Das eingebildete Sozialkapital

in (15.09.2005)

Die Idee des "Sozialkapitals" hat in den Sozialwissenschaften eine lange Geschichte. Das Konzept wurde von verschiedenen Wissenschaftlern immer wieder einmal in metaphorischer Weise benutzt.

Die Idee des "Sozialkapitals" hat in den Sozialwissenschaften eine lange Geschichte. Das Konzept wurde von verschiedenen Wissenschaftlern immer wieder einmal in metaphorischer Weise benutzt, bis es schließlich in den 1970er Jahren von Glenn Loury in strikterer und reflektierterer Form ausgearbeitet wurde in einer Arbeit, die sich mit der Erklärung von Einkommensdifferenzen zwischen den Rassen in USA befasste, etwas später dann auch in je unterschiedlicher Art von Pierre Bourdieu (1980, 1986) und James Coleman (1988, 1990). Der überraschende und explosionsartige Anstieg seines Gebrauchs und seines Einflusses in den letzten zehn Jahren ist jedoch fraglos auf die Arbeiten des Politologen Robert Putnam von der Harvard University zurückzuführen. Sein zusammen mit Roberto Leonardi und Rafaella Nanetti verfasstes Buch über Regionalregierungen in Italien mit dem Titel Making Democracy Work: Civic Traditions in Modern Italy (1993a) wurde damals in einer Rezension in The Economist als das wichtigste sozialwissenschaftliche Werk seit Pareto und Max Weber bezeichnet. Die Welle des Interesses an Sozialkapital wurde vermutlich jedoch in gleichem Maße ausgelöst durch die Artikel, die Putnam um die gleiche Zeit (1993b; 1995) zum Thema des Niedergangs des Sozialkapitals in den Vereinigten Staaten veröffentlichte, einer davon mit dem epigrammatisch zusammenfassenden Titel Bowling Alone - der später als Titel eines Buches mit dem Untertitel The Collapse and Revival of American Community (Putnam 2000) wieder auftauchte. In Bezug auf sein Heimatland war es das große Verdienst von Putnams Ideen, dass sie bei Politikern und Denkern der Rechten wie der 'Linken' (soweit diese Kategorie auf die USA anwendbar ist) Anklang fanden. Sie erschlossen und ermutigten gleichzeitig einen ganzen Strom des Nachdenkens über die Bedeutung von kulturellen und sozialen Unterschieden zwischen verschiedenen Gesellschaften für wirtschaftlichen Erfolg und erwiesen sich zudem als tragfähiger Haken, an dem man eine Unmenge an Interessen und Themen aufhängen konnte. Und wie wir heute aus einem von mehreren maßgeblich Beteiligten verfassten Bericht darüber, wie die Idee des Sozialkapitals von der Weltbank aufgegriffen wurde, wissen, war auch Putnams persönlicher Einfluss auf Michael Bruno, damals Chief Economist und Senior Vice President of Development Economics, sowie auf Ismael Serageldin, Vice President of Environmentally Sustainable Development, von erheblicher Bedeutung (vgl. Bebbington u.a. 2004). 1997 wurde das Konzept des Sozialkapitals in einer Publikation aus Serageldins Abteilung als das "missing link" der Entwicklung bezeichnet (Grootaert 1997; vgl. auch Harriss & Renzio 1997). Inzwischen ist es zu dem Konzept der neuen Entwicklungsökonomie par excellence geworden, wo immer diese sich mit Nicht-Ökonomischem befasst. Putnam definierte "Sozialkapital" anfangs als "Vertrauen, Normen und Netzwerke, welche die Effizienz einer Gesellschaft durch Erleichterung koordinierten Handelns erhöhen". Später präzisierte er diese Definition durch das Argument, es seien soziale Netzwerke, insbesondere solche, die durch die Beteiligung von Menschen an horizontalen und freiwilligen Vereinigungen geknüpft würden, welche für den Aufbau von Gefühlen der gegenseitigen Verpflichtung und von Reziprozitätsnormen Sorge trügen. In Bowling Alone schreibt er: "Vereine und andere weniger formale Netzwerke bürgerschaftlichen Engagements fördern bei ihren Mitgliedern die Bereitschaft zur Zusammenarbeit und den Sinn für das Gemeinwohl" (Putnam 2000, 338). Diese Erfahrung und die Denkgewohnheiten, die sie begründet, sorgen dafür, dass sich generalisierte Reziprozität bzw. tiefgehendes Vertrauen durch die gesamte Gesellschaft hindurch ausbreitet, selbst gegenüber Fremden. Dem gemäß ist diese Art "Sozialkapital" ein Merkmal ganzer Gesellschaften. Putnams Formulierung ist robusterer Art als diejenigen, die man im Werk des Autors findet, der sein Denken am stärksten beeinflusst zu haben scheint, James Coleman. Der soziologische Rational-Choice-Theoretiker. Coleman meint, dass Sozialkapital "der Struktur der Beziehung zwischen und unter Personen innewohnt" und das Handeln der Personen, die durch die "Struktur der Beziehungen" verbunden sind, erleichtert. Anhand einer Reihe von Beispielen - wie dem von Händlern auf einem Markt in Kairo, die Informationen über ihre Kunden miteinander teilen - zeigt er, dass Reziprozität und Vertrauen, die ein Aspekt sozialer Beziehungen sein können, für die Menschen von Wert sind, weil sie helfen, die Transaktionskosten zu reduzieren durch Weitergabe von Information und durch die in sozialen Netzwerken (in denen die Menschen einige Verpflichtungen zur Hilfeleistung gegenüber anderen anerkennen) geschaffene Sicherheit. Lin hat später diese Argumente weiter ausgearbeitet und die Meinung vertreten, dass Netzwerke sozialer Beziehungen zusätzlich zu Information auch "Zeugnisse" (oder Beglaubigungen) für Individuen liefern, was für diese in ökonomischen und anderen Transaktionen von Wert sein kann. Sie können sie befähigen, Einfluss auszuüben, und sie können das zur Verfügung stellen, was er "Verstärkung" nennt, d.h. "seines Wertes als Individuum und Mitglied einer Gruppe sicher und als solches anerkannt zu sein ... - emotionale Stütze und gleichzeitig öffentliche Anerkennung des eigenen Anspruchs auf bestimmte Ressourcen" (Lin 2001, 20). In dieser Darstellung ist Sozialkapital eher ein Besitz individueller sozialer Akteure als ein Attribut einer Gesellschaft als ganzer, wenngleich anerkannt wird, dass aus manchen sozialen Netzwerken positive Nebenwirkungen entspringen können. Ferner wird Sozialkapital gewöhnlich als nicht intendiertes Ergebnis sozialer Beziehungen verstanden. Putnam geht über diese Positionen hinaus, wenn er sagt, "Netzwerke bürgerschaftlichen Engagements" schüfen generalisierte Reziprozität oder generalisiertes Vertrauen. Angesichts des Einflusses von Putnams Ideen werde ich sie zunächst einer kritischen Betrachtung unterziehen.(1) Anschließend werde ich dann die frühen Formulierungen des Konzepts bei Bourdieu diskutieren, die in der Tat die Begrenztheit von Putnams Ansatz deutlich machen und zu ganz anderen Schlussfolgerungen führen. Ich werde diese Argumente durch eine Betrachtung der Anwendungen des Gedankens in der internationalen Entwicklung illustrieren. Der Artikel endet mit einer Einschätzung des Status und des analytischen Wertes des Sozialkapital-Begriffs.

