Warum Feministen den Frauen lieber nicht die Tür aufhalten sollten
Dass die Quote von Frauen in Parlamenten und höheren Etagen von Unternehmen - also dort, wo autoritäre Politik gemacht wird - nicht besonders hoch ist, wissen viele. Aber auch in kleinen emanzipatorischen Politgruppen - also da, wo Politik von unten gemacht wird - sind meist unverhältnismäßig viele Männer aktiv.
Meist könnten Frauenquoten, falls vorhanden, schon allein deshalb nicht eingehalten werden, weil einfach nicht genügend Frauen zur Verfügung stehen. Dieses Problem nach dem Motto „Sie wollen ja nicht" allein den Frauen anzukreiden, wäre jedoch falsch. Vielmehr gibt es verschiedene Mechanismen, die Frauen aus politischen Zusammenhängen ausschließen.
In bürgerlichen Kreisen ist der Begriff „Gender Mainstreaming" in den letzten Jahren sehr in Mode gekommen. „Gender" ist der englische Begriff für das soziale Geschlecht, das im Gegensatz zum biologischen Geschlecht erst durch den Einfluss der Gesellschaft entsteht. Dieses soziale Geschlecht soll als „Hauptströmung" (Mainstream) in das Zentrum des Handelns gestellt werden. Gender Mainstreaming ist allerdings ein politischer Begriff, der unterschiedlich ausgelegt wird. Im Allgemeinen bezeichnet er eine Reihe an Dingen, die dazu führen sollen, dass in bestimmten Bereichen das Geschlecht keine Rolle mehr spielt. Typisch für „Gender Mainstreaming" ist beispielsweise der „Girls‘Day", der einmal jährlich stattfindet. An diesem Tag wird versucht, Mädchen über ihre „typisch weiblichen" Interessen - Klamotten, pinke Farbtöne, usw. - anzusprechen, um sie an bislang männlich dominierte Berufe heranzuführen. Das führt dann meistens dazu, dass Geschlecht nicht mehr hinterfragt, sondern hingenommen wird.
Eine weitere Form, Geschlechter nicht zu hinterfragen, geht von einer neuen Garde von AutorInnen aus, die eine Art neue Weiblichkeit verkünden. Bücher wie „Die neue F-Klasse" oder „Wir Alpha-Mädchen" berichten davon, wie erfolgreich Frauen sein könnten, dass Frau-Sein geil sei, und eigentlich nichts der erfolgshungrigen jungen Frau von heute im Weg stehe. Selbstbewusst und erfolgreich soll sie sein. Viel Geld verdienen, ein Kindermädchen (!) anstellen, und zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse zu McDonalds und in den Puff gehen.
Dabei sind die Geschlechterrollen noch lange nicht aufgelöst, die Diskriminierung tritt jeden Tag offen zu Tage. Dinge, die wir vielleicht als gut und nicht-„frauenfeindlich" erlernt haben, können aber durchaus kontraproduktiv sein. Einer Frau die Tür aufzuhalten oder beim Tragen helfen zu wollen, weil sie eine Frau ist, ist eben auch nur positiver Sexismus und festigt Geschlechterunterschiede. Wenn ich Frauen schon beim Tragen helfen muss, kann ich sie eigentlich für die Verteidigung eines Hausprojektes kaum gebrauchen.
Andererseits kann auch nicht von Gleichberechtigung gesprochen werden, wenn Frauen männlichen Handlungs- und Agressionsmuster übernehmen müssen, um anerkannt zu werden.
Auch in linken Gruppen sollte daher darauf geachtet werden, dass alle Menschen ernst genommen werden - unabhängig davon, welche anerzogene Verhaltensweise sie an den Tag legen.
Manchmal kann auch Verhalten, welches gegenüber Männern vollkommen in Ordnung ist, gegenüber Frauen als anstößig wahr genommen werden, weil es Erinnerungen an sexistische Muster hervorruft.
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