„Der Zivildienst ist auch ein Kriegsdienst“

Ein Gespräch mit dem Flensburger Totalverweigerer Jan-Patrick Ehlert, der nach 42 Tagen Militärarrest am 19. November aus der Haft entlassen wurde. Er hat sich bei der Bundeswehr geweigert, Befehle auszuführen und sowohl Kriegs- und als auch Zivildienst total verweigert. Nun droht ihm ein juristisches Nachspiel.

 

utopia: War deine „Totalverweigerung" wirklich die richtige Entscheidung?

Jan-Patrick Ehlert: Ich habe keine andere Möglichkeit gesehen und bin auch im Nachhinein sehr mit meiner Entscheidung zufrieden. Auch wenn mich jetzt ein Gerichtsprozess erwartet.

Alternativ zum Dienst an der Waffe hättest du einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung stellen und Zivildienst machen können, dann wärst du der militärischen Repression entgangen...

Der Zivildienst ist auch ein Kriegsdienst. Es gibt so genannte Richtlinien zum Verteidigungsfall, in denen vorgesehen ist, was Zivildienstleistende im möglichen Verteidigungsfall zu tun haben. Das sind unterstützende Maßnahmen wie beispielsweise Nahrungsmittellieferungen an die Bundeswehr. Zivildienstleistende sind daher kriegswichtig.

Zu deiner Zeit in Bundeswehrarrest: Die hast du gleich in mehreren Kasernen und teilweise in Isolationshaft - das heißt ohne Kontakt zur Außenwelt - verbracht. Auch deine Bücher wurden dir teilweise weggenommen. Hast du auch mal daran gedacht „aufzugeben"?

Ernsthaft daran gedacht habe ich nicht. Die ersten Tage waren noch die schwierigsten - man musste sich daran gewöhnen, nichts außer Lesen und Schreiben tun zu können. Ich habe schon überlegt, ob die Totalverweigerung richtig war; das hat sich mit der Zeit aber gelegt.

Wie haben denn die anderen Soldaten und Soldatinnen und vor allem andere Wehrdienstleistende auf deine Totalverweigerung reagiert?

Die andere Rekrutinnen und Rekruten waren natürlich alle sehr erstaunt, als ich während des Abendessens am ersten Tag in der Kaserne in Strausberg meine Totalverweigerung erklärt habe. Viel konnte ich nicht mit den anderen reden, weil ich dann mit dem Zugführer ins Büro gehen musste - er wollte natürlich mit mir sprechen. Danach soll es aber noch eine rege Diskussion unter den Soldatinnen und Soldaten gegeben haben.

Aber überzeugen konntest du keinen der anderen?

Ein Soldat auf meiner Stube - in der ersten Nacht durfte ich noch auf meiner Stube schlafen - hat auch gesagt, dass die Bundeswehr nichts für ihn ist und dass er überlegt, einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung zu stellen. Was dabe heraus gekommen ist, weiß ich allerdings auch nicht, da ich ihn dann nicht mehr gesehen habe.

Neben den 42 Tagen, die du bereits in Haft verbracht hast, droht dir nun ein Gerichtsprozess. Weißt du schon, was als Strafe auf dich zukommt?

Moritz Kagelmann, der letztes Jahr wegen Totalverweigerung 55 Tage in Militärarrest verbrachte, wurde Anfang Oktober zu einer Geldstrafe von 600 Euro verurteilt - ich rechne mit einem ähnlichen Urteil.

Wurden dir während deiner Haft weitere Repressionsmaßnahmen seitens der Bundeswehr angedroht, um dich zu demotivieren?

Eigentlich nicht. Die meinten nur alle, dass ich mir meine Zukunft versaue. Ich habe dann aber richtig gestellt, dass es nie zu der möglichen Höchststrafe von 3 Jahren Haft kommen wird - das zeigt ja auch der Fall von Moritz. Ich habe mich darauf berufen, dass es bei mir sicherlich auch nicht viel höher sein wird.

Deine UnterstützerInnen-Gruppe hat viel Arbeit geleistet. Hast du im Arrest etwas von der Solidarität mitbekommen? Über deine Totalverweigerung wurde einiges berichtet...

Ich habe von meiner Soligruppe mehrmals Artikel aus Zeitungen bekommen. Alles habe ich bisher glaube ich nicht gelesen, das muss ich erstmal aufarbeiten.

Hast du dich denn schon gut von der Haft in der engen Zelle erholt?

Ich merke jetzt erst richtig, was mir alles gefehlt hat. Die Zeit ging eigentlich relativ zügig rum - sehr gelangweilt habe ich mich nicht.

Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg beim juristischen Nachspiel!

 

 

Interview: Michael Schulze von Glaßer

 

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