Besatzung, Kolonialherrschaft und Widerstand

Das Völkerrecht und die Legitimierung von Terror

in (01.01.2010)
Die Begriffe „Besatzung" und „Kolonialherrschaft" sind seit dem Zweiten Weltkrieg problematisch geworden, als die Massenverbrechen des Nazi-Imperiums ihnen weitgehend die Legitimationsgrundlage als akzeptable geopolitische Projekte entzogen hatten. Nicht von ungefähr gab Raphael Lemkin, der polnisch-jüdische Jurist, der den Begriff des Völkermordes bzw. Genozids[1] geprägt hat, seinem berühmten Buch den Titel Axis Rule in Occupied Europe (1944). Die folgende Entkolonisierung der Welt und die Gründung der Vereinten Nationen (UN) signalisierten das Ende der alten europäischen Imperien, die durch eine neue Ordnung unabhängiger Nationalstaaten ersetzt wurden. Besatzungen und Kolonialherrschaft schienen einem vergangenen Zeitalter anzugehören - das wenigstens war nach dem Zweiten Weltkrieg die Hoffnung vieler.

Trotz alledem gehört Besatzung zum festen Inventar des Völkerrechts - vor allem der Vierten Haager Konvention von 1907 -, weil sie die Normen, wenn auch nicht die Wirklichkeit festlegt, unter denen bewaffnete Konflikte und darauf folgende Besatzungen eroberter Territorien erfolgen sollen, bis ein Friedensvertrag über deren weiteres Schicksal entscheidet. Nach 1945 fügten Neuerungen im Völkerrecht wie die Genfer Konventionen von 1949 und das Protokoll von 1977 weitere Schutzbestimmungen für Zivilisten unter Besatzung hinzu. Sie eliminierten aber nicht die jahrhundertealte Tradition der Rechtswissenschaft zur Kriegführung und ihren Folgen. Besatzungen als solche - im Gegensatz zu Annexionen - sind demnach nicht illegal. Die Bedeutung der Entkolonisierung und der rechtswissenschaftlichen Auseinandersetzung seit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UN 1948 liegt darin, dass ausländische Besatzung nun einer besonderen kritischen Aufmerksamkeit unterliegt. Die Rechte von Menschen unter Besatzung, die im Ideal der Selbstbestimmung enthalten sind, werden nun gegenüber der Fremdherrschaft geltend gemacht, zumal die UN-Generalversammlung in den 1960er und 1970er Jahren Resolutionen zugunsten nationaler Befreiungsbewegungen verabschiedet hat.

Angesichts des ambivalenten Status von Besatzung verwundert es nicht, wenn anlässlich bestimmter Fälle Befürworter ebenso wie Kritiker sich auf das Völkerrecht berufen. Diese Spannung ist vielleicht nirgends so offensichtlich wie im Fall von Israel/Palästina. Der israelische Angriff auf Gaza im Dezember 2008 und Januar 2009 warf alle wesentlichen Fragen auf: War Israel trotz seines „Rückzuges" 2005 noch immer die legale „Besatzungsmacht" in Gaza? Auf welcher Rechtsgrundlage durfte es auf die Raketen der Hamas antworten? Welches Recht auf bewaffneten oder unbewaffneten Widerstand kommt - wenn überhaupt - den Bewohnern von Gaza (und im Grunde auch der Westbank) zu? Bedeutete das Vorgehen Israels eine kollektive Bestrafung und verletzte so Bestimmungen des Kriegsrechts? Unterliegt die Besatzung der Westbank durch Israel den Haager und Genfer Konventionen, den beiden wesentlichen Rechtsinstrumenten, die sich auf Besatzung beziehen? Und ist die israelische Präsenz dort überhaupt eine „Besatzung"? Nach offizieller israelischer Lesart ist dieses Territorium „umstritten" und nicht „besetzt". Das sind nur einige der Fragen, die dieser Fall aufwirft.

Wenn Befürworter der einen oder anderen Seite sich auf das Völkerrecht berufen, um die andere zu kritisieren, so sind diese Appelle und Behauptungen nicht so neu, wie die Kommentatoren in den Medien glauben. Sie wurden seit den 1950er Jahren erhoben, als israelische Vergeltungsschläge gegen jordanische Dörfer für grenzüberschreitende Angriffe palästinensischer Guerillakämpfer wegen der hohen zivilen Opfer und des Vorwurfs mangelnder Verhältnismäßigkeit heftige internationale Kritik auf sich zog. Die gleichen Argumente richteten sich gegen den sogenannten „Zweiten Libanon-Krieg" 2006, der mit Raketenangriffen der Hezbollah auf israelische Zivilisten begründet wurde.[2]

Es ist bezeichnend für den herrschenden Diskurs von Völkerrechtlern und Moralphilosophen, dass die Besatzung in diesen Rahmen gestellt wird. Ihr Interesse ist gewöhnlich gegenwartsfixiert und statisch und darauf ausgerichtet, einen mehr oder weniger festgelegten - und angeblich neutralen - Rechtskomplex auf Einzelfälle anzuwenden.[3] Eine historische Analyse kann demgegenüber die dem internationalen System zugrunde liegenden Prinzipien genauer in den Blick nehmen, die überhaupt erst den Bezugsrahmen der rechtlichen, moralischen und politischen Debatte über Besatzung erklären.

Dieser Beitrag versucht eine solche Analyse, indem er rechtswissenschaftliche Positionen zu den verschiedenen Dimensionen der Besatzung miteinander verknüpft: Kolonialherrschaft und Landnahme mit Kriegführung, Selbstverteidigung und Ausnahmezustand. Es wird sich zeigen, dass das Völkerrecht alles andere als eine neutrale Berufungsinstanz für Völker unter Besatzung ist; vielmehr ist es Ausdruck eines expansiven, ursprünglich europäischen Systems, das seit Jahrhunderten die Lizenz zu kolonialer Expansion und zu terroristischer Gewalt gegen diejenigen geliefert hat, die ihr widerstanden. Allzu leicht gerät Besatzung, ganz gleich, wie sie definiert ist, zur defacto-Annexion, und das Völkerrecht verleiht im Gegensatz zu nicht-bindenden UN-Resolutionen indigenen Menschen wenig legale Anhaltspunkte, um ihr Selbstbestimmungsrecht geltend zu machen.

Aus Platzgründen spare ich die Beziehung zwischen antikem und modernem Naturrecht aus und konzentriere mich unter Bezug auf bestimmte Autoren auf exemplarische Entwicklungen. Um die dem Völkerrecht zugrundeliegenden Prinzipien deutlich herauszuarbeiten, betone ich die über 500 Jahre zu verfolgende Kontinuität bestimmter Rechtfertigungsstrategien für staatliche Gewaltausübung und dauerhafte Besatzung unter Vernachlässigung diskursiver Brüche und Veränderungen des historischen Kontextes. Ich beginne mit Vitoria im 16. Jahrhundert und schließe mit einer kurzen Analyse des jüngsten Konfliktes in Gaza, um die legitimatorischen Verknüpfungen von Besatzung, Sicherheit und Terror aufzuzeigen. Wenn meine Darstellung daher unvollständig bleiben muss, so hoffe ich doch, dass diese kritische Ideengeschichte die Schlüsselelemente einer bestimmten Tradition offen legt - die schon durch das beständige gegenseitige Zitieren der Autoren offenkundig ist -, mit der das westliche System staatlicher Macht sich dem Rest der Welt aufzwingt.[4] Dieser Aufsatz ist jedoch nicht als Verteidigung indigenen Widerstandes gegen Besatzungen, Kolonialisierung und Kolonialherrschaft gedacht. Er soll die rechtliche Seite der Konfrontation zwischen Besatzer und Besetzten in ihrer historischen Kontinuität offen legen.

Die Ursprünge des Argumentationsmusters

Historiker des Völkerrechts beginnen ihre Darstellung gewöhnlich mit Francisco de Vitoria (1485-1546), dem spanischen Theologen, Philosophen und Begründer der Rechtsschule von Salamanca, dessen Schriften über Krieg und Kolonialherrschaft als Beginn des „internationalen Denkens" gelten (vgl. Williams 1992; Onuf 1998; Fitzmaurice 2003). Seine Überlegungen zur Behandlung der südamerikanischen Indianer durch die Spanier sind besonders bedeutsam, weil sie so häufig als Verteidigung indigener Rechte gegen die räuberischen Europäer verstanden werden. Auch Lemkin sah Vitoria als humanitären Helden, wie Las Casas als Fürsprecher der Schwachen gegen die Starken, der mutig dem althergebrachten Rechtsanspruch von Nationen entgegentrat, sich gegenseitig zu unterwerfen, auszuplündern und sogar zu vernichten.[5] Sieht man näher zu, so zeigt sich, dass Vitoria in Wirklichkeit eine Rechtfertigung europäischer Eroberung und sogar des Terrors lieferte, freilich in entwaffnend humanistischen Begriffen. Diese Argumentationsweise war desto effektiver, als sie in fataler Weise Moral und Gewalt im Sinne subjektiv verstandener Selbstverteidigung miteinander verknüpfte. Dies verdient genauere Betrachtung, weil es sich um den Kern des europäischen Denkens über Kolonisierung, Widerstand und die Legitimität staatlicher Gewalt handelt (vgl. Anghie 2004: 28, 293ff).

