Ein Bauer stellt anderen Bauern Fragen. Das ist die Grundidee hinter dem Filmprojekt von Michael Hart. Das Besondere daran: Es geht um den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in den USA. Und die US-Farmer haben einen Rat für ihre europäischen Kollegen: Lasst eure Finger davon!
Interview mit Michael Hart
Michael Hart ist Landwirt im Süden Englands, in Cornwall. Hart ist Vorsitzender der Landwirtschaftsorganisation „Small and Family Farms Alliance“ und des „Rural Cultural Forums“, das versucht, Landwirtschaft, ländliche Kultur und Kunst miteinander zu verbinden. Sein Film über den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in den USA „Farmer to Farmer: GM Crops in the USA”wird im Dezember vollständig im Internet zum kostenfreien Anschauen und Herunterladen zu finden sein.
Warum haben Sie diesen Film gedreht?
Schon seit einigen Jahren verfolge ich die Entwicklungen rund um gentechnisch veränderte Pflanzen in den USA. Ich war in den letzten Jahren mehr oder minder regelmäßig in den Staaten und hatte die Gelegenheit, dort mit Berufskollegen zu sprechen. Mitte der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, als die gentechnisch veränderten Sorten eingeführt wurden, gab es zunächst wenig Opposition. Die meisten Farmer, mit denen ich damals gesprochen habe, fanden diese Sorten wunderbar. Sie machten das Leben einfacher und erleichterten die Arbeit. Es sollten weniger Herbizide eingesetzt werden, das wäre auch für die Umwelt besser. Und so weiter und so fort. Aber mit der Zeit tauchten immer häufiger Probleme auf. Bauern äußerten immer häufiger, dass sie keine transgenen Pflanzen mehr benutzen wollten.
Wissen Sie, in den USA sind mittlerweile etwa 96 Prozent der angebauten Soja gentechnisch verändert. Die exakte Zahl ist mir nicht bekannt, aber gentechnisch veränderte Pflanzen werden dort von mindestens einer Million Farmern angebaut. Natürlich sorgt das für Diskussionen hier in Europa. Da der Anbau für die Bauern dort so vorteilhaft zu sein scheint, wäre es ja dumm, wenn die europäischen Kollegen darauf verzichten würden.
Da ich aber durch meine regelmäßigen Besuche drüben von den Problemen wusste, war es naheliegend, die US-Bauern selbst zu Wort kommen zu lassen. Wenn sie noch einmal die Wahl hätten, würden viele von ihnen den Anbau der gentechnisch veränderten Pflanzen beenden. Ein wichtiger Punkt ist: Viele haben diese Wahl nicht.
So ist also die Idee entstanden, den Film zu drehen. Das Hauptanliegen dabei ist, die Erfahrungen der US-Kollegen an die Bauern hier in Großbritannien oder hier in Europa weiterzugeben.
Mit welchen Schwierigkeiten haben US-amerikanische Bauern hauptsächlich zu kämpfen?
Im Prinzip sind das dieselben Probleme, die man von britischen, von deutschen oder von französischen Farmern zu hören bekommt. Die Bauern haben das Gefühl, dass die breite Öffentlichkeit ihre Sorgen nicht nachvollziehen kann. Sie klagen über die zunehmende Macht der großen Agrar- und Lebensmittelkonzerne, die die Bauern in den unterschiedlichen Regionen der Welt gegeneinander ausspielen. Beispielsweise gilt die Milch der europäischen, der deutschen oder französischen Bauern als zu teuer, weil der Preis in Neuseeland um ein paar Prozentpunkte niedriger liegt. Es ist sehr bedauerlich, dass es so wenig Kooperation zwischen den Bauern der verschiedenen Kontinente gibt.
Das gilt ja auch in Bezug auf den Film: Wenn die US-Farmer wirklich offen über ihre Probleme mit den gentechnisch veränderten Pflanzen reden würden, könnten die Bauern im Rest der Welt hören, was in den USA los ist, und sie würden ihre Finger davon lassen. Das ist völlig klar. Nur haben natürlich die meisten der US-Farmer Angst, in Schwierigkeiten mit den Konzernen zu geraten. Es gibt dort eine sehr stark von Angst geprägte Atmosphäre. Das war ja einer der Gründe, warum ich mit so vielen gesprochen habe - ja sogar sprechen musste, damit überhaupt ein paar darunter waren, die auch vor der Kamera etwas sagen wollten. Insgesamt habe ich ja mit mehr als 60 Menschen, darunter 50 Farmer, gesprochen. Im Film kommen weniger als zehn zu Wort.
