage gestellt (s. etwa McAfee 1999; Fairhead u.a. 2012). Zu Amazonien gibt es mittlerweile viele Fallstudien, die diese Bedenken bestätigen. Im Zusammenhang mit der Etablierung des CO2-Zertifikatenhandels kam es etwa zu Ausweitungen von Eukalyptusplantagen. Dabei entstanden „grüne“ Ressourcen-Frontiers. Diese zeichnet aus, dass die Ausweitung von Monokulturen als Umwelt- oder Klimaschutzmaßnahme legitimiert werden (Ferrando u.a. 2021). Die negativen sozial-ökologischen Auswirkungen der Plantagen stellen jedoch den ökologischen Wert der Zertifikate in Frage.

Eine weitere Strategie der progressiven Regierungen war es, die Klärung der Eigentumsverhältnisse über die Vergabe privater Eigentumstitel. Das erklärte Ziel war es die posseiros (bzw. kleinbäuerliche Familien mit Besitzrechten) zu schützen. Zudem sind viele Akteur*innen nach wie vor überzeugt, dass sich Waldschutz nur auf der Basis privater Eigentumstitel überwachen und durchsetzen lässt. Doch auch die Strategie, über die Vergabe privater Eigentumstitel mehr Gerechtigkeit, Wald- und Klimaschutz herzustellen, ist problematisch. Wie der Geograf Maurício Torres in seinen zahlreichen Studien zeigt, führten bisher alle Privatisierungsprogramme durchgehend zu einer Legalisierung und Institutionalisierung von Landraub. Denn sie wurden von den grileiros geschickt zu einem wirksamen Mechanismus der grilagem umfunktioniert. Das Programm Terra Legal aus dem Jahr 2009, das unter der Lula-Regierung umgesetzt worden ist, ist dafür ein eindrückliches Beispiel (Torres 2018). Ziel des Programms war es ursprünglich, die Landrechte von kleinbäuerlichen posseiros über private Eigentumstitel zu regulieren, um Rechtssicherheit zu schaffen. Dafür sollten u.a. alle Landflächen bis zu maximal vier Landeinheiten (módulos fiscais)[16] tituliert werden. Vier Landeinheiten umfassen insgesamt maximal 1.500 Hektar und müssen vor dem Jahr 2004 besetzt worden sein. Das Programm sah ursprünglich vor, dass 85 % der Begünstigten kleinbäuerliche Familien sind. Die Auswertung von Maurício Torres, Juan Doblas & Daniela F. Alarcon (2017: 30) zeigt jedoch, dass die grileiros profitierten: Knapp 6 % der Antragstellenden gehören demzufolge 63 % der titulierten Fläche. Mit Hilfe von Strohmännern (laranjas), die für die Registrierung unterschiedlicher Parzellen von jeweils 1.500 Hektar eingesetzt wurden, gelang den grileiros in großem Stil die rechtliche Absicherung des Landraubs für Grundstücke mit bis zu mehreren 10.000 Hektar Fläche. Das Landlegalisierungsprogramm entpuppte sich somit als wirksamer Mechanismus für die Durchsetzung der privaten Eigentumsordnung im Interesse mächtiger Landbesitzer*innen. Dabei wurden gleichzeitig der Landraub der letzten Jahrzehnte und die damit verbundenen Vertreibungen von kleinbäuerlichen Familien oder Indigenen legalisiert (ebd.).

3.5 Die alten und neuen Frontiers unter Jair Messias Bolsonaro

Seit der Redemokratisierung Brasiliens in den 1980er Jahren wurde kein Projekt der ökonomischen Erschließung Amazoniens in der Größenordnung und Radikalität initiiert wie unter der Regierung Bolsonaros. Dies hatte zunächst machtstrategische Gründe: Laut der Journalistin Eliane Brum war die ökonomische Aneignung der Ressourcen Amazoniens – von den landwirtschaftlichen Böden über den Holzhandel bis zum Bergbau – der kleinste gemeinsame Nenner, um konkurrierende konservative und rechte politische Kräfte zu vereinen (Brum 2020: 109).