Es stimmt zwar, dass Vitoria die Eigentumsrechte der Indianer auf naturrechtlicher Grundlage gegen die Vertreter des christlichen Rechtes zur Unterwerfung und Ausplünderung der Heiden geltend machte. Aber damit sagte er nicht, die Spanier sollten dorthin zurückkehren, wo sie hergekommen waren. Das „Recht der Nationen" postulierte auch universale Freundschaft und Geselligkeit und daher das Recht der Spanier die indianischen Länder zu erforschen, dort Handel zu treiben und Ressourcen zu beziehen. Er schrieb sogar, es handele sich um „Kriegshandlungen", wenn Indianer die Spanier an solchen Tätigkeiten hinderten, zumal dann, wenn andere Ausländer sie auch betrieben (Vitoria 1917: 151/386; Cavallar 2002). Spanische Vergeltungsakte waren daher „zulässiger Selbstschutz" gegen deren Versuch der „Vernichtung"; die Spanier durften nun die Indianer als „ihre bösen Feinde" behandeln „und gegen sie alle Rechte des Krieges beanspruchen, ihre Güter rauben, sie gefangen nehmen, ihre früheren Herren ab- und neue einsetzen" (Vitoria 1917: 154f/393, 395). Das entscheidende Legitimationsinstrument ist hier die Annahme, die Spanier würden von den Indianern zu Verteidigungsmaßnahmen gezwungen, was nur funktionieren kann, wenn der Charakter ihrer Anwesenheit von vorneherein außer Frage bleibt. Wir werden sehen, dass diese Blindheit im späteren europäischen Denken eine zentrale Rolle für die Verknüpfung zwischen Besatzung, Kolonisierung und Gewalt spielen sollte.

Diese Blindheit war eine Funktion des Glaubens an die eigene großzügige Menschlichkeit, eine Überzeugung, die in der Unterscheidung zwischen der grenzenlosen Gewalt der antiken und zeitgenössischen Wilden auf der einen Seite und der christlichen Europäer auf der anderen wurzelte. Vitoria betonte wiederholt, regelrechte Ausrottung der Kriegsgegner sei verkehrt und berief sich dazu auf die Lehre vom gerechten Krieg von Thomas von Aquin. Gewalt war nur gerechtfertigt in der Verteidigung, um ein Unrecht zu korrigieren und seine Wiederholung zu verhindern. Verschiedentlich deutete er aber auch Ausnahmen an, in denen Gewalt letztlich keine Grenzen kannte: in Fragen der Sicherheit und militärischen Notwendigkeit. Obwohl er daher abstritt, dass es generell zulässig sei, „unschuldige" Angehörige des Feindes „niederzumetzeln", schrieb er doch auch, dass der „Fürst alles tun darf, was nötig ist, um dem Feind Frieden und Sicherheit abzuringen; etwa die Festung des Feindes zerstören und sogar eine solche auf dem Boden des Feindes errichten, sollte dies notwendig sein, um einen gefährlichen Angriff des Feindes abzuwenden" (ebd.: 171/431). Dies bezieht sich auf feindliches Eigentum. Was ist mit Zivilisten? Durfte ein Herrscher Maßnahmen zur Abwendung eines künftigen Angriffs ergreifen, so durfte er in bestimmten Fällen auch Unschuldige töten, etwa bei der Belagerung einer Stadt. „Der Beweis dafür ist, dass anders selbst gegen die Schuldigen kein Krieg geführt werden könnte und daher das Recht der Kriegführenden eingeschränkt würde" (ebd.: 179/448). Gewiss sollte die Regel der Verhältnismäßigkeit beachtet werden, also durfte man nicht viele Unschuldige umbringen, um wenige Schuldige zu bestrafen. Aber diese Beschränkung vertrug sich nicht mit seinem Imperativ, „alles Nötige zu tun, um dem Feind Frieden und Sicherheit abzuringen" - dem Imperativ, dem militärische Befehlshaber in der Hitze der Schlacht unweigerlich folgen. Daher war es zwar unzulässig, Unschuldige unter den Feinden abzuschlachten, doch war es, „wenn der Krieg sich auf unbestimmte Zeit hinzieht, ... rechtmäßig, alle Untertanen des Feindes völlig auszurauben, seien sie nun schuldig oder unschuldig, denn mit ihren Ressourcen unterhält der Feind einen ungerechten Krieg und andererseits entzieht ihm die Ausplünderung seiner Bürger Kräfte" (ebd.: 180/451). Am Ende hebelten Selbsterhaltung und Sicherheit - also Staatsraison - die ethische Beschränkung der Gewalt aus.

Heute stellt die Ideengeschichte den Scholastiker Vitoria mit seinem theologischen Rückgriff auf christliche Autoritäten humanistischen Theoretikern gegenüber, die sich auf heidnische Klassiker beriefen und den Krieg im Dienste der Republik verherrlichten (vgl. Tuck 1999). Diese Unterscheidung kann auch übertrieben werden, bedenkt man Vitorias Beharren auf Selbsterhaltung.

Der Sprung von Vitoria zu dem niederländischen Juristen Hugo Grotius (1583-1645), der oft als „Vater des Völkerrechtes" bezeichnet wird, war in dieser Hinsicht gar nicht so groß. Die charakteristische Argumentation war und ist bis heute, das Töten zu begrenzen, aber dann die nahezu grenzenlose Gewaltanwendung in extremen Notsituationen zuzulassen (vgl. Rodick 1928; Dunbar 1952; Brownlie 1963; Boed 2000; Gross & Ni Aolain 2001).  Grotius und seine Nachfolger - Hobbes, Montesquieu und selbst Kant - griffen noch nachdrücklicher eine andere antike Tradition auf, nämlich das Recht auf durch Angst begründete Präventivschläge. Unter Berufung auf Cicero argumentierten sie, eine entschiedene Machtasymmetrie mit dem Feind und nicht nur ein unmittelbar bevorstehender Angriff dürfe rechtmäßig mit Gewalt beantwortet werden. Potentiellen Gefahren galt es Widerstand zu leisten. Umgekehrt nahm man an, dass der Besitz des „Ruhms" einem Nachbarn Furcht einflößen und so gegen seinen Angriff immunisieren werde (vgl. Tuck 1999: 19f, 126ff, 186, 215ff, 228). Wir werden auf die Implikationen der Prävention am Ende dieses Aufsatzes zurückkommen.

Konnte Vitoria sich keinen legitimen Widerstand der Indianer gegen die europäischen Eindringlinge vorstellen, wie stand es dann mit innereuropäischen Kriegen? Schon im 18. Jahrhundert - also vor dem „Zeitalter des Nationalismus" - hatten Denker begonnen, sich mit der Beteiligung des Volkes an Feindseligkeiten zu befassen. So versuchte der Schweizer Diplomat und Denker Emer de Vattel (1714-1767), die Grausamkeit des Krieges dadurch einzuschränken, dass er die legitime Teilnahme daran strikt auf die unter Befehl handelnden Soldaten begrenzte. Die Einbeziehung der gesamten Bevölkerung in die Militäraktionen bedeutete den Rückfall in eine barbarische Vergangenheit: „Es wäre schwierig, ihn anders als durch die völlige Vernichtung einer der Parteien zu beenden; das belegt das Beispiel der Kriege des Altertums", schrieb er (1835: 248/1959: 488). Und doch meinte er, es sei unrealistisch, von Zivilisten zu erwarten, nicht spontan ihr Territorium zu verteidigen, obwohl sie von der einfallenden Armee rechtmäßig als Banditen behandelt und exekutiert werden konnten. Diese Spannung zwischen einem moralischen Recht auf Widerstand und einem legalen Recht, ihn zu unterdrücken, bestimmt noch heute das Völkerrecht. Vattel bezeichnete mit bewundernswürdiger Offenheit, was Unterdrückung bedeutete, nämlich Terror:

„Der Feind bedient sich nur des ihm zustehenden Rechts, des Rechts der Waffen, das ihm zugesteht, in gewissem Maß Terror einzusetzen, um die Untertanen des von ihm bekriegten Souveräns an leichten Entschlüssen zu kühnen Handstreichen zu hindern, deren Erfolg für ihn verhängnisvoll werden könnte." (Vattel 1835: 250/1959: 489)

Und mit „dem Feind" meinte er die Gesamtheit der ausländischen Bürgerschaft, weil der Krieg auf den Prinzipien der Kollektivmitgliedschaft beruhe: „Denn von dem Augenblick an, zu dem eine Nation gegen eine andere die Waffen ergreift, erklärt sie sich zum Feind aller Einzelpersonen, die diese ausmachen und gibt ihnen das Recht, sie selbst als solche zu behandeln" (1835: 248/1959: 488). Das ist die Überlegung, die im Ersten Weltkrieg hinter dem britischen Kriegsziel stand, „Deutschland auszuhungern" - die feindliche Regierung unter Druck zu setzen, indem ihre Zivilbevölkerung zur Zielscheibe wurde - und scheint auch heute die Politik Israels in Gaza zu bestimmen (vgl. Vincent 1985; Amnesty International 2008).

