Die Präsidentenwahl in den USA findet am ersten Dienstag nach dem ersten Montag im November eines jeden Schaltjahres statt. Seit George Washington regelmäßig alle vier Jahre. Es war jetzt die 60. Präsidentenwahl. Zeitgleich wird ein Drittel des US-amerikanischen Senats gewählt sowie das gesamte Repräsentantenhaus, die zweite Kammer des Parlaments. Donald Trump, der von 2017 bis 2021 schon einmal vier Jahre als Präsident das Land regierte, konnte das Rennen für sich entscheiden. Die Republikanische Partei konnte zugleich ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus verteidigen und erneut die Mehrheit der Senatorensitze erringen, die sie vor vier Jahren verloren hatte. Damit hat Trump eine recht kommode Lage zum Regieren erlangt.
In Deutschland hatten die Medien und die politische Klasse, aber auch viele „normale“ Menschen gehofft, dass Kamala Harris von der Demokratischen Partei die Wahlen für sich entscheiden könne. Die Zeitungen schrieben, was für eine politische und kulturelle Zumutung Trump sei; die Deutschen wurden befragt, wen sie denn lieber als amerikanischen Präsidenten hätten – über drei Viertel waren natürlich für Harris und gegen Trump. Auch wenn ein solches Stimmungsbild hierzulande nichts in den USA bewirkt. Selbst der (inzwischen gescheiterte) Kanzler raunte, er wünsche sich eher die Demokratin. Da jede deutsche Regierung mit jedem Präsidenten der Vormacht irgendwie auskommen muss, ist so etwas eher kontraproduktiv und den eigenen Interessen abträglich. Das musste bereits Erich Honecker erfahren, als er öffentlich über Gorbatschow räsonierte. Aber man meint ja stets, die früheren Erfahrungen des anderen deutschen Staates in den Wind schlagen zu können.
Auf den ersten Blick ist Trumps Wahlsieg beeindruckend. In den USA wird der Präsident nicht direkt gewählt, sondern es werden die 538 „Wahlmänner“ des „Electoral College“ gewählt (was heutzutage auch Frauen sein können, so dass die Bezeichnung dieser alten Institution heute gern mit „Wahlleute“ übersetzt wird). Deren Anzahl in den jeweiligen Bundesstaaten folgt in der Tendenz dessen Bevölkerungsgröße und konkret der Zahl der von dort kommenden Senatoren und Abgeordneten des Repräsentantenhauses. In den meisten Bundesstaaten geschieht dies nach dem Prinzip: „The Winner Takes All“, was heißt, selbst wenn die Wählermehrheit in dem jeweiligen Bundesstaat für einen der Kandidaten recht knapp ist, erhält dieser alle Wahlmänner des Bundesstaates. Die Mehrheit ist mit 270 Wahlmännern erreicht. 2016 erlangten die Republikaner mit dem Kandidaten Donald Trump 306 Wahlmänner, die Demokraten mit Hillary Clinton 232 Wahlmänner und Trump wurde erstmals Präsident. Und dies, obwohl für Clinton landesweit insgesamt 65,9 Millionen Wähler gestimmt hatten und für Trump knapp 63 Millionen; das nennt sich „Popular Vote“, auch wenn es realpolitisch keine Rolle spielt.
Bereits während seiner ersten Präsidentschaft „säuberte“ Trump die Republikanische Partei mit seiner ständig polemisierenden Rhetorik immer weiter nach rechts; frühere, eher wertkonservative Republikaner wurden aus der Partei gedrängt und verhindert, dass sie aussichtsreiche Kandidaturen als Abgeordnete oder Senatoren erhielten. Damit trieb er zugleich die Demokraten in der Polemik gegen sich immer weiter nach links, bis dort politisch der linke Flügel bestimmend wurde, während auch dort moderate Kräfte wegfielen – wie der profunde Kenner der politischen Szenerie in den USA, Roland Benedikter, betonte (WeltTrends, Herbst 2024). Damit entstand eine Demokratische Partei, die es so zuvor nicht gegeben hatte: reich und von wohlhabenden städtischen und gebildeten Linken geführt. Ihnen ging es nicht mehr um die Arbeiterschaft, sondern eher um die nicht-weißen Minderheiten, Kapitalismuskritik, Gender-Themen und Politische Korrektheit. Am Ende führten sie einen Kulturkampf gegen Donald Trump, den dieser provoziert hatte.
Insofern war der alte Haudegen Joe Biden (geboren 1942), als er im November 2020 zur Präsidentschaftswahl antrat, der wohl konservativste Kandidat, den die nach links gerückte Demokratische Partei aufbieten konnte. Der wurde gebraucht, weil man mit den eher linken Themen und Personen potenzielle Wähler in den „Swing States“, also jenen Staaten, die nicht „immer“ entweder republikanisch oder demokratisch wählen, sondern mal so und mal so, sowie Unentschlossene kaum gewinnen konnte. Im Jahre 2020 waren die Demokraten, vor allem der linke Flügel der Partei, darauf aus, Trump unbedingt aus dem Weißen Haus zu vertreiben. Es wurde eine Kampagne gestartet, möglichst viele Wählerinnen und Wähler zu mobilisieren, Menschen, die noch nie oder seit Jahren nicht gewählt hatten, anzuregen, sich in die Wählerlisten eintragen zu lassen, oder ihnen bei der Briefwahl zu helfen.
