Mitten in der Krise ein Finanzboom - Das Stamokap-Stück wird als Farce gespielt

Der Kontrast könnte krasser nicht sein. Einerseits dauert die Wirtschaftskrise weiter an. In mancher Hinsicht verschlimmern sich die Dinge. Die Lohnsumme sinkt, die Arbeitslosigkeit steigt, die Insolvenzen nehmen zu, die Defizite der öffentlichen Haushalte weiten sich trotz sozialer Einschnitte dramatisch aus. Andererseits ist der Finanzboom bereits voll unterwegs. Die Aktienkurse steigen, die Hedge-Fonds und Heuschrecken sammeln von den Begüterten dieser Welt und den Kapitalsammelstellen wieder viel Geld ein, sie kaufen damit Unternehmen, schlachten sie ganz wie früher aus, spekulieren ganz wie vor der Krise munter in Rohstoffen und den Märkten der ‚Emerging Markets’. Sie setzen auf China und Indien. Die Banken, nicht alle, aber sehr viele, verzeichnen satte Gewinne. Herr Ackermann, der Chef der Deutschen Bank, erhält für seine Mühen des vergangenen Jahres eine Entlohnung von nur knapp unter 10 Mio. Euro. Da die britische Regierung auf Sonderzahlungen, die hübsch lateinisch genannten „Boni“, eine Sondersteuer erhebt, verdoppelt Ackermann seinen in London wirkenden Investmentbankern die Belohnung, damit diese nicht etwa zu kurz kommen.  


Wie es dazu kommt, dass es der Finanzwirtschaft schon wieder prächtig geht, während die übrige Wirtschaft sich nur langsam und höchstens ansatzweise erholt, konnte man gut beobachten. Wir haben im Fernsehen gesehen und in den Zeitungen gelesen, wie die Regierungen aller kapitalistischen Länder „ihre“ jeweils heimischen Banken mit viel Geld vor dem Untergang gerettet haben. Noch nie zu unseren Lebzeiten wurde das Stück „Wie der staatsmonopolistische Kapitalismus, genannt Stamokap, funktioniert“ auf so offener Bühne völlig lebensecht aufgeführt. In Deutschland betrug der im Herbst 2008 vom Bund finanzierte Bankenrettungsfonds 480 Mrd. Euro. Das ist um die Hälfte mehr als der gesamte Bundeshaushalt 2010. Von dieser Summe ist bis heute zwar nur etwa die Hälfte in Form von Eigenkapitalzuschüssen, Krediten, stillen Einlagen und Garantien genutzt worden. Entscheidend aber ist die Tatsache, dass der Staat im Ernstfall für die Banken haftet und sie rettet. Die zentrale Szene des Stücks wurde von Kanzlerin Angela Merkel und dem damaligen Finanzminister Peer Steinbrück an einem Sonntag im Oktober 2008 dem Publikum vor laufenden Kameras vorgeführt. Ernst, aber entschlossen wirkend, teilten sie den Bürgern mit, ihre Einlagen bei deutschen Banken seien sicher. Der Staat bürge für alles, sagten sie.


Ohne eine solche Erklärung wäre es zu einem „Run“ auf die Banken gekommen. Die Bürger hätten ihr Geld verlangt. Da dieses schöne Geld aber in sinnvollen und sinnlosen kapitalistischen Projekten „arbeitete“, wären die Banken zahlungsunfähig, also pleite gewesen. Unternehmen und Bürger wären ohne ihr Geld gleichermaßen zahlungsunfähig geworden. Die kapitalistische Wirtschaft wäre zusammengebrochen. Die Rettungsaktion der kapitalistischen Staaten für die Banken war also notwendig. Ohne sie wären nicht nur die Banken, sondern die ganze hübsche Ökonomie, in der nicht nur Kapitalisten leben, den Bach runtergegangen.


Diese Rettungsaktion war der spektakulärste Bestandteil der Stützung des Finanzsektors durch die Staatsmacht. Mindestens ebenso wichtig zu seinem Erhalt und seiner Stärkung war und ist die Handlungsweise der Zentralbanken. Gleich zu Beginn der Krise ersetzten sie den Geschäftsbanken komplett die fehlende Liquidität am Geldmarkt. Sie betätigten sich ihrem Selbstverständnis durchaus entsprechend als Kreditgeber letzter Instanz. Auch hier handelt es sich um eine im Sinne des Systems notwendige Erhaltungssubvention für die Banken.


