Auch Obama bedeutet Krieg

Ein Fan der Todesstrafe als Hoffnung der Linken?

„Die Welt jubelt: Obama wird Präsident" (SZ), „Verknallt in Obama - aber richtig", „Wir sind Obama", „Gute Wahl", „Die Obama-Revolution" (alle taz), „Yes, we can Freunde sein" (BILD),... Glauben wir den Medien, dann wurde im November 2008 der neue Welt-Messias gewählt. „Der Traum wird wahr", so die grün-nahe taz am 5. November. Die Frage ist nur welcher? Natürlich haben mich die Bilder von schwarzen Obama-Wäh­lerInnen, deren Gesichter Hoffnung und Entschlossenheit ausstrahlten, beeindruckt. Natürlich hoffe auch ich, dass Obama das Folterlager in Guantá­namo schließen, soziale Verbesserungen für Arme und eine ökologischere Klimapolitik realisieren wird. Und selbstverständlich hat Mumia-Abu Jamal recht, wenn er schreibt: „Wenn wir nach der Bedeutung dieses Sieges fragen, dann können wir nicht leugnen, dass er von hohem Sym­bolwert ist. In unzähligen afro­amerika­nischen Familien wird Obamas Foto neben den Konterfeis von Martin Luther King und John F. Kennedy und einem Bildnis des bleich­gesichtigen Jesus Christus einen Ehrenplatz bekommen. Und sicher wird nicht nur in Kenia, sondern auch in anderen afrikanischen Ländern künftig ein Foto des lächelnden Barack Obama zahlreiche Wände zieren."1  So makaber es ist, aber für den seit mehr als einem Vierteljahrhundert unschuldig in der Todeszelle sitzenden afroamerikanischen Au­tor Mumia-Abu Jamal könnte die Wahl des ersten afroameri­kanischen US-Präsidenten tödliche Folgen haben. Obama ist nämlich ein Befürworter der Todesstrafe „für als besonders verwerflich geltende Verbrechen". Und das, was Mumia vorgeworfen wird, die Ermordung eines Polizisten, ist nach Meinung vieler US-AmerikanerInnen genau das. In einer öffentlichen Debatte erklärte der künftige Präsident der USA, die Todesstrafe erlaube es der Gesellschaft, „das volle Ausmaß ihrer Em­pörung durch die Verhängung der ultimativen Strafe zum Ausdruck zu bringen."2  Mehr noch, Obama befürwortet die Hinrichtung von jugendlichen Vergewaltigern. Im Juni 2008 kritisierte er deshalb die Entscheidung des United States Su­preme Court, der das wegen der Vergewaltigung eines Kindes gefällte Todesurteil gegen einen Jugendlichen für verfassungswidrig erklärte.3  Obama ist keineswegs der „Erbe Martin Luther Kings", er ist kein Pazifist, sondern ein US-ameri­kanischer Patriot und Machtpolitiker. Als solcher wird er in den nächsten Jahren versuchen, das durch acht Jahre Bush-Kriegspolitik, Guantá­namo und Abu Ghraib ramponierte Image der USA zu verbessern. Auch wenn es Medien und selbst viele Linke herbeischreiben: Obama plant keinen kompletten Rückzug der US-Besatzungstruppen aus dem Irak. Zwar soll die Zahl der US-SoldatInnen dort reduziert werden, aber der kommende US-Präsident und seine zukünftige Außenministerin Hil­lary Clinton wollen auch in Zukunft US-Truppen im ölreichen Irak stationiert lassen: „Dies [die Reduzierung] würde im Sommer 2010 abgeschlossen sein. [...] Nach dieser Restrukturierung würden wir eine Kerntruppe für bestimmte Aufgaben im Irak belassen: für das Vorgehen gegen die Reste von Al-Kaida; den Schutz unserer Dienstleister und Diplomaten; und die Ausbildung und die Unterstützung der ira­kischen Sicherheitskräfte, so lange bis die Iraker Fortschritte machen."4  Wie groß diese „Kerntruppe" sein soll, sagt Oba­ma nicht, aus Andeutungen während einer Se­natsanhörung geht aber hervor, dass er dabei etwa 30.000 SoldatInnen anvisiert.5  Jürgen Wagner von der Tübinger In­formationsstelle Mi­litarisie­rung (IMI): „Eine