"Bürgerschaftliches Engagement" in Italien und Amerika

Putnam suchte in seiner Forschung über Regionalregierungen in Italien statistisch nachzuweisen, dass Unterschiede sowohl in der Regierungsleistung (um sie geht es in dem Buch in erster Linie, nicht um die im Titel angesprochene "Demokratie") als auch im Niveau der wirtschaftlichen Entwicklung in unterschiedlichen Regionen Italiens am besten erklärt werden durch einen Faktor, den er zunächst "Bürgerbeteiligung" oder "bürgerschaftliches Engagement" nennt und erst später, im Schlusskapitel - das eher als Nachgedanke erscheint - "Sozialkapital". Bürgerbeteiligung wird gemessen durch einen Index, der Angaben zur politischen Partizipation, zur Zeitungslektüre und zur Dichte der Mitgliedschaft in freiwilligen Vereinigungen der verschiedensten Art (am prominentesten: Gesangsvereine, Fußballvereine und Vogelbeobachtungsgesellschaften) kombiniert. Das Argument enthält eingestandenermaßen einen Zirkel: die Erfahrung der Assoziation führt zu Denkgewohnheiten, welche Assoziation und Kooperation fördern. In Anlehnung an dieses Konstrukt hat man in der Entwicklungspraxis einen starken Akzent auf "horizontale und freiwillige Vereinigungen" gesetzt, die leichter beobachtet und gezählt werden können als "Vertrauen, Normen und Netzwerke". Dementsprechend suchte man das Konzept des Sozialkapitals üblicher Weise durch Interventionen, die zum Aufbau von freiwilligen Vereinigungen ermuntern sollten, zu operationalisieren.(2) Das Konzept wurde somit (wie uns Mike Edwards aus seiner Erfahrung in der Weltbank berichtete) in nahezu austauschbarer Weise mit dem der "Zivilgesellschaft" als der Sphäre der freiwilligen Vereinigungen im Zwischenbereich zwischen dem Staat auf der einen Seite und askriptiven Gruppierungen wie Familien oder Kasten auf der anderen genutzt. Auf der Grundlage von Putnams Statistiken hat man geschlossen, der italienische Süden sei nicht wegen struktureller Bedingungen (etwa solchen der Bodenbesitzverhältnisse oder der Geschichte seiner Beziehungen mit den Machtzentren im Norden) in "Unterentwicklung" gefangen, sondern wegen seines relativen Mangels an Sozialkapital. Prosperierende Regionen in Italien wiesen ein hohes Maß an bürgerschaftlicher Organisation auf - im Gegensatz zu den armen Regionen, in denen das Übergewicht von hierarchischen, vertikalen Sozialbeziehungen diese Form der Organisation der Tendenz nach ausschloss. Es wird gezeigt, dass diese Unterschiede tiefe historische Wurzeln besitzen, die zurückreichen bis zur Bildung der Stadtrepubliken in Nord- und Mittelitalien (wo ein hohes Maß an bürgerschaftlichem Engagement herrscht) und der Etablierung eines feudalen Königreichs im Süden (wenig bürgerschaftliches Engagement). Ohne ein ausreichendes Maß an bürgerschaftlicher Organisation mangelte es den Armen an Sozialkapital, was dann seinerseits die politische und ökonomische Entwicklung unterminierte. Regierungsanstrengungen sollten deshalb auf die Erleichterung der Entwicklung von Selbsthilfe mittels bürgerschaftlicher Organisation in den armen Regionen gerichtet werden. Das ist die Botschaft, die von den Entwicklungsagenten aufgegriffen wurde. "Bürgerschaftliche Organisation" oder "die Entwicklung der Zivilgesellschaft" scheint ein potenter Faktor zu sein - in der Tat das "missing link". Die Möglichkeit, dass eine gewisse Umverteilung der Ressourcen in einer Region wie dem italienischen Mezzogiorno eine bedeutende Rolle sowohl bei der Förderung lokaler Organisation als auch bei der politischen und ökonomischen Entwicklung spielen könnte, wird geflissentlich übersehen. Es gibt so viele Probleme mit Putnams Methode (beispielsweise erklärt "bürgerschaftliche Gemeinschaft", so wie sein Index sie definiert, weder Variationen im Innern des Nordens noch in dem des Südens, was sein müsste, wenn sie die Erklärungskraft haben soll, die sie beansprucht), mit seiner Theorie und mit seiner Historie, dass es schon überrascht, dass das Buch so erfolgreich werden sollte. Die wichtigsten Kritikpunkte sind die folgenden: 1. Putnam ignoriert entgegenstehende historische Evidenzen, sowohl solche, die die Lebendigkeit von bürgerschaftlichen Organisationen im Süden über einen großen Zeitraum hinweg belegen, als auch solche, die zeigen, wie der Süden im 19. Jahrhundert systematisch vom Norden "unterentwickelt" wurde. Er ignoriert weiterhin Evidenzen, die einen engen Zusammenhang zwischen der Entwicklung progressiver linker Politik in Nord- und Mittelitalien einerseits und den Elementen, die den Index des bürgerschaftlichen Engagements konstituieren, andererseits belegen. Putnam selbst notiert eine in seiner Sicht eher kuriose Korrelation zwischen Sozialkapital und Stärke der kommunistischen Partei (PCI), ohne jemals in Rechnung zu stellen, dass die PCI genau die Aktivitäten förderte, die in seinem Maßstab für bürgerschaftliches Engagement erfasst sind. Es gibt, anders gesagt, eine alternative historische Erklärung für Putnams Beobachtungen, eine, die zeigt, dass eher die Politik und die Aktionen von Regierungen die Entwicklung der Zivilgesellschaft vorantreiben als umgekehrt. 2. In dem Argument, die Erfahrung der Zusammenarbeit mit anderen in lokalen Vereinigungen addiere sich zu gesellschaftsweit generalisiertem Vertrauen auf, steckt ein logischer Bruch. Man kann leicht nachvollziehen, dass die Bekanntschaft mit anderen, die durch soziale Netzwerke aufgebaut wird, zu Kooperation und Vertrauen führt. Aber wie wird aus durch Netzwerke aufgebautem persönlichem Vertrauen generalisiertes Vertrauen? Es gibt Belege, beispielsweise aus Untersuchungen über Unternehmensorganisationen in Indien, die zeigen, dass die Stärke von "spezifischem Vertrauen", wie es in Familien und Kastengruppen aufgebaut wird, der Entwicklung von generalisierter Reziprozität und vertrauensvoller Zusammenarbeit im Wege steht.