Abschiebung ins Fremde

Ende Oktober 2006 wurde die fünfköpfige Familie Thadchanamoorthy nach Sri Lanka abgeschoben. Eine Abschiebung, beispielhaft für alle, die täglich in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden.

Kiddinan Thadchanamoorthy flüchtete 1994, seine Frau Menaka 1999 vor dem schwelenden Bürgerkrieg in Sri Lanka. Das Ehepaar stellte einen Asylantrag und lebte fortan im nordrhein-westfälischen Warendorf. Auch für ihr drei Kinder Apisan (8), Apirami (5) und Apinaeja (3), die alle in Deutschland zur Welt kamen, wurde ein solcher Antrag gestellt. Alle Anträge wurden abgelehnt.

Während des Aufenthalts in Warendorf integrierten sich die Thadchanamoorthys in die Gesellschaft: die Kinder besuchten den Kindergarten und die Schule, der Vater arbeitete und die Familie nahm am Gemeindeleben teil. Am 17. Oktober 2006 änderte sich dies schlagartig: Herr Thadchanamoorthy wurde - ohne etwas verbrochen zu haben - in das Abschiebegefängnis Büren gesperrt. Menaka wurde in das Gefängniskrankenhaus Fröndenberg gebracht - nachdem sie im Bürgerkrieg misshandelt wurde, leidet sie unter einem Trauma. Die drei Kinder - das jüngste wurde noch gestillt - wurden dem Jugendamt übergeben. Die ganze Familie wurde auseinander gerissen - mit Berufung auf das deutsche Ausländerrecht.

Ein Wiedersehen gab es erst im Flugzeug nach Sri Lanka - dem Land aus dem das Ehepaar geflohen war und das die drei Kinder noch nie gesehen hatten. Am 25. Oktober wurde die Familie abgeschoben - jedoch ohne Papiere. Zwar hatten die Behörden der Familie ein Visum für Sri Lanka besorgt, doch dies war auf den Flughafenbereich beschränkt. Ein Leben ohne gültige Ausweispapiere kann in dem Bürgerkriegsland tödlich sein. In den letzten Jahren verschärfte sich der Krieg zwischen der Regierung Sri Lankas und der tamilischen „Befreiungsbewegung". Auch die Familie Thadchanamoorthy gehört zur Bevölkerungsminderheit der Tamilen und ist daher einer erhöhten Gefahr ausgesetzt. Nicht selten kommt es zu willkürlichen Übergriffen und Verschleppungen von Tamilen durch Regierungstruppen und Polizei.

Hilfe, Betreuung und Beratung fand die Familie bei einer Ordensgemeinschaft. Der gesundheitliche und seelische Zustand der abgeschobenen Familie verschlimmerte sich jedoch drastisch. Allein die Umstellung auf das Klima und das Essen machten der Familie zu schaffen - besonders den Kindern, die noch nie zuvor in Sri Lanka waren. Die Ordensschwestern konnten eine Unterkunft für die Familie in Nähe des Ordenshauses finden - ein spärlich eingerichteter Raum. Engagierte Personen und Freunde aus Deutschland unterstützten die Familie mit Spenden und Hilfspaketen. Außerdem verdient die Familie ein wenig Geld mit selbst genähten Textilien.

Am 30. April 2008 wurde Kiddinan Thadchanamoorthy wegen fehlender Ausweispapiere festgenommen. Er war auf dem Weg eine Nähmaschine aus der Reparaturwerkstatt zu holen - die anderen Familienmitglieder waren krank. Inzwischen wurde Kiddinan wieder freigelassen, doch er befindet sich noch in ständiger Gefahr. Sein Problem ist, dass aus Deutschland abgeschobene Familien und Einzelpersonen in Sri Lanka und anderswo als Terroristen eingestuft werden. Mensch glaubt in Sri Lanka, dass Deutschland nur Terroristen abschiebe - dass in Deutschland geborene Kinder von den deutschen Behörden ohne Grund abgeschoben werden, ist in Sri Lanka unvorstellbar. In anderen Ländern erhalten Kinder automatisch die Staatsbürgerschaft, wenn sie dort geboren werden.

Im Jahr 2006 wurden aus Deutschland 13.894 Menschen abgeschoben - welche Schicksale sich hinter dieser Zahl verbergen, lässt die Geschichte der Familie Thadchanamoorthy nur erahnen. Abschiebung ist kein Einzelfall. Massenhaft werden Menschen gegen ihren Willen in ein anderes Land verschleppt. Auch Kinder und Jugendliche, die in Deutschland geboren wurden und das Land nicht kennen, aus dem ihre Eltern geflohen sind, werden vom deutschen Staat erbarmungslos abgeschoben.

 

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