Utopia 2.0 – Wir werden weiter träumen

Sevgi Kosan-Drücke und Bernd Drücke im Gespräch mit dem Musiker und Anarcho Konstantin Wecker (Teil 1-3)

„Wir hören nicht auf zu träumen von einer herrschaftsfreien Welt“

 

Anfang Oktober 2023 trafen sich Sevgi Kosan-Drücke und Bernd Drücke in einem Dortmunder Hotel mit dem am 1. Juni 1947 in München geborenen Liedermacher, Autor, Schauspieler und Anarchopazifisten Konstantin Wecker zum Gespräch über Utopie, Poesie, Anarchie, Öcalan, Knast, Grenzen, Krieg, Frieden und die „Letzte Generation“. Die 60-minütige Radio Graswurzelrevolution-Sendung mit dem Musiker wurde im Januar 2024 im Bürgerfunk auf Antenne Münster ausgestrahlt und kann jetzt, inklusive Musik, in der NRWision-Mediathek (1) gehört werden. Die Graswurzelrevolution hat Auszüge aus dem Gespräch redaktionell überarbeitet und in drei Teilen im Dezember 2023 in der GWR 484, im Januar 2024 in der GWR 485 und im Februar 2024 in der GWR 486 veröffentlicht. Hier nun das vollständige Interview. (GWR-Red.)

 

Bernd Drücke: Konstantin, wir haben gestern in der Konzerthalle Dortmund dein bewegendes Konzert besucht und sind froh, dass wir uns heute mit dir treffen können.
 

Konstantin Wecker: Das freut mich auch.
 

Sevgi Kosan-Drücke: Ich war begeistert von deinem Konzert. Das ging ins Herz und in den Kopf. Total viele Bilder wurden aufgerufen. Emotionalität und Zärtlichkeit spielen in deinen Liedern eine große Rolle. Mir ist aufgefallen, dass gestern das Thema „Liebe plus Utopie“ im Vordergrund stand. Was verstehst du darunter? Wie entstehen deine Lieder und Gedichte?

 

Konstantin: Mir wird das immer bewusster, vor allem im Alter, und ich habe es erstaunlicherweise schon als junger Mann gewusst, in meiner Poesie, und ich muss dazu sagen: meine Gedichte passieren mir, ich habe sie mir nie ausgedacht. Von 600 Liedern, die ich geschrieben habe, und von viel mehr Gedichten auch noch, gibt es ein Lied, das ich ganz bewusst geschrieben habe, das ist „Sage nein!“ Als die ersten Flüchtlingsheime brannten nach der Wende, da habe ich dieses Zitat von Wolfgang Borchert verwendet. Also, dieses Lied ist wirklich aus der Ratio gekommen. Alle anderen Lieder, auch die sogenannten politischen, sind mir passiert. Wie Joseph Beuys mal so schön sagte: „Jeder Mensch ist ein Künstler“, man muss nur den Zugang finden dazu. Ich habe dieses unglaubliche Glück gehabt und das fällt mir im Alter auf. Es war nichts als Glück, es war nicht mein Verdienst. Das einzige Verdienst ist, dass ich als junger Mann und schon als Knabe sehr viel gelesen habe. Das gehört dazu, weil ohne Lesen kann man nicht schreiben, aber ansonsten ist es nur ein großes Glück, dass ich diese Verse pflücken durfte.

Mir fällt heute auf, dass ich mit 18, 19 schon teilweise Gedichte geschrieben habe, die um 30, 40 Jahre weiser waren als ich damals. Ich war ein ziemlich typischer, egobelasteter, machomäßiger, junger Mann. Glücklicherweise in meinen Liedern und Gedichten nie so. Ich werde nie vergessen, wie früher oft Frauen zu mir kamen, die haben mich so angeschaut und ich sah halt genauso auch aus, und dann haben sie gesagt: „Und duuuu willst diese Lieder geschrieben haben? Das glaube ich nicht!“

In meinen Liedern habe ich meine Zerbrechlichkeit immer zugelassen und auch meine Weiblichkeit. In meinem Handeln und in meinem Sein als ganz junger Mann überhaupt nicht. Ich hatte auch das Glück, dass ich großartige Frauen kennenlernen durfte Joan Baez, Mercedes Sosa, Margarethe von Trotta, mit der ich meine ersten Filme gemacht habe. Die haben mich akzeptiert, trotz meines Aussehens und haben etwas Tieferes in mir gesehen. An denen konnte ich lernen und ich habe Jahrzehnte gebraucht, aber jetzt als 76-jähriger Mann kann ich sagen: „Ich bin bekennender Feminist.“ Aber es dauert wirklich für eine Macho-Generation wie mich aus den 47er Jahren.

Das war nur ein Beispiel jetzt. Meine Gedichte flogen mir zu und ich brauchte manchmal Jahre, manchmal Jahrzehnte, um sie zu verstehen. Auch damals habe ich schon viel von Liebe und Zärtlichkeit gesprochen, obwohl das vielleicht in meinem Handeln noch gar nicht so zu spüren war.

Mir wird heute immer bewusster, dass wir uns zugestehen müssen, dass es nicht das Hirn ist, was das Bewusstsein ausmacht, sondern etwas, was tief in uns liegt. Und tief in uns, da ist sicher auch eine spirituelle Komponente. In den 70er Jahren, da war es verpönt, spirituell zu sein und links, das ging nicht. Aber ich war es, weil ich damals schon Meister Eckhart gelesen und geliebt habe. Auch mit den Buddhisten habe ich mich auseinandergesetzt, mit der buddhistischen Psychologie, weniger eigentlich mit der Religion. Ich sehe den Buddhismus gar nicht so als Religion.