Am Ende war die Wahl 2020 die mit der höchsten Wahlbeteiligung seit 1900. 66,7 Prozent der Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab. Biden mit Vizepräsidentin Kamala Harris kam auf 306 Wahlmänner, Trump auf 232. Beim Popular Votewählten Biden 81,3 Millionen Wähler, Trump 74,2 Millionen. Er hatte über zehn Millionen Wähler dazugewonnen und trotzdem verloren. Die Demokraten hatten eine höhere Mobilisierungsfähigkeit erlangt. Trump wollte das nicht wahrhaben und weigert sich bis heute anzuerkennen, dass er vor vier Jahren die Wahl verloren hat. Zugleich verfolgte er weiter die Strategie, die Republikanische Partei in seinem Sinne umzubauen
Es folgten die Entwicklungen des Jahres 2024. Biden wurde zunehmend von den Gebrechen seines Alters geplagt und hinterließ nach der Fernsehdebatte mit Trump einen derangierten Eindruck. Die Großkopferten seiner Partei, darunter der frühere Präsident Barack Obama, nötigten ihn, auf eine erneute Kandidatur zu verzichten. Da die Vorwahlen abgeschlossen waren, wurden die auf Biden abgegeben Stimmen Kamala Harris übertragen. Nach dem Parteitag der Demokraten im August 2024 stiegen die Umfragewerte zu ihren Gunsten, sie schien die Wahl gewinnen zu können.
Ab September waren die Umfragewerte für Harris rückläufig. Darauf reagierte sie jedoch nicht mit dem Bestreben, auf fachpolitischen Grundlagen zu debattieren, sondern versuchte, ihn als „Faschisten“, als Bedrohung der Demokratie darzustellen. Dazu schrieb der Berliner Tagesspiegel: „Trump ist nicht irgendein Präsidentschaftskandidat, sondern hat das Land bereits vier Jahre lang regiert. Nur wenige Amerikaner werden behaupten, dass ihr Land in der Zeit faschistisch war. Die Anhänger des Republikaners erinnern sich eher daran, dass Trump es war, der die NATO-Mitglieder zu höheren Verteidigungsausgaben gedrängt, China die Stirn geboten, die deutsche Energieabhängigkeit von Russland kritisiert hat. Das war in ihren Augen nicht faschistisch, sondern richtig. Außerdem waren die Güter des täglichen Lebens weitaus erschwinglicher, als sie es heute sind.“
Das Resümee war: „Erstens: Alle Warnungen vor Trump als dem Zerstörer der Demokratie, dem Faschisten und Spalter, hatten nicht den erhofften abschreckenden Effekt. Womöglich haben sie sogar Trotzreaktionen jener Wähler provoziert, die noch unentschieden waren. Zweitens: Trumps Klientel umfasst als starken Block junge, nicht sehr gebildete Männer […]. Je intensiver Harris um die Stimmen der Frauen warb, desto mehr Männer strömten zu Trump. Drittens: Trump konnte offenbar auch den Stimmenanteil von Schwarzen und Latinos vergrößern. Die Demokraten müssen sich darauf einstellen, dass Minderheiten allein mit Antirassismus nicht bei der Stange gehalten werden können. Politik für Minderheiten muss praktische Konsequenzen haben: Jobs, Wohnung, Familie.“
Im Endergebnis hat Trump 2024 alle sieben „Swing States“ (in den US-Medien ist eher von „Battlegrounds“, also „Schlachtfeldern“ die Rede) gewonnen und kommt auf 312 Wahlmänner, Harris auf 226. Sein Popular Vote waren 75,5 Millionen Wähler, für Harris stimmten 72,4 Millionen. Das heißt, Trump hat gegenüber 2020 etwa eine Millionen Wähler hinzugewonnen, aber Harris im Vergleich zu Biden 2020 neun Millionen verloren. Die Wahlbeteiligung lag bei 64,5 Prozent.
Über die Gründe wird gewiss noch länger diskutiert werden. Manche meinen, die Zeit für eine weitere nicht-weiße Präsidentschaft sei noch nicht reif, andere, dass eine Frau als Präsident noch nicht gewollt ist. Sie war für die wirtschaftliche Bilanz der Biden-Jahre mitverantwortlich: die globalen Daten zeigten Wachstum, aber die Inflation und die Preise machten das Leben der „einfachen Leute“ schwerer. Zur politischen Bilanz der Biden-Regierung – dessen Vizepräsidentin sie ja ist – gehört, dass sie nicht in der Lage war, das kriegerische Vorgehen Netanjahus im Gaza-Streifen und im Libanon zu stoppen. Das wird unter Trump nicht besser, eher noch schlimmer werden. Aber es hat offenbar dazu beigetragen, dass sich der Eifer der jungen, linken Demokraten in engeren Grenzen hielt. Schließlich sind Demokraten-Wähler in relevanter Zahl zu Hause geblieben, nicht die der Republikaner.