Der deutsch-amerikanische Jurist und Autor einflussreicher Militär-Kodizes für die Unions-Streitkräfte im Amerikanischen Bürgerkrieg Francis Lieber (1800-1872) folgte geradewegs den Vorgaben Vattels. Einerseits galten irreguläre Truppen, die weiterkämpften, nachdem ihre Armee kapituliert hatte, als Kriminelle und konnten entsprechend behandelt werden, weil sie die Kriegführung brutaler machten:

„... dieser Erneuerer des Krieges auf besetztem Gebiet ist immer mit der äußersten Strenge des Kriegsrechtes behandelt worden. Der Kriegs-Rebell setzt die Besatzungsarmee den größten Gefahren aus und greift vor allem störend in die Milderung der Härte des Krieges ein, die zu den edelsten Zielsetzungen des modernen Kriegsrechtes gehört." (Lieber 1880: 284f)

Wie immer lautete die Begründung, dass „das Volk eher ein passiver Untergrund des Staates sei als ein wesentlicher Teil davon" (ebd.: 285). Wie aber zeitgenössische Gelehrte wie Karma Nabulsi (1999) gezeigt haben, bestimmten nationale Befreiungskriege mit brutaler Guerilla-Kriegsführung und Aufstandsbekämpfung (counterinsurgency) das ganze 19. Jahrhundert hindurch das Kriegsgeschehen in Europa. Da er in den deutschen und griechischen Befreiungskriegen gekämpft hatte, war Lieber sich dieser Realität sehr wohl bewusst, und zweifellos ist dies der Grund für seine Anstrengungen, Zivilisten aus dem Anliegen zur Einschränkung militärischer Gewalt auszuklammern. Doch im Zeitalter der levée en masse war er sich auch im Klaren, dass sich ein Volksaufstand nicht durch das Dekret eines Buchautors ausschließen ließ. Daher vertrat er die Auffassung, ein solcher Aufstand sei so weit zulässig und seine Teilnehmer wie Soldaten und nicht als „Kriegs-Rebellen" zu behandeln, wie diese in ausreichender Zahl dem Feind offen entgegentraten; sie durften nicht als Zivilisten getarnt kämpfen. Legitime Guerilla-Kriegführung gab es für ihn nicht (Lieber 1880: 286). Wie Vattel unterschied er also zwischen dem moralischen Recht auf Widerstand und dem legalen Recht, ihn zu unterdrücken. Im Ergebnis mussten indigene Völker und Europäer unter Besatzung ihren Widerstand, sollte er legitim sein und damit unter den Schutz des Völkerrechtes fallen, also so gestalten, dass ihre Dezimierung unausweichlich war.[6]

Zwei Jahre später griff Liebers unionistischer Kollege, der Jurist und hohe Beamte Henry Wager Halleck (1815-1872), im Rahmen seiner Überlegungen über „Vergeltung". auf seine Erfahrung im Amerikanischen Bürgerkrieg zurück. Wie andere Autoren erklärte auch er, ein Staat dürfe vorübergehend die Gesetze der Nationen verletzen, um einen Gegner zu zwingen, von einer Handlungsweise abzulassen, die diese Gesetze verletze. Wegen ihrer kurzen Zeitdauer und Zielgerichtetheit erschien Vergeltung als eine Maßnahme, die noch kein Krieg war. Interessant an Hallecks Version ist das charakteristische westliche Selbstverständnis, eigene Gewalt als defensiv und zivilisiert zu sehen, im Gegensatz zur aggressiven und unzivilisierten Gewalt der Gegner:

„Weigert sich der Gegner, sein Vorgehen den milderen Gebräuchen des Krieges anzupassen und hält er sich an das extreme und strikte Prinzip früherer Zeitalter, so können wir das Gleiche tun; doch wenn er diese extremen Rechte überschreitet und in seinem Vorgehen barbarisch und grausam wird, so können wir im Allgemeinen dem nicht folgen und uns an seinen Untertanen dadurch revanchieren, dass wir sie genauso behandeln." (Halleck 1864: 108)

Zivilisiert zu bleiben bedeutete, die Wilden nicht nachzuahmen, indem man nach der Lehre Vitorias an den Prinzipien der Verhältnismäßigkeit festhielt. Halleck zitierte aus Liebers Instructions for the Government of the Armies of the United States in the Field die Bestimmung: „Ungerechte oder unachtsame Vergeltung führt dazu, dass sich die Kriegsparteien zunehmend von den mildernden Regeln der regulären Kriegführung entfernen und lässt sie sich mit schnellen Schritten an die mörderische Kriegführung der Wilden annähern" (ebd.). Zivilisierte Kriegführung war eingegrenzt.

Und doch gab es wie bei Vitoria und seinen Nachfolgern Ausnahmen zu dieser abmildernden Regel, nach der die Unschuldigen geschont werden sollten. Dies war die Regel der kollektiven Verantwortlichkeit und der kollektiven Bestrafung. So meinte Halleck, dass „eine Stadt, eine Armee oder eine ganze Gruppe manchmal für die widerrechtlichen Handlungen ihrer Herrscher oder einzelner Mitglieder bestraft wird". Zu diesem Schluss kam er durch die Beobachtung, wie während des Bürgerkrieges in der Konföderation extreme Maßnahmen massenhafte Unterstützung erhielten. „Die gesamte Rebellenpresse befürwortete und rechtfertigte sie, und selbst die Rebellen-Frauen haben ihr Geschlecht und ihre Mission der Barmherzigkeit auf Erden so weit vergessen, dass sie Grausamkeiten befürworteten und anstachelten, von denen man glaubte, nur ein barbarisches Volk im wildesten Zeitalter werde sie begehen" (Ebd.: 111f). Ein Widerhall dieser Argumentation fand sich im Gaza-Krieg, als israelische Angriffe auf zivile Gebiete damit gerechtfertigt wurden, die Bevölkerung unterstütze Hamas, die sie als menschliche Schilde benutze; da also die Palästinenser auf barbarische Weise kämpften, wurden sie kollektiv verantwortlich, ja schuldig (s.u.).

Wie üblich fuhr Halleck fort, selbst unter derartigen Umständen dürfe zivilisierte Vergeltung „niemals zu wilder oder barbarischer Grausamkeit verkommen" (ebd.: 110). Diese Zurückhaltung unterschied den Westen von seinen Anderen. Ob solche Selbstrechtfertigungen jedoch viel mit der Wirklichkeit kolonialer Kriegführung zu tun hatten, ist eine Frage, die indigene Andere zu beantworten haben. Ein Beobachter bemerkt, dass im 19. und 20. Jahrhundert Vergeltungsmaßnahmen allzu oft dazu benutzt wurden, „bewaffnete Interventionen und imperialistische Kriege" zu rechtfertigen. Sie waren im Grunde nur ein „Vorwand, um illegitimes Verhalten im Krieg zu rechtfertigen, anstatt ein effektives Mittel, die Beachtung der völkerrechtlichen Regeln durchzusetzen" (Bierzanek 1987/88: 830f). Wir wissen, dass indigene Völker westliche Vergeltungsmaßnahmen als wild und grausam erlebten. Das zeigen die Tatsachen zahlloser Feldzüge zur Unterdrückung von Aufständen. Zehntausende Filipinos starben durch Hunger und Krankheiten, als die US-Streitkräfte bei ihrer Unterdrückungsaktion in Batanguas zwischen 1899 und 1902 den Landstrich verwüsteten und die Bevölkerung gewaltsam in Loyale und Illoyale einteilten und entsprechend trennten (vgl. May 1979).