Übrigens sagen die Buddhisten auch: „In jedem Menschen wohnt die Buddha-Natur“. Das ist etwas ähnliches wie der Beuys sagte, in uns allen wohnt es, in uns allen wohnt die Liebe, die Zärtlichkeit, die Sehnsucht nach einem liebevollen gleichberechtigten Miteinander. Aber wie finden wir den Zugang dazu?

Das ist auch eine Frage des Alters. Ich wehre mich heute genauso wie früher gegen krude Neonazi-Ideologien. Aber ich stelle mich nicht über diese Menschen. Ich frage mich gerade bei Neonazis: „Was muss der für eine schreckliche Kindheit gehabt haben, um zu so einer kruden, völlig verrückten Idee zu kommen, um dieser Ideologie hinterher zu rennen?“

Eigentlich ist es mittlerweile eher eine Art Mitgefühl, von dem ich dabei geprägt bin. Dass man sich dagegen wehren muss, ist gar keine Frage. Das tue ich auch vehement, aber ich glaube, es ist ein Unterschied, wie man sich wehrt, ob man sich mit Hass wehrt oder eigentlich doch fast eher mit Zärtlichkeit. Das wird mir jetzt immer bewusster und das ist übrigens auch mein Zugang zur Anarchie. Ich habe es ja gestern im Konzert auch gesagt, als 17-Jähriger habe ich bei Henry Miller, den ich glühend verehrt habe, gelesen: „Der wahre Künstler muss Anarchist sein.“ Das hat mich geprägt bis heute und ich bin heute fast noch mehr Anarcho als früher. (5)

Ich nenne es immer gerne „Anarcho“, da wirst du mir Recht geben, weil „Anarchist“ ist schon wieder ein Ismus und Ismen mögen wir nicht. Und ja, diese Liebe und die Zärtlichkeit ist das, warum ich überhaupt politisch agiere.
 

Sevgi: Das kam gestern rüber und das ging mir auch gerade durch den Kopf, Liebe und Zärtlichkeit und dann Position ergreifen, was man will, welche Utopie man hat. Deine Utopie ist wichtig, die hast du gestern super gut formuliert. Vielleicht kannst du noch mehr darauf eingehen?

 

Konstantin: Die Utopie wird ja fast immer als etwas gesehen, das man eigentlich nicht verwirklichen kann, was irgendwo ein netter Traum ist, aber wir können ihn sowieso nie wahr werden lassen. Die jetzige Tournee heißt „Utopia 2.0 - Wir werden weiter träumen“, es ist eine Erweiterung. Es ist erstaunlich, als ich mich mit dem Thema Utopie intensiv beschäftigt habe, schon bei meiner letzten Tournee „Utopia“, da fiel mir auf, dass sich so viele Denkerinnen und Denker mit dem Thema beschäftigt haben, also Ernst Bloch natürlich. Wir beginnen am besten mit Thomas Morus und seinem wunderbaren Roman „Utopia“. (6) Da sagte man auch immer: „Das ist ein Traum, der nicht verwirklichbar ist.“ Aber bei Thomas Morus wird es einem deutlich, und vor allem bei diesem wunderbaren Roman von Stefan Zweig über Erasmus von Rotterdam, ach, ich liebe Stefan Zweigs „Die Welt von gestern – Erinnerungen eines Europäers“ (7). Es ist so wichtig das heute wieder zu lesen über den Ersten Weltkrieg. Es ist so wundervoll, Stefan Zweig zu lesen, also, ein Tipp: Lest Stefan Zweigs „Welt von gestern“!

In dem Erasmus von Rotterdam wird auch so klar, dass es die Herrschenden sind, die uns die Utopie ausreden wollen. Sicher ist es sehr vereinfacht, aber ich habe versucht, es mal auf einen Punkt zu bringen: Seit tausenden von Jahren werden wir von männlichen, zu 99,999% männlichen Psychopathen beherrscht. Es sind alles Psychopathen und sie reden uns ein, der Mensch sei schlecht und deswegen braucht man einen Herrscher. Dass der Herrscher viel schlechter ist als dieser Mensch, den er beherrscht, darüber wurde natürlich nie geredet. Ich glaube, es ist wichtig, dass einem das bewusst wird. Und auch, dass wir heutzutage hier noch nicht annähernd eine wirkliche Gleichberechtigung von Mann und Frau haben, das muss uns bewusst werden. Wir haben das Weibliche immer noch nicht zugelassen, da hilft auch Gendern nichts. Ich bin übrigens ein Freund des Genderns. Ich werde auch von meinem Publikum oft angegriffen, wenn ich jetzt gendere in meinen Texten, aber durch das Gendern wird uns bewusst wie männlich orientiert die Sprache ist. Es ist ein wichtiger Vorgang, dass einem das immer wieder bewusst wird. Darum habe ich auch „Sage nein!“ in meiner zweiten Version in dem zweiten Refrain, den ich gesungen habe, auch gegendert, weil im ersten ist der einzig weibliche Beruf die Hausfrau und das geht eigentlich wirklich nicht.

