XX? XY? XXY? XYXY? XXX? …???

Es gibt mehr als zwei Geschlechter

in (06.08.2009)

„Herzlichen Glückwunsch, es ist ein Zwitter!" Dieser Satz müsste eigentlich bei einer von 1000 Geburten zu hören sein. In der überwiegenden Zahl dieser Fälle wird allerdings schnell behauptet, mit dem Neugeborenen „stimme etwas nicht" und es müsse etwas „korrigiert werden".

Durchschnittlich jeder tausendste Mensch kommt ohne eindeutig einzuordnende Geschlechtsteile oder ohne eindeutig bestimmbaren Chromosomensatz auf die Welt. Dieses Phänomen wird in der Medizin „Intersexualität" genannt. Es zeigt sich auf verschiedenste Art und Weise; zum Beispiel darin, dass das Baby zwar die äußeren Merkmale des einen, jedoch die inneren Körperteile des anderen Geschlechts aufweist. Dass ein als Junge definierter Mensch in der Pubertät aufgrund seiner Hormonverteilung plötzlich Brüste entwickelt. Oder aber auch einfach darin, dass die Klitoris beziehungsweise der Penis des Babys als „zu groß" bzw. als „zu klein" empfunden wird.

Durch den Begriff „Intersexualität" (=„Zwischengeschlechtlichkeit") wird deutlich, dass viele Mediziner_innen davon ausgehen, dass diese Menschen zwischen den Geschlechtern stünden und vor allem, dass es nur zwei Geschlechter gebe. Für eines davon sollen sich die Eltern dann entscheiden. Der überwiegende Teil dieser Neugeborenen muss sich - vom Kleinkindalter an - geschlechtsangleichenden
Operationen und Hormontherapien unterziehen, die oft sehr schmerzhaft sind und manchmal eine lebenslange medizinische Behandlung und körperliche Versehrtheit nach sich ziehen. Alles, um die Menschen auf ein Geschlecht festzulegen.

Hauptsache einzuordnen?
Doch es gibt auch Eltern, die das Kind entscheiden lassen, ob es sich später einmal einem Geschlecht zuordnen möchte und eventuell auch operieren lassen möchte.
Viele der Angehörigen des „dritten Geschlechts" sehen aber auch gar keine Notwendigkeit, sich zu „entscheiden". Sie kritisieren die unflexible Sichtweise in der westlichen Welt, die vom Christentum geprägt ist. Diese mache das Menschsein abhängig von der Zugehörigkeit entweder zum männlichen oder zum weiblichen Geschlecht. Daneben oder dazwischen wird nichts gelten gelassen.

Heute wird in vielen Kulturen verlangt, dass sich Menschen einer normgemäßen geschlechtlichen Identität und einer damit angeblich einhergehenden kulturellen und gesellschaftlichen Rolle fügen. Sie sollen sich „typisch männlich" oder „typisch weiblich" verhalten und sozialen Geschlechterrollen entsprechen, um „natürlich" zu sein.

Vertreter_innen der „queer theory" und Transgenderpersonen, die sich nicht einem (sozialen) Geschlecht zuordnen lassen wollen, wollen das ändern. Sie kritisieren, dass ein zweiteiliges Geschlechtssystem alle, die in irgendeiner Form davon abweichen, als „unnormal" oder „widernatürlich" abwertet und ihnen grundlegende Lebensbedürfnisse wie zum Beispiel die freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit verwehrt.
Dabei bedeutet „natürlich" immer auch Vielfalt - und die kann nicht auf zwei Geschlechter begrenzt sein!

 

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