Und das Bild war immer das gleiche?
Im Interesse des Films wollte ich sehr gerne mindestens eine Stimme aufnehmen, die etwas Positives über die transgenen Nutzpflanzen sagt. Letztendlich habe ich eine solche Stimme dann auch bekommen, aber dieser Bauer, ein junger, noch nicht so erfahrener Mann und Technikfreund, nutzt die gentechnisch veränderten Sorten und bezahlt deren hohen Preis, ohne dass sie ihm einen Vorteil bringen. Er hatte auf seiner Farm RoundupReady-Mais angebaut, also eine Sorte, die tolerant gegen das Roundup-Spritzmittel ist. Aber er hat Roundup niemals eingesetzt. Er benutzte ein anderes Herbizid, da er mit Roundup-resistenten Beikräutern zu kämpfen hatte. Ich habe ihn natürlich gefragt, warum er diese Maissorte benutzt. Immerhin ist das transgene Saatgut ja auch teurer als konventionelles. Es stellte sich heraus, dass die RoundupReady-Sorten in seiner Gegend mit Abstand die besten Erträge erzielten. Die konventionellen Hybrid-Sorten schnitten deutlich schlechter ab. Dazu muss man wissen, dass Monsanto und andere in den USA in den letzten Jahren viele eingeführte Saatgut-Firmen aufgekauft haben. Deren Know-How bei der Zucht von Sorten ist sehr wichtig für die Konzerne, ihre nicht gentechnisch veränderten Sorten werden aber nicht weiterentwickelt. Die Sorten mit hohem Ertrag werden nur als gentechnisch veränderte Sorten auf den Markt gebracht, so dass die Farmer - so wie eben auch dieser hier in meiner Geschichte - gentechnisch veränderte Sorten nutzen, ohne von der gentechnischen Veränderung selbst etwas zu haben.
Zusätzlich nutzt dieser junge Bauer auf seiner Farm gentechnisch veränderte Bt-Maissorten, die ein Gift gegen den Europäischen Maiszünsler produzieren. Tatsächlich gibt es diese Mottenart auch in den USA. Allerdings gab es auf seiner Farm, die in der dritten Generation, also seit fast hundert Jahren in Familienbesitz ist, nur in drei oder vier Jahren überhaupt ernsthaftere Probleme mit diesem Schädling. In Hinblick auf die Schadensbegrenzung also eine total überzogene Vorsichtsmaßnahme.
In den USA gibt es auch Ernte-Ausfälle durch den Maiswurzelbohrer, aber nur, wenn in mehreren unmittelbar aufeinander folgenden Jahren Mais auf der gleichen Fläche angebaut wird. Mit einer guten fachlichen Praxis ist das kein Problem. Hier stellt sich wiederum die Frage: Warum für eine Technologie bezahlen, die man nicht nutzt?
Gerade das Gespräch mit diesem Farmer war solcherart, dass er in unserem Gespräch zu realisieren schien, dass diese Technologie möglicherweise nicht so sinnvoll ist, wie er bis zu diesem Zeitpunkt gedacht hatte.
Gab es Überraschungen während der Recherche oder den Dreharbeiten?
Ich wusste natürlich, dass mit der Zeit Probleme entstanden sind. Aber ich wusste nicht, wie groß diese Probleme tatsächlich sind. Das war für mich eine echte Überraschung. Bevor ich mit den Interviews begann, war ich fest davon ausgegangen, dass es nicht schwierig sein sollte, Farmer zu finden, die vor laufender Kamera das gentechnische Saatgut loben. Aber dem war nicht so. Das Gegenteil war der Fall. Am Ende konnte ich froh sein, dass ich diesen einen Technikfreund gefunden hatte.
Alle Bauern, mit denen ich gesprochen habe, haben ganz klar und deutlich gesagt: Fangt nicht an mit dieser Technologie! Lasst eure Finger davon! Selbst dieser eine Technikfreund hat nicht explizit dazu geraten, die Technologie zu nutzen. Vielmehr sieht er die gentechnischen Veränderungen als ein Werkzeug unter vielen - one tool in the toolbox - an. Und er war von den Menschen, die ich getroffen habe, sicher derjenige, der den transgenen Sorten am positivsten gegenüberstand.