zeitliche Befristung für die fortgesetzte Be­satzung ist nirgendwo zu finden, das hat mit dem vollmundig versprochenen Abzug nichts zu tun. Ganz grundsätzlich betonte Obama immer wieder, seine ablehnende Haltung bzgl. des Irak-Krieges sei nicht zu verwechseln mit einer pazifistischen Position und der grundsätzlichen Ablehnung des Einsatzes von Gewalt als legitimem Mittel der Politik. Betrachtet man seinen Beraterstab, so mag man ihm das gerne glauben." Obamas Wahlkampf war der teuerste der US-Geschichte. Kein Präsidentschaftskandidat hat soviel Spenden erhalten wie er. Und es ist klar, was die aus dem militärisch-industriellen Komplex kommenden Großsponsoren und Lobbyisten von ihrem Kandidaten erwarten. Im Wahlkampf hat Obama deshalb auch schon angekündigt, dass er den „Krieg gegen den Terror" verstärkt führen will, vor allem in Afghanistan und Pakistan. In Afghanistan sollen die US-Truppen mindestens um zusätzliche 10.000 Sol­datInnen verstärkt werden. Zudem will Obama aber „diese Verpflichtung dazu nutzen, um von den NATO-Verbündeten größere Beiträge - mit weniger Einschränkungen - einzufordern."6  Wohin die Reise geht ist also klar. Wie seine Amtsvorgänger wird auch Obama kein „Frie­denspräsident", seine Politik wird sich in der Substanz kaum von der bisherigen unterscheiden, auch wenn das heute noch viele Pazifis­tInnen und Linke hoffen. Der Politikwissenschaftler Clarence Lusane von der American University in Washington D.C. ver­wies in der Frühjahrsausgabe 2008 der Zeitschrift The Black Scholar auf die Geldgeber, die hinter Obama und seiner Demokratischen Partei stehen, und erklärte dazu: „Die Stärkung der US-Hegemonie, Erweiterung der Märkte für US-Unternehmen, auf Sicherheit aufbauende multilaterale Beziehungen, eine protektionistische Handelspolitik und eine Fokussierung auf den Terrorismus werden voraussichtlich die Schlüsselprioritäten sein, die die politischen und wirtschaftlichen Hauptsponsoren der Demokratischen Partei einfordern werden. Anders gesagt, eine Obama-Regierung wird auf den wesentlichen Politikfeldern in die Fußstapfen von George H. W. Bush und Bill Clinton treten." 7   Anstatt sich Illusionen hinzugeben, sollten wir weltweit KriegsdienstverweigererInnen und emanzipatorische Bewegungen von unten unterstützen. Wir brauchen keine Obama-Ersatzkasse und keinen „Weltpräsidenten". Gegen Militari­sierung, Führer und Personenkult hilft nur eins: Solidarität und gewaltfreier Widerstand für eine globale Entmilitarisierung, für eine menschengerechte, herrschaftslose Welt. Bernd Drücke  Anmerkungen: 1 Ohne Bush kein Obama. Wahl des ersten afroamerikanischen US-Präsidenten - Ergebnis des Versagens seines Amtsvorgängers, Mumia Abu-Jamal, in: junge Welt, Berlin, 14.11.08 2 Peter Slevin, Obama Forged Political Mettle In Illinois Capitol, Washington Post, 9.2.07 3 Justices Bar Death Penalty For the Rape of a Child, The New York Times, 26.6.08 4 Obama's Remarks on Iraq and Afghanistan, New York Times, 15.07.08, hier zit. n.: IMI-Analyse 2008/037, Barack Obama: Vorsicht vor allzu großen Hoffnungen!, http://www.imi-online.de/2008.php3?id=1840, 5.11.08, Jürgen Wagner 5 Escobar, Pepe: Obama's brave (new?) world, Asia Times Online, 17.06.08, hier zit. n.: IMI-Analyse 2008/037, ebd. 6 Obama's Remarks on Iraq and Afghanistan, New York Times, 15.07.08, hier zit. n.: IMI-Analyse 2008/037, ebd. 7 zit. n.: Ohne Bush kein Obama, a.a.O. Kommentar aus: Graswurzelrevolution Nr. 334, Monatszeitung für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft, 37. Jahrgang, Dezember 2008, www.graswurzel.net