Eine Kontinuität zu den Erschließungszielen der Militärs der 1970er Jahre war die Reaktivierung des nationalistischen Projektes, Amazonien ökonomisch zu „integrieren, um [es] nicht [an ausländische Mächte] zu verlieren“ („integrar para não entregar“). Damit sollte die Reaktivierung der Frontier-Konstruktionen der Amazonasregion als „leere, wilde unerschlossene Natur“ für die nationale Entwicklung erschlossen und in Wert gesetzt werden.

Neu an dem Landnahmeprojekt Bolsonaros war, dass die Indigenen, traditionellen und kleinbäuerlichen Landrechte besonders im Fokus dieser vom Staat gestützten Erschließungspolitik standen. D.h. auch sicher geglaubte Landrechte und bereits titulierte Gebiete standen ab 2019 erneut zur Disposition. Damit wendete sich Bolsonaro ausdrücklich gegen die brasilianische Verfassung von 1988 und die Ratifizierung internationaler Normen, wie das Übereinkommen 169 zu den Rechten Indigener Völker (ILO 1989). Hierbei ging es nicht nur um die Erschließung von Bodenschätzen und von Land für das Agrobusiness, sondern auch um die Rücknahme der gesetzlich festgeschriebenen Anerkennung kollektiver Landtitel Indigener und traditioneller Gemeinschaften. Wie Brum verdeutlicht, nahm Bolsonaro eine Verschiebung der Argumentation der alten Rechten vor. Diese argumentierte seit Jahrzehnten, dass die Indigenen von heute keine „echten“ Indigenen mehr seien und entsprechend kein Anrecht mehr auf ihr Land haben sollten. Bolsonaro hingegen leugnete nicht, dass sie Indigene sind, sondern bot ihnen an „Menschen wie wir“ zu werden. Die Landnahme legitimiert er als ein emanzipatorisches Projekt: Indigene sollen das Recht haben ihr Land auszubeuten oder zu verkaufen „wie wir“ (Brum 2020: 109). „Wir“ meint Bolsonaro und die Interessensgruppen, die er vertritt.

Zentrale nicht-ökonomische Mittel des Landraubs waren hierbei erstens die verbalen Angriffe seitens des Präsidenten und seiner Kabinettsmitglieder, die den grileiros Straffreiheit für Landraub suggerieren und soziale Bewegungen als terroristisch kriminalisieren.[17]

Zweitens war die Aushöhlung von staatlichen Institutionen, die für die Durchsetzung Indigener, traditioneller und kleinbäuerlicher Landrechte verantwortlich sind, ein sehr effektiver nicht-ökonomischer Mechanismus des Landraubs. Darunter fasse ich die Strategie, Leitungspositionen mit Vertreter*innen aus dem Militär, der Polizei oder des Agrobusiness-Umfeldes zu besetzen oder die Institutionen mit Sparmaßnahmen oder Verschiebungen der Zuständigkeiten handlungsunfähig zu machen. Ein Beispiel ist etwa die Besetzung der Leitungsposition der Indigenenbehörde FUNAI (Fundação Nacional do Índio) mit einem Mitglied der Agrarlobby im Parlament (Bancada Ruralista). Diese Sabotage staatlicher Institutionen von innen paralysierte effektiv die ausstehenden Titulierungen Indigener Territorien.[18]

Drittens waren Gesetzesinitiativen ein weiterer „klassischer“ Mechanismus der Landnahme, wie sie schon Marx in seinem Kapitel zur sog. ursprünglichen Akkumulation beschrieben hat. Ein Beispiel ist die Gesetzesinitiative mit dem Namen „Provisorische Maßnahme 910“ (Medida Provisória), die Bolsonaro noch kurz vor Weihnachten 2019 auf den Weg brachte. Es sollte das Landtitulierungsprogramm Terra Legal (s. oben) ablösen, indem die Titulierung von Privatbesitz für noch größere Flächen – statt vier nun 15 Landeinheiten ohne Vorortkontrolle – weiter vereinfacht werden sollte. Möglich sollte das für Flächen werden, die bis 2018 in Besitz genommen worden waren. Die Registrierung des Landes sollte lediglich online erfolgen; ein Eigentumsnachweis wäre nicht erforderlich gewesen. Letztlich wäre der Landraub der letzten Jahre legalisiert worden. Doch diese Gesetzesinitiative löste als „Gesetz für Landraub“ weltweite Proteste aus. Letztlich scheiterte sie an den großen Widerständen aus der brasilianischen Gesellschaft und dem Kongress. Offiziell wurde das Dekret des Präsidenten mit Verweis auf die Pandemie nicht in den Abstimmungsprozess gegeben. Der Vorstoß war damit aber noch nicht vom Tisch: die Inhalte wurden in dem Gesetzesentwurf PL 2.633/20 (Projeto de Lei) weiterverhandelt. Wie es damit in einer neuen Regierung weitergeht, wird sich noch zeigen.