Durch mehrere Sondereffekte wurde der Bankenapparat zusätzlich zum Profiteur der Finanzkrise, die er selbst ausgelöst hatte. Erstens senkten die Notenbanken ihre Leitzinsen auf ein extrem niedriges Niveau: praktisch Null in den USA und Japan, 1 Prozent in der Eurozone. Zweitens zwang die schwache Konjunktur die kapitalistischen Staaten, ihre Kreditaufnahme auszuweiten. In der Wirtschaftskrise geht das Kreditvolumen zurück. Unternehmen und Privathaushalte versuchen, ihre Verschuldung abzubauen. Bei schwacher Gesamtnachfrage sinken die Investitionen und sinkt demnach die Nachfrage nach Krediten. Für die Banken werden die defizitären staatlichen Haushalte zu noch wichtigeren Kunden. Sie ersetzen die private Kreditnachfrage. Zugleich sind sie in der Regel zuverlässige Schuldner. Drittens treten die Notenbanken als Käufer von Schuldpapieren auf und stützen damit die Preise. Die EZB kauft Pfandbriefe, die US-Notenbank Fed kauft ebenfalls mit Hypotheken besicherte Schulden. Das Volumen ist beträchtlich. Die Fed hat bereits 1 200 Mrd. Dollar an solchen „Mortgage Backed Securities“ erworben.


Angesichts solch vielfältiger und wahrhaft großzügiger staatlicher Unterstützung ist es kein Wunder, dass der Finanzmarkt in so guter Form ist. Das Standardgeschäft einer normalen, in Deutschland angesiedelten Geschäftsbank besteht daraus, sich von der Notenbank zu ein Prozent Geld zu leihen und es zu inzwischen gut drei Prozent einer Stadt, einem Bundesland oder einem kommunalen Betrieb, jedenfalls einer sicheren staatlichen Adresse, wieder zu verleihen. Wird die Laufzeit des vergebenen Kredits länger, kann aus der Zinsdifferenz von gut zwei Prozentpunkten auch eine von drei oder vier Punkten werden. Ein Problem haben die Banken und Fonds allerdings. Es gleicht dem von vor der Krise aufs Haar. Angesichts der Menge an Geld, das sie anzulegen haben, sind die Investitionsmöglichkeiten gering. Und höher rentierliche Geschäfte sind ausgesprochen rar. Am Aktienmarkt reden die Händler wieder vom Anlagenotstand, der die Fondsmanager dazu veranlasst, trotz der miserablen Situation vieler Unternehmen doch in den Aktienmarkt zu investieren.



Labiles Zwischenstadium


Ein wenig unterscheidet sich die Situation von der vor Ausbruch der Krise. Selbst die dümmsten unter den Finanzakteuren wissen oder ahnen zumindest, dass die Situation labil ist. Der Finanzboom basiert, wie oben beschrieben, komplett auf den Stützungsaktionen staatlicher Organe. Der Konjunkturaufschwung ist nicht in Sicht. Nirgends am Horizont ist erkennbar, dass die wieder aufgelebte Spekulation und die steigenden Preise für Aktien und Rohstoffe auch realwirtschaftliche Anstöße geben. Auch in dem Segment, wo die Krise ausbrach, dem Immobilienmarkt in den USA, ist keine Erholung in Sicht. Wenn die Nothilfeprogramme für die Banken einmal beendet sein werden, wird auch die Fülle der Mittel dahin sein. So entsteht immer wieder die paradoxe Marktreaktion: Bei schlechten Konjunkturdaten springt der Aktienmarkt hoch, bei guten sackt er ab. Denn, so das triviale Kalkül der Investoren, wenn die Lage schlecht bleibt, verlängern die Notenbanken die üppige Geldzufuhr. Wenn sie besser wird, hören sie auf damit.


