Von wegen Lina E. ...

Das Oberlandesgericht Dresden verurteilte am 31. Mai 2023 die linke Studentin Lina E. „wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung“ zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten. An dieser Stelle sollen jetzt weder Strafmaß noch die des Merkens würdigen Begründungen thematisiert werden. Dass Lina E. bereits zweieinhalb Jahre Untersuchungshaft hatte über sich ergehen lassen müssen, ist schon Skandal genug. Bemerkenswert ist das politische Umfeld des Dresdener Vorgangs.

Am 9. Mai 2023 hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) gemeinsam mit dem Präsidenten des Bundeskriminalamtes Holger Münch die „Fallzahlen politisch motivierter Kriminalität 2022“ vorgestellt. Das BKA registrierte im Berichtszeitraum insgesamt 58.916 politisch motivierte Straftaten, das ist ein Anstieg um 7,03 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Davon hatten ca. 23.500 Straftaten einen rechtsextremen Hintergrund, inbegriffen sind 1.170 Gewalttaten. Im Bereich Linksextremismus verzeichnete das BKA rund 7000 Fälle, insgesamt 31 Prozent weniger als im Vorjahr. BKA-Chef Münch sieht konsequenterweise den „Rechtsextremismus als größte Bedrohung für die freiheitlich-demokratische Grundordnung“ an. Mit zunehmenden Radikalisierungstendenzen übrigens. Nun kommt das alles nicht aus dem luftleeren Raum.

Am 25. Mai machte die rbb-Dokumentation „Ganz normal: rechtsradikal“ auf eine scheinbar banale Selbstverständlichkeit aufmerksam: Die rechten Gewalttäter der frühen 1990er Jahre haben inzwischen eigene Kinder und beginnen die Diskurse in deren Bildungseinrichtungen – und nicht nur da – zu dominieren. Ganz demokratisch. Und in strukturschwachen Regionen – wie es die Lausitz inzwischen ist – bestimmen einige von ihnen als die fast einzigen Unternehmer vor Ort oftmals die öffentliche Meinung. Die Staatsgewalt taucht an einigen Orten des Landes weitgehend ab. Seinerzeit nannte man das die „Schaffung national befreiter Zonen“.

Die jahrelang mit größter Behutsamkeit gehätschelte Drachenzahnsaat scheint nunmehr aufzugehen. Selbst Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sah sich am 29. Mai 2023 genötigt, auf einer Gedenkveranstaltung zum 30. Jahrestag des Brandanschlages von Solingen zu erklären: „Es gibt eine Kontinuität von rechtsextremer und rassistischer Gewalt in unserem Land.“
Und die Bundesinnenministerin? Die ist offenbar vom Dresdener Urteil so beeindruckt, dass sie noch am selben Tag die innere Gefahrenlage ganz anders sah als drei Wochen zuvor. Jetzt sorgt sich Nancy Faeser (SPD) um „eine zunehmende Gefahr durch linksextreme Gewalttäter“, so die taz. „In linksextremistischen Gruppen sind Hemmschwellen gesunken, politische Gegner auch mit äußerster Brutalität anzugreifen“, meint Faeser. Die BKA-Zahlen scheint sie vergessen zu haben. Und – was wohl entscheidend ist – sie lebt auch nicht in Plauen, Spremberg, Burg/Spreewald oder in Wurzen. Auch nicht in Oberfranken oder in Ost-Sachsen.

Es gibt allerdings ein Kontinuum in der deutschen Geschichte: Wächst die Gefahr von ganz rechts, keilt der Staat bevorzugt nach links aus. Und die „demokratischen Parteien“? Die schauen einigermaßen hilflos auf ihre desaströsen Umfragewerte: Bundesweit liegt aktuell die AfD mit 18 Prozent gleichauf mit der SPD auf Platz zwei in der potenziellen Wählergunst. Das ist der Durchschnitt. In einigen Ländern und Regionen sieht das ganz anders aus: Sachsen Platz 1 (28 Prozent), Thüringen Platz 1 (28 Prozent), Brandenburg Platz 1 (22 Prozent). Die LINKE ist bundesweit auf vier Prozent abgerutscht.

Nach dem erwähnten rbb-Bericht über die Zustände an der Schule in Burg/Spreewald ließ die brandenburgische Polizei mitteilen, dass sie „Ermittlungen aufgenommen“ habe. Und das zuständige Schulamt – zwei Lehrer der Burger Schule hatten in einem „Offenen Brief“ die rechtsextrem dominierten Zustände an ihrer Einrichtung thematisiert; das könne man als Hilferuf verstehen, meinte das Amt – erklärte laut rbb24.de „auf jeden Fall“ tätig zu werden. Ein kleiner Info-Service an die Schulamtskollegen: Am 13. Juli beginnen in Brandenburg die Sommerferien. Und es dürfte in Südbrandenburg ein offenes Geheimnis sein, wo zum Beispiel die Burger Schulabgänger ihr Abschlussfest feiern werden … Mit ziemlicher Sicherheit dürfte das eine Siegesfeier sein.