Wie die (vorerst) gescheiterte Gesetzesinitiative verdeutlicht, blieben die Vorstöße der Bolsonaro-Regierung weder innerhalb noch außerhalb des Parlaments unwidersprochen. Seit der Wahl Bolsonaros gab es neben zahlreichen Großprotesten diverser sozialer Bewegungen die größten Mobilisierungen Indigener im ganzen Land (vgl. CPT 2022). Wie es auf diesen unterschiedlichen Ebenen der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen um die Ausweitung oder sozialen Einhegung der Ressourcen-Frontiers – insbesondere der Ressource Land – weitergeht, wird davon abhängen, ob es Lula und den sozialen Bewegungen gelingt, ab dem Jahr 2023 eine andere Amazonaspolitik gegen die mächtigen Verbündeten Bolsonaros im Parlament und der tief gespaltenen Gesellschaft[19] durchzusetzen.

4.   Schlussfolgerungen für den Wald- und Klimaschutz in Amazonien

Das gesamte Amazonasbecken steht seit Jahrhunderten unter dem Druck von Frontier-Dynamiken. Diese Dynamiken wurden ausgelöst und angeheizt von der Nachfrage und dem Ressourcenverbrauch der kapitalistischen Zentren Europas, Nordamerikas, aber auch Brasiliens (vgl. Bunker 1984). Diese Dynamiken waren stets umkämpft. Sie führten deshalb keineswegs zu einer vollständigen politischen und ökonomischen Vereinnahmung der Region, der Durchsetzung der kapitalistischen privaten Eigentumsordnung oder zu einem Verschwinden oder Assimilierung der Indigenen und traditionellen Gemeinschaften. Vielmehr gelang es widerständigen Akteur*innen wie Indigenen, traditionellen oder kleinbäuerlichen Bewegungen immer wieder erfolgreich gesetzliche und soziale Barrieren gegen die Einhegung und Enteignung im Kontext von Ressourcen-Frontiers durchzusetzen. Diese Geschichte der Widerständigkeiten verdeutlicht, dass fatalistische Erzählungen von der unaufhaltsamen Zerstörung Amazoniens nicht nur falsch, sondern auch gefährlich sind. Denn sie verdecken konkrete Anknüpfungspunkte für eine alternative Entwicklung Amazoniens jenseits seiner ökonomischen Erschließung.

Die historische Kontextualisierung der Mechanismen des Landraubs in Amazonien hat gezeigt, was „neu“ und „alt“ an den aktuellen Dynamiken der letzten vier Jahre ist. Die Mechanismen der grilagem unter der Bolsonaro-Administration weisen viele Kontinuitäten auf, denn sie kombinieren weiterhin illegale und gewaltsame Praktiken mit legalen Instrumenten. Der Landraub ist dann erfolgreich abgeschlossen, wenn er in einen privaten Eigentumstitel überführt worden ist. Mit seiner Rhetorik der Rechtsfreiheit in Kombination mit der Sabotage staatlicher Institutionen von innen und seinen Gesetzesinitiativen heizte die Bolsonaro-Regierung die bereits stattfindenden Landraub-Dynamiken zusätzlich an. Neu ist, dass bereits erkämpfte und durchgesetzte kollektive Landrechte im Fokus dieser Vorstöße standen. Damit standen soziale Barrieren gegen Ressourcen-Frontiers auf der Basis von Landraub unter erneutem Druck. Erste Studien belegen, dass Invasionen oder Landraub in Indigene Territorien zugenommen haben (vgl. etwa Torres 2021).