(3) Warum sollten wir Fremden von außerhalb unserer persönlichen sozialen Beziehungsnetzwerke Vertrauen schenken? Putnams oben zitiertes Argument, generalisiertes Vertrauen werde aufgebaut aus der Erfahrung in "Netzwerken bürgerschaftlichen Engagements," steht bestenfalls auf schwachen Füßen. Eine andere Antwort auf diese Frage nach dem Ursprung der generalisierten Reziprozität, die bei Putnam allerdings außer in einigen Randbemerkungen von Making Democracy Work nicht vorkommt, ist die, dass sie entsteht, wo es ein Gerüst von Institutionen, insbesondere von Gesetzen gibt, in die und in deren Anwendung wir Vertrauen haben. Szreter (2002, 585) argumentiert: "Der Staat spielt eine vitale Rolle bei der Sanktionierung der Grundregeln des Respekts unter den Bürgern" - der in seiner Sicht ersten Vorbedingung für den Aufbau von Vertrauen. Diese Antwort auf die Frage nach den Quellen des generalisierten Vertrauens in einer Gesellschaft legt das Hauptgewicht auf die kausale Bedeutung des Bereichs von Regierung und Politik, nicht auf die der Zivilgesellschaft. Eine weitere mögliche Antwort auf die Frage, wie Vertrauen außerhalb von persönlichen sozialen Netzwerken aufgebaut wird, weist darauf hin, dass es aus ideologischem Engagement abgeleitet werden kann, wie es durch die Religion oder durch politische Massenorganisationen geschaffen wird. Menschen sind bereit, einander Vertrauen zu schenken und generalisierte Reziprozität zu praktizieren, wenn sie den gleichen Glauben teilen. Aber Putnam ist immer sehr zögerlich, wenn es darum geht, der Ideologie irgend eine Bedeutung zuzugestehen oder anzuerkennen, dass es einen grundlegenden Bedeutungsunterschied zwischen der Mitgliedschaft in einer politischen oder religiösen Vereinigung und der in einem Sport- oder Gesangsverein geben könnte. Er scheint z.B. zu glauben, dass sich die Menschen sozialen Bewegungen eher auf der Grundlage von Freundschaftsbanden und sozialen Netzwerken anschließen als auf der Grundlage von ideologischem Engagement. Dies ist einer der Aspekte seines Werks, durch die dieses sich den Choice-Theorie-Ökonomen so sehr empfahl, die mit dem vereinfachten Konstrukt des Menschen als homo oeconomicus arbeiten, welcher auf die Außenwelt reagiert, sie aber nicht interpretiert. Diese Mainstream-Ökonomen suchen die komplexe Idee des Vertrauens unter Entscheidungs- und Austausch-Theorien zu subsumieren.(4) 3. Wie aus den letzten Punkten folgt, ist es alles andere als klar, dass sich das Sozialkapital, das Individuen infolge ihrer Teilnahme an spezifischen sozialen Netzwerken zuteil wird, so wie Putnam suggeriert, einfach aufhäuft zu einem gesamtgesellschaftlichen Ganzen. Tatsächlich könnte sogar im Gegenteil "mein Sozialkapital", das ich erworben habe durch meine Teilnahme an partikularen sozialen Netzwerken, "deine soziale Exklusion" bedeuten. Das Sozialkapital besitzt auch eine "dunkle Seite", nicht nur wegen dieser sozialen Exklusion, sondern auch, weil Sozialkapital auch ein Merkmal von offen anti-sozialen Organisationen sein kann - Musterbeispiel Mafia. Von in partikularen sozialen Netzwerken (einer Eltern-Lehrer-Vereinigung beispielsweise) aufgebautem Sozialkapital können positive Außenwirkungen ausgehen, ebenso aber auch nicht. Putnams Arbeit über Amerika, welches die Idee, heute würden die Menschen "alleine kegeln" statt in Kegelclubs, als Metapher für den Niedergang des Gemeinschafts- und Vereinslebens (im Sinne von Sozialkapital) nutzt, leidet an ähnlichen Begrenztheiten. Erstens ist es keineswegs klar, dass das Vereinsleben tatsächlich zurückgegangen ist. Sicher gibt es Belege für den Niedergang einer großen Anzahl von älteren Organisationen, die sich ausschließlich oder überwiegend aus Männern, Weißen und Mittelklassenangehörigen oder aus Frauen als Hausfrauen rekrutierten. Es gibt aber auch Belege für das Aufkommen von neueren, weniger exklusiven Organisationen und für eine Zunahme von freiwilligem Engagement in Amerika. Zweitens belegt Putnams Analyse eine stark negative räumliche Korrelation zwischen Sozialkapital, so wie er es definiert, und sozialer Ungleichheit. Es scheint, als ob der Niedergang des Sozialkapitals in der jüngsten Zeit zusammenfällt mit wachsender Ungleichheit in der amerikanischen Gesellschaft. Aber die Möglichkeit, dass die Phänomene, die Putnam mit der relativen Stärke des Sozialkapitals in Zusammenhang bringt, genau so gut oder besser durch Bezugnahme auf soziale Ungleichheit erklärt werden könnten, wird in seiner Analyse nicht in Betracht gezogen. Er zieht das Argument vor, der Niedergang des Sozialkapitals in Amerika habe vor allem mit dem Einfluss des Fernsehschauens auf das alltägliche soziale Zusammenleben zu tun, und seine Verbesserungsvorschläge enthalten unter anderem die Empfehlung, die Amerikaner sollten weniger Zeit aufs Fernsehen verwenden. Schließlich gibt es genau wie für Italien auch für die USA eine alternative historische Erklärung zu der, die Putnam vorträgt. Theda Skocpol hat gezeigt, dass der Aufstieg von zivilgesellschaftlichen Organisationen in USA gefördert wurde durch von der Regierung geschaffene Institutionen (wie den US Postal Service) und zeitlich zusammenhing mit Perioden sozialer Krise (wie dem Bürgerkrieg, dem Ersten Weltkrieg, dem New Deal und dem Zweiten Weltkrieg). Sie argumentiert, dass "Putnam Unrecht hat, wenn er, wie es häufig den Anschein hat, annimmt, das Sozialkapital werde in einem von Politik und Regierung abgeschotteten Bereich zu- oder abnehmen" (zit. n. Fiorina & Skocpol 1999). Putnams Analyse ist demgemäß sowohl in seinen Italien- als auch in seinen Amerika-Arbeiten einseitig gesellschaftszentriert, insofern sie behauptet, die Eigenarten der Politik und des Staates folgten aus Merkmalen der Zivilgesellschaft - statt auch die Möglichkeit einer Kausalitätsbeziehung in der umgekehrten Richtung oder der wechselseitigen Determination zuzulassen. Wie Szreter (2002) ebenfalls ausführt, spielt Putnam die Rolle des Staates selbst in seinen Beispielen für erfolgreiches Community Development systematisch herunter. Aber dieses Merkmal seiner Analyse hilft uns zu verstehen, warum sie in so großem Umfang von der offiziellen Politik der reichen wie der armen Staaten sowie der einflussreichsten Entwicklungsagenturen - insbesondere der Weltbank - aufgegriffen wurde: Sie passt so gut mit der neoliberalen Agenda der Zurückdrängung des Staates und seiner Bedeutung zusammen. Dies findet seinen Widerhall in der Antipathie gegenüber Gewerkschaften und der tiefgehenden Desillusionierung gegenüber politischen Parteien, speziell in der impliziten und expliziten Feindschaft gegenüber denen von links; und es harmoniert prächtig mit Ideen von einer Verbesserung der Regierungsführung mittels "Partizipation" und "Empowerment" der Menschen, welche durch Dezentralisation und Entwicklung einer Zivilgesellschaft (die im gängigen Verständnis in erster Linie Nichtregierungsorganisationen umfasst) erleichtert und gefördert werden soll. Es ist mit anderen Worten ideologische Rhetorik, welche die Verschärfung der neoliberalen Politik entweder vorantreiben oder verschleiern soll. Die Idee des Sozialkapitals ist ein machtvolles Instrument eines Diskurses der Entpolitisierung (der in Wirklichkeit hochpolitisch ist; vgl. Harris 2001).