Ist die weitere Entwicklung in den USA schon abzusehen?
Die Konzerne sind sehr bemüht, diese Technologie in Europa und dem Rest der Welt zu verbreiten, bevor bekannt wird, was in den USA vor sich geht und bevor bekannt wird, dass diese erste Generation gentechnisch veränderter herbizidtoleranter und insektenresistenter Pflanzen ein Flop ist.
Für die USA bedeutet diese Situation meiner Meinung nach, dass wir dort ein tankmixing-System bekommen werden - ein System, in dem die Roundup-resistenten Pflanzen neben dem Roundup zusätzlich mit anderen Unkrautvernichtungsmitteln behandelt werden.(1) Einige Jahre mag das dann gutgehen, bis wir dann auch resistente Unkräuter gegen diese Herbizide finden. Außerdem werden die Konzerne versuchen, Systeme mit gentechnisch veränderten herbizidtoleranten Pflanzen auf den Markt zu bringen, die gegen andere Herbizide tolerant sind.
Ich denke, es ist notwendig, wieder mehr mit der Fruchtfolge verschiedener Nutzpflanzen und dem Einsatz unterschiedlicher Herbizide zu arbeiten. Jedenfalls, wenn wir die Situation aus der Perspektive der konventionellen Farmer betrachten. Man muss sich das auch vor Augen führen: Die Farmer in den USA mögen zum Teil eine Rotation von Nutzpflanzen auf ihren Flächen praktizieren, aber sie wechseln von einer gentechnisch veränderten Roundup-resistenten Sorte, zum Beispiel Mais, zur nächsten
Roundup-resistenten Sorte, zum Beispiel Soja. So werden Resistenzen von Beikräutern geradezu gezüchtet.
Wir hatten unlängst eine Gruppe von Farmern aus Indien zu Besuch, und wir arrangierten ein Treffen mit Farmern aus den USA, um ein bisschen zu diskutieren. Einer der Kollegen aus den USA begann dann zu erzählen, dass seine Farm 3.000 Acre, also etwa 1.400 Hektar groß sei, dass er aber nicht in der Lage sei, mit dem Ertrag seine Familie zu ernähren. Es kam ein bisschen Unruhe auf, weil eine der indischen Bäuerinnen bei dem Übersetzer nachfragen musste. Sie dachte, sie habe die Flächenangabe nicht richtig verstanden. Als sie aber realisierte, dass dem nicht so war, fragte sie nur: „Wie groß ist deine Familie?“ Es zeigte sich im weiteren Verlauf des Gesprächs, dass sie selbst fünf Acre, etwa zwei Hektar, bewirtschaftet und damit eine sechzehnköpfige Familie ernährt.
Das Spezielle an der Situation in den USA ist die Größe der einzelnen Höfe. Ein Farmer bewirtschaft leicht zwei- oder dreitausend Hektar, manchmal auch mehr. Und er hat einen weiteren Job, weil das Geld aus der Landwirtschaft nicht reicht, um seine Familie zu ernähren. Ich finde es unglaublich: Die ganze Welt benötigt Essen. Und diese ganze Arbeit auf einer so großen Farm reicht nicht aus, um genug Geld zu verdienen, damit die eigene Familie ernährt werden kann. Das ist auch ein Punkt, der nach meinem Verständnis mit der schnellen Akzeptanz und Nutzung der Roundup-Technologie zusammenhängt.(2) Ein Farmer sagte mir, diese Technologie mache die Bewirtschaftung so einfach, dass man sich um fast nichts kümmern muss. Solange die Technologie der Herbizid-toleranten Nutzpflanzen an sich funktioniert und keine Probleme mit resistenen Unkräutern auftreten, muss man nichts wissen, man muss sich nicht mit verschiedenen Unkräutern auskennen, gegen die bei konventioneller Anbauweise unterschiedliche Gifte oder andere Maßnahmen eingesetzt werden. Man muss zu einem bestimmten Zeitpunkt das Gift auf den Acker bringen, was oft von einem Lohnunternehmer erledigt wird, und das war’s dann auch. Vor vier oder fünf Jahren brachte es einer der Farmer so auf den Punkt: „Es ist egal, wen ich dafür einstelle, das kann jeder Idiot.” Und das wiederum erleichtert natürlich die Situation für den, der seine Zeit und seine Gedanken neben der Farm auch auf einen zweiten Job aufteilen muss.