Inwieweit die ökonomische Erschließung der gesamten Amazonasregion über Ressourcen-Frontiers durch den Bergbau, Holzabbau oder der Agrarindustrie am Ende gelingt oder aufgehalten werden kann, ist genauso wenig wie vor 50 oder 500 Jahren absehbar. Das hängt davon ab, inwieweit es Lula und seinen Verbündeten gelingt, die Entwicklungen der letzten Jahre aufzuhalten. Allerdings steht nicht nur der mühsame Wiederaufbau der sozial- und umweltpolitischen Institutionen an. Vielmehr müssen auch die marktbasierten Landreform- und Umweltschutzprogramme hinterfragt werden, die während Lulas letzter Präsidentschaft (2003-2010) etabliert worden sind. Die Untersuchungen der Praxis der grilagem verdeutlicht, dass marktbasierte Landreform- und Umweltschutzansätze entgegen der Intention vieler staatlicher Entscheidungsträger*innen und (inter-)nationaler Forscher*innen das Problem der Abholzung bereits vor der Bolsonaro-Regierung nicht lösen konnten. Im oben beschriebenen Fall wurden die sozial-ökologischen Probleme sogar verschlimmert. Bei der zukünftigen Diskussion um Strategien des Wald- und Klimaschutzes muss somit bedacht werden, dass die Abholzung strukturell von Landraub bzw. der illegalen Aneignung von Land verursacht wird. Auch die Forderung nach geregelten privaten Eigentumsverhältnissen ist problematisch. Denn in der Praxis der grilagem ist der illegale Raub seit Jahrhunderten mit Gesetz und staatlichem Handeln verwoben, wie Torres in seinen zahlreichen Arbeiten belegt.

Für die Diskussion um Maßnahmen zum Waldschutz haben diese Einsichten tiefgreifende Folgen. Denn sie stellen alle Instrumente, die auf der Titulierung und Durchsetzung privater Eigentumstitel basieren, in Frage. Bisher scheint die kollektive Titulierung Indigener und traditioneller Territorien und ihr staatlich verbürgter Schutz die beste Strategie für Wald- und Klimaschutz gewesen zu sein. Ein demokratischer Aushandlungsprozess um alternative, nachhaltige Entwicklungswege für Amazonien muss also hier ansetzen.

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Anschrift der Autorin:
Maria Backhouse
maria.backhouse@uni-a.de

https://doi.org/10.3224/peripherie.v42i2.06

 

*       Vielen Dank an zwei anonyme Gutachter*innen, Zelda Wenner, Miriam Friz Trzeciak, Michael Korbmacher und die Peripherie-Redaktion für ihre hilfreichen Anmerkungen und Verbesserungsvorschläge.

[1]       S. dazu die Daten des National Institute for Space Research INPE (Instituto Nacional de Pesquisas Espaciais), http://www.inpe.br/noticias/noticia.php?Cod_Noticia=5294, letzter Aufruf am 9.11.2022.

[2]       „Frontier“ übersetze ich, weil die deutsche Übersetzung „Grenze“ den begrifflichen Dimensionen, wie sie in diesem Abschnitt erläutert werden, nicht gerecht wird (s. dazu das Stichwort „Weltökologie bei Jason Moore“ in diesem Heft, S. 401ff).

[3]       Die männliche Schreibweise wird hier und an anderen Stellen verwendet, um die damit verbundenen Machtverhältnisse zu unterstreichen. Denn die Subjekte der Landnahmen, Eroberungen und Inbesitznahmen sind mit heteronormativen, männlichen und weißen Positionen und Konnotationen verknüpft.

[4]       Ich beschränke mich auf die Frontier-Studien des „frühen“ Moores, d.h. ich klammere seine werttheoretischen Überlegungen in meiner Analyse aus (s. dazu das Stichwort „Weltökologie bei Jason Moore“ in diesem Heft, S. 401ff).

[5]       S. zum berühmten Kapitel zur sogenannten ursprünglichen Akkumulation im ersten Band des Kapitals von Karl Marx etwa Kößler 2013.