 

Bernd: Du stehst seit über 50 Jahren auf der Bühne. Ich habe dich gestern zum dritten Mal live gesehen. Das erste Mal war bei deinem Konzert am 20. Februar 2010 in Kassel. Damals hattest du die GWR-Redaktion zum ersten Mal eingeladen. Am nächsten Morgen habe ich dieses wunderschöne, zweistündige Interview mit dir gemacht. Das Gespräch war so lang und spannend, dass wir es in drei Teilen in den Graswurzelrevolution-Ausgaben 348 bis 350 abgedruckt haben. (2)

Das zweite Mal war am 19. Oktober 2017 in Bielefeld. Da hast du dich vor deinem Konzert mit Norbert Eilinghoff und mir getroffen, um eine – letztlich erfolgreiche – Kampagne für den dauerhaften Erhalt der Paul-Wulf-Skulptur in Münster öffentlichkeitswirksam zu unterstützen. (3)

Die Skulptur erinnert an den von den Nazis 1938 zwangssterilisierten Anarchisten Paul Wulf (1921-1999). (4)

Beim gestrigen Konzert ist mir aufgefallen, dass dein neues Programm „Utopia 2.0“ vielleicht das bisher radikalste ist. Auch wenn ich das vergleiche mit den vorherigen. Vielleicht fällt das noch stärker auf, weil der Mainstream in den letzten Jahren immer stärker nach rechts gekippt ist. Wir leben in einer Zeit, in der gerade auch Anarchismus und Pazifismus Schimpfwörter geworden sind, 
noch viel stärker als früher. Es ist extrem erfrischend, dass du dich in dieser finsteren Zeit offen auf der Bühne als Anarchopazifist bezeichnest und deine Fans da mitnimmst. Es war schön zu sehen, dass viele Menschen von den anarchistischen, gewaltfreien, antirassistischen und menschenfreundlichen Ideen, die du auf der Bühne vermittelt hast, berührt wurden.

 

Konstantin: Was mich sehr gefreut hat gestern, als ich das erzählt habe über den Henry Miller, dass es Beifall gab für den Satz „Ich bin ein bekennender Anarchist“. Das hätte ich selbst bei meinem Publikum eigentlich nicht erwartet. Aber ich muss dazu sagen, mir fällt in den letzten Jahren immer mehr auf, wie wichtig die Kunst ist, um Mut zu machen, Mut zu machen, zu sich selbst zu stehen.

Rückblickend möchte ich sagen, dass ich als Schüler im Gymnasium gemobbt wurde, wegen meiner kruden Ideen. Meine Eltern waren ja keine Nazis, also, da hatte ich einen großen Freiraum auch im Elternhaus. Ich habe mir dann damals immer schon gedacht: „Lese doch mal Dostojewski bitte, der kann zwar besser schreiben als ich, aber der will genau das gleiche wie ich.“ Ich fühlte mich durch die Kunst ermutigt, ein Verrückter zu sein, ein Einzelgänger. Von den meisten Mitschülern wurde ich verlacht. Aber es hat mir eigentlich nicht viel ausgemacht, weil mich meine Lyriker und die großen Literaten, die ich verehrt habe, ermutigt haben.

Vor drei Jahren schrieb mir eine Frau eine E-Mail, das ist so symptomatisch für viele Briefe, die ich bekomme: „Lieber Konstantin Wecker, ich werde ausgelacht in meiner Familie und meinem Freundeskreis, weil ich mich für Geflüchtete einsetze. Jetzt war ich in ihrem Konzert und ich verspreche Ihnen, ich engagiere mich weiter.“

Das ist wunderschön, also da habe ich gemerkt, dass ich dieser Frau Mut machen konnte zu sich zu stehen.

 

Bernd: Für die aktuelle Tournee hast Du 1.700 kostenlose „Sozialtickets“ zur Verfügung gestellt, damit auch Menschen mit geringem Einkommen an deinen Konzerten teilhaben können.

 

Konstantin: Ja, ich habe dieses Sozialticket eingeführt, weil mir klar ist, dass es viele Menschen gibt, die sich mein Konzert nicht leisten können und trotzdem gerne hingehen würden. Ich habe das früher auch gemacht für Hartz-4-Empfänger, aber dann habe ich gemerkt wie peinlich es den Leuten ist, am Ticket-Counter den Hartz-4-Ausweis zu zeigen. Dann habe ich gesagt: „Ich glaube euch. Ihr schreibt mir einfach, dass ihr das Geld nicht habt, um euch ein Ticket zu kaufen und dann bekommt ihr eins.“ Das funktioniert. Ich glaube, der Missbrauch wird sich in geringen Grenzen halten, weil die Milliardäre, die so etwas ausnutzen würden, nicht in meinem Konzert sitzen.

Kunst und Kultur müssen endlich wieder ein Menschenrecht für alle sein. Aber die Wirklichkeit sieht anders aus: Pandemie, Krieg und soziale Kälte machen selbst in Europa immer mehr Menschen arm und schließen sie von der Teilhabe am kulturellen und gesellschaftlichen Leben aus.
 

Sevgi: Der Anarchopazifismus ist Dir total wichtig, aber auch andere Bereiche, zum Beispiel das Klima, die Naturverbundenheit. Da hast Du beim gestrigen Konzert mehrere, auch ältere Lieder von Dir gesungen, auch „Der Baum“.

 

Konstantin: Ja, schon in den 1980er Jahren haben wir uns mit diesem Thema beschäftigt. Ich habe die Lieder auch jetzt erst wieder so richtig ausgepackt, weil ich mir gedacht habe:„Mensch ich weiß ja noch Wackersdorf“, Bernd, du kennst das noch und warst dabei?

