"HipHop fällt aus dem Schema raus"

Ein Gespräch mit dem Musikjournalisten Jay Rutledge über

iz3w: Afrikanische Musik war schon immer sehr international geprägt. In den 50/60ern gab es eine starke Fusion mit lateinamerikanischer Musik. In den 70ern spielten Soul, Funk und Reggae eine ...

iz3w: Afrikanische Musik war schon immer sehr international geprägt. In den 50/60ern gab es eine starke Fusion mit lateinamerikanischer Musik. In den 70ern spielten Soul, Funk und Reggae eine wichtige Rolle. Wie kam der HipHop nach Afrika?

Rutledge: Die Entwicklung war ähnlich wie in Europa. Leute, die die ersten HipHop-Filme sahen, fingen an, Breakdance zu machen usw. Im Senegal, einem überwiegend muslimischen Land, wurde die Bewegung anfangs noch als Kopie unmoralischer amerikanischer Gangsta-Rapper belächelt und nicht selten auch angefeindet. Aber spätestens, als Senegals HipHop-Veteranen Positive Black Soul anfingen, in der Landessprache Wolof zu rappen, etablierte sich diese Musik als Sprachrohr der Jugend. Mitte der 90er wurde sie sehr populär. Die Organisatoren dieser Musikszene waren Leute mit einem höheren Bildungsstand, die zur Schule oder sogar zur Uni gehen konnten, die vielleicht auch Auslandserfahrung hatten und die großen Unterschiede zwischen einem Leben in Frankreich und im Senegal kennen gelernt hatten. Inzwischen hat sich das verändert, es gibt zunehmend Bands aus den ärmeren Vierteln Dakars.

Was macht afrikanischen HipHop so interessant?

Zwischen dem, was hier im Weltmusik-Regal der Plattenläden unter den jeweiligen Länderrubriken steht, und dem, was man vor Ort in den Kassettenläden findet, besteht eine große Diskrepanz. Afrikanische Musik steht in Europa nicht für moderne Städte oder die Verbindung von Moderne und Tradition, sondern für Spiritualität, Natur, Stämme oder Trommelmusik. HipHop fällt aus diesem Schema komplett raus. Wenn man beispielsweise im Senegal mit jungen Leuten redet, stellt man fest, dass gerade HipHop die Musik ist, mit der kommuniziert wird und mit der sich Leute identifizieren. Die Jugendlichen reflektieren in den Texten ihre eigene Situation und fordern Veränderungen von Missständen, die in anderen Musikstilen gar erst nicht thematisiert werden. Mbalax zum Beispiel, die Mainstream-Popmusik im Senegal, ist nicht sozialkritisch, sondern eher oberflächliche Unterhaltungsmusik. Reiche Leute können sich eigens für sie komponierte Mbalax-Lieder kaufen und sich darin für ihre großen Taten preisen lassen.

Die Le Monde diplomatique hat den afrikanischen HipHop euphorisch als Jugend- und Protestbewegung und Wortführer der Zivilgesellschaft bezeichnet. Stimmt diese Einschätzung?

Ja, im großen und ganzen. Allein in Senegals Hauptstadt Dakar gibt es über zweitausend HipHop-Gruppen, beinah jeder Straßenzug hat seine eigene "Posse". HipHop ist die Musik der Jugend dort, was in einem Land, in dem siebzig Prozent der Bevölkerung unter 30 sind, einiges bedeutet. HipHop hat auch unglaubliche Aktualität und einen hohen Realitätsbezug. Egal wie schlecht die Samples sind oder wie billig die Produktion ist, eine interessante Message wird sofort überall heiß diskutiert und auf anderen Kassetten kommentiert. Es geht in den Texten um Korruption, um Willkür bei der Polizei, aber auch um Alltagsgeschichten. Natürlich gibt es auch viele Liebeslieder oder umstrittene Texte, die z.B. schwulenfeindlich sind. Oft werden Probleme ausgedrückt, über die vorher nicht gesprochen wurde. Beispielsweise hat die Gruppe BMG 441 auf ihrer Kassette "Politichien" einen Marabout angegriffen, einen islamischen Gelehrten, der während des Wahlkampfs Geld von einem Politiker annahm und im Gegenzug seine Schüler in Fernsehansprachen aufforderte, für dessen Partei zu stimmen. Die direkte Kritik von BMG 44 an einem Marabout, der in der traditionellen islamischen Gesellschaft eine große religiöse Autorität ist, war richtiggehend gefährlich. Während der Wahlen haben viele HipHop-Gruppen Geld von den Parteien angeboten bekommen, damit sie Wahlwerbung machen. Der Großteil der Bands hat das aber abgelehnt.

