»Ressourcen werden ohne Zustimmung abgebaut«

Ein Interview mit der sahrauischen Aktivistin Fatma Moulay

Annette Mokler: Was hat dich zur Aktivistin gemacht?

Fatma Moulay: Ich bin in einem der sahrauischen Flüchtlingslager in Algerien geboren und aufgewachsen, was meine Identität und mein Engagement für die Sache meines Volkes tief geprägt hat. Nach meinem Studium in Deutschland bin ich bewusst dorthin zurückgekehrt. Wahre Veränderung muss in den Lebensrealitäten unserer Menschen verwurzelt sein. Ich bin für UJSARIO tätig, die sahrauische Jugendorganisation, die junge Menschen in Lagern, in besetzten Gebieten und in der Diaspora stärkt. Ich bringe die Stimme der Sahraui weltweit bei Konferenzen und Advocacy-Veranstaltungen ein. Zudem dokumentiere ich in der Genfer Arbeitsgruppe für Menschenrechte in der Westsahara systematisch Menschenrechtsverletzungen in den besetzten Gebieten.

Was macht die sahrauische Beobachtungsstelle SONREP bezüglich der Ausbeutung natürlicher Ressourcen?

Wir dokumentieren in einer unabhängigen Berichterstattung die Ausbeutung natürlicher Ressourcen in der von Marokko besetzten Westsahara durch Dritte: bezüglich Phosphatabbau, Fischerei und zunehmend auch Infrastruktur für erneuerbare Energien. Wir verfolgen diese Aktivitäten aus ökologischer, ethischer und rechtlicher Sicht in Hinblick auf das Völkerrecht.

Wir zeigen auf, dass die Ressourcen ohne Zustimmung der sahrauischen Bevölkerung abgebaut werden sowie dessen politische und ökologische Folgen. SONREP will den Umweltschutz in einer Region fördern, die extrem anfällig für die Auswirkungen des Klimawandels ist, und fordert ein verantwortungsvolles, auf Rechten basierendes Ressourcenmanagement, das den Bestrebungen und der Souveränität des sahrauischen Volkes entspricht.

Worum geht es in der jüngsten von SONREP veröffentlichten Studie vom Juni 2025?

Der Bericht »Nachhaltig für wen? Erneuerbare Energien und Umweltgerechtigkeit unter der Besatzung« befasst sich mit Projekten für erneuerbare Energien – etwa Wind, Sonne oder grünem Wasserstoff – in der besetzten Westsahara. Diese werden oft als ökologisch nachhaltig und als Teil der globalen Energiewende dargestellt. Unsere Nachforschungen zeigen, dass sie ohne die freie, vorgängige und informierte Zustimmung der sahrauischen Bevölkerung durchgeführt werden. Marokko nutzt Projekte erneuerbarer Energie, um seine Kontrolle über das besetzte Gebiet zu festigen und seine Besatzung zu legitimieren. Indem Marokko ausländische Investitionen und Partnerschaften anzieht, schafft es Abhängigkeiten, die externe Akteure zu Komplizen einer kolonialen Situation machen. Diese ‚grünen‘ Projekte machen Nachhaltigkeit zum Instrument der Enteignung. Klimaschutz muss Gerechtigkeit, Selbstbestimmung und Dekolonisierung in den Mittelpunkt stellen.

Was fordert SONREP?

Wir fordern den Stopp dieser Projekte sowie Transparenz und Rechenschaft aller beteiligten Akteure – einschließlich multinationaler Unternehmen und ausländischer Regierungen. Wir fordern die Vereinten Nationen und zuständige internationale Institutionen auf, Überwachungs- und Durchsetzungsmechanismen zu stärken, unabhängige Untersuchungen zu unterstützen und sicherzustellen, dass die Menschenrechte und der Umweltschutz in der Westsahara geachtet werden.

Im Gegensatz zur Besatzungsmacht Marokko hat die sahrauische Bevölkerung keinen Zugang zu internationalen Klimafonds. Marokko kontrolliert das politische und wirtschaftliche Geschehen rund um das kontrollierte Territorium. Es braucht rechtebasierte Ansätze mit direktem Zugang und Beteiligung der Sahraui an internationaler Klimafinanzierung.

Wegen ihrer nomadischen Tradition wissen viele Sahraui, wie mit extremem Klima umzugehen ist. Als Flüchtlinge werden sie dieser Resilienz beraubt. Wie stellt sich das dar?

Nach ihrer Vertreibung fanden sich die Sahraui in einer der härtesten Umgebungen wieder – der algerischen Hamada-Wüste. Das ist eine extrem trockene Region mit Sommertemperaturen von über 50 Grad. Hier haben wir eine Infrastruktur aus dem Nichts aufgebaut. Der Klimawandel verschärft diese harte Realität. Wir erleben immer intensivere und unvorhersehbarere Hitzewellen. Hitzebedingte Gesundheitsprobleme nehmen zu, etwa Atemwegserkrankungen, Hautprobleme und Fatigue. Die Sahrauis tragen praktisch nichts zu den globalen Emissionen bei, gehören aber zu den am stärksten Betroffenen. Ein klares Beispiel für Klimaungerechtigkeit.

Aber wir sind nicht passiv. In den Lagern entstanden Graswurzelprojekte der Resilienz – darunter Permakultur-Gärten und Umweltbildungsinitiativen. Es sind Praxis-Lösungen und Akte des Widerstands und der Hoffnung, während wir weiterhin für Gerechtigkeit und Selbstbestimmung kämpfen.