Für ein Wahlrecht ohne Altersgrenze
In den meisten Staaten ist das Wahlrecht eines der wichtigsten
politischen Rechte. Kinder und Jugendliche bilden in Deutschland die
größte Bevölkerungsgruppe, der dieses Recht nach wie vor vorenthalten
wird. Durch die im Grundgesetz (Art. 38 Abs. 2) für Bundestagswahlen
festgelegte Altersgrenze von 18 Jahren werden mehr als 13 Millionen
Menschen ausgeschlossen.
PolitikerInnen orientieren sich - zumindest in Wahlkampfzeiten und
somit bei der Erstellung von Wahlprogrammen - daran, was die
WählerInnen wollen. Schließlich wollen sie ja gewählt werden. Wenn
Kinder und Jugendliche jeden Alters wählen dürften, würden Themen wie
Schulpolitik und Jugendschutz sicherlich anders diskutiert als es heute
der Fall ist. Bislang laufen PolitikerInnen Gefahr, andere
WählerInnenkreise zu verprellen, ohne neue hinzuzugewinnen, wenn sie
sich etwa für Veränderungen des Bildungswesens nach den Wünschen der
SchülerInnen aussprechen würden. Es geht nicht darum, ob die eine oder
andere Partei dadurch ein paar Prozentpunkte zulegt. Dürften junge
Menschen wählen, müssten sich alle Parteien auf Anliegen junger
Menschen zubewegen.
Ein weiterer wichtiger Effekt des Kinderwahlrechts wäre, dass sich
damit der gesellschaftliche Status von Kindern ändern würde, ähnlich
wie es bei Besitzlosen und Frauen war, als diese das Wahlrecht
erhielten. Die Sichtweise von Erwachsenen auf Kinder würde sich zwar
nicht von einem Tag auf den anderen ändern, aber im Laufe der Jahre
würden immer mehr Menschen erkennen, dass Kinder gleichwertige
Mitglieder der Gesellschaft sind.
Deshalb kann es auch nur um ein persönliches Wahlrecht für Kinder und
Jugendliche gehen und nicht darum, dass Eltern für jedes Kind eine
zusätzliche Stimme abgeben können. Letzteres wäre kein Kinderwahlrecht,
sondern ein Elternwahlrecht.
Das Wahlrecht ist ein Recht und keine Pflicht. Kinder, die sich
nicht für Politik interessieren, können der Wahl einfach fernbleiben.
Andere Grundrechte gelten bereits ohne Altersgrenze, wie etwa die
Meinungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit. Auch wenn Babys
natürlich nicht in der Lage sind, zu einer Demonstration zu gehen,
haben sie dennoch das Recht dazu.
Gegen ein Kinderwahlrecht wird meistens argumentiert, dass Kinder sich
zu leicht beeinflussen ließen. Dieser Einwand verkennt die Tatsache,
dass jeder Mensch, egal welchen Alters, durch sein Umfeld, wie zum
Beispiel Freunde, Verwandte oder die Medien, beeinflusst wird. Häufig
wird auch behauptet, dass Kinder nicht schlau genug seien um
mitentscheiden zu dürfen. Nach dieser Logik könnte man das Wahlrecht
auch vom Schulabschluss oder von einem Intelligenztest abhängig machen.
Wenn Menschen aber aufgrund ihrer vermeintlich fehlenden Intelligenz
das Recht auf politische Beteiligung aberkannt wird, ist das zutiefst
undemokratisch.
Umfangreiche Informationen und Antworten auf die häufigsten Einwände und Fragen gibt es unter de.kraetzae.de/wahlrecht/ und unter www.ich-will-waehlen.de
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