Im Afrobeat der 70er Jahre, man denke an Fela Kuti, gab es oft politische Songs, die sich mit Themen wie Neokolonialismus auseinandersetzen. Wird auch im HipHop der Widerspruch zwischen Nord und Süd thematisiert?

Vereinzelt ja. Beispielsweise war Didier Awadi von Positive Black Soul beim Weltsozialforum in Porto Alegre und vertrat dort die senegalesische Jugend und das Senegalesische Sozialforum. Er bezieht sich positiv auf den Panafrikanismus und kritisiert z.B. die Schuldenpolitik der westlichen Staaten. Mbegane Ndour von der Band Djoloff hat das Album "African Consciences" produziert, auf dem Musiker aus der afrikanischen Diaspora vorgestellt werden - alle aus dem HipHop/ Ragga-Bereich. Ihre Texte reichen von einer Kritik am Neokolonialismus bis hin zu einem Panafrikanismus, der allerdings oft recht schablonenhaft ist. Die Leute können ein Bewusstsein für internationale Zusammenhänge aber eigentlich erst dann entwickeln, wenn sie erfolgreich sind und Kontakt zum Ausland haben. Wenn du von einem Dollar am Tag leben musst und erst einmal etwas zu essen brauchst, dann sind dir solche Themen relativ egal.

Wie sehen die Arbeitsbedingungen der Künstler aus?

Von der Musik leben können die wenigsten. Wenn ein Produzent meint, dass eine Band Potenzial hat, dann bezahlt er die Produktion und den Künstlern einmalig einen geringen Festbetrag. Hinterher verkauft er so viele Kassetten, wie er will. Da können unter Umständen hohe Gewinne anfallen, denn manche Kassetten werden bis zu 100.000 mal verkauft. Die Künstler haben kaum eine andere Wahl. Selbst so bekannte senegalesische HipHop-Gruppen wie Pee Froiss sagen, dass Kassetten sich nur aus Prestige-Gründen lohnen. Hinzu kommt: Der Kassettenmarkt bestand bisher zu 80% aus Raubkopien, auch die Radiostationen haben keine Verwertungsbeiträge bezahlt. Das ändert sich jetzt aber langsam. In Zusammenarbeit mit einem Weltbankprojekt zur Stärkung der Musik-Infrastruktur soll im Senegal ein kontrollierter Markt geschaffen werden. Raubkopien wurden massenhaft beschlagnahmt und es gibt nun Hologramme, die eine legale Kassette kenntlich machen.

Wie verhält es sich mit den technischen Produktionsmitteln?

Aus Geldmangel ist zu wenig Infrastruktur vorhanden. Die tatsächlich benutzbaren Plattenspieler sind rar. Es gibt ein paar kleinere Studios, aber wenig Leute, die wirklich Erfahrung haben. Das ist gerade dann schwierig, wenn man einen Sound produzieren will, der auch international vermarktbar sein soll.

Welche Probleme gibt es, wenn afrikanische Künstler ihren Blick auf den europäischen Markt richten?

Am besten kommen in Europa Sachen an, die deutlich afrikanische Anklänge haben. Das kann dazu führen, dass afrikanische HipHop-Gruppen in Europa auf Ablehnung und Unverständnis stoßen, wenn sie dem Publikum nicht "afrikanisch" genug sind. Afrikaner werden fast immer auf ihren Bezug zur ‚TraditionÂ’ beurteilt, entlang von Klischees wie "er wuchs mit der Kora auf" oder "die Trommelmusik wurde ihm von seinen Ahnen weitergegeben". Es wird nicht danach gefragt, ob der Künstler etwas kulturell Signifikantes oder gesellschaftlich Relevantes produziert. Im Senegal sind gerade die HipHopper eine treibende soziale Kraft.