Das zwanzigste Jahrhundert

Derartiges taktisches Vorgehen war so verbreitet, weil damals ein Konsensus herrschte, das Recht im Kriege gelte sowieso nicht für „Wilde". Heinrich von Treitschke (1918: 570) brachte die herrschende Meinung so zum Ausdruck: „Aber das Völkerrecht wird zur Phrase, wenn man dergleichen Prinzipien [Verbot des Kampfes gegen das Privateigentum, des Anzündens eines Dorfes aus bloßem Übermut] auch auf barbarische Völker anwenden will. Einem Negerstamme muß man zur Strafe seine Dörfer anzünden, ohne ein solches Exempel richtet man nichts aus." Die Briten hatten diese Lektion längst auf verschiedenen Feldzügen in Afrika gelernt und wandten sie auf weiße Buren ebenso an wie auf schwarze Afrikaner (vgl. Lieven 1999). Der bekannte englische Rechtstheoretiker John Westlake (1828-1913) bemerkte dementsprechend in seinem Buch International Law:

„Doch häufig können die Übergriffe und sonstigen Ungeheuerlichkeiten, die wilde und halbzivilisierte Stämme begehen, nur durch Strafexpeditionen unterdrückt werden, bei denen die gesamte Bevölkerung leiden muss, weil die Regierung nur ungenügend von ihr unterschieden ist. Alle zivilisierten Staaten, die in Kontakt mit der äußeren Welt stehen, sind zu ihrem großen Leidwesen in ihren Grenzkriegen mit solchen Expeditionen vertraut, und das Prinzip, dass es die einzig legitime Handlungsweise sei, die militärischen Kräfte des Feindes zu schwächen, kann auf sie keinerlei Anwendung finden." (Westlake 1907: 55)

Er fügte zwar hinzu, dass „kein humaner Offizier ein Dorf niederbrennen wird, wenn er irgendeine Möglichkeit zu einem ausreichenden Schlag hat, den allein die kämpfenden Männer zu spüren bekommen", doch er bezweifelte zugleich nicht, dass die „Wilden" grundsätzlich eben aufgebracht und zornig seien, ohne zu fragen warum. Zu diesem Zeitpunkt hatten die westlichen ebenso wie einige asiatische und afrikanische Staaten die Haager Konventionen unterzeichnet.[7] Darin war auch die Besatzung rechtlich geregelt (Art. 42-56 der Konvention von 1907), doch Westlake ging es darum, dass Art. 25, der den „Angriff auf nicht verteidigte Städte, Dörfer, Ansiedlungen oder Gebäude oder deren Bombardement" verbietet, nicht auf Fälle in den Kolonien anwendbar sei, weil „der Haager Kodex sich nur auf den Krieg zwischen zivilisierten Staaten bezieht" (Westlake 1907: 76). Die Ausübung von Terror gegen nicht-zivilisierte Menschen war legal und gerecht. In dieser Hinsicht erschienen die britischen und amerikanischen Bedenken gegenüber dem Insistieren von preußisch-deutscher Seite, dass die Zwänge des Krieges jede moralische Rücksicht überspielten - Kriegsraison geht vor Kriegsmanier[8] - ziemlich schwach. Erkannten die hohen deutschen Militärs die Doktrin der Verhältnismäßigkeit nicht an, so unterstrichen sie lediglich die zentrale Bedeutung militärischer Notwendigkeit, der ihre angelsächsischen Gegenüber letztlich ebenfalls zustimmten.[9]

Westlakes Zeitgenosse Lassa Oppenheim (1858-1919), ein deutscher Jurist, der während der letzten Jahre seiner Karriere in England lehrte, schenkte den Umständen der Landnahme größere Aufmerksamkeit (Oppenheim 1912). Er schrieb das Buch kurz vor der Haager Konvention von 1907 und bestimmte aufschlussreicherweise „Besatzung" (occupation) nicht als Kategorie des Kriegsrechtes, sondern als Synonym für Kolonisierung. Land, das sich nicht unter einem Souverän befand, stand der Besitzergreifung (occupation) durch eine andere Macht offen. Diese Besitzergreifung bedeutete daher keine „Unterwerfung" (subjugation) - worunter er Eroberung und Annexion verstand -, sondern stand der „Abtretung" (cession) von Land nahe, das man von „einem auf dem Land lebenden Eingeborenenstamm" nahm. (Oppenheim 1912: 296). Da sich das Völkerrecht lediglich auf den zwischenstaatlichen Verkehr bezog, war es auf „Eingeborenenstämme" nicht anwendbar. Dementsprechend waren Besitzergreifung und Abtretung für Oppenheim und seine Zeitgenossen im Grunde das Gleiche; Eingeborenenhäuptlinge waren keine Souveräne im westlichen Sinne, noch waren die „Eingeborenen" demzufolge Völker. Sie waren „Stammesgemeinschaften" und daher nicht Mitglieder der „Völkerfamilie". Diese Argumentationslinie sollte Jahrzehnte später im Hinblick auf den Besatzungsstatus der Westbank wieder aufleben.

Weil die Beziehungen zwischen Staaten und derartigen Gemeinschaften keine zwischenstaatlichen Beziehungen sein konnten, verwies Oppenheim auf eine Reihe von Winkelzügen, mit denen die Großmächte ihrer gegeneinander verlaufenden Kolonialexpansion Geltung verschafften:

„Der zunehmende Wunsch zum Erwerb gewaltiger Territorien durch Staaten, die nicht in der Lage sind, diese Territorien sogleich effektiv zu besetzen, hat während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dazu geführt, dass Vereinbarungen mit den Häuptlingen der Eingeborenen geschlossen wurden, die nicht besetzte Territorien bewohnten. Dadurch stellen sich diese Häuptlinge unter das ‘Protektorat' von Staaten, die Mitglieder der Völkerfamilie sind." (Ebd.: 296)

Er setzte „Protektorate" in Anführungszeichen, weil diese Gebiete nicht den erforderlichen Status besaßen. Diese Arrangements stellten daher „nichts anderes dar als Schritte, um andere Mächte von der Besetzung der fraglichen Territorien auszuschließen" (ebd.: 297). Es handelte sich also um die Vorbereitung künftiger Besitzergreifung.

Oppenheim schrieb vor dem Ersten Weltkrieg und sorgte sich nicht darum, dass das Völkerrecht westlich zentriert war; dagegen zog die Selbstbestimmungs-Rhetorik von Woodrow Wilson im Vorfeld der Friedenskonferenz von Versailles 1919 viele kolonisierte Völker in die internationale Sphäre. Auch wenn die Kritik an westlichem Imperialismus und Kolonialherrschaft im 19. Jahrhundert, oft unter Bezug auf Vitoria und Las Casas, sehr verbreitet war (vgl. Fitzmaurice 2008), stellten nun nationalistische Intellektuelle aus dem Fernen und Mittleren Osten die koloniale Ordnung entschieden in Frage (vgl. Manela 2007). Die Großmächte ließen diese Hoffnungen in Versailles am Ende scheitern, weil sie entschlossen waren, ihre eigenen Kolonial reiche zu bewahren und das deutsche aufzuteilen. Sie hielten damit implizit an der Teilung der Welt in zivilisierte und unzivilisierte Komponenten fest, in denen das Recht im Kriege in unterschiedlicher Weise gelten sollte. So griffen die Briten bei der Befriedung ihres Mandatsgebiets im Irak zu Luftbombardements arabischer Dörfer, obwohl dies die Haager Konvention ebenso verletzte wie das britische Manual of Military Law[10].

Die Bombardierung von Damaskus durch die französische Armee im Oktober 1925 im Zuge der Befriedung des Mandatsgebietes Syrien löste eine wichtige Kontroverse im American Journal of International Law über die Rechtmäßigkeit der Terrorisierung von Zivilbevölkerung aus. Einer der Herausgeber, der amerikanische Professor für internationale Beziehungen Quincy Wright (1890-1970), kritisierte die französische Aktion aus einer Reihe von Gründen. Seine gut gemeinten Argumente hielten sich im Rahmen der völkerrechtlichen Tradition und zeigten die Grenzen auf, die einer Verteidigung indigener Rechte hier gesetzt waren. Die Umstände waren folgende: Nachdem sie Aufständische exekutiert und benachbarte Dörfer niedergebrannt hatten, verschanzten sich die französischen Truppen auf der Zitadelle im Zentrum von Damaskus und beschossen zwei Tage lang die Stadt von innen, nachdem sie dort von Aufständischen angegriffen worden waren. Sie zerstörten acht Stadtviertel und töteten zwischen 500 und 1000 Einwohner, einschließlich Frauen und Kindern. War dies im Rahmen geltenden Rechts zulässig? Die Franzosen erklärten, das Kriegsrecht erstrecke sich nicht auf Banditen; das Mandat betraue sie mit der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung, und daher sei ihr Vorgehen eine ausschließlich innere Angelegenheit, die das Völkerrecht nicht betreffe.

Ohne darauf einzugehen, dass das Bombardement weit über eine Polizeiaktion hinausging, wies Wright darauf hin, der Aufstand habe politische Ziele verfolgt und sei kein kriminelles Unternehmen, selbst wenn die Aufständischen durchaus gegen eine gesetzmäßig eingesetzte indigene Regierung revoltierten, die mit den Franzosen kooperierte. Wright gestand unter Berufung auf Oppenheim zu, dass das Völkerrecht üblicherweise zwischen Christen und Nicht-Christen, Abendland und Nicht-Abendland, Zivilisierten und Unzivilisierten unterscheide; deshalb sei die Eroberung Algeriens durch Frankreich 1830 rechtlich keine Eroberung, sondern ein Akt der Disziplinierung gewesen. Ebenso gehörte das Recht auf Vergeltung weiter zum rechtlichen Inventar. Was aber, wenn solche Völker zu erkennen gaben, dass sie das Völkerrecht anerkannten? Sie könnten darunter fallen, zumal die Türkei als früherer Souverän Syriens die Haager Konvention unterschrieben hatte (Wright 1926: 265). Nun wissen wir, dass die Haager Konvention die Beschießung nicht verteidigter Städte verbot, aber traf sie hier zu? Die kollektive Bestrafung der Damaszener für die Handlungen der Aufständischen ließ sich als Vergeltung rechtfertigen, obwohl die Bombardierung als unverhältnismäßig erschien. Das war alles.