In den letzten Jahren höre ich jedoch vermehrt, dass diese Einfachheit des Roundup-Systems nicht mehr funktioniert. Durch die resistenten Beikräuter muss man sich wieder auskennen. Man muss die verschiedenen Gruppen von Gräsern und Kräutern auseinander halten können und wissen, wie man am besten mit ihnen zurecht kommt - sei es durch bestimmte ackerbauliche Maßnahmen, sei es durch spezielle Gifte. Wir dürfen uns da nichts vormachen, die meisten der Landwirte arbeiten konventionell, nicht biologisch.
Wie steht es um die allgemeine Zufriedenheit der Farmer in den USA? Lieben die Farmer ihre Arbeit?
Mein Eindruck ist, dass die meisten von ihnen weiter diese Arbeit machen wollen. Ich würde aber nicht sagen, dass sie hundertprozentig überzeugt sind. Auch wenn nicht alle Befragten im Film in Erscheinung treten wollten, hatte ich doch keine Probleme damit, sie zum Reden zu bringen. Das war einer der Gründe, warum ich diese Interviews selbst machen wollte. Es gibt einen bestimmten Draht von Bauern zu Bauer. Es gibt ein grundsätzliches Verständnis, eine Wahrnehmung für das, was man da tut oder tun muss; worum es in der Landwirtschaft geht. Es entsteht ein völlig anderes Gespräch als mit jemandem, der das nicht aus dieser Perspektive kennt. Für mich gab es viele interessante Dinge zu hören, die nichts mit dem Film zu tun hatten. Richtig zufrieden waren eigentlich nur die beiden Farmer, die nie gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut haben. Sie kaufen ihr Saatgut vermutlich bei einem lokalen Saatgut-Händler und ihre Pestizide bei einem lokalen Pestizid-Händler. Ich glaube man unterschätzt leicht den Einfluss, den die Konzerne auch auf einzelne Menschen ausüben. Bei den Farmern, die GVO anbauen, gab es häufig ein Gefühl von Machtlosigkeit.
Was sagen die Farmer, wenn sie gefragt werden, wer für die Misere verantwortlich ist?
Die meisten denken, dass es zu gleichen Teilen an den Konzernen und der Regierung liegt. Die Konzerne werden von der Regierung unterstützt. Aber es gab auch ein paar wenige, die sagten, dass sie sich damals, vor ihrer Entscheidung für gentechnisch veränderte Sorten, nicht genug damit beschäftigt haben, worum es sich dabei tatsächlich handelt. Viele dachten, es sei einfach eine neue Art von konventionellem Saatgut.
Herr Hart, wir danken für das Gespräch.
Das Interview führte Christof Potthof.
Fußnoten:
(1) In manchen Regionen der USA, in denen Unkräuter bereits resistent gegen Unkrautvernichtungsmittel auf der Basis des Wirkstoffs Glyphosat geworden sind, wird schon jetzt mit diesen Systemen gearbeitet. Zusätzlich zu dem Glyphosat, das weiter gegen die nicht resistent gewordenen Beikräuter eingesetzt werden kann, wird mit spezifischen Herbiziden gegen die Glyphosat-resistenten Beikräuter vorgegangen. Das stellt aber das System aus RoundupReady-Pflanzen und Roundup insofern auf den Kopf, als dass dieses System gerade darauf aufgebaut ist, dass Roundup, als so genanntes Breitband-Herbizid, gegen alle Beikräuter wirkt und nur die Nutzpflanze überlebt, da sie mit den gentechnischen Methoden die Toleranz übertragen bekommen hat.
(2) Gentechnisch veränderte Pflanzen mit einer Toleranz gegen den Herbizid-Wirkstoff Glyphosat können während ihrer Aufwuchsphase mit dem Unkrautvernichtungsmittel Roundup behandelt werden. Roundup und die mittlerweile verfügbaren Generika-Produkte sind Breitbandmittel, die alle Pflanzen abtöten. Nur die gentechnisch veränderten so genannten RoundupReady-Pflanzen bleiben stehen. Für den Landwirt ist das Verfahren sehr einfach, da er nicht, wie sonst üblich, mit so genannten selektiven Mitteln, die zum Beispiel nur gegen Gräser wirken, arbeiten muss.
Nachtrag (nur online): Die Bereitstellung des Films hat sich verzögert.