Aber lehnen die HipHoper denn wirklich alles Traditionelle ab?

Sobald Traditionelles im afrikanischen HipHop vorkommt, ist meistens Europa im Spiel, sei es, dass die Band in Europa wohnt, sei es, dass europäische Produzenten es zur Auflage machen. Die Leute in Afrika sagen dann oft: "Das ist kein HipHop mehr". Gruppen wie Pee Froiss benutzen zwar auch afrikanische Sounds, aber sie würden niemals mit Trommel und Kora auftreten. Sie wollen keinen Ausverkauf dieses Bildes von Afrika, sondern als Teil einer internationalen HipHop-Jugend gesehen werden. Es gibt aber auch Bands, die Traditionen betonen. Djoloff beispielsweise ist die Band dreier Exil-Senegalesen, die schon lange in Paris leben und eher für ein europäisches Publikum spielen. Im Senegal ist ihre Musik kaum bekannt. Der Bandname bezieht sich auf ein altes mythisches afrikanisches Königreich. Djoloff tritt sehr afrikanisch auf, mit traditioneller Kleidung und Instrumenten. Im Senegal würden Djoloff ausgelacht werden, dort ist man cool, wenn man die neuesten Sneakers und Nike-Shirts trägt. Oft entdecken die Musiker im Ausland, dass solche Bezüge zur Tradition durchaus ein Marktvorteil sein können. Gegenüber der Vielzahl der HipHop-Alben helfen exotische Sounds natürlich, um aufzufallen. Andererseits lebst du in der Fremde und merkst, dass du nur wahrgenommen wirst, wenn du deine Fremdheit betonst.

Träumen viele Gruppen davon, den Sprung nach Europa zu schaffen? Nachdem die ersten beiden Bands (Positive Black Soul und Daara J) in Europa viel Geld verdient haben, entstand ein entsprechend großer Mythos. Viele HipHoper sind heute in Europa gestrandet. Doch wenn sie erst mal dort sind, versuchen sie zu bleiben, sogar die Eltern raten ihren Kindern: "Komm nicht zurück!" Sie machen dann in Paris lieber irgendetwas anderes und träumen davon, irgendwann groß herauszukommen.

Ihr neuer Sampler beleuchtet neue urbane Popmusik aus Südafrika. Wie sehen dort die Entwicklungen in der Musikszene aus ?

Sie sind von den Umbrüchen nach der Apartheid bestimmt. Vor zehn Jahren ist aus den einstigen Townships heraus ein eigener Musikstil entstanden, Kwaito (siehe Kasten). Die Künstler sind erst zu weißen Plattenlabels gegangen und haben dann, nachdem die nichts davon wissen wollten, eigene Labels aufgemacht. Mittlerweile sind große Firmen wie Sony auf den Zug aufgesprungen und vertreiben Kwaito, aber die schwarzen Plattenfirmen gibt es immer noch. Einige der Bands haben es geschafft, zu Superstars aufzusteigen. Es ist in Südafrika schon eine Sensation, wenn ehemalige Ghettobewohner plötzlich überlebensgroß auf Werbeplakaten an der Autobahn zu sehen sind. Der Südafrika-Sampler ist ein Versuch, den Umbruch aufzuzeigen, der eben auch diese Musik hervorgebracht hat. Es finden sich Kwaito -Stücke darauf, aber auch HipHop aus Kapstadt sowie Stücke aus der Spoken-Word-Szene. Oder Afrohouse, der ist in Südafrika ebenfalls sehr gefragt. Bands wie B.O.P remixten dazu alte südafrikanische Hits, etwa von Miriam Makeba oder Mhalatini. B.O.P sagen dazu in Interviews, dass viele Leute heute gar nicht wissen, wer Miriam Makeba ist, weil ihre Musik früher verboten war und in den Townships nicht existierte. Aber die Samples müssen gar nicht genuin ‚südafrikanischÂ’ sein, sondern die Bands bedienen sich aus der gesamten afrikanischen Musikszene, auch aus dem frankophonen Sprachraum.

