Der Weg auf den Wahlzettel
Nachdem die DVU bei
den Landtagswahlen 2006 in Sachsen-Anhalt mit 3 % der Zweitstimmen
deutlich scheiterte (die NPD trat gemäß »Deutschlandpakt« nicht an),
meldete die NPD ihren Anspruch auf einen Wahlantritt 2011 an.
Mehrere
führende DVU-Funktionäre aus Sachsen-Anhalt fanden seitdem ihren Weg in
die NPD. Rechtsanwalt Ingmar Knop, seit Jahren für die sächsische
NPD-Fraktion tätig, war zuletzt stellvertretender DVU-Chef. Seit dem
NPD-Bundesparteitag in Hohenmölsen im November 2010 gehört er ebenso zum
NPD-Bundesvorstand wie Heiner Höving. Birgit Fechner saß für die DVU
zehn Jahre lang im Brandenburger Landtag und kandidierte nun in
Bitterfeld für die NPD. Ihr früherer Wahlkreismitarbeiter und
Lebensgefährte, Andreas Klar trat in Wolfen zur Wahl an.
Doch die
vordergründige Einigkeit der NPD/JN in Sachsen-Anhalt ist zum Teil pure
Maskerade. Der vor mehreren Wochen von einigen Tageszeitungen
veröffentlichte interne NPD-E-Mailverkehr spricht Bände. So echauffiert
sich Wahlkampfleiter Holger Apfel darüber, dass Kandidatin Judith Rothe
»unverschämte« Preise für die Unterkunft von Wahlkampfhelfern fordern
würde. Hartmut Krien von der Kommunalpolitischen Vereinigung (KPV) der
NPD, soll sich laut den internen E-Mails bei Matthias Heyder, dem
NPD-Spitzenkandidaten in Sachsen-Anhalt mit drastischen Worten über die
unzureichende Bezahlung der Unkosten für seine Unterschriftensammler
beschwert haben. »Hätte ich einen solchen Handschlag mit einem
sprunghaften Neger oder einem windigen Juden getauscht wäre ich an die
Verwirklichung sicherlich mit mehr Skepsis herangegangen. Du aber willst
nach dem 20. März Vorsitzender einer Landtagsfraktion sein auf Dein
Wort muß man sich verlassen können!«, so Krien demnach. Erik Schulze,
NPD-Kandidat in Halle, soll in einem Brief an Michael Schäfer vom August
2010 unschöne Details ausdem Innenleben der NPD-Jugendorganisation zur
Sprache gebracht haben. Schulze war bis Ende 2009 JN-Bundesschatzmeister
und beklagte demnach:
»Hauptsache Ihr haut Euch schön die Taschen
voll mit Frontdienst, erdachten Mietverträgen, Reisekostenabrechnungen
und Anstellungen für 400 Euro. Alles das für Eure minderwertige und
korrupte Arbeit. Prima, Heil Deutschland. (...) Diese Misswirtschaft
passt auf keine Kuhhaut. Ihr seid Verbrecher!« Die Bareinnahmen von
Verkaufsständen des von Phillip Valenta geführten JN-Versandes
»Frontdienst« seien über Jahre nicht auf JN-Konten eingezahlt worden.
Als schwierig stellte sich offenbar auch das Verhältnis der Landespartei
zum Kreisverband Altmark heraus. Der Kreisvorsitzende Kai Belau würde
bei Anrufen einfach auflegen, Kandidat Heiko Krause ebenso. Krause hätte
sich sogar geweigert, Unterschriften für seine Kandidatur im Wahlkreis
Genthin zu sammeln. Thomas »Steiner« Wulff versuchte zu vermitteln –
offenbar erfolglos. Insgesamt konnte die NPD nur einen der sechs
nördlichen Wahlkreise besetzen. In Stendal wurde der Kandidat sogar
wegen gefälschter Unterschriften abgelehnt.
(Ex)-SPD Mann auf NPD-Ticket
Einen
interessanten Einblick gewähren die besagten NPD-E-Mails auch in die
Hintergründe im Fall des Ex-SPD-Bürgermeisters von Krauschwitz, Hans
Püschel. Püschel hatte den NPD-Bundesparteitag in Hohenmölsen besucht
(Vgl. AIB # 89). In den folgenden Wochen gab es zwischen Püschel und der
NPD einen intensiven Austausch, bei dem die offizielle Darstellung der
schleichenden Annäherung detailliert verabredet wurde. »Als NPD-mann
wäre« Püschel »sofort raus aus den medien« (Fehler im Original), weshalb
er sich »die SPD-größen warm« (Fehler im Original) halte, und »den
Krach so lange wie möglich raus« schiebe. »Die Abgrenzung« sei
»vorläufig gegenseitig das Beste, weil« er »dann die Sache immer mal
noch ein paar Tage befeuern und nachlegen kann.«
Wahlkampf auf Pump
Zur Finanzierung des
»Schwerpunktwahlkampfes« mussten dringend neue Geldquellen erschlossen
werden. So unterschrieb der NPD-Landesverband laut
NPD-Insiderinformationen, einen Darlehensvertrag mit dem parteieigenen
Deutsche Stimme Verlag. Der NPD-Fraktionsvorsitzende von
Mecklenburg-Vorpommern Udo Pastörs wurde demnach zudem überredet 25.000
EUR über einen Darlehensvertrag, abgeschlossen von seiner Frau Marianne,
zuzuschießen. NPD-Chef Udo Voigt soll hierzu geäußert haben, es sei ein
Witz, dass ausgerechnet ein so begüterter Mann wie Udo Pastörs, hier
noch eine Bürgschaft der NPD Bundespartei verlange.
