Abdankung in Raten

Themenschwerpunkteditorial iz3w 385 (Juli/August 2021): Monarchien

Es gibt weltweit an die hundert Monarchien. Eine der größten globalen Staatenverbindungen, das Commonwealth, umfasst weit voneinander entfernte Staaten von den Bahamas bis nach Kanada oder Neuseeland. Staatsoberhaupt ist jeweils die Queen of Canada, die Queen of The Bahamas oder die Queen of New Zealand. Gemeint ist Queen Elisabeth II. aus dem Hause Windsor, als Königin dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland dienend.

Man könnte einwenden, es handele sich hier um parlamentarische Monarchien und das Königtum sei nur noch eine Fassade. Im Themenschwerpunkt zeigen wir jedoch, dass das koloniale Erbe der europäischen Monarchien hochlebendig ist (Seite 16 - 23). Nicht ganz zufällig schließt dieser Themenschwerpunkt über Monarchien an das Editorial-Thema von Seite 3 an: die Restitution geraubter höfischer Kunst; also die Rückgabe von Exponaten aus europäischen Museen an die Herkunftsländer. Die Räuber hatten sehr oft einen Adelstitel.

Trotzdem belustigt das Thema Monarchien zuerst einmal. Sie erscheinen als vergangene Herrschaftssysteme, von denen nur Klatschgeschichten und Glanzbildchen in Ramschzeitschriften übrig sind. Das ist ein Aspekt der Sache: In Mythen und Märchen lassen sich mit Prinz & Königin noch immer Geschichten erzählen, die versteckte Wünsche ansprechen.

   Etwas Anderes sind die absoluten Monarchien. Eine ganze Weltregion, die MENA-Region (Nahost und Nordafrika) wird von Monarchien dominiert. Die Königreiche Saudi-Arabien, Bahrain oder Jordanien (siehe Seite 24), die Emirate Katar, Kuwait, Vereinigte Emirate und das Sultanat Oman sind zumeist absolute Monarchien. Sie ringen mit der Theokratie Iran und dem säkularen Militärregime Ägyptens um die regionale Vorherrschaft. In Nordafrika streitet das Königreich Marokko gerade mit dem Königreich Spanien um Grenzkontrolle und um die Westsahara.

Alarmierend ist die Menschenrechtslage in den genannten Regimen: Amnesty International reklamiert beispielsweise in Saudi-Arabien die Inhaftierung gewaltloser politischer Oppositioneller, die Anwendung der Prügelstrafe (meistens Auspeitschungen), Unterdrückung der Meinungs- und Religionsfreiheit, Haft ohne Gerichtsverfahren oder die Anwendung der Todesstrafe. Das ist die andere Seite der königlichen Medaille. In Bahrain wurden 2019 drei Hinrichtungen vollstreckt und weitere sind anhängig, Minderjährige sitzen dort wegen regierungskritischer Demonstrationen in Haft. In den Gefängnissen kommt es zu Folterungen. Der kritische ehemalige Abgeordnete Osama Jaber Muhana al-Tamimi etwa wird zeitweise inhaftiert und gemeinsam mit seiner Familie kontinuierlich von den bahrainischen Sicherheitskräften schikaniert. In Marokko beschäftigen vergangene Gräuel der Monarchie eine Wiedergutmachungskommission (Seite 28). Gleichzeitig erreicht der Kampf um Meinungsfreiheit durch den Hungerstreik inhaftierter Journalist*innen einen neuen Höhepunkt.

Warum lassen absolute Monarchen foltern? Warum tragen Monarchien eine große Verantwortung für den kolonialen Raub im Rahmen des europäischen Kolonialismus? Weil es ihre Raison d’Être ist. Monarchien gehen auf beutemachende Rackets zurück, die ihre Vormacht immer raffinierter absicherten und legalisierten. Irgendwann galt ihre Macht als gottgewollt. Danach schüchterte schon die Vornehmheit des Hofs die Untertan*innen ein. Im Roman »Der Mann ohne Eigenschaften« von Robert Musil fährt der Protagonist Ulrich, ein Akademiker aus reichem Haus, erstmals in der kaiserlichen und königlichen Hofburg zu Wien vor: »Obgleich er sehr gut gekleidet war, fühlte er sich von jedem Blick richtig eingeschätzt. Kein Mensch schien hier daran zu denken, geistige Vornehmheit mit wirklicher zu verwechseln …«

   Bis dahin waren die Monarchien einen weiten Weg gegangen. Auf dem Höhepunkt der absoluten Macht erwiesen sie sich im 19. Jahrhundert als unfähig, das komplexe, pochende kapitalistische Akkumulationsregime zu regulieren. Doch die Monarchie dankt nur in Raten ab und etwa in Thailand verbündet sie sich mit dem Militär und dem neuen Autoritarismus – und putscht das Land in die Diktatur zurück (siehe Seite 38).

Die Monarchie steht den linken und bürgerlichen Verpflichtungen auf Freiheit, Gleichheit und Solidarität unvereinbar gegenüber. Auch die Regierungsformen der konstitutionellen und speziell der parlamentarischen Monarchie erscheinen wie Taschenspielertricks zugunsten der Absicherung von Tradition und Vorrechten. In den postfeudalen Demokratien leben die Privilegien der königlichen Eliten fort (#prinzdumm, siehe Seite 19). Deshalb stehen heute alle Monarchien, auch die abgesetzten Adelsfamilien, auf dem Prüfstand. Die Fragen sind aktuell: Wie halten sich Monarchien weltweit am Leben? Wie betrachten die Menschen ihre jeweilige Obrigkeit (siehe für das Königreich Lesotho Seite 32 - 35)? Wie lebt die Monarchie im neu entflammten Autoritarismus fort?

 

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