Warten auf Selbstbestimmung

Vor 50 Jahren besetzte Marokko die Westsahara

The Berm – nach der Chinesischen Mauer die zweitgrößte Mauer der Welt, ist eine 2.700 Kilometer lange hochmilitarisierte Grenzbefestigung. Sie liegt zwischen der von Marokko besetzten Westsahara und den ‚befreiten Gebieten‘ im Osten und Süden der Westsahara, die von den Sahraui kontrolliert wird. In dem Gebiet liegen sieben Millionen Antipersonenminen. 

Noch nie davon gehört? Das ist so gewollt: Das Königreich Marokko fährt als Besatzungsmacht seit 50 Jahren eine Strategie der Medienblockade und verübt massive Menschenrechtsverletzungen. Die Weltgemeinschaft schweigt mehrheitlich dazu und zur Ausbeutung der natürlichen Ressourcen des besetzten Gebiets.

Mit dem Abzug der spanischen Kolonialmacht besetzte Marokko das Gebiet der Westsahara. Deshalb gilt sie vielen als letzte Kolonie in Afrika. Der propagandistische »Grüne Marsch« im Jahr 1975, mit dem marokkanische Siedler*innen die neue Besatzung manifestierten, war begleitet von militärischen Angriffen auf die lokale nomadisch und semi-nomadisch lebende Bevölkerung der Sahraui. Phosphorbomben und Napalm wurden eingesetzt, Massenexekutionen fanden statt. Viele Menschen flohen über die Grenze nach Algerien. Dort entstanden fünf Flüchtlingslager mit heute rund 175.000 sahrauischen Flüchtlingen. Auch der Sitz der Exilregierung Saharawi Arab Democratic Republic (SADR) befindet sich hier.

Ein Referendum, das nicht kommt

Die Sahraui leisteten erbitterten Widerstand. Auf Vermittlung der Vereinten Nationen hin kam es 1991 zu einem Waffenstillstand zwischen der von der UNO anerkannten Vertretung des sahrauischen Volkes, der Frente Polisario, und der marokkanischen Regierung. Die ursprüngliche Bevölkerung sollte innerhalb eines Jahres in einem Referendum über einen eigenen Staat oder den Anschluss an Marokko abstimmen. Die Sahraui warten bis heute auf das Referendum.

Marokko unterdrückt die sahrauische Bevölkerung im besetzten Gebiet. Für Menschenrechtsaktivist*innen gehören willkürliche Festnahmen, Folter und Verschwindenlassen zum Alltag. Und seit Jahrzehnten beutet Marokko die dortigen Ressourcen aus, auch mit Beteiligung Europas. Die Phosphatvorkommen der Region gehören zu den größten Reserven weltweit und erzielen einen Gewinn von 300 Millionen Euro pro Jahr. Sand wird in großem Stil abgebaut. Tomaten und Melonen werden in europäischen Supermärkten mit der Herkunftsbezeichnung Marokko verkauft. Ein Fischereiabkommen zwischen der EU und Marokko umfasst die einst fischreiche Küste der Westsahara‚ obwohl UN-Gutachten sowie Urteile des Europäischen Gerichtshofes (EuGH-2024) inzwischen festhalten, dass die Ausbeutung dieser Ressourcen der Zustimmung der Bevölkerung bedarf. 

Autonomie – aber für wen?

Auch Tourismus oder die Produktion erneuerbarer Energien in den besetzten Gebieten treiben eine Siedlungspolitik voran, welche die Sahrauis weiter marginalisiert. Die rund 175.000 Sahraui in den algerischen Flüchtlingslagern sind fast vollständig von internationaler humanitärer Hilfe abhängig, die angesichts multipler Krisen schrumpft. In diesem Jahr belegt eine Studie dort Mangelernährung.

Aktuell schlägt die Besatzungsmacht eine Autonomielösung vor, was angesichts der Menschenrechtsverletzungen und der Marginalisierung der sahrauischen Bevölkerung für die Sahraui nicht akzeptiert wird. 2020 erkannte die Trump-Regierung die Gebietsansprüche Marokkos an. Seit 2022 folgten Spanien, Frankreich und nun Großbritannien, welche die Autonomielösung als pragmatisch bezeichneten. Die Aufrechterhaltung dieses Zustands liegt im Interesse dieser Länder – auch weil Marokko die Migrationsrouten der Region kontrolliert.