 

Bernd: Ja, ich habe 1989 als junger Anti-Atom-Aktivist zusammen mit Zigtausenden gegen den geplanten Bau der Wiederaufbereitungsanlage (WAA) in Wackersdorf demonstriert.

 

Konstantin: Da war das ja schon ein Thema in der Jugendbewegung. Dann ist es wieder entthematisiert worden. Und jetzt werden die Klimaschützer:innen und die Jugendlichen kriminalisiert. Ich habe mich deutlich für die Klimagerechtigkeitsbewegung ausgesprochen und gegen diese Kriminalisierung.

Wieviel konntet ihr als Nicht-Bayern von dem „Baum“ verstehen? Weil das ist schon ein ziemlich bayrisches Lied.
 

Sevgi: Das konnten wir trotzdem gut verstehen.

 

Konstantin: Okay, dann bin ich beruhigt.

 

Bernd: Du hast dich mit der massiv von Kriminalisierung betroffenen Letzten Generation in einer Videobotschaft solidarisiert und die Kriminalisierung von Klimaaktivist:innen auch beim gestrigen Konzert angesprochen. Das finde ich gut. Die Solidarität ist wichtig. Als gewaltfreier Anarchist habe ich aber auch Kritik an der Letzten Generation. Deren Aktionsformen sind in den sozialen Bewegungen umstritten. Wenn du eine Straße blockierst, werden Menschen, die zur Arbeit fahren wollen, aufgehalten und verärgert. Dabei brauchen wir deren Solidarität. Politisch sinnvoller ist es aus anarchistischer Sicht, wenn gewaltfreie Aktionen zur Aufklärung über Macht- und Herrschaftsverhältnisse beitragen. Ich denke, Direkte Gewaltfreie Aktionen sollten zur Politisierung beitragen und sich deshalb direkt gegen RWE, BP, Autokonzerne und andere große Klimakiller richten, anstatt gegen die Hebamme und den Handwerker von nebenan, die mit dem Auto zur Arbeit fahren. 100 Großkonzerne sind für mehr als 70 Prozent aller CO2-Emissionen verantwortlich. Diese Konzerne gilt es in den Fokus zu nehmen. Die von Massenmedien und Politikern befeuerte Hetze gegen „Klimakleber“ hat zu unfassbarer Gewalt von Autofahrern gegen die gewaltfreien Aktivist:innen und zu einer Repression des Staates gegen Aktive der Letzten Generation mit hohen Haftstraßen geführt. Es ist super, dass Du dich als Prominenter öffentlich solidarisierst.

 

Konstantin: Wir müssen uns mal überlegen, dass diese Generation, diese jungen Leute, wahrscheinlich mit 50 oder 60 nicht mehr atmen können. Wenn das so weitergeht, wird ihnen die Luft ausgehen.

Es gibt eine schreckliche schwarzbraune Kontinuität seit der blutigen Niederschlagung der Münchner Räterevolution im Mai 1919. Wieder werden Linke gejagt, Organisationen verboten und Medien von Klimaaktivist:innen gesperrt. Heute sperren sie Webseiten, früher haben sie Publikationen beschlagnahmt. Warum? Weil die Proteste der Letzten Generation die staatlichen Organe stören. Wieder einmal stören Aktivist:innen, die sich in diesem Fall gegen die Zerstörung von Natur und Klima einsetzen, mehr als die tödlichen Profite fossiler Energie- und Autokonzerne oder die menschenverachtende Hetze und die oft tödlichen Angriffe von Nazis und Rassisten. Alles muss sich ändern, und zwar sofort. Denn Zeit haben wir keine mehr. Zu lange haben zu viele Menschen einfach nur zugeschaut und mitgemacht bei der Zerstörung unseres Planeten. Sie haben die Spielregeln der Politiker, Wirtschaftsbosse und Militärs unkritisch anerkannt und sich nicht engagiert für eine gerechtere Gesellschaft weltweit.

Aus eigener Erfahrung weiß ich sehr gut, wie wichtig Solidarität für Menschen ist, die eingesperrt in Knästen sitzen müssen. Deshalb lasst uns den von Repression bedrohten Kli-maaktivist:innen viel Kraft, Energie und unsere Solidarität schicken. Die Paragraphen 129 und 129a, mit denen jetzt die Letzte Generation kriminalisiert werden soll, sind Ausdruck eines antidemokratischen, präventiven Gesinnungsstrafrechts. Sie gehören endlich abgeschafft. Ich werde auch in Zukunft nicht aufhören zu träumen von einer herrschaftsfreien Welt ohne Krieg und Faschismus, von einer grenzenlosen Welt ohne Patriarchat, Rassismus, Unterdrückung, Ausbeutung und die weitere Zerstörung von Natur und Klima.

 

Sevgi: Dein Lied „Schäm dich, Europa“, das du gestern gespielt hast, macht in diesem Sinne Mut und kritisiert die gegen Geflüchtete gerichtete menschenfeindliche Abschottungspolitik der EU.

 

Konstantin: Wie viele Geflüchtete werden wir in den nächsten Jahrzehnten haben aus Ländern, wo die Menschen einfach nicht mehr wohnen können? Was haben wir den Tieren alles angetan?