Vom "bürgerschaftlichen Engagement" zur "eingebetteten Autonomie" und dem "verbindenden Kapital"

In seinen Arbeiten zu Amerika akzeptiert Putnam implizit einen Teil der Kritik an seinen ursprünglichen Überlegungen zum Gedanken des Sozialkapitals - zumindest die Idee, dass dieses eine "dunkle Seite" haben könnte -, insofern er die Unterscheidung zwischen "bindendem" und "überbrückendem" Kapital von Gittell und Vidal (1998) übernimmt. Das erstere bezieht sich auf Netzwerke, die auf dem Gefühl einer gemeinsamen Identität aufbauen und dieses verstärken - Sozialkapital, das die Mitglieder einer selbstbewussten Gruppe zusammen bindet und somit als "soziologischer Superkitt" wirkt, wie Putnam plastisch formuliert. Das letztere bezieht sich auf Beziehungsnetzwerke, die Menschen aus unterschiedlichen sozialen Gruppierungen mit einander verbinden, ohne dass gemeinsame Identität das organisierende Prinzip abgäbe. Putnams politisches Projekt für Amerika - durch das er die Amerikaner wieder mit einander und mit demokratischer Politik zusammenführen möchte - legt die Betonung auf diese Form des Sozialkapitals, die Menschen mit unterschiedlichen sozialen Hintergründen zusammenbringt. Es ist, wie er in einer anderen bemerkenswerten Metapher sagt, eine Art "soziologisches WD-40".(5) Die Unterscheidung zwischen geschlossenen und offenen sozialen Netzwerken, die eine andere Art und Weise der Konzeptualisierung jener zwischen "bindendem" und "überbrückendem" Kapital darstellt, ist sicher bedeutsam, und einige Entwicklungstheoretiker haben darauf aufgebaut. Beide sind in ihrer Sicht für Entwicklung notwendig. Am einflussreichsten formuliert wurde sie von Peter Evans (1995) in dem (scheinbar oxymoronischen) Begriff der "eingebetteten Autonomie". Evans fand in empirischen Untersuchungen über industrielle Strategien in Südkorea, Indien und Brasilien heraus, dass der erfolgreichste Fall (der von Korea) auf der Kombination von "relativer Autonomie" der mit der Planung und Implementierung der Strategien befassten Bürokraten (sie sind in einem engen Netzwerk von Beziehungen unter einander verbunden und gegenüber dem Einfluss von partikularen Interessengruppen ziemlich gut abgeschottet) und ihrer gleichzeitigen "Einbettung" in strategische Netzwerke von Industriellen und Technikern beruhte. Sie waren mit anderen Worten auch in offenen sozialen Netzwerken (der Grundlage von "überbrückendem Kapital") tätig, durch die sie sich den Zugang zu Informationen und zum Dialog mit anderen bedeutsamen strategischen Akteuren sicherten. Evans fand heraus, dass ein Teil der Probleme der industriellen Strategien Indiens im Vergleich zu Südkorea darin bestand, dass die betroffenen höheren Beamten zwar bezüglich des von partikularen Interessen ausgehenden Drucks über beträchtliche Autonomie verfügten, aber nicht in ausreichendem Maße in strategische Netzwerke mit industriellen Akteuren eingebunden waren. Etwas später argumentierte Evans, positive Entwicklungsergebnisse würden aus dem folgen, was er als "Synergie" über die Trennlinie von Öffentlichem und Privatem hinaus, zwischen staatlichen Agenturen und Gemeinschaften oder Gruppen von Bürgern bezeichnet. "Sozialkapital", so legt er nahe, "wohnt nicht einfach der Zivilgesellschaft inne, sondern einem dauerhaften Geflecht von Beziehungen, welche die Trennlinie zwischen dem Öffentlichen und dem Privaten überbrücken" (Evans 1996, 1122). Er und einige seiner Mitarbeiter zeigen, dass die Auswirkungen der primären sozialen Bindungen und der lokalen sozialen Netzwerke, die man zum "missing link" der Entwicklung zu erheben gesucht hatte, vom weiteren sozio-politischen Kontext abhängig sind. Michael Woolcock (1998) arbeitete Evans' Ideen dann weiter aus zu einer allgemeineren Aussage über die Beziehungen von Bürgern zu ihren Assoziationen sowie zum Staat und anderen "externen" Agenturen, wobei er argumentiert, dass es für eine Optimierung der Chancen auf dauerhafte und gerechte Entwicklung notwendig sei, das richtige Gleichgewicht zwischen Autonomie oder "bindendem Kapital" und Einbettung oder "überbrückendem