Wright meinte praktisch, die Franzosen hätten auf eine „Politik des Terrorismus" zurückgegriffen, weil sie fürchteten, aus Damaskus vertrieben zu werden und weil ihre Mannschaftsstärke über die gesamte Mandatszeit hinweg zu niedrig war. Im Endeffekt glaubte er, das Kriegsrecht sei anwendbar, soweit sich die syrischen Aufständischen als reguläre Soldaten konstituierten und die Haager Konventionen befolgten. Wie bei Vattel bedeutete die gegenüber indigenem Widerstand wohlwollende Auslegung des Völkerrechtes, dass das Verbot ziviler Beteiligung - welches die „wilde" oder „altertümliche" Kriegführung kennzeichnete - die Aufständischen zwang, der Okkupationsarmee im offenen Kampf gegenüberzutreten, was mit Sicherheit ihre vollständige Niederlage bedeutete.

Der Hauptmann der US-Armee Elbridge Colby (1891-1982) antwortete Wright mit der Offenheit eines mit Operationen im Feld vertrauten Offiziers. Er betonte, die Unterscheidung zwischen zivilisierter und unzivilisierter Kriegführung sei legitim. Reguläre Befehlshaber „müssen ihre Probleme auf völlig andere Weise angehen, als wenn sie sich mit westlichen Völkern auseinandersetzen" (Colby 1927; 284). Er verwies darauf, dass das Völkerrecht, das auf christlichen Vorstellungen der Ritterlichkeit basiere und von Denkern wie Grotius und Vattel überliefert worden sei, diesen Grundtatbestand zum Ausdruck bringe. Wie Autoren des 16. Jahrhunderts insistierte Colby, Wilde machten nicht die moderne Unterscheidung zwischen Kombattanten und Nicht-Kombattanten, weil hier die gesamte Gesellschaft kämpfe. „Ganze Stämme ziehen ins Feld". Die „allgegenwärtige Brutalität der rothäutigen Kämpfer" belege ihre Unfähigkeit, diese zivilisierten Unterscheidungen zu beachten. „Bei ihnen kann man kaum an Völkerrecht denken."[11] Colby zitierte Vitoria und verteidigte General Kitcheners Angriffe auf burische Siedlungen und britische Luftbombardements in Afghanistan.

Wie immer wurde all dies als Selbstverteidigung dargestellt, auch wenn es sich eindeutig um Aggression handelte. Zu den nordamerikanischen „Indianerkriegen" bemerkte Colby, dass „die einfachen Soldaten der Vereinigten Staaten die Grenzen Amerikas verteidigt und nach Westen vorgeschoben haben" (ebd.: 285). Er verband so den Anspruch auf weiße Expansion mit einer ausdrücklich defensiven Haltung, wie es seit der Antike für das westliche Rechtsdenken typisch war. Dass die Indianer legitimerweise ihr Land verteidigten, war begrifflicher Unsinn, weil sie, wie Oppenheim gezeigt hatte, nicht seine souveränen Eigentümer, sondern nur Einwohner waren. Im Grunde, so fuhr Colby fort, war das normale Recht auf Vergeltung bedeutungslos, weil die Eingeborenen dies nicht als Aufforderung verstünden, sich nach dem Gesetz zu richten. Daher sei ein „strenges und anhaltendes System der Vergeltung" am Platz; es konnte auch kaum überraschen, dass ein hoher kanadischer Politiker mit einem „Ausrottungskrieg" gegen Indianer drohte, sollten sie Siedler angreifen (ebd.: 284). Der Imperativ forderte, das eigene Volk zu schützen, koste es was es wolle.

„Der wirkliche Kern der Sache ist, dass Verwüstung und Vernichtung die Hauptmethode der Kriegführung sind, die wilde Stämme kennen. Übertriebene humanitäre Vorstellungen sollten nicht der Härte gegen diejenigen entgegenstehen, die harte scharfe Methoden einsetzen, denn ein Befehlshaber, der allzu freundlich zu seinen Feinden ist, ist einfach unfreundlich zu seinen eigenen Leuten." (Ebd.: 285)

Selbst die Haager Konvention schließe unter zivilisierten Mächten nicht die „elastische Doktrin der militärischen Notwendigkeit" aus, und seiner Meinung nach bestand die „uralte Regel" fort, weil dies die einzige Methode sei, Menschen unter Besatzung von der Revolte abzuhalten (Colby 1926: 170; 1925: 917). Wir werden sehen, dass der Streit zwischen Wright und Colby im Gaza-Krieg über 80 Jahre später eine Neuauflage erlebte.

Das rechtliche Verbot der Guerillakriegführung konnte selbst während des Zweiten Weltkrieges denn auch die anglophone Diskussion lediglich irritieren. Gewiss erkannten Autoren damals die Legitimität des Widerstandes von Partisanen gegen die Nazi-Besatzung in Osteuropa an - „es ist völlig gerechtfertigt, wenn sie so handeln", wenn sie „in der Lage sind, einen effektiven Guerillakrieg zu führen" (Stowell 1942: 646). Aber sie bemerkten auch, man könne nicht „erwarten", dass die Partisanen „als friedliche Nicht-Kombattanten behandelt werden, wenn sie Sabotageakte begehen oder Krieg führen." So durfte der Besatzer - man folgte Colbys Spur - „angemessene Mittel anwenden, um Druck auf die friedlichen Einwohner auszuüben, damit sie sich nicht an diesen Feindseligkeiten beteiligten, oder sie zu Anstrengungen zu veranlassen, diese zu verhindern. Aber was genau angemessen ist, wird dadurch bestimmt, was wirklich effizient ist."[12] Unter Berufung auf Halleck verteidigte Ellery Stowell sogar die kollektive Bestrafung von Zivilisten:

„Doch wenn es nicht möglich ist, diejenigen zu ergreifen, die diese Taten begangen haben, entspricht es den militärischen Zwängen und dem Gewohnheitsrecht, der gesamten Gemeinschaft, in der diese Dinge geschehen sind, das aufzuerlegen, was man als repressive Vergeltung bezeichnet. Wie im Fall anderer Vergeltungsakte werden dadurch Unschuldige bestraft, doch der Krieg selbst beruht auf dem Prinzip der kollektiven Verantwortlichkeit." (Stowell 1942: 650)

Die Nazis, argumentierte er weiter, hatten die Regeln der Verhältnismäßigkeit verletzt - Hallecks Rat, nicht in Barbarei zurückzufallen - und so „Hekatombe auf Hekatombe unschuldiger Vergeltungsopfer" aufeinandergetürmt (ebd.). In der Tat beschränkten die Nazis das Kriegsrecht auf diejenigen, die sie dem zivilisierten Abendland zurechneten, und nahmen die slawischen Völker und natürlich die Juden davon aus. In dem berüchtigten Kommissarbefehl, der ausgegeben wurde, als sie 1941 die „Operation Barbarossa" begannen, ging es darum, dass das Völkerrecht sich nicht auf die sowjetischen Soldaten erstrecke, weil sie in den Augen der Nazis barbarisch in dem von Colby formulierten Sinne seien (vgl. Streim 1997). In ihrer Paranoia steigerten die Nazis den Sicherheitsimperativ der Selbsterhaltung bis zu seiner äußersten logischen, genozidalen Konsequenz.

Selbstbestimmung, nationale Befreiung und Völkerrecht

Teilweise als Konsequenz aus diesen Exzessen versuchte man nach dem Zweiten Weltkrieg, im Völkerrecht dessen Verletzung im Namen der Selbsterhaltung eher als „Rechtfertigung" denn als „Recht" zu behandeln. So erkannte die Genfer Konvention von 1949 Zivilisten größere Rechte zu als in der Vergangenheit. Doch die bedeutsamste Veränderung im Bereich der Besatzung war das entgegengesetzte Prinzip der Selbstbestimmung, die Losung der nationalen Befreiungsbewegungen.

