Der Abschiebeknast in Büren
Videoüberwachung, Sicherheitsschleusen, Zäune, Schranken: Willkommen am größten Abschiebeknast der Bundesrepublik! Die Justizvollzugsanstalt (JVA) Büren-Stöckerbusch liegt ca. 8 km außerhalb von Büren, mitten im Wald und umgeben von einer 6,5 m hohen Betonmauer.
Die ehemalige NATO-Kaserne bietet seit 1994 Platz für bis zu 530 männliche Häftlinge ab 16 Jahren. Dabei ist die Inhaftierung von Unter-18jährigen ein eindeutiger Verstoß gegen die UN - Kinderrechtskonvention, die festlegt, dass Kinder und Jugendliche nur als „letztes Mittel" inhaftiert werden dürfen.
Der Alltag im Knast
Die betroffenen Flüchtlinge und Migrant_innen finden sich nach ihrer
Inhaftierung meist völlig fassungslos in einer Zelle wieder - die
ersten Gedanken sind dann: Was habe ich getan, dass ich ins Gefängnis
muss? Warum werde ich bestraft? Aber auch: Wie lange muss ich hier
bleiben? Werde ich abgeschoben in ein Land, wo mir erneut Haft oder
noch Schlimmeres droht? Viele verstehen das deutsche Rechtskauderwelsch
nicht und sind in ihrer Situation ziemlich hilflos der Willkür von
Ausländerbehörde, Richter_in und Justizpersonal ausgeliefert.
Dolmetscher, Rechtsanwalt? - Fehlanzeige!
Die Gefangenen sind grundlegender Rechte beraubt. Der Alltag im Knast
besteht aus 13-22 Stunden Einschluss in den Zellen. Nur wenige
Gefangene haben das „Privileg", für einen geringen Stundenlohn Kabel zu
binden oder einzutüten. Die meisten Migrant_innen sind mittellos, wenn
sie hier ankommen, einige haben nicht einmal ausreichen Kleidung. Wenn
einzelne Gefangene dennoch Geld besitzen, wird es ihnen abgenommen: Sie
müssen das "Hotel Abschiebehaft" und ihre eigene Abschiebung selbst
bezahlen.
Angesichts dessen ist die Verzweiflung oft sehr groß. Häftlinge
berichten über Schlafstörungen, Depressionen, Angstzustände bis hin zu
Selbstverletzungen und Selbstmordversuchen. Gehen sie zum Anstaltsarzt,
erwartet sie meist die nächste Schikane: ihre Beschwerden werden nicht
ernst genommen, sie bekommen keine vernünftige Behandlung, werden
stattdessen mit Tabletten weggeschickt, deren Wirkung und
Nebenwirkungen ihnen nicht erklärt werden.
Wehren sie sich gegen den Zustand und werden sie „unbequem", so finden
sie sich schnell im Keller der JVA wieder: im „besonders gesicherten
Haftraum" oder der Arrestzelle. In solch eine Zelle dürfen die
Häftlinge keine persönlichen Gegenstände mitnehmen, sie haben lediglich
eine Stunde Hofgang (alleine), sie dürfen nicht lesen, nicht rauchen,
nur tödliche Langeweile.
Wer kommt in Abschiebehaft?
Abschiebehaft kann von der Ausländerbehörde angeordnet werden, wenn sie
den Verdacht hat, dass sich ein_e Migrant_in der Abschiebung entziehen
will. Dabei spielt es keine Rolle, ob dieser Verdacht bewiesen werden
kann oder überhaupt angebracht ist: es findet keine Gerichtsverhandlung
statt, lediglich eine Anhörung vor einem Richter, der im
Schnellverfahren mal eben über sechs Monate Haft (oder eine
Verlängerung bis insgesamt 18 Monate) entscheidet. Darum gilt hier auch
nicht der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten", es wird ja auch
nicht über ein Verbrechen gerichtet, sondern lediglich sichergestellt,
dass die Abschiebung reibungslos abläuft.
Nicht nur abgelehnte Asylbewerber_innen werden so weggeschlossen,
sondern auch Menschen, die keine Aufenthaltspapiere (mehr) haben, deren
Besuchsvisum abgelaufen ist, die ohne Erlaubnis in Deutschland
gearbeitet haben, die ihr Studium in Deutschland beendet haben und
weiter hier geblieben sind, oder die sich vom/vor der deutschen
Partner_in getrennt haben. Tatsache ist, dass regelmäßig 30-40 % der
Inhaftierten wieder aus der Haft entlassen werden müssen, weil sie
widerrechtlich inhaftiert waren.
Der politische Sinn der Abschiebehaft ist die Abschreckung der
Migrant_innen und eine reibungslose Abschiebung. Sie ist ein Baustein
des modernen „Migrations-Managements", das MigrantInnen nach
wirtschaftlicher Nützlichkeit auswählt und unerwünschte Zuwanderung
beschränkt.
Staatlicher Rassismus mit tödlichen Folgen
Rashid Sbaai war einer von ihnen. Er erstickte 1999 qualvoll in einer
Arrestzelle an einem Feuer. Die genauen Umstände sind nie verhandelt
worden, ungeklärt ist bis heute die Frage, warum die Schließer erst zu
spät auf den ausgelösten Alarm reagiert haben und wie das Feuerzeug in
die Zelle gelangte.
Zahlreiche weitere Einzelfälle ließen sich aufführen, deren Schicksal
besonders hart ist und die sich plötzlich im Knast wiederfanden:
Menschen, die sich integriert haben, die seit Jahren in Deutschland
leben, die hier Familie haben, die schwer krank sind, denen in ihrem
Heimatland Folter, Verschleppung und Tod drohen, die ohne Geld in
Kriegs- und Krisengebiete abgeschoben werden, die in ein Land
abgeschoben werden, das sie zuvor nie betreten haben (weil es mit
diesem Land ein Rücknahmeabkommen gibt)...
Der eigentliche und größte Skandal ist und bleibt jedoch, dass es
diesen Knast und das System der Abschiebehaft überhaupt gibt. Dass
Menschen über Monate weggesperrt werden, weil sie den falschen Pass
haben. Abschiebehaft ist Teil einer Sondergesetzgebung für
Migrant_innen und Ausdruck des deutschen staatlichen Rassismus und
gehört daher abgeschafft!