Kapital" herzustellen. Menschen in armen Wohngegenden z.B. können sehr wohl eine Menge an bindendem Kapital besitzen, welches ihnen eine minimale Absicherung gegen die Risiken bietet, mit denen sie konfrontiert sind. Ihre Aussichten auf Entwicklung werden jedoch wahrscheinlich weit besser sein, wenn sie auch überbrückendes Kapital in der Form von Beziehungen mit anderen sozialen Gruppierungen besitzen. Woolcock hat seine Analyse anschließend noch erweitert (Woolcock 2000) durch Hinzufügung eines neuen Konzepts von "verbindendem" oder "vertikalem" im Gegensatz zum "horizontalen Kapital". Dies verweist auf die sozialen Beziehungen zwischen den relativ Schwachen (wie den Menschen aus armen Wohngegenden) und den relativ mächtigen Menschen "in einflussreichen Positionen in formalen Organisationen (Banken, landwirtschaftlichen Beratungsstellen oder der Polizei)".(6) Die Idee des "verbindenden Kapitals" ist, so sagt man, entwickelt worden als Antwort auf die Erkenntnis, dass "eine Theorie des Sozialkapitals, das ausschließlich die Beziehungen innerhalb (bindend) und zwischen (überbrückend) Gemeinschaften in den Blick nimmt, der Kritik anheim fällt, sie ignoriere die Macht". Aber die Antwort ist, obwohl sie den Ausschluss der Ärmeren "von den Orten, an denen die wesentlichen Entscheidungen über ihr eigenes Wohlergehen gefällt werden" "durch offene Diskriminierung oder Fehlen von Ressourcen" anerkennt, nichts anderes als ein Ratschlag, der die vorhandenen Reichtums- und Machtunterschiede hinnimmt. Es ist sicher möglich, dass die Art der Verbindung zwischen ungleichen Akteuren, auf die sich Woolcock bezieht, einen positiven, bemächtigenden Charakter haben kann, wenn "die Betroffenen sich bemühen, ein beiderseitig akzeptiertes, vorteilhaftes Ergebnis zu erzielen ... auf der Grundlage von wechselseitigem Respekt, Vertrauen und Statusgleichheit trotz der manifesten Ungleichheit ihrer Positionen" (Szreter 2002, 579). Dies scheint auf den "Inseln der nachhaltigen Entwicklung", die Bebbington (1997) in verschiedenen Teilen der Anden entdeckt und analysiert hat, geschehen zu sein. Es gibt jedoch eine Menge an Belegen, die zeigen, dass soziale Beziehungen zwischen partikularen Gruppen von ärmeren Menschen und, sagen wir, der Polizei (aber nicht nur ihr) zur Reproduktion von Unterdrückung und Armut beitragen können. Die Verfechter dieses Gedankens scheinen einige der Argumente aus Making Democracy Work zu übersehen oder herunterzuspielen. Bei der Beschreibung der sozialen Verhältnisse im italienischen Süden betont Putnam die Bedeutung von Patron-Klienten-Beziehungen, die einige arme Menschen an solche in Positionen der Macht und des Einflusses binden. Diese Beziehungen sieht er zurecht als funktional zur Verstärkung der bestehenden Machtverhältnisse an und deshalb als im Widerstreit mit dem "bürgerschaftlichen Engagement" und allem, was daraus mutmaßlich folgen soll. Man kann sich kaum eine überzeugendere Demonstration der Art und Weise vorstellen, wie die Rede vom Sozialkapital entpolitisierend wirkt, als die, die in den gerade zitierten Passagen aus dem "World Development Report 2000/2001" der Weltbank deutlich wird. Die existierenden Machtstrukturen werden als Gegebenheiten hingenommen und Strategien, die möglicherweise notwendig sind, um die Bedingungen zu schaffen, unter denen soziale Akteure in ungleichen Positionen zu "wechselseitigem Respekt, Vertrauen und Statusgleichheit" gelangen können, werden nicht erörtert - obwohl, wie Szreter argumentiert, "die Möglichkeit eines respektvoll verbindenden Sozialkapitals die schwierigste und kontingenteste Form des Sozialkapitals darstellt. Sie verweist offenkundig auf eine Beziehung, die nicht leicht zu verwirklichen ist" (Szreter 2002, 581). Die Möglichkeit, dass ärmere Menschen durch politische Organisation und Massenmobilisierung gegen "Ausschluss" und "Ressourcenmangel" kämpfen und dadurch einen Wandel in der Verteilung von Macht und Ressourcen zustande bringen könnten, wird ebenso wenig in Betracht gezogen wie die, dass sie mit diesen Mitteln "respektvoll verbindendes Sozialkapital" gewinnen könnten.