Ist diese neue südafrikanische Musikszene Ausdruck eines neuen schwarzen Selbstbewusstseins ?

Ja. Das lässt sich auch in anderen Bereichen aufzeigen. Beispielweise ist eine Art Township-Streetwear entstanden, die afrikanische Elemente stark einbezieht. Die Leute tragen T-Shirts von einer Schwarzen Designerin mit Covers vom Drum-Magazin oder Bildern von Sophiatown.2 Oder sie tragen demonstrativ afrikanischen Schmuck. Das, was unterdrückt war, erarbeiten sich die Leute jetzt selber und holen es zurück. Oft entsteht dabei allerdings ein Bild von Afrika, bei dem man sich auf Stereotypen bezieht, wie sie auch von den US-HipHopern kommen könnten: Afrika, das Land der Trommeln, usw ...

Südafrika ist immer noch ein Land der krassen Gegensätze. Werden diese Verhältnisse in modernen Musikrichtungen wie Kwaito kritisiert?

Kwaito ist vor allem Party-Musik und nicht unbedingt bekannt dafür, politisch zu sein. Es ist eher das intellektuelle Umfeld, das versucht, den Kwaito in Richtung Reafrikanisierung zu entwickeln. Das Multimedia-Büro Black Rage Productions ist ein Beispiel dafür. Sie haben den Aufstieg des Kwaito begleitet, promoten Künstler und gründeten ein eigenes Label. Auf ihrer Website erscheinen Artikel über die neuesten Kwaito-Bands, zugleich werden aber Aspekte wie Black Consciousness, Schwarze Mode und Kultur oder auch politische und soziale Themen wie etwa AIDS angesprochen. Leute wie die von Black Rage Productions wollen einerseits "hip" sein und mit schwarzer Kultur Hochglanzmagazine und den Mainstream erreichen, andererseits aber auch soziale Probleme thematisieren. Sie versuchen, eine eigene neue afrikanische Identität zu konstruieren. Kwaito liefert dazu Mode, Tanzstile und neue Helden. Black Rage Productions wollen dabei an das urbane Afrika anknüpfen. So ist unser Kontakt auch über meinen Sampler "Afrika Raps" zustande gekommen. Sie suchten lange nach HipHop aus anderen afrikanischen Metropolen, fanden aber nichts. Eine westafrikanische HipHop-Platte findet so gut wie nie den Weg nach Südafrika, es gibt einfach keine direkten Vertriebswege.

Anmerkungen:

1Bokk MenMen Gestu (BMG) bedeutet "gemeinsam lässt es sich besser reflektieren". Die Zahl 44 bezieht sich auf ein historisches Ereignis: 1944 kamen senegalesische Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg zurück, wo sie für Frankreich gekämpft hatten. Als sie in ihrer Heimatstadt Dakar ihren Lohn forderten, wurden sie von den dort ansässigen Franzosen hinterrücks ermordet. 2Die Zeitschrift Drum stellte ein wichtiges Sprachrohr im Kampf gegen die Apartheid dar, weil es das erste Reportage-Magazin war, in dem schwarze und weiße Journalisten und Fotografen für ein schwarzes Publikum berichteten. Sophiatown war ein Slum und zugleich ein Rotlicht- und Ausgehviertel von Johannisburg, in dem es keine sichtbaren oder streng durchgesetzten Barrieren zwischen Menschen unterschiedlicher Hautfarbe gab. Nach dem Abriss von Sophiatown durch die Apartheid-Regierung Ende der 50er Jahre wurde es aufgrund seiner multikulturellen Vorbildfunktion zu einem mythenumrankten Bestandteil der südafrikanischen Geschichte. Jay Rutledge ist Ethnologe und lebt in München. Für die Plattenfirma Trikont stellte er die Sampler "Africa Raps" mit westafrikanischem HipHop (s. Rezension in iz3w 263) und "Globalista! Import-Export" mit transnationaler Popmusik zusammen. Im Februar 2004 erscheint seine Compilation mit neuer urbaner Musik aus Südafrika, die er in Kooperation www.rage.co.za zusammenstellte. Das Interview führte David Siebert, Mitarbeiter des iz3w. Explizit schwarz Kwaito ist an den Straßenecken von Kapstadt bis Johannisburg zu hören, dröhnt aus den Minibustaxis und wird ununterbrochen von den neuen privaten Radiosendern gespielt. Kwaito ist jung, lebendig und explizit schwarz: während weiße Jugendliche in Südafrika in der Regel Rock und Techno hören, bevorzugen die schwarzen Jugendlichen diese tanzbare Musikmischung aus südafrikanischer Diskomusik, HipHop, R&B, Ragga und House. Die Texte werden über verlangsamte Basslinien und elektronisch programmierte Beats gerappt. Der Kwaito-Pionier Mdu berichtet, dass die südafrikanische Variante der Discomusik einer der Vorläufer des Kwaito war. Künstler wie Brenda Fassie und Chicco Twala versahen diese Musik mit Texten auf Zulu und berichteten darin über die Realität der Ghettos. Zugleich fand das Publikum aber auch zunehmend an House-LPs aus den USA und Großbritannien Gefallen, so dass die beiden Stile zum Kwaito gemischt wurden. Eine andere Entstehungs-Legende besagt, dass Anfang der 90er Jahre ein Township-DJ eine Schallplatte mit der falschen Geschwindigkeit abspielte und das Publikum davon begeistert war. Infolgedessen ließen die DJ´s House-LPs langsamer als in Europa üblich laufen und begannen eigene Texte über die Stücke zu singen sowie afrikanische Melodie- und Perkussions-Elemente in die Musik zu mischen. Mittlerweile stellt der Kwaito Südafrikas erfolgreichstes Musik-Genre dar. Erfolgreiche Bands wie Bongo Maffin, TKZee und Boom Shaka erreichen mit ihren Alben Verkaufszahlen von über 50.000 Stück. Der Kwaito schickt sich an, zum Exportartikel und Aushängeschild zu werden. Kwaito ist untrennbar mit den schwarzen Townships verbunden. So verwundert es nicht, dass sich in ihm manche Gangsta-Attitüden des Rap wieder finden - allerdings stellt er keine bloße Imitation des Gangsta-Raps dar. Die Musiker sind zu sehr im Alltag der von Kriminalität geschüttelten Ghettos verankert, als dass sie auf die Idee kämen, Gewalt zu verherrlichen. Während der Kwaito einerseits die Wiederaneignung und Neubestimmung schwarzer Kultur symbolisiert, läuft er andererseits Gefahr, die schwarzen Medienstereotypen zu fördern. Gleich dem Rap wird er zum Synonym für Jugend, Widerstand und Progressivität stilisiert. Damit umgibt ihn eine Aura der Rebellion, welche die fragwürdigen Aspekte dieser Musikkultur - etwa den Sexismus in den Texten - verschleiert. ds HipHop Global Entstanden in den US-amerikanischen Ghettos, ist HipHop mittlerweile zu einer weltweiten Jugend- und Musikkultur