14.000 deutsche Polizisten und weitere Sicherheitskräfte
sind im Einsatz, um die Jubiläumskonferenz der NATO von der
Öffentlichkeit abzuschotten. Doch auch der größte Polizei-Einsatz, den
Baden-Württemberg je erlebt hat, hält die Demonstranten nicht davon ab,
gegen das Militärbündnis zu protestieren. Gründe gibt es schließlich
genug: Angriffskriege, Atomwaffen-Option, Militarisierung des Innern,... Christoph Marischka von der Informationsstelle Militarisierung (IMI) analysiert die Machenschaften der NATO. (utopia-Redaktion)
Die NATO (North Atlantic Treaty Organization, deutsch:
Nordatlantikvertrag-Organisation) ist eigentlich keine internationale
Organisation wie die Europäische Union oder die Vereinten Nationen,
sondern ein Militärbündnis. In ihm sind 28 Staaten aus Europa und
Nordamerika zusammengeschlossen. Zwar treffen sich die zivilen
Vertreter der Außenministerien der beteiligten Länder regelmäßig und
auch ab und zu deren Staats- und Regierungschefs. Doch die fortdauernde
Arbeit des Bündnisses wird vom NATO-Militärausschuss durchgeführt.
Dieser besteht aus hochrangigen Offizieren der Mitgliedsstaaten und
gibt den Kurs der NATO vor.
Mission: Angriffskriege
So beschlossen die Regierungen der NATO-Staaten offiziell erst 1999,
dass die NATO zukünftig weltweit auch Angriffskriege durchführen soll.
1992 bereits hatte die NATO ihre Militärverbände nach Bosnien verlegt,
zwei Jahre später massive Luftschläge gegen die bosnischen Serben
begonnen und 1999 hat die NATO ihren völkerrechtswidrigen Angriffskrieg
gegen Jugoslawien gestartet. Zudem hatte die NATO bereits in
zahlreichen Ländern des ehemaligen Ostblocks „Reformen des
Verteidigungssektors" durchgeführt oder begleitet. Diese Reformen
zielten darauf ab, die Armeen der „Partnerstaaten" auf ihre zukünftigen
Aufgaben vorzubereiten - auf die Teilnahme an Angriffskriegen der NATO.
EU und NATO: Gemeinsam für Militarisierung
In ähnlicher Weise unterstützte die NATO auch die Militarisierung der
Europäischen Union (EU). Diese nahm konkret Gestalt an, als die EU 1999
erstmals einen „Hohen Vertreter für die Gemeinsame Außen- und
Sicherheitspolitik" benannte: Javier Solana, der unmittelbar zuvor als
Generalsekretär der NATO das höchste Amt des Militärbündnisses
bekleidete. Der erste EU-Militäreinsatz 2003 in Mazedonien löste eine
NATO-Mission ab und fand in enger Zusammenarbeit mit der NATO statt.
Bis heute ist die EU bei größeren „Interventionen" auf die Hilfe der
NATO angewiesen, beispielsweise bei dem Transport von Waffen und
Soldaten. Diese Zusammenarbeit regelt das Berlin-Plus-Abkommen. Darin
ist auch vorgeschrieben, dass das Oberkommando einer EU-Militärmission,
die auf Strukturen der NATO zurückgreift, bei der NATO liegt.
NATO: Voraussetzung von Kriegen
Überhaupt sind fast alle westlichen Staaten, um einen Krieg gegen eine
richtige Armee zu führen, auf die NATO angewiesen. Sogar die USA
mussten für ihren Krieg gegen den Irak auf die Unterstützung durch
NATO-Verbündete zurückgreifen. Selbst als größter Militärmacht der Welt
wäre es den USA ohne die NATO unmöglich gewesen, diesen zweiten Krieg
anzufangen, wenn die NATO nicht bis heute in Afghanistan die Führung
über die mittlerweile 55.000 Soldaten übernommen hätte.
Auch die militärische Kontrolle der Weltmeere kann kein Land alleine
erfüllen. Deshalb nutzt die NATO gegenwärtig die Angst der Menschen vor
Piraterie (und die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus), um
die Stationierung ihrer Flottenverbände an den wichtigsten Nadelöhren
des Welthandels zu legitimieren.
Die NATO setzt auf Eskalation
Diese Beispiele machen eines klar: Die NATO lebt vom militärischen
Konflikt. Insofern scheint es der inneren Logik von Institutionen zu
folgen, dass die NATO Konflikte (militärisch) zur Eskalation bringt.
Dazu trägt vor allem die Bereitschaft der NATO bei, Atomwaffen
einzusetzen. Damit provoziert das Militärbündnis, dass die Staaten,
welche sich von der NATO bedroht sehen, schnell Atomwaffen entwickeln
wollen.
Ihre Argumentation: Nur wer selbst Atomwaffen entwickelt, kann sich vor
dieser Drohung halbwegs schützen. Auch die Raketen, die die NATO in
Osteuropa aufstellen möchte (Raketenschild), werden ein entsprechendes
Wettrüsten in Gang setzen. Sie sind Teil einer Einkreisungsstrategie
gegenüber Russland, die ebenfalls irgendwann zu eskalieren droht. Einen
ersten Vorgeschmack hierfür haben wir letzten Sommer in Georgien
erlebt, das sich vor dem Hintergrund einer anstehenden
NATO-Mitgliedschaft traute, Russland militärisch zu provozieren.
Russland reagierte daraufhin sehr aggressiv - erstens, um die NATO vom
Eingreifen abzubringen, zweitens, da dies für Russland vielleicht die
letzte Möglichkeit vor Georgiens NATO-Beitritt war, eigene Interessen
direkt an der eigenen Grenze durchzusetzen.
Ausweitung der Einflussmöglichkeiten
Doch die Vorstellung, dass die NATO sich einfach auflösen würde, wenn
es keine großen Kriege wie in Afghanistan und dem Irak und keine
mächtigen Gegenspieler wie Russland gäbe, trifft leider nicht zu. Denn
die NATO bemüht sich, auch unterhalb der Schwelle des internationalen
Konfliktes, ihren Einfluss zu sichern. So will sie die Piraterie
„bekämpfen", obwohl das allenfalls eine polizeiliche (tatsächlich: eine
sozialpolitische) Aufgabe ist. Darüber hinaus greift die NATO aber auch
in die Grenzsicherung und den Katastrophenschutz ihrer Partner- und
Mitgliedsstaaten ein. Dass die NATO die Militarisierung der „Inneren
Sicherheit" vorantreiben möchte, sieht man auch an den
NATO-Aufklärungsflugzeuge AWACS, die im deutschen Geilenkirchen
stationiert sind. Diese sind seit 2001 bei jedem „Großereignis" - ob
Fußballmeisterschaft, G8-Gipfel oder Papstbesuch - im Einsatz und mit
Bundeswehrsoldaten bemannt. Auch über dem NATO-Jubiläumsgipfel Anfang
April in Straßburg und Kehl werden sie kreisen. Dadurch werden wir uns
aber vom Protestieren nicht abhalten lassen!
Christoph Marischka (29) ist Vorstandsmitglied der Informationsstelle Militarisierung (IMI).
Weitere Informationen:
http://www.imi-online.de
http://notonato.wordpress.com/
Die Informationsstelle Militarisierung (IMI) hat zusammen mit der
Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen
(DFG-VK) eine 72-seitige Broschüre zur NATO erstellt, die auf der
IMI-Website - www.imi-online.de - kostenlos gelesen oder gegen 2 Euro
zzgl. Versand unter imi@imi-online.de bestellt werden kann.
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