Übers Geld reden im Buch

in (25.08.2012)

Es ist vielleicht eines der Bücher des Jahres, in dem immer gut lesbar und unumwunden erklärt wird, dass und warum „die wahren Ursprünge des Geldes bei Verbrechen und Vergeltung zu finden sind, bei Krieg und Sklaverei, Ehre, Schuld und Sühne.“ Der Anarchist und Anthropologe David Graeber hat in seiner fulminanten Geschichte der Schulden einige Mythen über den Tauschhandel und die Entstehung des Geldes zerstört und eine fortan unbedingt rezipierenswerte Grundlage für Sozialkritik geliefert (trotz nicht ganz hinreichender Kapitalismusanalyse und eines vielleicht etwas zu essenzialistischen Verständnisses des Staates). Währungen, betont Graeber u.a., dienten stets nicht nur dem Warentausch, sondern vor allem dazu, „Beziehungen zwischen Menschen zu ordnen.“ Dass diese Ordnung immer auch eine geschlechterpolitische ist, kann der Band Gender and Economics aufzeigen. Er ist von der Frage geleitet, wie den „besonderen Qualitäten der Verantwortungs- und Sorgearbeit, die sich nur begrenzt in Geldäquivalenten bewerten lassen“, volkswirtschaftlich und politisch Geltung verschafft werden kann. Für Inwertsetzung und Anerkennung der „sozialen Reproduktion“ wird u.a. das garantierte Grundeinkommen empfohlen – aber schließlich auch nicht weniger als eine „’Neuerfindung’ des Ökonomischen“ (Biesecker/Hofmeister). Der Wirtschaftshistoriker und Imperialismus-Fan Niall Ferguson hingegen findet den Kapitalismus toll. Er erzählt in etwa die Gegengeschichte zu Graeber. Auch er kennt die mesopotamischen Tontafeln (2000 v.u.Z.), die als erste Schuldscheine gelten, und auch er weiß um die Millionen Toten, die der Kolonialismus verursacht hat, etwa durch die Ausbeutung von Silberminen wie denen in der bolivianischen Stadt Potosí. Das Geld bezeichnet er deshalb als „transportable Macht.“ Dennoch schreibt er eine Erfolgsgeschichte, die nebenbei über die „Kommunisten und Anarchisten“ spottet, die hundert Jahre lang von der Abschaffung des Geldes geträumt hätten. Wie das Geld trotz seiner „Charakterlosigkeit“ – also seiner gleich-gültigen, individuelle Unterschiede nivellierenden Funktion – dennoch die „Pflanzstätte des wirtschaftlichen Individualismus und Egoismus“ werden konnte, erklärt der soziologische Klassiker Georg Simmel in seiner wieder aufgelegten Philosophie des Geldes. Über die sozialen Wirkungsweisen von Geld (Simmel) und dessen gesellschaftlich strukturierende Wirkung unterhielten sich auch, angestoßen von Walter Benjamins Aufsatz Kapitalismus als Religion, fünf ältere Herren in der HfG Karlsruhe. Geldmangel, fälschlich gleichgesetzt mit der „Abwesenheit von Kapital“ (Groys), strukturiere unsere Gesellschaft. Ob es Alternativen gäbe? (Jongen) „Ich denke, dass an diesem Punkt noch nichts entschieden ist.“ (Macho) Kunst und Kreativität als das andere Kapital? Eher nicht: „Das Beuys-Programm ist Rechtskonservatismus, es ist ein Wiederverzauberungsprogramm romantischer Schule.“ (Weibel) Kunst, Geld und Aktien seien seit der Moderne, so Christina von Braun in ihrer Kulturgeschichte, durch „plötzliche und unerklärliche Entwertungen und Aufwertungen“ miteinander verbunden. Der kollektive Glaube an den Wert, mit dem Geld und Kunstwerk ausgestattet sind, macht u.a. die „Beglaubigungsstrategien leiblicher Art“ zum lohnenden Fokus der Studie von Brauns.


Dieser Text erscheint in Bildpunkt. Zeitschrift der IG Bildende Kunst (Wien), Sommer 2012, „Übers Geld reden“.




Christine Bauhardt und Gülay Çağlar (Hg.): Gender and Economics. Feministische Kritik der politischen Ökonomie. Wiesbaden 2010 (VS Verlag).

Christina von Braun: Der Preis des Geldes. Eine Kulturgeschichte. Berlin 2012 (Aufbau Verlag).

David Graeber: Schulden: Die ersten 5000 Jahre. Stuttgart 2012 (Klett-Cotta Verlag).

Marc Jongen (Hg.): Der göttliche Kapitalismus: Ein Gespräch über Geld, Konsum, Kunst und Zerstörung mit Boris Groys, Jochen Hörisch, Thomas Macho, Peter Sloterdijk und Peter Weibel. München 2010 (Wilhelm Fink Verlag).

Niall Ferguson: Der Aufstieg des Geldes: Die Währung der Geschichte. Berlin 2010 (List Taschenbuch Verlag).

Georg Simmel: Philosophie des Geldes. Gesamtausgabe Band 6. Frankfurt a.M. 1989 (Suhrkamp Verlag).