Ich habe mich so gefreut, dass ich dieses Zitat von Abdullah Öcalan gefunden habe, wo er ja auch so viel über Utopie spricht. Das ist auch interessant, gell? Du musst dir mal vorstellen, seit fast 25 Jahren sitzt Öcalan auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali in Isolationshaft. Das ist so unfassbar. Ich habe mich zusammen mit der österreichischen Schriftstellerin Elfriede Jelinek eingesetzt für die kurdische Bewegung, weil die Kurd:innen eine wirkliche Gleichberechtigung anstreben. Das wird von den Herrschenden weltweit nicht geliebt. Deshalb werden die Kurd:innen vom Herrn Erdoğan mit NATO-Unterstützung bombardiert. Liest du zur Zeit irgendwas davon in den Medien, irgendwas über diese Gräuel, die da passieren?
 

Bernd: Du hast recht, in den Massenmedien sind die Verbrechen des NATO-Staates Türkei kein Thema. In der Graswurzelrevolution aber schon (8).

Das Buch „Jenseits von Staat, Macht und Gewalt“ von Öcalan, das du gestern während des Konzerts erwähnt hast, habe ich gelesen. Ich sehe den inhaftierten Vorsitzenden der PKK trotzdem kritisch. Also, ich denke, er hat sich entwickelt vom Stalinisten in den 1970ern, dann zum kurdischen Nationalisten, zum „Apoisten“, schließlich zum Anhänger des Libertären Kommunalismus und Demokratischen Konföderalismus. Was ich bei meiner Reise mit einer Menschenrechtsdelegation 1993 in den kurdischen Kriegsgebieten als problematisch empfunden habe, ist der Personenkult um „Serok Apo“. Auch die Aktionen, die die kurdische Arbeiterpartei PKK lange Zeit gemacht hat, von Schutzgelderpressung bis Mord, das fand ich immer schlimm. Sie haben den türkischen Nationalismus damals zum Teil kopiert und waren in den kurdischen Gebieten der Türkei eine Art Staat im Staate. An die Stelle des türkisch-kemalistischen Kults um Atatürk haben sie den Personenkult um Öcalan als „Sonne Kurdistans“ gesetzt. Und heute? Der (gescheiterte) Terroranschlag, verübt von PKK-Leuten am 1. Oktober 2023 in Ankara, bei dem zwei Menschen getötet und weitere verletzt wurden, das ist eine Katastrophe, völlig kontraproduktiv. Das dient dem türkischen Regime jetzt als Vorwand für die aktuellen Bombardierungen in Rojava.

Gut finde ich, dass sich Öcalan im Knast offensichtlich intensiv beschäftigt hat mit den libertär-kommunalistischen Theorien des US-amerikanischen Öko-Anarchisten Murray Bookchin. Also, er hat anarchistische Literatur gelesen. Das ist interessant, wenn jemand, der im Knast sitzt, sich intensiv mit dem Öko-Anarchismus und Libertären Kommunalismus beschäftigt, und das dann auch verinnerlicht.

Der libertäre Kommunalismus möchte als anarchistischer Ansatz die Gesellschaft dezentralisieren und über miteinander vernetzte, möglichst kleine Städte föderal organisieren. Bookchin hatte für seine direktdemokratischen Vorstellungen die Town Meetings aus der US-Revolutionszeit mit ihren Bürgerversammlungen zum Vorbild. Die Prinzipien des „libertären Kommunalismus“ sind Nicht-Hierarchie, Gegenseitige Hilfe, Kooperation, Ökologie, direkte Demokratie und soziale Gerechtigkeit.

Dass öko-anarchistische, feministische und zapatistische Ideen Öcalan zur Entwicklung des „demokratischen Konföderalismus“ inspiriert haben, ist erfreulich. In Rojava, dem de facto autonomen kurdischen Gebiet in Syrien, wird versucht, diese Ideen umzusetzen. Öcalan hat in „Jenseits von Staat, Macht und Gewalt“ eine „Abkehr vom Dogmatismus“ verkündet. Das fand ich an dem Buch beeindruckend, dass er sich im Grunde von sich selbst distanziert hat, vom Nationalismus und von der autoritär-dogmatischen Politik, die er Jahrzehnte lang als PKK-Chef vertreten hat. Es ist aus anarchistischer Sicht ein Fortschritt, dass Öcalan keinen kurdischen Staat mehr anstrebt, sondern eine basisdemokratische, föderal-kommunalistische, pro-feministische und ökologische Gesellschaft jenseits von Staat, Macht und Gewalt.

 

Konstantin: Das finde ich am tollsten an ihm. Und ich bin natürlich auch nicht mit allen Aktionen von Kurden einverstanden. Da geht es auch sehr viel um Militär und um Gewalt, gar keine Frage, aber ich bin für die Idee der Kurdinnen zu haben.

Das, was du über Öcalan sagst, diese Entwicklung kann ich ein bisschen nachvollziehen. Im Gegensatz zu dir bin ich ja ein Knasti und ich weiß, was im Knast mit einem passieren kann. Ich habe das auch in meiner Biografie beschrieben. Mit 19 war ich das erste Mal eingesperrt. Ich wünsche niemanden den Knast und bin auch nicht der Meinung, dass man sich freiwillig einsperren lassen muss, um so etwas zu erleben, aber ich habe zum ersten Mal im Leben im Knast eine wirkliche innere Freiheit gespürt. Also, ich habe viel gelernt im Knast, weil ich da vielleicht zum ersten Mal als sehr junger Mann ganz auf mich selbst zurückgeschlagen war. Da konnte ich mich nicht mehr ablenken mit irgendwas. Also, der Knast kann auch sehr heilsam sein. Nochmal, ich fordere nicht den Knast für Menschen, sondern, wenn du drin steckst, dann kann es dir auch helfen.
 