Mit dem Beitritt neuer Staaten zu den UN entwickelte sich in der Generalversammlung eine Mehrheit, die Resolutionen gegen Rassismus, Kolonialismus (wobei nach 1967 Israel hervorgehoben wurde) und Apartheid (gegen Südafrika und Rhodesien) verabschiedete. Indem sie die Selbstbestimmung zu einer Priorität der UN machte - immerhin wird sie in Art. 1 und 55 der UN-Charta erwähnt -, versuchte diese Bewegung, Bürgerkriege oder Sezessionskriege zu internationalen Angelegenheiten zu machen. Dadurch wurden die nationalen Befreiungsbewegungen formal mit dem Status kriegführender Parteien ausgestattet. In einer Reihe von Resolutionen, Pakten und Deklarationen ging die Generalversammlung in den 1960er und 1970er Jahren sogar so weit zu erklären, dass es den Kolonialmächten verboten sei, „gewaltsame Maßnahmen" zur Verhinderung der Selbstbestimmung zu ergreifen und dass ferner Völker unter fremder Herrschaft „jedes ihnen zur Verfügung stehende Mittel" einsetzen könnten „um für sich dieses Recht [auf Selbstbestimmung] wiederzuerlangen."[13] Für die Blockfreien-Bewegung war Kolonialherrschaft gleichbedeutend mit permanenter Aggression, die legitim mittels gewaltsamer Selbstverteidigung abgewehrt werden durfte, obwohl die Freiheitskämpfer auch das Kriegsrecht achten und keine Zivilisten terrorisieren sollten (vgl. Abi-Saab 1972: 100, 111). Diese Strategie war in den 1970er Jahren, als viele Befreiungsbewegungen Beobachterstatus bei den UN erhielten, recht erfolgreich (vgl. Detter de Lupis 2000). Schließlich verliehen auch die Art. 43 und 44 der Protokolle zur Genfer Konvention von 1977 Guerilla-Streitkräften (auch wenn sie nicht so genannt wurden) den Kombattanten-Status, soweit sie unter einem zentralen Kommando standen, Waffen trugen und offen kämpften, so dass sie sich von Zivilisten klar unterschieden - wie Rechtsdenker dies jahrhundertelang gefordert hatten.[14]

Wie zu erwarten, wurden diese Überlegungen im westlichen Bündnis nicht freundlich aufgenommen. Hier billigte man dem bewaffneten Widerstand überhaupt keine Legitimität zu (vgl. Wilson 1990: 133). Der prominente israelische Gelehrte Yoram Dinstein leistete Pionierarbeit, um der traditionellen Theorie der Besatzung im Krieg gegenüber der Vorstellung, diese sei illegal und gewaltsamer Widerstand legal, neue Geltung zu verschaffen.[15] Ausgehend vom Fallbeispiel der israelischen Besatzung auf der Westbank - obwohl Israel die Geltung der Genfer Konvention hier nicht anerkennt und erklärt, sich nur freiwillig der Haager Konvention zu unterwerfen - meint er, die menschenrechtlichen Maßnahmen zum Schutz der palästinensischen Bevölkerung seien nicht mit den Rechten des Besatzers vereinbar und sogar „irreführend", weil sie letztlich durch die Sicherheitsanliegen wenigstens teilweise unterlaufen würden (Dinstein 2009: 286).

Sein Argument, dass Sicherheits-Imperative Gruppen- und Menschenrechte der Palästinenser aushebeln können, trifft zu. Es geht mir in diesem Beitrag um den Nachweis, dass diese Gewichtung das Wesen des Völkerrechts ausmacht. Dinstein zeigt ebenfalls zutreffend, wie die Haager Konvention den Besatzer ermächtigt, im besetzten Territorium im Interesse effektiver Verwaltung und Entwicklung einzugreifen (Art. 43). Nun ist es der springende Punkt der Besatzung als Rechtskategorie, dass es sich um eine vorübergehende Situation handelt, die bis zur Unterzeichnung des Friedensvertrages anhält - zumindest haben die Delegierten bei den Haager Konventionen sich das so vorgestellt. Besatzungen sollten nicht zu Annexionen werden, weil das Völkerrecht den Erwerb von Souveränität durch Eroberung nicht anerkennt. Was aber, wenn kein solcher Vertrag ausgehandelt und die Besatzung zum Dauerzustand, zu etwas wird, was der Politikwissenschaftler Adam Roberts (1990) „anhaltende Militärbesatzung" nennt? Unter solchen Umständen, so fährt Dinstein fort, sollte die Annexion überlegt werden:

„Das Völkerrecht darf nicht von der Wirklichkeit abgekoppelt werden. Wenn nach einem Krieg eine Annexion über mehrere Jahrzehnte hinweg klar gefestigt ist, so mag die Schlussfolgerung unausweichlich werden, dass neue Rechte (die de iure gelten) sich herauskristallisiert haben, obwohl sie sich aus einer Verletzung des Völkerrechtes in ferner Vergangenheit herleiten. Selbst wenn der anfängliche Akt der Annexion ungültig ist, so wird die anhaltende (und unangefochtene) Ausübung der Souveränität am Ende unabhängig von dem ursprünglich einmal fehlerhaften Rechtstitel nun bindende Rechte schaffen. Es kommt der Punkt, wo das System des Völkerrechtes vor den Fakten ‘kapitulieren' muss." (2005: 171)

Die Selbstbestimmung des palästinensischen Volkes in der Westbank, das die Besatzung - ebenso wie, wenn auch in unterschiedlicher Form, die jordanische Kontrolle bis 1967 - immer bekämpft hat, spielt in diesem Szenario offenkundig keine Rolle. Ein Grund dafür besteht darin, dass Israel im Unterschied zu Gaza und den Golanhöhen auf der Westbank keinen vorherigen Souverän anerkennt, weil Jordanien nach 1948 nicht der legale Besitzer war. Und Israel glaubte auch nicht, die Einwohner der Westbank besäßen den Status eines Volkes und könnten demnach Selbstbestimmung einfordern. Dies ist ein Erbe der Argumentation Oppenheims über die Stammesvölker, die im Völkerrecht nicht zählen. Dann hieß und heißt es, Israel solle die 1967 eroberten Territorien aus Sicherheitsgründen behalten dürfen - „um sicherzustellen, dass solches arabisches Territorium nicht erneut zu Aggressionszwecken gegen Israel genutzt wird" - wie Vitoria Jahrhunderte zuvor argumentiert hatte (Schwebel 1970: 347; s. allgemein Mallison & Mallison 1986).

Das Ergebnis der Debatte ist letztlich, dass die israelische Besatzung der Westbank nur so lange von Dauer sein kann, wie Israel keinen Friedensvertrag mit seinen Nachbarn unterzeichnet, sowie ferner, dass es unter dem Vorwand effektiver Verwaltung und vor allem der Sicherheit dieses Territorium praktisch nach Belieben entwickeln kann - ungeachtet gewisser Beschränkungen nach den Haager und Genfer Konventionen (Art. 49, 53 und 55). Unter diesen Umständen ist die Besatzung nicht nur lang andauernd, sondern „transformativ", zumal dann, wenn es zur Besiedelung des Territoriums im großen Stil kommt (Roberts 2006). Von Eyal Benvenisti stammt der scharfsinnige Hinweis, dass das Völkerrecht zwar lang anhaltende Besatzungen nicht als illegal betrachte, doch solle die Weigerung des Besatzers, ehrlich zu einer friedlichen Lösung zu kommen, sie dazu machen, weil eine derartige Obstruktion „als regelrechte Annexion" des Territoriums zu betrachten sei - und Annexion bleibt illegal. Auch er meint jedoch, Sicherheitserwägungen seien ein legitimer Grund dafür, dass Besatzer ein Territorium behalten.[16] In diesem Fall wird die Besatzung andauern, und Dinsteins Position wird sich durchsetzen.

Schluss: Gaza, Widerstand und Vergeltung

Stellen wir dem orthodoxen Sicherheits-Paradigma eine Konzeption gegenüber, die ein palästinensisches Recht oder doch ein Streben nach Selbstbestimmung anerkennt. Darin würde zur Kenntnis genommen, dass genau die Dauerhaftigkeit der Besatzung den Widerstand erst schafft, der dann den Sicherheits-Imperativ auf den Plan ruft (vgl. Bornstein 2008). Welches Recht also kommt dem Widerstand zu? Antworten, die über die begrifflichen Beschränkungen des völkerrechtlichen und moralphilosophischen Standpunkts - vor allem die (verständliche) Hauptsorge um die zivilen Opfer - hinausgehen und sich mit den Modalitäten der Besatzung auseinandersetzen, müssen den politischen Kontext berücksichtigen, in dem gewaltsamer Widerstand gegen Besatzung stattfindet, zumal gegen eine anhaltende und transformative Besatzung. Das Völkerrecht berücksichtigt nicht ernsthaft die Perspektive derer, die unter Besatzung leben. Wie erleben sie über

„Die kollektive Bestrafung von Menschen, die den Zwängen einer militärischen Besatzung mit territorialen Zielsetzungen unterliegen, ist eindeutig ebenso sehr eine Form des Terrorismus wie der Einsatz von Selbstmordattentätern, die tödliche Kampfmittel an Orten zur Explosion bringen, wo sich zahlreiche unschuldige Zivilisten befinden." (Falk 2002: 21)