Die labile Lage verleitet viele Beobachter der Szene dazu, vor dem erneuten Platzen dieser sich wieder blähenden Blase zu warnen. Keine Sorge, möchte man ihnen zurufen, diese Krise ist die alte. Sie hat allerdings das nicht durchgeführt, was Krisen im Kapitalismus tun sollen, nämlich eine Bereinigung der Situation. Hätte die Krise ihren Verlauf genommen, so wäre ein erheblicher Teil des Geldkapitals nicht bedient, also vernichtet worden. Die Abschreibungen bei den Banken und die Verluste der Hedge-Fonds waren Schritte in diese Richtung. Vereinfacht gesagt besteht der Finanzsektor jeder Volkswirtschaft, also auch der Weltwirtschaft insgesamt, aus Krediten. Diese Kredite stellen Ansprüche auf ökonomische Güter, Waren und Dienstleistungen dar. Sie sind Geld oder, besser gesagt, Kapital in Geldform. Das Kreditvolumen kann auf zweierlei Weise zurückgeführt werden. Erstens kann der Kredit getilgt, das heißt zurückgezahlt werden. Dann ist er verschwunden. Oder der Schuldner wird zahlungsunfähig oder weigert sich zu zahlen. Der Gläubiger muss dann diesen Kredit abschreiben. Der Kredit ist damit verschwunden.


In der Anfangsphase der Finanzkrise fand dieser Prozess auf breiter Front und in beiden Versionen massenhaft statt. Die Kreditabschreibungen bei den Banken dürften summiert um die 3 000 Mrd. Dollar ausgemacht haben. Die Lehman-Pleite und die darauf folgende Bestandsgarantie der Regierungen für den Finanzsektor hat dessen Schrumpfungsprozess gebremst, wahrscheinlich sogar gestoppt. Zwar wurden in den USA vor allem eine Reihe von kleineren Banken geordnet in den Konkurs entlassen. Die großen und mittleren Banken aber wurden entweder gestützt oder von Konkurrenten übernommen. In Deutschland wurde nicht einmal die kleine IKB abgewickelt. Für das Überleben der mittelgroßen Bank Hypo Real Estate (HRE) wendete der deutsche Steuerzahler unter Anleitung der Privatbanken und ihres Verbandes mehr als 100 Mrd. Euro auf. Mit großem Einsatz wurde die Last der Dresdner Bank dem Münchener Versicherungskonzern Allianz abgenommen, indem der Staat sich an der Commerzbank mit 18 Mrd. Euro Eigenkapital beteiligte. Ohne solche Assistenz hätte die Allianz die Dresdner Bank großenteils abschreiben müssen.



Die Krise bereinigt nicht


Das unerfreuliche Ergebnis der staatlichen Rettungsaktionen besteht also darin, dass nun, nach fast drei Jahren offener Finanzkrise, der Finanzsektor in der globalisierten Weltwirtschaft fast so groß ist wie vor der Krise. Das ist leider kein harmloser Zustand. Vielmehr bedeutet das auch, dass die Ansprüche auf Zahlung, die der Finanzsektor abstrakt gesprochen darstellt, im Vergleich zur Gesamtwirtschaft ebenfalls fast unverändert hoch sind. Ein entsprechend hoher Anteil des Profits wird so vom Handels- und Industriekapital in Richtung Geldkapital umgeleitet. Man könnte meinen, den Lohnabhängigen könne es egal sein, wie innerhalb der Kapitalistenklasse der Gesamtprofit verteilt wird. Ganz so ist es nicht. Denn der Zwang, große Teile des Gewinns an das Bankkapital abführen zu müssen, treibt die Unternehmen dazu, vor allem die Kosten zu reduzieren und die Investitionen zu minimieren. Die Art und Weise, wie die mit hohen Fremdkapitalanteilen arbeitenden Heuschrecken mit den von ihnen gekauften Unternehmen umgehen, ist eine gute Illustration der das Wachstum dämpfenden Wirkung des Kreditkapitals.


Die Banken nicht massenweise untergehen zu lassen, war dennoch aus den genannten Gründen die im Prinzip richtige Entscheidung der kapitalistischen Regierungen. Falsch war es allerdings, genau zu diesem Zeitpunkt nicht die Kontrolle zu übernehmen. Dann hätte geprüft und entschieden werden müssen, welche Art Bankgeschäft bleiben kann und welche Bank überleben soll. Der Rest müsste ordentlich abgewickelt werden. Geld und Kredit sind schließlich nur dank staatlicher Garantien eine ökonomische Infrastruktur für kapitalistische Volkswirtschaften. Sie einfach den privat betriebenen Banken zu überlassen, führt, wie man sieht, ins Desaster. Die alte linke Forderung, den Bankenapparat zu verstaatlichen, hat diesen Grund. Sie hat noch nichts mit Sozialismus zu tun.