Bernd: Ich weiß nicht, ob ich dir die Geschichte schon einmal erzählt habe. Die habe ich im Sommer 2023 auch in der ZDF-Sendung „Sag’s mir“ zum Thema Bundeswehr erzählt, die dir so gut gefallen hat. (9) Leider wurde mein mehrstündiges Streitgespräch mit einem Bundeswehr-Hauptmann für die Sendung auf 22 Minuten gekürzt und auch dieser wichtige „Ossi“-Teil herausgeschnitten. Es geht um die Geschichte von Osman Murat Ülke, genannt Ossi, und um Mehmet Bal. Ossi ist ein gewaltfreier Anarchist, der den Kriegsdienst verweigert hat, was in der Türkei verboten war und ist. Ossi hat seinen Wehrpass öffentlich verbrannt und ist dafür in den Knast gekommen. In der Türkei war es so, dass Kriegsdienstverweigerer drei Monate in den Knast kamen, dann wurden sie wieder herausgelassen, mit der Aufforderung, den Kriegsdienst zu leisten. Wenn du das dann nicht machst, kommst du wieder drei Monate, theoretisch lebenslänglich, ins Gefängnis. Immer wieder.

Als der Graswurzelrevolutionär 1996 das erste Mal für drei Monate in den Knast ging, wurde den anderen Gefangenen gesagt: „Da kommt jetzt ein ganz gefährlicher Terrorist, ein Anarchist, passt bloß auf!“

Ossi wurde in eine Zelle gesperrt, zusammen mit Mehmet Bal, einem Faschisten und Mitglied der „Grauen Wölfe“, der bei einem Banküberfall eine Frau erschossen hatte. Die anderen Gefangenen betrachteten Ossi zunächst total ablehnend, weil er ihnen ja als schlimmer „Anarchist und Terrorist“ vorgestellt wurde, als ein „ganz gefährlicher Mensch“. Die haben sich einen „Anarchisten“ natürlich als Bombenleger und Massenmörder vorgestellt. Dabei entspricht Ossi so gar nicht diesem üblen Klischee. Er ist ein sanfter, warmherziger Typ. Nach drei Monaten wurde er wieder freigelassen und hat dann erneut gesagt: „Ich verweigere den Kriegsdienst.“ Daraufhin kam er wieder in die gleiche Zelle und dann haben er und die anderen Gefangenen lange gestritten und diskutiert. Insgesamt saß Ossi bis 1999 über 700 Tage mit Mehmet Bal in einer Zelle. Mehmet Bal ist dann einige Jahre später entlassen worden. Als Mörder wurde er amnestiert und sollte seinen Kriegsdienst leisten. Daraufhin hat er gesagt: „Ich fasse nie wieder ein Gewehr an! Ich habe schon einen Menschen getötet, ich will nie wieder auf jemanden schießen, schon gar nicht auf Befehl!“

Also, diese zwei Jahre, die er sich die Zelle geteilt und in der er sich angefreundet hat mit dem gewaltfreien Anarchisten, haben aus dem faschistischen Mörder einen Pazifisten und Menschenfreund gemacht. Eine Wahnsinnsgeschichte.
 

Sevgi und Konstantin: Toll! Tolle Geschichte!

 

Bernd: Die Beamten, die die beiden in die gleiche Zelle gesperrt hatten, haben sicherlich genau das Gegenteil erwartet. Die haben gehofft, dass die beiden sich als Todfeinde gegenseitig zerfleischen. Aber Ossi ist eine sehr freundliche und empathische Person. Als Menschenfreund hat er es geschafft, die menschliche Seite von Mehmet Bal herauszukitzeln.

 

Konstantin: Da siehst du wieder, dass es in uns allen wohnt. Es funktioniert, es ist in allen da, ach, das ist toll! Da bekomme ich eine Gänsehaut bei der Geschichte.

 

Bernd: Die Geschichte ist stark, ja, aber leider gab es kein richtiges Happyend. Mehmet Bal ist dann als Kriegsdienstverweigerer in der Haft so gefoltert worden, dass er danach für untauglich erklärt werden musste. Also, er musste seinen Kriegsdienst nicht leisten, weil die Folter bei ihm erhebliche bleibende Schäden hinterlassen hat.

 

Konstantin: Was ist das für ein unglaublicher Mut, so zu etwas zu stehen?! Wenn mir manchmal Leute sagen, ich sei mutig, dann muss ich ja in Demut versinken vor so jemanden. So zu seiner Einstellung, zu seiner Idee, zu seinem Herzen zu stehen! Unglaublich. Ich kriege eine Gänsehaut.
 

Bernd: Ja, eine bewegende Geschichte. Im „Ja! Anarchismus“-Buch (10) findest Du ein Interview mit Ossi, da kannst Du mehr dazu nachlesen.
 

Konstantin: Das ist schön. Unglaublich. So wie Du es jetzt wieder erzählst, das sollte man immer wieder erzählen.