Gewiss wird diese Gleichung vielen als Donquichotterie und geradezu als frevelhaft erscheinen, aber Richard Falk, von dem sie stammt, bringt exakt die Überlegungen eines Großteils der Palästinenser zum Ausdruck. Sie fühlen sich durch die Übergriffe in besonderem Maße verletzt vor dem Hintergrund ihrer Erwartung auf Selbstbestimmung, die sie in unterschiedlicher Form das gesamte 20. Jahrhundert hindurch aufrecht erhalten haben. In dessen Verlauf wurde dieses Recht nicht nur verweigert, sondern die Existenz einer palästinensischen Nationalität wurde häufig ebenfalls bestritten. Im Grunde bedeutet die Besatzung eine Unterbrechung der Entkolonisierung, die mit dem Ende des britischen Mandates eingeleitet wurde. Das Recht der Palästinenser auf Rückkehr, das durch eine Resolution des UN-Sicherheitsrates verbrieft ist, wird ebenso als ein Recht betrachtet. Die anhaltende und transformative Besatzung, die effektiv zur Annexion eines Großteils des palästinensischen Gebietes führt, indem es mit jüdischen Siedlern aus der ganzen Welt bevölkert wird, hat die Palästinenser in ein „tragisches Dilemma" gezwungen: entweder vor der Annexion zu kapitulieren, weil gewaltloser Widerstand den Siedlungsbau nicht stoppen kann, oder gewaltsam Widerstand zu leisten, also Terrorismus zu üben (ebd.: 29, 39). Dieses Dilemma, das in der Analyse von Falk auf Palästina beschränkt ist, lässt sich auf die Beziehungen zwischen Siedlern und Indigenen über die Jahrhunderte hinweg verallgemeinern.

Fürsprecher Israels lassen dies nicht gelten und betonen, der Terrorismus sei die Ursache der Besatzung und nicht umgekehrt. So schreibt Alan  Dershowitz, Israel halte die Westbank besetzt, um sich zu verteidigen und bringt so Argumente vor, mittels derer westliche Denker jahrhundertelang Expansion mit defensiver Gewalt verknüpft haben (vgl. Dershowitz 2006). Wie Halleck glaubt er, die Bestrafung von Kollektiven - in diesem Fall palästinensischer Zivilisten - sei legitim, weil sie angeblich „den Mord an Zivilisten" unterstützen, wie er formuliert. Er befürwortet keine bewusste, gezielte Aktionen gegen Zivilisten - das machen Terroristen - aber er empfiehlt wirtschaftliche Sanktionen, das Niederwalzen von Gebäuden usw. als legitime Vergeltung (Dershowitz 2002: 174f). Israels Bombardierung von Gaza, schrieb er, war „völlig verhältnismäßig". Er berief sich dazu auf Selbstverteidigung, militärische Notwendigkeit und Anstrengungen zur Schonung von Zivilisten (Dershowitz 2009). Wie Vitoria vor ihm rechtfertigt er den Tod unschuldiger Zivilisten, wenn sie im Verlauf legitimer Vergeltung getötet werden:

„Das Gesetz muss sicherlich unschuldige Zivilisten schützen. Der erste Schritt, der hier getan werden sollte, ist anzuerkennen, dass es ein Kriegsverbrechen ist, wenn Terroristen sich unter Zivilisten verstecken und so die Demokratien zu der Wahlentscheidung zwingen, ob sie den Terroristen gestatten sollen, mit der Tötung unschuldiger Zivilisten in einer Demokratie fortzufahren oder ob sie militärisch vorgehen sollen, was häufig dazu führt, dass einige Zivilisten umkommen. Alle zivilen Opfer im israelisch-palästinensischen Konflikt gehen ausschließlich zu Lasten der palästinensischen Terroristen, die bewusst eine Lage schaffen, in der Zivilisten getötet werden." (Dershowitz 2005)

Dershowitz sagte dies 2005. Während des Angriffs auf Gaza 2008/09 stellte Amnesty International fest, dass Hamas nicht unmittelbar Zivilisten als menschliche Schilde benutzt hatte, obwohl es zur Kenntnis nahm, dass Hamas-Kämpfer Raketen von zivilen Gegenden aus abschossen, bevor sie diese verließen. (Amnesty kritisierte Israel dafür, palästinensische Zivilisten als menschliche Schilde benutzt zu haben, indem sie als Geiseln in ihren Häusern festgehalten wurden, die dann als Scharfschützen- und Beobachtungsstellungen genutzt wurden).[17] Gefragt, warum die Hamas-Kämpfer das taten, berichtete eine Journalistin der New York Times in Gaza folgendes:

„In einem Interview mit CNN fragte mich der Moderator, während die Kämpfe noch andauerten, ob die Hamas aus Wohngebieten heraus schieße. Ich gab zur Antwort: Ja, denn ich hatte Belege dafür und war Zeugin geworden, wie eine Rakete aus einem zivilen Gebiet abgefeuert wurde. Dann fragte der Moderator mich, warum Hamas das tue. Ich antwortete, dass nach Aussage des hohen Hamas-Führers Mahmoud al-Zahar Hamas keine andere Wahl habe. Die Hamas sagt, dies sei das einzige Instrument, das ihr zur Verfügung stehe, um Israel unter Druck zu setzen, damit es die Blockade gegen den Gaza-Streifen beende. Hamas argumentiert, der Gaza-Streifen sei so klein (gerade einmal die Fläche von Detroit), dass die Drohnen und die F-16-Jets die Kämpfer sogleich töten würden, wenn sie unmittelbar an der Grenze oder vom freien Feld aus schössen." (El-Khodary 2009)

Hier haben wir also die beschränkten Bedingungen legitimen Widerstandes eines indigenen Volkes, wie sie von Vattel entwickelt wurden. Von den 1.499.369 Einwohnern von Gaza sind 1.030.638 bei UNRWA als Flüchtlinge registriert - zwei Drittel der Bevölkerung.[18] Nach Angaben der Vereinten Nationen kamen die meisten, die „wegen des Israelisch-Arabischen Krieges von 1948 in den Gaza-Streifen flohen, aus Jaffa, Städten und Dörfern südlich von Jaffa sowie aus der Gegend von Beersheva im Negev."[19] Man könnte Dershowitz fragen, wer nun diese Situation geschaffen hat. Er könnte antworten, dass Palästinenser und Araber generell den UN-Teilungsplan von 1947 ablehnten und nun die Last ihrer historischen Entscheidung zu tragen hätten. Aber was ist zuvor mit dem zionistischen Kolonisierungsprojekt? Von Anfang an betrachteten die Zionisten ihre Anwesenheit in Palästina als ein Recht und den palästinensisch-arabischen Widerstand dagegen als illegitim. Sie verstanden es als Verteidigungshaltung, wenn Juden das Recht beanspruchten, das Land zu kolonisieren und die lokale arabische Bevölkerung demographisch zu überwältigen - obwohl die lokale Bevölkerung dies natürlich als aggressiv und expansiv erlebte.[20] Dies ist das Muster aggressiver Selbstverteidigung, das wir seit Vitoria beobachtet haben.

Machen Leute aus Gaza nun ihr Recht geltend, in ihre Dörfer und Städte zurückzukehren, so sehen sie sich dem von Falk beschriebenen tragischen Dilemma gegenüber: entweder zu kapitulieren und dieses Recht aufzugeben (weil Israel und die internationale Gemeinschaft es nicht achten werden), oder aber gewaltsam „Widerstand" zu leisten und dann das Völkerrecht zu brechen, weil sie israelische Zivilisten mit Raketen terrorisieren, die von zivilen Wohngebieten aus abgefeuert werden (obwohl sie 2008/09 keine menschlichen Schutzschilde einsetzten). Schössen sie von offenen Feldern in Gaza aus, so würden sie, wie al-Zahar erläuterte, durch Israels haushoch überlegene Militärmacht dezimiert werden. Sich an das Völkerrecht zu halten, bedeutet also die sichere Niederlage. Der Verweis auf diese altehrwürdige Bestimmung des Völkerrechts bedeutet keine Rechtfertigung terroristischer Gewalt, sondern vielmehr eine Erklärung, warum es überhaupt dazu kommt (vgl. Hage 2003).

Ironischerweise suchen Fürsprecher der palästinensischen Sache Israel unter die Haager Konvention zu zwingen, weil sie glauben, dies könne die Besatzung abmildern. Letztlich wird dadurch aber wenig erreicht, weil Sicherheitsbedenken und andere rechtliche Winkelzüge, wie fadenscheinig auch immer, so gut wie sämtliche Handlungen Israels rechtfertigen können - ob gegen Gaza oder in der Westbank.[21] So bestimmen etwa die Genfer Konventionen, dass der Besatzer die Bevölkerung nicht unterdrücken darf; aber Israel darf aus absoluter militärischer Notwendigkeit Eigentum zerstören (Art. 23[G] und 23 der Haager Konvention). Demnach ist Israels Politik der Bestrafung durch das Abreißen von Häusern rechtlich abgesichert.[22] Und das gilt auch für den Krieg in Gaza. Das alte Recht auf Selbsterhaltung und kollektive Bestrafung ebenso wie auf Prävention und vorwegnehmende Selbstverteidigung überlebt im Völkerrecht ungeachtet der  Menschenrechtsrhetorik und der Rechtsinstrumente, die diese Praxis abmildern sollen. Unter Druck werden Nationalstaaten heute ebenso wie in der Vergangenheit auf derartige Maßnahmen zurückgreifen (vgl. Laursen 2004).