Es hätte die Kontrolle übernommen, geprüft und entschieden werden müssen, klingt wie eine politisch naive Vorstellung von der Welt, die deshalb im Irrealis der Vergangenheit formuliert ist. Tatsächlich ist die Vorstellung, die Regierungen in Washington, Paris, London oder Berlin könnten die Kontrolle über den Finanzsektor übernehmen, vollkommen naiv und irreal. Die lebensechte Aufführung des Stamokap-Stückes sollte diese aufklärerische Wirkung gehabt haben. Über die Methoden der Machtausübung der Wall Street und speziell der Investmentbank Goldman Sachs in Washington ist viel gesagt und geschrieben worden. Dass die Deutsche Bank in Deutschland die Federführung hat, ist auch politisch Blinden schon klar. Nur sollte man dabei nicht die Allianz vergessen. Das ökonomisch gewichtigste Geschenk des Staatshaushaltes ging in Form der Mitgift für die Dresdner Bank an die Münchner Versicherung. Sie ist zudem nach dem Zusammenbruch der US-amerikanischen AIG in ihrer Branche weltweit Marktführerin.



Was von der Regulierung bleibt


Einen eigenen Akt (hier wird das Drama vom Stamokap zur Satire) widmeten die Akteure und Autoren der „Regulierung“ des Finanzsektors. Hier erweisen sich die Spitzenpolitiker als Meister der großen, leeren Worte. Überwachung, Kontrolle, Regulierung der Spekulanten wurden als Stichworte präsentiert. Die Regierungen der Nationalstaaten, aber auch die EU kündigten Reformen an und setzten Kommissionen ein, damit, wie Frau Merkel immer wieder sagte, „sich eine solche Krise nicht wiederholt“. Der frisch gewählte US-Präsident Barack Obama kündigte die „tiefgreifendste Reform“ der Finanzaufsicht an, die eine Umschichtung von Bankaufsichtskompetenz zugunsten der Fed bedeutete.


Ein Jahr später, als immer noch nichts geschehen war und als sich die Wähler im traditionell demokratisch wählenden Massachussetts in einer Nachwahl für einen Republikaner entschieden hatten, legte der forsche Präsident eins drauf. Die Deregulierung der Clinton-Jahre sollte wieder rückgängig gemacht und die Investmentbanken strikt von den Kreditbanken getrennt werden. Wahrscheinlich wird aus diesem Vorhaben noch weniger als aus der Gesundheitsreform.


Die Weltwirtschaftskrise dauert an, der Finanzsektor bleibt, vom Staat gestützt, so groß und dominant und unreguliert wie zuvor. Das ist eine vorzügliche Mischung. Sie garantiert, dass die Volkswirtschaften sich nur langsam, wenn überhaupt, erholen. Die Geschichte Japans nach dem großen Crash am dortigen Immobilien- und Aktienmarkt 1989/90 zeigt, wie es laufen kann. Die massiven Staatshilfen wurden weitgehend vom Finanzsektor aufgesaugt und flossen, als Kapitalexport in die Finanzmärkte des übrigen Globus. Die Binnennachfrage und damit die Realwirtschaft stagnierten. Japan driftete in die Deflation, in der sich das Land noch heute befindet.


Die Perspektiven für die Weltwirtschaft sind düster. Sogar das relativ hohe Wachstum vieler Schwellenländer wird sich nicht lange durchhalten lassen, wenn die Metropolen des Kapitalismus stagnieren. Der merkwürdige Zwischenzustand, in dem sich der Finanzsektor befindet, eine Art Spekulationswelle, die von nichts anderem als der Verschuldung und Geldversorgung der Staaten getragen wird, kann nicht lange dauern. Vermutlich wird ein größerer Konkursfall der merkwürdigen Euphorie ein Ende setzen.