Ich merke, dass mich auch ein Teil meines Publikums verlassen hat. Das merke ich auch an Briefen, ich bekomme die unglaublichsten Hassmails: „Stell dich mit deiner Gitarre vor einen russischen Panzer…“, „Gitarre“ wohlgemerkt, die haben sehr viel Ahnung von mir, „… und lass deine verkommenen Söhne von den Russen vergewaltigen!“

Das ist eines der vielen Beispiele, aber das kommt nicht von meinem Publikum, das kommt von ganz woanders her. Aber ich merke, dass viele auch im Publikum sagen: „Ja, Frieden ist ja ganz gut, aber in der Ukraine geht es halt nicht mehr.“

Wie auch immer, ich muss dir sagen, es ist mir ehrlich gesagt gar nicht wichtig. Ich finde es schade, gar keine Frage, aber ich erinnere mich dann an eine Geschichte. Anfang der 1980er, ich war bekannt als Sänger des „Willy“ (11), als linker, politischer Sänger. Dann kam ich 1981 mit meiner Platte „Liebesflug“ heraus. Ich folgte damals einfach meiner Poesie. Auch heute finde ich, dass da wunderschöne Titel drauf sind. Da ist übrigens auch „Schafft Huren, Diebe, Ketzer her“ (12) drauf. Dann wurde ich überall verrissen: „Der linke Sänger des Willy knödelt jetzt von Liebe.“

Damals gab es ja noch kein Internet, mein Publikum hat mir damals Briefe geschrieben: „Ich zerstampfe deine Schallplatten und zerreiße deine Bücher!“ Sie sind zum Teil aufgestanden, im Konzert gegangen. Es war mir eigentlich egal, weil ich wusste, ich muss mir folgen. Wenn ich am Schluss nur noch zehn Leute gehabt hätte, dann hätte ich ja zehn Leute im Publikum gehabt. Aber ich musste mir folgen. Das ist nicht annähernd so mutig wie das Beispiel, das du erzählt hast. Aber es war ein gewisser Mut im felsenfest Stehen zu meiner Poesie und zu dem, was aus meinem Innersten heraus will und heraus muss. Das habe ich mir bis heute bewahrt. Auch wenn mich mein ganzes Publikum verlassen würde, wegen meines Pazifismus, dann wäre ich halt Künstler ohne Publikum. So ist es nun einmal. Vor allem in der Kunst dürfen wir die Idee nicht aufgeben, sie muss weiter getragen werden, diese Idee eines wirklich friedlichen Miteinanders, eines gewaltfreien Widerstandes.

Ich habe übrigens bei den letzten Malen, wo ich „Wenn unsere Brüder kommen“ (13) gesungen habe, den Text des Stückes etwas geändert: „...dann wollen wir sie umarmen“. Ursprünglich hieß es: „...dann wollen wir uns nicht wehren“. Und jetzt singe ich: „...dann wollen wir sie umarmen, gewaltfrei uns erwehren“, weil ich für Widerstand bin, ja, aber für gewaltfreien Widerstand. Und da gibt es ja ganze Bücher drüber und wunderbare Geschichten über den gewaltfreien Widerstand, auch in der Nazizeit übrigens.
 

Bernd: Du meinst den gewaltfreien Widerstand der Frauen in der Rosenstraße, die größte spontane Protestdemonstration in der Nazizeit. Im Februar und März 1943 verlangten „arische“ Ehefrauen aus „Mischehen“ und andere Angehörige von verhafteten Juden in Berlin, diese freizulassen.

 

Konstantin: Ja. Diese Idee des gewaltfreien Widerstands darf nicht sterben und als Künstler möchte ich sie weiter in die Welt hinaustragen.

 

Sevgi Kosan-Drücke: Du hast gestern auch „Schäm dich, Europa“ gespielt. Das ist auch ein sehr klares, aktuelles Statement zur verschärften Flüchtlingspolitik der EU. Die Medien sind voll mit Meinungsmache in Richtung „Das Boot ist voll! Wir schaffen es nicht mehr!“ Es wird gegen die Geflüchteten gehetzt. Wie engagierst du dich? Was machst du da?

 

Konstantin: Ich habe mich immer schon engagiert. Meine Frau war auch oft in Griechenland und ich bin den Organisationen, die sich für Geflüchtete einsetzen, sehr verbunden. Ich persönlich bin ja dauernd auf Tournee. Aber ich bin nicht nur mit dem Herzen, auch tatkräftig bei vielen Organisationen dabei, die sich für Geflüchtete einsetzen. Übrigens unterstütze ich auch Connection e.V., den antimilitaristischen Verein aus Offenbach, der sich für Deserteure und Kriegsdienstverweigerer einsetzt und oft auch in der Graswurzelrevolution schreibt. Das finde ich ganz wichtig, sich für Desertierende weltweit einzusetzen. Ich habe beim Konzert gestern auch deutlich gesagt: „Ich habe einen Traum. Wir öffnen die Grenzen und lassen alle herein, jeden herein.“ Also, ich bin da sehr viel radikaler, weil ich der Meinung bin, wir brauchen und, wenn du an den Klimawandel denkst, wir dürfen keine Grenzen mehr haben. Es geht nicht mehr. Und eines müssen wir als alte Anarchos schon auch immer wieder betonen, wir müssen immer wieder darüber reden, mit welcher Gewalt die Think Tanks gegen unsere Ideen arbeiten. Die neoliberalen Think Tanks, die uns immer einreden, das sei Demokratie und, ach, wir leben ja in einem demokratischen Land, wie schön. Und insgeheim uns eigentlich dadurch verschweigen, dass wir beherrscht werden von ein paar Milliardären. Das muss schon immer wieder auch thematisiert werden.

 

Bernd: Stimmt. Die weltweit 2.153 Milliardäre besitzen laut einer Oxfam-Studie so viel wie 60 Prozent der Weltbevölkerung. 100 Konzerne, darunter RWE, sind für 70% der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Das wird selten thematisiert. Diese Hauptverursacher der Klimakatastrophe werden nicht angegangen.

