Der lange Schatten des Genozids
Hefteditorial iz3w 396 (Mai/Juni 2023)
Berge von alter Kleidung häufen sich auf den Bankreihen der ehemaligen katholischen Kirche in Nyamata. Die heutige Gedenkstätte erinnert an die Ermordeten des Genozids in Ruanda im Jahr 1994. Innerhalb von knapp hundert Tagen tötete das rassistische Hutu-Regime fast eine Million Menschen, die ihnen als Tutsi, gemäßigte Hutu oder Twa galten. Fast drei Jahrzehnte später lebt der ‚Konflikt‘ im Nachbarland fort: Tutsi-Vertreter*innen und Menschenrechtsbeobachter*innen berichten von systematischen Gewalttaten im angrenzenden Osten der Demokratischen Republik Kongo (DRK).
Kein Urheberrecht für Niemand?
Ein Ton-Steine-Scherben-Comicbuch, das es nicht gibt
Als alter Fan von Ton Steine Scherben hatte ich dieses lange angekündigte Buch schon Monate vor dem Erscheinungstermin bestellt. Direkt zwei Exemplare. Eins für mich und eins als Geburtstagsgeschenk für meinen Freund und Genossen Joseph Steinbeiß. Im Oktober 2022, kurz nach der Frankfurter Buchmesse, landete es endlich auf meinem Schreibtisch: „Keine Macht für Niemand – Ein Ton Steine Scherben Songcomic“. Der erste Eindruck: Einfach nur WOW!
„Mit dem Essen kommt der Appetit“
Stimmen von Israelis, die vor der Gründung Israels nach Palästina eingewandert waren
Seit Monaten demonstrieren in Israel hunderttausende Israelis gegen die Pläne der ultra-rechten Regierung unter Benjamin Netanjahu. Allein am 5. März 2023 sind 250.000 Israelis auf die Straße gegangen. Die Regierungskoalition will die israelische Demokratie in ein autokratisches System umwandeln. Die Gewaltenteilung soll durch eine Justizreform abgeschafft werden, auch um die vielen Strafverfahren wegen Korruption gegen Netanjahu abzublocken.
„Es geht um Selbstbestimmung“
Solidarität mit der revolutionären Bewegung im Iran. Ein Gespräch mit den Feministinnen Shouresh und Alexandra
Die neue Radio-Graswurzelrevolution-Sendung zum Iran kann jetzt in der NRWision-Mediathek gehört werden, inklusive Musik. (1) Wir veröffentlichen Auszüge aus dem Gespräch, das GWR-Redakteur Bernd Drücke Ende Februar 2023 mit den Feministinnen Shouresh und Alexandra geführt hat. (GWR-Red.)
Graswurzelrevolution (GWR): Shouresh, kannst du dich bitte vorstellen?
Mit dem Überleben beschäftigt
Es gab Zeiten – und es gibt nach wie vor einen Haufen Orte – auf dieser Welt, da war es Leistung genug, zu Überleben. Die Geburt, das Säuglingsalter, die Kindheit. Ganz zu schweigen davon, älter als 30, 40 zu werden. Diese Zeit, dieser Ort ist definitiv nicht jetzt und hier. Hier und jetzt fängt die (Über-)Lebensleistung ab dem 100. Lebensjahr an. Für die Jahre 0 bis 99 hat sich irgendwie die Verwertungslogik eingeschlichen, man weiß gar nicht, wann und wie das nur passieren konnte.
Originalgesicht und Doing Aging
Über das Älterwerden im Kulturbereich
Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und auch in Hinblick auf die weiterhin nicht eingelöste Geschlechtergerechtigkeit müssen wir uns fragen, ob unsere Gesellschaft den richtigen Umgang mit dem Älterwerden hat. Denn wir werden zunehmend auf die geistig-intellektuelle Kraft älterer Menschen in Wirtschaft und Gesellschaft angewiesen sein. Passt dies zu unserem weitgehend undifferenzierten und marktgetriebenen Altersbild?
Dabei geblieben
Ein fast realistisches Gespräch über das Älterwerden als linke_r Aktivist_in
Ben: Es fällt einem schwer, in Würde alt zu werden. Alle, die gleichaltrig sind, fangen irgendwann an mit den Zwängen, und die Leute, die nachkommen, sind relativ jung. Ich glaube aber, dass es sich im Moment insofern geändert hat, als die radikale Linke nicht mehr davon profitieren kann, dass es Generationskonflikte und Jugend- und Protestbewegungen gibt. Das war in den Sechzigern, Siebzigern und Achtzigern so, aber in den Neunzigern war so ein Knickpunkt, da gab es keine linke Jugend- und Protestkultur mehr, und es wurde auch kein Generationskonflikt mehr ausgetragen.
Ernest Mandel 100
Ernest Mandel, der am 5. April 1923 in Frankfurt a. M. geboren wurde, wäre jetzt einhundert Jahre alt geworden. In einem jüdisch-sozialistischen Elternhaus in Antwerpen aufgewachsen, wurde Mandel einer der produktivsten Sozialwissenschaftler des 20. Jahrhunderts.
Fachkräftemangel wegen fehlendem "Bock auf Arbeit"?
Arbeitgeberpräsident Steffen Kampeter forderte jüngst unter anderem längere Arbeitszeiten und mehr „Bock auf Arbeit“, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. „Ich befürchte“, so Kampeter, „die ganze Gesellschaft hat durch staatliche Fürsorge, durch Rettungsprogramme, Doppel-Wumms und alle möglichen Formen der staatlichen Abfederung vergessen oder verlernt, dass das Geld auch erwirtschaftet werden muss.“ Starker Tobak!
Willy Brandt: "EFTER SEGERN. Nach dem Sieg"
Die Menschen machen ihre eigene Geschichte;
aber sie machen sie nicht aus freien Stücken,
nicht unter selbstgewählten,
sondern unter unmittelbar vorgefundenen,
gegebenen und überlieferten Umständen.
Karl Marx
Die Macht fürchtet Spott und Anarchie
Editorial Graswurzelrevolution Nr. 478, April 2023
Liebe Leser*innen,
der italienische Theaterautor und Regisseur Dario Fo (1926 – 2016) verstand sich als Anarchist und Satiriker. 1997 wurde er mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Die Verleihung kommentierte er wie folgt: „Die Macht, und zwar jede Macht, fürchtet nichts mehr als das Lachen, das Lächeln und den Spott. Sie sind Anzeichen für kritischen Sinn, Phantasie, Intelligenz und das Gegenteil von Fanatismus.“