Heyder-Gate
In der letzten Woche vor der
anstehenden Wahl veröffentlichte tagesschau.de Einträge aus dem
mittlerweile abgeschalteten Forum freie-freunde.de. Unter dem Pseudonym
»Junker Jörg«, hinter dem sich mutmaßlich NPD-Spitzenkandidat Matthias
Heyder verbarg, wurde en detail über die Wahlkampfstrategie in
Sachsen-Anhalt berichtet, Plakatentwürfe diskutiert und das ein oder
andere Interna ausgeplaudert. So zieht er über Rieger, Apfel, Voigt und
Peter Marx mit den Worten her: »Die sind nur alle nicht teamfähig. Bzw.
die brauchen einen Führer der sie richtig diszipliniert. Daran haperts.«
Weiterhin ließ er durchblicken, dass zu den bestehenden weitere
fehlerhafte Rechenschaftsberichte der NPD bekannt werden würden. »Der
Bundestag hat die erste Strafzahlung auf 3 Mio Euro festgesetzt. Da
kommen aber noch einige Millionen zusammen, wenn ab 1996 geprüft wird.
Das wars dann wohl.« Während diese Einlassung intern für einigen Ärger
sorgen dürften, richteten andere einen massiven Flurschaden für die NPD
an. So schloss »Junker Jörg« einen Eintrag zu einer Linken-Abgeordneten
mit den Worten: »Schändet Ihre Frauen, ihr tapferen Nationalisten!«
Zudem wurde unter dem gleichen Pseudonym Hitlers »Mein Kampf«
hochgeladen – auf den Server von Matthias Heyder auf dem auch private
Daten zu finden gewesen sein sollen. Das »Junker Jörg« auch nicht darum
verlegen war detaillierte Anleitungen zum Bau von Bomben im Forum zu
veröffentlichen, setzte dem Ganzen die Krone auf.
Das einsetzende
mediale Interesse brachte die NPD in massive Bedrängnis. Das mühsam
aufgebaute Image als »bürgernahe« Partei zerbröselte zusehends. In
verzweifelten Reaktionen wurde versucht das Thema herunterzuspielen bzw.
»Antifa-Hackern« in die Schuhe zu schieben. Doch dieses Manöver verfing
nicht. Selbst in den eigenen Reihen wurde mit Kopfschütteln reagiert.
Als direkte Konsequenz stieg ein Macher der Website »Deutschlandecho«,
die bis dahin die NPD im Wahlkampf unterstütze, mit den Worten aus: »und
es sind Tatsachen, allen Beteuerungen zum Trotz, das ist mir aus
sicherer Quelle bekannt.«
Lange Gesichter und SprachlosigkeitVielleicht
dämmerte dem einen oder anderen NPD’ler dass der Tag der Landtagswahl
nicht den triumphalen Einzug in den Landtag bringen würde. Doch die
versteinerten Mienen vor denBildschirmen im Magdeburger Landtagsgebäude
sprachen Bände. Die vier Vertreter der NPD, darunter Michael Schäfer,
Hans Püschel und Andy Knape, die als Vorhut gekommen waren, trauten
ihren Augen kaum als die NPD bei den ersten Hochrechnungen bei 4,5%
gehandelt wurde. Matthias Heyder und Udo Voigt ersparten sich diese
Situation. Selbst am Abend des darauf folgenden Tages herrschte
Sprachlosigkeit. Auf den Internetseiten der NPD hieß es noch immer
vollmundig: »Landtag, wir kommen«.
Doch auch wenn die NPD an ihren
übertrieben vollmundigen Ankündigungen und unter tatkräftiger Mithilfe
ihres Spitzenkandidaten scheiterte, erreichte sie aus dem Stand ein
Ergebnis, welches keinen Anlass zur Entwarnung gibt. Trotz schwer
enttäuschter Anhängerschar – welche bereits fest an Wahlfälschung und
Verschwörung glaubt – und einer sich weiter verschärften finanziellen
Schief lage, sollte man die NPD in Sachsen-Anhalt nicht abschreiben.
Unter den unter 30-jährigen erreichte sie immerhin einen Stimmenanteil
von 12%. Zusammen mit ihrer kommunalen Verankerung wird die Partei
versuchen darauf aufzubauen. Ob sie jedoch in fünf Jahren zur nächsten
Landtagswahl wieder mit Matthias Heyder antritt, ist mehr als ungewiss.
Weitere Informationen zur NPD und ihren Kandidaten in Sachsen-Anhalt sind zu finden unter: www.waehlnichtnpd.de
Ausführliche Informationen zur »Junker Jörg«-Affäre unter: www.npd-blog.info