avanciert. Sie wird oftmals als Vorzeigebeispiel für die kulturelle Globalisierung angeführt. Ob in Chile, auf Hawaii oder in Tansania, in unzähligen Ländern der Erde finden sich lokale HipHop-Szenen. Die Tatsache, dass zur Produktion dieser Musik nur relativ bescheidene ökonomische und technische Mittel nötig sind - in der Bronx reichten Mitte der 70er zwei Plattenspieler, ein Mikro und eine Verstärkeranlage - macht den HipHop auch für Jugendliche im Trikont attraktiv. Hinzu kommt, dass sich HipHop über die neuen Kommunikationstechnologien schneller und weiter verbreitet als andere Musikstile davor, und in Zeiten von Internet, MP3 und MTV beinahe auf der ganzen Welt zugänglich ist. In seinem Ursprungsland USA hat sich der HipHop mittlerweile größtenteils in eine bloße Konsumware der Kulturindustrie verwandelt. Gangsta-Hedonismus, Breakdance, Graffiti und Streetwear sind zum Lifestylefaktor auch für Mittelklassekids geworden. Der Aufbruch in neue musikalische Welten ist einem stereotypen, radiotauglichen Einheitssound gewichen. Unabhängige Plattenlabels wurden von den Unterhaltungsmultis geschluckt, und die Independent-Acts haben gegenüber den von der Musikindustrie aufgebauten Superstars kaum noch eine Chance, gehört zu werden. In vielen Ländern des Südens scheint HipHop hingegen noch subkulturelles Potential zu besitzen. Ein Beispiel dafür ist der afrikanische Kontinent. Städte wie Dakar, Dar es Salaam, Kapstadt oder Algier gelten mittlerweile als afrikanische Rap-Metropolen. Diese neue Jugendkultur hat durchaus rebellischen Charakter: in den Texten werden lokale politische und soziale Missstände kritisiert. Die ursprünglich westliche HipHop-Kultur dient in Afrika oft zur Abgrenzung von überkommenen, oftmals religiösen Traditionen und Sanktionen. Gleichzeitig ist HipHop oft ein Mittel, um ein neues afrikanisches Selbstbewusstsein zu propagieren, etwa wenn statt auf französisch oder amerikanisch in lokalen Sprachen und Dialekten gerappt oder traditionelle mit elektronischer Musik fusioniert wird. Allein ein Blick auf die zahlreichen Websites, die afrikanischen HipHop promoten, zeigt die Bedeutung dieses Musikstils für die afrikanischen Jugendszenen. Zu beinahe jedem Land des Kontinents finden sich Links auf lokale Bands, Webzines oder neu entstandene private Radiostationen. Von diesem musikalischen Aufbruch ist in Europa bisher nur wenig zu hören gewesen. Die exotisierenden, folkloristischen Weltmusik-Fantasien verweigern sich der Wahrnehmung solcher moderner Kulturphänomene. Sie blenden jenes urbane Afrika aus, das trotz aller Ressourcenknappheit längst im Medienzeitalter angekommen ist. Aber auch ökonomische und politische Barrieren, etwa beim Vertrieb, erschweren die Begegnung mit diesem Teil der afrikanischen Realität. ds Links: -www.africanhiphop.com, www.nubianunderground.com: afrikanische HipHop-Seiten mit zahlreichen Links zu verschiedenen Ländern und Gruppen, Artikeln, Berichten etc. -www.senerap.org: Senegalesische HipHop-Seite -www.rage.co.za: Seite zu Street Culture, HipHop und Kwaito sowie anderen gesellschaftlichen Themen in Südafrika -http://ntama.uni-mainz.de/hiphop/index.html: in dem Online-Magazin NTAMA - Journal of african music and popular culture finden sich auch Artikel zu HipHop in Afrika Literatur: -Bosch, Tanja (2003): A critical Perspective on Kwaito: A New Music For a New South Africa?, Ohio-University (USA), http://oak.cats.ohiou.edu/ ~tb441693/kwaito.html -Rutledge, Jay (2003): Turntables statt Tradition, in: IFA - Zeitschrift für Kulturaustausch 3/2003, www.ifa.de/zfk/themen/03_3_afrika/drutledge.htm -Servant, Jean Christoph (2000): Der Sound der Straße - neue Musikrichtungen in Afrika, in: Le monde diplomatique 12/2000 -Unesco-Courier (Juli/August 2000): Youths sonic forces (Schwerpunkt zu HipHop und elektronischer Musik im Trikont), www.unesco.org/courier/archives/2000uk.htm aus: iz3w 275 (März 2004) "Nicht vergeben, nicht vergessen - Deutscher Kolonialismus I"