Bringing Power Back In

Die Diskussion der Argumente zum Sozialkapital, die - jedenfalls in Bezug auf die internationale Entwicklung - den größten Einfluss gewonnen haben, hat gezeigt, dass das Konzept (insbesondere in der von Putnam ausgearbeiteten Fassung) die Rolle des Staates und des politischen Handelns systematisch herunterspielt, und dass die Analyse der Rolle des Sozialkapitals in unterschiedlichen Kontexten alternative historische Betrachtungsweisen ignoriert, welche gerade die Wichtigkeit von Staat und Politik einschließlich des Beitrags der politischen Parteien herausstellen. Diese Vorstellung von Sozialkapital stellt weder Macht noch Ideologie in Rechnung. Sie passt jedoch gut zusammen mit dem Liberalismus von heute und mit den aus ihm abgeleiteten Strategiediskursen, die die Rolle des Staates zu begrenzen suchen und die Tugenden der Gemeinschaft feiern, wo der "freie" Markt als unzureichend erscheint. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass weder Putnam noch diejenigen, die durch seine Konzeptualisierung des Sozialkapitals beeinflusst sind, ernsthaft - wenn überhaupt - auf die Ausarbeitung des Gedankens durch Pierre Bourdieu Bezug nehmen, welcher zeigt, dass Sozialkapital ein Aspekt der Ausübung und Reproduktion der Macht ist und nur in diesem Kontext verstanden werden kann.(7) Bourdieus zentrales Interesse galt der Art und Weise, wie sich Klassen insbesondere durch die Produktion von Bedeutungen reproduzieren. Im Laufe seiner Untersuchungen kam er zu der Überzeugung, dass "Beziehungen" in der Reproduktion von Klassen eine Rolle spielen, und zeigte auf, dass Investitionen etwa in die Mitgliedschaft in einem angesehenen Club eine Art von Sozialkapital schüfen, das in ökonomisches Kapital konvertiert werden könne. Der "Besitz" von spezifischen dauerhaften Sozialbeziehungen kann, mit anderen Worten, differentiellen Zugang zu Ressourcen verschaffen. In dieser Sicht ist Sozialkapital offenbar kein Merkmal einer Gesellschaft als ganzer, sondern ein Aspekt der Klassendifferenzierung. Sozialkapital wird als Machtinstrument verstanden.(8) Bourdieu sagt vom Sozialkapital: "Man kann sich davon eine intuitive Vorstellung machen, wenn man sagt, es sei das, was die Alltagssprache 'Beziehungen' nennt. ... Mit diesem Konzept gewinnt man die Instrumente zur Analyse der Logik, mittels derer diese spezifische Art von Kapital akkumuliert, übertragen und reproduziert wird, und umgekehrt der Art von Arbeit, die erforderlich ist zur Umwandlung von ökonomischem in soziales Kapital, Instrumente zur Erfassung der Funktionen von Institutionen wie Clubs, aber auch ganz einfach der Familie, dem zentralen Ort der Akkumulation und Übertragung dieser Art von Kapital" (Bourdieu 1993, 32 f). Bourdieu hat eine ziemlich chaotische Vorstellung von "Kapital", die sich in gewisser Weise anlehnt an die konventionelle Sicht, für die es ein "Material zur Produktion von Dingen" oder ein "Guthaben" darstellt. Er ist aber auch der Meinung, dass es in unterschiedlichen Formen vorkommt. Er interessiert sich vor allem für "kulturelles Kapital" - was sozial konstruierte, mit gesellschaftlichem Rang verbundene Qualifikationen der einen oder anderen Art bezeichnet - und für "symbolisches Kapital", was sich auf Prestige oder Ehre bezieht. Sozialkapital (der "Besitz" von spezifischen dauerhaften Sozialbeziehungen) ist für Bourdieu eng verbunden mit diesen Kapitalformen, welche in signifikanter Weise in die Formation und Reproduktion von Klassenbeziehungen eingehen. Kulturelles/symbolisches/soziales Kapital ist offenbar "sozial und historisch eingeschränkt auf die Umstände, die es geschaffen haben ... es ist kontextuell und konstruiert". Obwohl sein Konzept von Sozialkapital als "Beziehungen" ihn in die Nähe der "new economic sociology" mit ihrer Betonung der sozialen Netzwerke zu rücken scheint, ist es für Bourdieu demnach nicht ausreichend, die Existenz eines Netzwerks aufzuzeigen, sondern ebenso wichtig, dessen ideologischen und kulturellen Inhalt und Kontext zu untersuchen. Wie ich oben gezeigt habe, ist es aber gerade ein zentraler Aspekt von Putnams Überarbeitung des Gedankens des Sozialkapitals, dass Inhalt und Kontext ausgeblendet werden. Bourdieus Konzept ist keines, das sich der Mehrzahl der Weltbankexperten empfiehlt, die es so begeistert aufgenommen haben.(9) Das Konzept, das ihnen attraktiv erschien, ist - wie ich oben mit Bezug auf die Vorstellungen von "Vertrauen" ausgeführt habe - eines, das sich nicht auf Phänomene bezieht, die von der Ideologie oder dem Kontext und deshalb von der Geschichte abhängig sind, sondern auf solche, die sowohl Voraussetzungen als auch Ergebnisse der rationalen Kalkulation von Individuen darstellen. "Der Sozialkapitalbegriff kann nur dann zur Vorherrschaft gelangen, wenn man das Kulturelle, das Symbolische - und Bourdieu - amputiert."(10)