Sonderproblem Euroland


Als Krisenauslöser bietet sich eine Staatspleite geradezu an. Im Fall Griechenland wird das seit Monaten schon einmal als Farce durchgespielt. Griechenland ist ein kleines Land. Aber es ist Mitglied der Währungsunion des Euro. Das macht die Angelegenheit interessant. Das eigentliche Problem des Eurogebietes sind die auseinander driftenden Ökonomien. Sie werden durch die sonderbare Konstruktion der Währungsunion noch verstärkt, in der nur die Zentralbank Politik betreibt, andere Wirtschaftspolitik als Tabu gilt und Regeln sich nur auf die Verschuldung der Staatshaushalte beziehen.


Der Vorteil eines großen Währungsraumes besteht gerade darin, dass die beteiligten Ökonomien sich weitgehend den irrationalen Bewegungen der Finanzmärkte, speziell des Devisenmarktes, entziehen können. Industrie und Handel können innerhalb des Währungsraumes ihre Waren verkaufen, ohne fürchten zu müssen, wegen des Kursverfalls in einem anderen Land plötzlich viel weniger zu erlösen oder dort gar nicht mehr verkaufen zu können. Die Europäische Währungsunion wurde geschaffen, nicht wie Altkanzler Helmut Kohl mit sentimentalem Augenklappern seinen Bürgern weismachen wollte, um den Frieden in Europa zu sichern, ebensowenig auch, um Frankreich einen Gefallen zu tun, sondern um den Absatz von Industrie und Handel den irrationalen Schwankungen der Devisenmärkte zu entziehen. Wie sollten deutsche Autofabrikanten den Markt in Italien, Spanien, und Frankreich erschließen, wenn sie immer wieder mit drastischen Abwertungen von Lira, Pesete und Französischen Franc konfrontiert waren? Ohne eine Währungsunion war das nicht zu machen. Eine gemeinsame Währung allerdings für Länder, die eine völlig verschiedene Wirtschaftspolitik betreiben, kann nicht gut gehen. Das war selbst den damaligen Akteuren wie Kohl und seinem Finanzminister Theo Waigel klar.


So ersannen sie den Trick, den am Euro beteiligten Ländern Fesseln anzulegen. Den Staaten wurde aufgetragen, sich aus der Wirtschaft herauszuhalten und, wo noch nicht geschehen, sich aus ihr zurückzuziehen. Ihnen wurden außerdem mit dem „Stabilitäts- und Wachstumspakt“ Obergrenzen des Schuldenmachens verordnet. Der Standortwettbewerb wurde Prinzip. Und leider funktionierte er auch. Er sorgte tatsächlich für die Senkung der Gewinnsteuern und des Lohnniveaus, in einigen Ländern weniger, in anderen wie Deutschland mehr. Eine Angleichung oder eher eine allgemeine Reduzierung von Wirtschaftspolitik fand danach auch statt. Die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse in den Euroländern drifteten allerdings auseinander. Der eigentliche Zweck des Euro, einen von den Wirren des Finanzmarktes unbehelligten Währungsraum und Gütermarkt zu schaffen, wurde konterkariert.


Gerade weil viele Staaten in der Eurozone in ähnlicher Lage wie Griechenland sind, wurde der Fall Griechenland zum Test. An den Finanzmärkten will man wissen, wer letztlich zahlt, wenn ein Staat sich der Pleite nähert. Die Regierungen der etwas besser situierten Länder wollen an der Fiktion festhalten, dass auch in der Währungsunion jedes Schuldnerland auf sich allein gestellt ist. Sie verlangen von der griechischen Regierung ein rüdes Sparprogramm. Diese, seit Sommer 2009 von der sozialdemokratischen Pasok gestellt, hat ihre Wahlversprechen längst vergessen. In vorauseilendem Gehorsam verspricht die Regierung drastische Einschnitte, die vor allem durch Entlassung von Staatsangestellten erreicht werden sollen.


Klar ist bisher nur eines: die großen Euro-Länder, vor allem Deutschland, werden, bevor es ganz eng wird, der griechischen Regierung entweder einen Notkredit oder eine Garantie geben. Die deutsche Exportindustrie wird es nicht dulden, dass die Eurozone auseinanderbricht. Allerdings soll das Gebilde auch nichts kosten. Deshalb werden Hilfen für Griechenland oder den nächsten vom Finanzmarkt als Risiko bewerteten Kandidaten so lange wie möglich verzögert. Die Krisenlasten sollen auch in diesem Fall von den Schwächsten getragen werden.