Von Schlapphüten und Spitzeln

Die deutschen Geheimdienste sind in den vergangenen Jahren immer wieder negativ aufgefallen. Sie bespitzelten JournalistInnen und waren am völkerrechtswidrigen Krieg im Irak beteiligt. Ist eine demokratische Kontrolle von Geheimdiensten überhaupt möglich?

Die drei deutschen Geheimdienste - Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV; Inlandsgeheimdienst), Bundesnachrichtendienst (BND; Auslandsgeheimdienst) und Militärischer Abschirmdienst (MAD; Geheimdienst der Bundeswehr) - haben die Aufgabe Informationen zur innen-, außen- und sicherheitspolitischen Situation zu sammeln. Neben den drei großen Geheimdiensten gibt es in Deutschland zahlreiche kleinerer Behörden, die geheimdienstliche Tätigkeiten verrichten - beispielsweise die Landesämter für Verfassungsschutz oder auch die Zentralstelle für Information und Kommunikation der Bundespolizei. Die Behörden operieren oftmals verdeckt - ein parlamentarisches Kontrollgremium soll die Geheimdienste kontrollieren. Dass dies Schwierigkeiten bereitet, zeigen die Skandale der letzten Jahre.

BND im Irak
Am 20. März 2003 begann das Bombardement des Iraks unter Führung der USA. Am selben Tag verurteilte die Bundesregierung den Feldzug: „Deutschland beteiligt sich nicht an diesem Krieg", erklärte der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder. Bereits einen Monat zuvor hatte der BND Agenten nach Bagdad geschickt, um sich ein Bild von der Lage im Land machen zu können. Zwei Tage nach Kriegsbeginn machten die BNDlerInnen eine Erkundungsfahrt durch die irakische Hauptstadt Bagdad. Informationen wurden an den Hauptsitz der Behörde nach Pullach (Bayern) gesandt. Von dort wurde das Material teilweise an das Hauptquartier der US-Armee weitergeleitet. Die Verantwortlichen bestreiten zwar, dass es sich um kriegswichtige Informationen gehandelt habe - die Protokolle beweisen allerdings das Gegenteil. Beispielsweise wurden die genauen Koordinaten von Militärstellungen weitergeleitet. Achtzehn der 33 Anfragen der US-Armee wurden vom BDN beantwortet.

Die Verstrickung in den Irak-Krieg ist jedoch nicht der einzige BND-Skandal. 1995 organisierte der BND den Schmuggel radioaktiven Plutoniums von Moskau nach München - in der Presse bekannt geworden als „Plutonium-Affäre". 2004 soll der von US-Geheimdiensten verschleppte - wohl unschuldige - Deutsche Khaled al-Masri von einem BND-Mitarbeiter in Afghanistan verhört worden sein. Zudem ist bekannt, dass der BND immer wieder kritische JournalistInnen bespitzelt.

Verfassungsschutz und Neonazis
Die Tätigkeiten des Bundesamts für Verfassungsschutz waren nicht nur ein entscheidender Grund für das Scheitern des NPD-Verbotsverfahren im Jahr 2003. Die Behörde deckt auch die verbrecherischen Machenschaften von Neonazis, wie der Fall Sebastian Seemann zeigt. Beim Prozess gegen einen Neonazi wurde im August 2007 der BfV-Spitzel Sebastian Seemann aus Lünen (NRW) enttarnt. Der angeklagte Neonazi gab an, von Seemann zum Raubüberfall angestiftet worden zu sein. Dabei wurde ein Tunesier durch eine Schusswaffe schwer verletzt. Die Waffe hatte der Angeklagte von Seemann. Für die Polizei ist Seemann kein Unbekannter: In 178 Fällen verstieß er gegen das Betäubungsmittelgesetz, 2005 wurde Seemann wegen Nötigung, Körperverletzung und Verstößen gegen das Waffengesetz und 2006 erneut wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz verurteilt. Dem Verfassungsschutz - für den Seemann laut Medienberichten schon ab 2004 tätig war - sollten die kriminellen Machenschaften ihres Informanten also nicht entgangen sein. Getan wurde nichts. Wie viel Waffen und Sprengstoff Seemann in die Neonazi-Szene gebracht hat, ist unbekannt.

Geheimdienste außer Kontrolle
Die deutschen Geheimdienste sind in allerlei unseriöse Machenschaften verstrickt. Behörden, deren Aufgabe es ist verdeckt zu arbeiten, können nie demokratisch sein - sie unterwandern die Demokratie. Die parlamentarische Kontrolle wurde allzu oft umgangen und ausgeschaltet - sie ist unzureichend. Geheimdienste werden immer ein Herrschaftsinstrument der Mächtigen sein - deshalb gehören sie abgeschafft!

 

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