[6]       Ein Beispiel ist etwa die Gentrifizierung in den Städten; s. hierzu Smith 1996.

[7]       Ich habe diese Periodisierung gesetzt, um den sozialen Wandel in der Region abbilden zu können. Wie sich zeigen wird, bedeutet diese Setzung nicht, dass es zu völlig neuen Entwicklungen kommt, sondern sich auch Kontinuitäten der sozialen Praktiken des Landraubs (grilagem) abzeichnen.

[8]       In Brasilien kontrollieren knapp 1 % der Landbesitzer*innen etwa 45 % der landwirtschaftlichen Nutzflächen (insb. Viehweiden und Ackerbau) (Oxfam Brasil 2019). Diese Zahlen sind Schätzwerte auf der Basis von Daten des Agrarzensus IBGE von 2006 und 2009 (vgl. https://www.ibge.gov.br/).

[9]       Zum kolonialen seismaria-System, das bereits den großflächigen Landraub etablierte und nach der Unabhängigkeit Brasiliens vom Landgesetz aus dem Jahr 1850 abgelöst wurde, s. Bröckelmann-Simon 1994: 40-47; Assunção 1993: 109-113; Torres 2018.

[10]      Laut Zensus haben in Brasilien nur ca. 19 % der Frauen zumindest anteilig einen Landtitel (vgl. die Aufarbeitung des IBGE: https://censoagro2017.ibge.gov.br/templates/censo_agro/resultadosagro/index.html, letzter Aufruf: 9.11.2022).

[11]      Die Einwander*innen aus Deutschland und Italien wurden in Gebieten angesiedelt, die für den Großgrundbesitz uninteressant waren. Auch in dieser Region entstanden Konflikte um Landnutzungsrechte, weil die Bodenbesitzverhältnisse nicht reguliert wurden und der Bedarf an Land durch die wachsende Bevölkerung zunahm (s. dazu Bröckelmann-Simon 1994: 48-65, sowie den folgenden Abschnitt).

[12]      S. hierzu Artikel 5 Absatz XXIII der brasilianischen Verfassung von 1988.

[13]      Zu den Geschichten der Aufstände und Widerständigkeiten der kleinbäuerlichen Akteur*innen in ganz Brasilien, s. etwa Bröckelmann-Simon 1994; Assunção 1993; Almeida 2008.

[14]      Laut UNDP (United Nations Development Programme) trugen Indigene Schutzgebiete im Amazonasbecken zwischen 2003 und 2016 genauso viel zum Klimaschutz über Waldschutz nachhaltiger Nutzung bei wie das reichste 1 % der Menschheit im selben Zeitraum emittierte (vgl. UNDP 2020: 200f).

[15]      S. dazu die Übersicht des ISA (Instituto Socioambiental) auf der Basis der Daten der Agrarreformbehörde INCRA (Souza 2016).

[16]      Steuereinheiten, die von der Agrarreformbehörde INCRA definiert werden und je nach Region in ihrer Größenordnung variieren.

[17]      Berühmt wurde z.B. Bolsonaros Ausspruch aus dem Wahlkampf: „Nicht ein Zentimeter wird mehr als Indigenes Reservat demarkiert werden.“ (Gortázar 2021)

[18]      Laut der Zeitung Brasil de Fato stehen seit der Ernennung von Marcelo Xavier vor allem unkontaktierte Indigene Völker im Fokus der grileiros. Er arbeitet ihnen zu, indem er etwa den Schutz Indigener Territorien aushebelt, die noch nicht tituliert sind (vgl. https://www.brasildefato.com.br/2022/03/15/sob-bolsonaro-infiltracao-ruralista-transformou-funai-em-ameaca-a-vida-de-indigenas-isolados, letzter Aufruf am 9.11.2022).

[19]      Lula zwar hat die Stichwahl der brasilianischen Präsidentschaftswahl mit 50,9 % knapp gegen Bolsonaro (49,1 %) gewonnen, aber keine parlamentarische Mehrheit. Der knappe Wahlausgang spiegelt die tiefe politische Spaltung der brasilianischen Gesellschaft wider.