 

Konstantin: Wie beim Krieg. Karl Kraus ist doch wunderbar: „Als zum erstenmal das Wort ‚Friede‘ ausgesprochen wurde, entstand auf der Börse eine Panik. Sie schrieen auf im Schmerz: Wir haben verdient! Lasst uns den Krieg! Wir haben am Krieg verdient! Wir haben den Krieg verdient!“

Es ist doch unglaublich.

 

Bernd: Ja, bei Rheinmetall knallen seit dem 24. Februar 2022 bestimmt jeden Tag die Sektkorken.

 

Konstantin: Die beste Umsatzzahl aller Zeiten.

 

Sevgi und Bernd: Herzlichen Dank für das schöne Gespräch!

 

Anmerkungen:

1) Radio Graswurzelrevolution ist die Bürgerfunksendung der GWR. Die Radio Graswurzelrevolution-Sendung mit Konstantin Wecker ist hier zu finden: https://www.nrwision.de/mediathek/radio-graswurzelrevolution-konstantin-wecker-musiker-aus-muenchen-240117/

Ein Teil des Gesprächs wurde von Lothar Hill für MünsterTube als Videomitschnitt dokumentiert: https://www.youtube.
com/watch?v=symLK6R99no

2) Teil 1 und 2 (von 3) des ersten Graswurzelrevolution-Interviews von Bernd Drücke mit Konstantin Wecker finden sich auf: www.graswurzel.net/348/wecker.shtml und www.graswurzel.net/349/wecker.shtml ; 
Das vollständige Interview findet sich in einer überarbeiteten und erweiterten Fassung hier: „Eine andere Gesellschaft muss auch eine liebevollere sein“ – Ein Gespräch mit dem Liedermacher Konstantin Wecker, in: Bernd Drücke (Hg.), Anarchismus Hoch 2, Karin Kramer Verlag 2014, S. 112 ff.

3) Siehe: Freundeskreis Paul Wulf (Hg.): „Ich lehre euch Gedächtnis“ Paul Wulf: NS-Opfer – Antifaschist – Aufklärer. Mit einem Vorwort von Konstantin Wecker, Unrast, Münster 2021

4) Siehe: Poesie und Widerstand. Konstantin Wecker setzt sich für den dauerhaften Erhalt der Paul-Wulf-Skulptur ein, Artikel von Freundeskreis Paul Wulf, in: GWR 423, November 2017, https://www.graswurzel.net/gwr/2017/11/poesie-und-widerstand/

5) Siehe dazu auch: Nimm Abschied von der Fremdbestimmung! Vorwort von Konstantin Wecker, in: Bernd Drücke (Hg.), „ja! Anarchismus“, Unrast 2018, Vorabdruck in der GWR 442, Okt. 2018: https://www.graswurzel.net/gwr/2018/09/nimm-abschied-von-der-fremdbestimmung/

In dem von Thomas Stölner, Uwe H. Bittlingmayer und Gözde Okcu herausgegebenen Sammelband „anarchistische gesellschaftsentwürfe“, Unrast 2023, ist Konstantin Wecker neben vielen anderen Autor:innen mit drei Beiträgen vertreten.

6) Der 1515 erschienene Roman „Utopia“ von Thomas Morus ist als philosophischer Dialog aufgebaut und begründete das Genre des utopischen Romans.

7) „Die Welt von Gestern“ – das war aus Sicht Stefan Zweigs die bürgerliche Welt im habsburgischen Österreich, die in zwei Weltkriegen unterging. Zweig schildert das alte Wien, das Leben seiner Generation und seine eigene Biografie. Im südamerikanischen Exil, in dem er von 1939 bis 1941 dieses persönliche Buch niederschrieb, erreichten ihn die Schreckensmeldungen aus Hitlers Drittem Reich. Die „Welt von Gestern“ war unwiederbringlich verloren – doch in diesem bewegenden Buch wurde sie für die Nachwelt aufgehoben.

8) Siehe z.B.: Der vergessene Krieg. Der Bombenterror des Erdoğan-Regimes, Artikel von Michael Wilk, in: GWR 484, Dezember 2023, S. 1, 11

9) Brauchen wir eine starke Bundeswehr? Anarchopazifist trifft Bundeswehr-Offizier, ZDF-Sendung „Sag’s mir“ vom 19.7.2023 mit den Gästen: Dr. Bernd Drücke, Soziologe, GWR-Redakteur und Peter Schmid, Bundeswehr-Offizier, https://www.zdf.de/kultur/sags-mir/bundeswehr-sam-100.html ; https://www.youtube.com/watch?v=Y_CecAiBVss

10) Siehe: Otkökü – Graswurzelbewegung in der Türkei. Ein Interview mit dem Totalen Kriegsdienstverweigerer Osman Murat Ülke, aus: Bernd Drücke (Hg.), Ja! Anarchismus. Gelebte Utopie im 21. Jahrhundert, Unrast Verlag 2018, S. 251 ff.

11) Siehe: www.wecker.de ; https://www.youtube.com//@Weckerswelt

12) „Schafft Huren, Diebe, Ketzer her“, Songtext von Konstantin Wecker auf: https://wecker.de/portfolio-item/schafft-huren-diebe-ketzer-her

14) Konstantin Wecker: Wenn unsere Brüder kommen auf: https://www.youtube.com/watch?v=xH7pCp8MlcM
 

Dreiteiliges Interview aus: Graswurzelrevolution Nr. 484 (Dezember 2023), GWR 485 (Januar 2024) und GWR 486 (Februar 2024), www.graswurzel.net