Wenn deren Führer behaupten, sie seien dazu durch terroristischen Widerstand des Volkes unter Besatzung gezwungen, so liefert das Völkerrecht ihnen gleich auch die Rechtfertigung für die Besatzung selbst: Notwendigkeit und präventive Selbstverteidigung. Und obwohl das Recht auf die Besiedelung „unbewohnten Landes" keine legitime Begründung für imperiale Expansion mehr ist, sind Kultivierung und Verbesserung noch immer mächtige Faktoren, die die westliche Vorstellungswelt beeinflussen. Die israelischen Siedler können so das palästinensische Recht auf Selbstbestimmung beispielsweise in den Augen vieler Nordamerikaner aushebeln, die die Palästinenser mit „Indianern" und die jüdischen Siedler (von denen viele Amerikaner sind) mit ihren eigenen Vorfahren identifizieren, die diese unterwarfen und das Innere des Kontinents für die weiße Besiedelung erschlossen. Nicht umsonst beziehen sich beide Seiten in Israel/Palästina auf die „Indianer"-Analogie. „Wir sind keine Indianer", erklärte Arafat und wollte damit sagen, dass die Palästinenser nicht ausgerottet und von ihrem ererbten Land vertrieben werden könnten (Usher 2004). Er irrte sich zum Teil. Sie können wirklich enteignet werden, und wie zuvor wird das Völkerrecht helfen, zu diesem Ergebnis zu kommen.

Was ist nun mit den Präventivschlägen, jenem antiken Recht, das die humanistischen Autoren der frühen Neuzeit wiederentdeckt haben? Es handelt sich um einen aufschlussreichen Anspruch, weil er sehr genau die Angst erfasst, die ein kleines Land oder Volk erlebt, das an eine mächtigere Einheit angrenzt oder von ihr besetzt gehalten wird. Die Asymmetrie wird als unerträglich erfahren. Das Losschlagen gegen eine potentielle Bedrohung, die man in dem militärischen und/oder demographischen Ungleichgewicht erblickt, bevor diese sich aktualisiert, wird als Recht beansprucht. Im Nahost-Konflikt ist dieser Rechtsanspruch auf unterschiedliche Weise wirksam. Er macht die verborgene Wahrheit im Anspruch der Hezbollah aus, „Widerstand" gegen Israel zu leisten, obwohl sie 2000 Israel dazu bringen konnte, den Libanon zu verlassen.[23] Aber er begründet auch Israels Anspruch, legitim Syrien und den Iran anzugreifen und deren Nuklearkapazität zu zerstören. Während Hezbollah das Ungleichgewicht verändern will, möchte der israelische Staat es aufrechterhalten, um das Land gegen jegliche Bedrohung zu immunisieren. Die Psychologie der Angst und die Politik der Prävention sind Modalitäten der Besatzung ebenso wie des Widerstandes gegen sie.

Originaltitel: „Occupation, Colonialism and Resistance: International Law and the Legitimation of Terror". Autorisierte Übersetzung aus dem Englischen: Reinhart Kößler

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Anschrift des Autors:
A. Dirk Moses
Dirk.moses@usyd.edu.au

 


Anmerkungen

 [1]     Auf Deutsch sind beide synonym; „Genozid" bezeichnet den identischen Sachverhalt als lateinisches Lehnwort; d.Ü.

2]     s. etwa Human Rights Watch reports, Why They Died: Civilian Casualties in Lebanon During the 2006 War, Bd. 19, Nr. 5(E) (September 2007): http://www.hrw.org/sites/default/ fi les/reports/lebanon0907.pdf; and Civilians under Assault, Bd. 19, Nr. 3(E) (August 2007): http://www.hrw.org/sites/default/files/reports/iopt0807.pdf.

[3]     s. etwa die Kritik an der israelischen Kriegführung von Margalit & Walzer 2009.

[4]     Ich befasse mich nicht mit Thomas Hobbes, John Locke, Christian Wolff, Johann Caspar Bluntschli und vielen anderen internationalen Geistesgrößen und biete auch keine umfassende Untersuchung der Haager und Genfer Konventionen. Die Literatur dazu ist umfangreich und kann hier nicht eingehend behandelt werden. Einige neuere Beiträge sind Neff 2005, Detter de Lupis 2000, Benvenisti 2004; älter, aber zuverlässig Graber 1949, Kalshoven 1971.

[5]     Lemkin, Raphael: „Spain Colonial Genocide". American Jewish Historical Archives, P-154, Box 8, Folder 12. Zur Analyse s. McDonnell & Moses 2005.

[6]     Michael Walzer (1982: 296f) setzt diese Argumentationslinie fort, wenn er schreibt: „Der Revolutionär beweist seine Freiheit, indem er dem Feind unmittelbar gegenübertritt und niemanden sonst angreift - und auf gleiche Weise wird ihm Freiheit zuteil."

[7]     Zwischen 1899 und 1907 unterzeichneten neben den westlichen Staaten China, Japan, Liberia, Persien, Siam und das Osmanische Reich.

[8]     Im Original deutsch, d.Ü.

[9]     John Westlake 1894: 238, 241-244 billigt diese Unterscheidung nicht, seine Argumentation kann aber nicht überzeugen. Fast Gleiches gilt für Hull 2004.

[10]    vgl. Wilson 1932: 28. Wilson leitete von 1918 bis 1920 die Zivilverwaltung in Mesopotamien für die Briten und reflektiert in diesem Artikel über seine Erfahrungen; vgl. Satia 2006.

[11]    Colby 1927; zum frühneuzeitlichen Vorlauf s. Tucks (1999: 35) Analyse von Alberico Gentili.

[12]    Stowell 1942: 646f; Hv.: DM. Die Besatzer dürften im Kampf gegen Guerillas „jegliche effektiven Mittel einsetzen, die ihnen zur Verfügung stehen".

[13]    Die letzten Zitate stammen aus der Resolution der Generalversammlung 2649 (XXV) 1970; Hv.: DM. S. www.un.org/documents/ga/res/25/ares25.htm (19. 9. 2009). Ferner Dallal 1987, als Begründung des palästinensischen Rechtes auf Selbstbestimmung aus den Resolutionen der Generalversammlung.

[14]    International Committee of the Red Cross: www.icrc.org/ihl.nsf/7c4d08d9b287a4214125 6739003e636b/f6c8b9fee14a77fdc125641e0052b079 (19. 9. 2009).

[15]    vgl. Dinstein 2009: 2; er gibt seiner Hoffnung Ausdruck, sein Buch möge als Lehrmaterial in der Offiziersausbildung Verwendung finden!

[16]    vgl. Benvenisti 2004: 146f. Sogar Dinstein nimmt zur Kenntnis, dass die israelische Annexion Ost-Jerusalems nicht dem Völkerrecht entspricht; anscheinend kann er sich aber nicht dazu durchringen, sie „illegal" zu nennen (2009: 18f).

[17]    Amnesty International 2009. Diese Presseerklärung kritisierte, dass Hamas-Kämpfer von zivilen Gegenden aus schossen und sich dann zurückzogen, woraufhin die israelische Armee die Gegend unter Feuer nahm, obwohl sie hätte wissen müssen, dass die Hamas-Kämpfer nicht mehr anwesend waren.

[18]    PASSIA, Bulletin on Gaza (June 2008). Diese Zahlen beruhen auf Schätzungen von 2007: http://www.passia.org/publications/bulletins/gaza/pdf/GAZA%201.pdf (19. 9. 2009). (UNRWA: United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East, d.Ü.).

[19]    „Insgesamt kamen etwa 200.000 Flüchtlinge nach Gaza, dessen frühere Bevölkerung nur 80.000 zählte": http://www.un.org/unrwa/refugees/gaza.html (19. 9. 2009).

[20]    Zur zionistischen Perspektive s. Shapira 1992.

[21]    Symptomatisch für diesen juristischen Ansatz Bisharat 2009, 1993/94; Imseis 2003; Playfair 1992.

[22]    22 vgl. Darcy 2003; Farrell 2003; zur Kritik Carroll 1990; Simon 2994.

[23]    Ich verdanke diese Einsicht in die Psychologie der Hezbollah Ihab Shalbak.

 

Peripherie Nr. 116, 29. Jg. 2009, Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster, S. 399-424
Bezug: info@zeitschrift-peripherie.de