"Sozialkapital" in der Anwendung auf die Entwicklungspraxis: eine Geschichte voller Widersprüche

Die Bedeutung des Machtkontextes und des Inhalts der Sozialbeziehungen wird in einer Weltbankstudie deutlich, deren Schlussfolgerungen Putnams Überzeugung - ihrerseits Grundlage zahlreicher Politikempfehlungen -, das Sozialkapital beruhe vor allem auf "horizontalen freiwilligen Vereinigungen", scharf kritisieren. Die Arbeit Exploring the concept of social capital and its relevance for community-based development: The case of coal-mining in Orissa, India stammt von Enrique Pantoja von der South Asian Infrastructure Unit der Weltbank.(11) Zu Beginn erweist er den Sozialkapitalüberlegungen der Weltbank den geschuldeten Respekt, indem er sagt: "Der potentielle Beitrag des Sozialkapitals, oder in einfacheren Worten, des bürgerschaftlichen Engagements und der sozialen Verbundenheit, zur Entwicklung ist offenkundig immens." Unmittelbar danach jedoch fährt er fort: "Der feierliche Ton, der das Konzept Sozialkapital umgibt, muss mit Vorsicht genossen und das Konzept in aller Deutlichkeit analysiert werden" - nicht zuletzt deshalb, weil es bezüglich seiner Bedeutung einige Unklarheit gebe. Die Bedeutung des Sozialkapitals soll, so bemerkt er, darin liegen, dass es den Zugang zu anderen Ressourcen (wie z.B. grundlegenden Dienstleistungen) erleichtert, die ihrerseits zur Linderung der Armut beitragen können. Dies ist der Hauptgrund für die Bemühungen, es zu stützen und zu fördern, und eben deshalb wird es auch als eine derart "wichtige neue Dimension des community development angesehen". Aber wie steht es mit dem Zugang zu den Ressourcen des Sozialkapitals selbst, fragt sich Pantoja und legt nahe, dass "es unter Knappheitsbedingungen ... ein integraler Bestandteil der Strukturen gewaltsamer Einschränkung werden kann, wie sie durch Gender, Klasse und Ethnizität geschaffen werden" [der mit dem "bindenden" Kapital verknüpfte Ausschluss gewisser anderer - J.H.]. Die Relevanz des Sozialkapitals kann demnach "nicht vollständig erfasst werden ohne Berücksichtigung der Machtbeziehungen, die die gesellschaftliche Interaktion vermitteln". Die Studie basiert auf Forschungen in einer Reihe von Dörfern in zwei eher gegensätzlichen Kohlenbergbaurevieren von Orissa, und viele von Pantojas Beobachtungen sind einem vertraut aus früheren indischen Dorfmonographien. In den Dörfern, die er untersuchte, ist viel Sozialkapital vorhanden, in dem Sinn, dass es starke horizontale Netzwerke zwischen den Menschen gibt - aber sie sind entlang von Kastenlinien organisiert: "Gegenseitiges Vertrauen gibt es in Fülle, aber es ist hoch fragmentiert und tendiert als Mechanismus von Inklusion und Exklusion [im Wesentlichen nach den Prinzipien, auf denen die Kastendifferenzierung ruht - J.H.] dazu, unter den Bewohnern der Untersuchungsgebiete geschlossene Gruppen zu etablieren. ... Es könnte sogar ein aktuelles Überangebot an gewissen Formen von Sozialkapital geben [er bezieht sich auf das, was heute ‚bindendes Kapital' genannt werden könnte - J.H.], während es keine breiten, dauerhaften und sich überlappenden Unterstützungsnetzwerke [kein überbrückendes Kapital - J.H.] gibt." Die Eingriffe der Coal India Limited (CIL) dienten tendenziell dazu, die Spaltungen zwischen den Menschen in den Ortsgemeinden zu verschärfen und auszubeuten. Es überrascht nicht, dass unter diesen Umständen, in denen Wohngemeinden von derartigen Differenzen von Macht und Identität durchzogen werden, das vorhandene Verbandsleben (außerhalb von Gender, Kaste und den klassenbasierten Gruppierungen, die es gibt) die gegebene Sozialstruktur widerspiegelt: "der Entscheidungsfindungsprozess wird gewöhnlich von den mächtigsten Mitgliedern dominiert - mit der möglichen Ausnahme der Jugendclubs." Die Community-Development-Programme, welche CIL jetzt in Angriff genommen hat, schließen die Bildung von "Village Working Groups" ein, welche Partizipation garantieren und ein Gefühl von Eigentum an den Ressourcen, welche den Nutzern zur Verfügung gestellt werden, vermitteln sollen. "Diese Arbeitsgruppen sollten der Intention nach Mitglieder aus dem ganzen Dorf umfassen, repräsentativ sein für alle Kasten und die Stammesbevölkerungen und sich um die Entwicklungsbedürfnisse aller Wohngebiete innerhalb der Dorfgrenzen kümmern. ... Tatsächlich aber reproduzierten sie nur die vorgegebene Sozialstruktur und die vorgegebenen Machtverhältnisse." Pantoja führt aus, dass sich jeder Versuch, in einem Kontext wie dem der Bergbau-Dörfer in Orissa Sozialkapital zu bilden, mit dem Problem des Aufbaus von Kooperation zwischen sehr ungleichen Partnern [welches oben in der Diskussion über "verbindendes Kapital" als besonders schwierig erkannt wurde - J.H.] herumschlagen muss; weiter führt er aus, dass die Bildung von ["überbrückendem" - J.H.] Sozialkapital, welche Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Gruppen - z.B. in einer Gewerkschaft - oder Dörfern einschließen müsste, wegen ihres Potentials zur Auslösung von kollektiver Aktion, die im Widerspruch zu den Interessen der Firma stehen könnte, leicht auf Widerstand der CIL stoßen könnte. Pantoja argumentiert schließlich - wie einige derer, die die Community-Development-Programme der 1950er Jahre untersucht haben - dass "der Standard-Ansatz von Community Development zumindest im indischen Kontext auf unrealistischen Annahmen über das Wesen der Dorfgemeinschaften und die Möglichkeiten sowie den demokratischen Charakter kollektiver Aktion beruhte. ... Es gibt drei kritische Punkte, die in diesen Annahmen außer Betracht bleiben: a. Sozialkapital ist nicht notwendig für alle Mitglieder der Gemeinde von Vorteil; b. horizontale Formen von Sozialkapital sind wichtig, aber ohne vertikale Gelenkverbindungen wird die Wirkung von Community-Development-Bemühungen eng begrenzt bleiben; c. externe Akteure können helfen, die Schaffung von Sozialkapital zu erleichtern, ihre Anwesenheit kann aber auch Abhängigkeit schaffen ... (und) ... die Haltbarkeit von derart induziertem Sozialkapital wird oftmals sehr gering sein." Der Standardansatz war mangelhaft, weil angenommen wurde, die Gemeinschaften seien von Natur aus demokratisch. Sie sind es nicht; und ohne "Eingriffe zur Demokratisierung des Gemeinschaftslebens" (meine Hervorhebung) "sind dorfweite Gruppen keine effektiven Mechanismen der demokratischen Planung und Entscheidungsfindung". Pantojas "Generaldiskussion" im Schlusskapitel seines Berichts steht in direktem Gegensatz zu so vielem, was von der Weltbank zum Sozialkapital behauptet wird (etwa auf ihrer Website zum Sozialkapital). Seine zentralen Punkte sind folgende: "Unsere Analyse scheint zu belegen, dass es eine unzulässige Einschränkung des Sozialkapitalansatzes wäre, den Blick ausschließlich auf Vereinsmitgliedschaften und Reziprozitäts- und Vertrauensnormen zu richten sowie anzunehmen, Sozialkapital produziere stets nützliche Formen des bürgerschaftlichen Engagements oder mehr davon sei stets besser"; und "Zivilgesellschaft und Sozialkapital sind von Bedeutung für Gemeindeentwicklung, aber nur im Kontext der Regierungsinstitutionen und des allgemeinen institutionellen Rahmens der Gesellschaft als ganzer." Pantojas Untersuchung und seine Überlegungen zu ihr zeigen deutlich die Grenzen des von Putnam vertretenen Konzepts von Sozialkapital auf. Ebenso zeigen sie aber auch, wie und warum es für die Protagonisten des aktuellen liberalen Entwicklungsdiskurses so attraktiv war. Die neutrale Terminologie des "Bindens", "Überbrückens" und "Verbindens" merzt Begriffe wie Rasse, Kaste, Klasse und Gender aus der Gesellschaftsanalyse aus, die in Pantojas Analyse notwendigerweise einen zentralen Platz einnehmen, und hat den Effekt, die Wege, auf denen diese "alten" Kategorien sich mit dem "bindenden", "überbrückenden" und "verbindenden Kapital" überkreuzen, aus dem Blickfeld zu nehmen. Die neuen Begriffe teilen die Kontextabgehobenheit mit ihren "Eltern" - Putnams Vorstellungen vom Sozialkapital - und gehen wie dieser den Problemen von Macht und Sinn sowie der mit sozialen Beziehungen notwendig verbundenen Konflikte aus dem Weg.

"Sozialkapital" in der Waagschale

Die Fragen, mit denen sich die Idee des Sozialkapitals befasst - Fragen zu den wirtschaftlichen und politischen Implikationen der Variationen in Kultur und Sozialorganisation zwischen den verschiedenen Gesellschaften - werden heute quer durch die Sozialwissenschaften als höchst bedeutsam anerkannt. Das Argument, dass in sozialen Beziehungen Ressourcen stecken, ist zwingend; und dass es Unterschiede zwischen den Gesellschaften in Bezug auf generalisierte Reziprozität und Vertrauen gibt, lässt sich empirisch nachweisen (vgl. Platteau 1994). Aber das spezifische Konzept von Sozialkapital, das bislang am einflussreichsten war, nämlich das von Robert Putnam - welcher es als Synonym für "bürgerschaftliches Engagement" und dieses wiederum als Äquivalent zur "Dichte der freiwilligen Assoziation" behandelt - leidet unter gravierenden Mängeln. Es spielt die Bedeutung von staatlichem Handeln, von Ideen und daher auch von Politik systematisch herunter und schreibt den sozialen Netzwerken kausale Priorität zu in einer Weise, die unhaltbar erscheint im Lichte der Historie gerade der Gesellschaften, die Putnam selbst untersucht hat, wie auch der beispielsweise von Peter Evans (1996) vorgelegten Analysen. Es ignoriert die Bedeutung des Kontextes und des Inhalts der Beziehungen in sozialen Netzwerken und geht somit Fragen der Macht aus dem Weg. Es bietet eine konsensuelle Sicht von sozialen Beziehungen an, in der Konflikte heruntergespielt werden. Genau diese Merkmale sind es jedoch, die diese spezifische Vorstellung von Sozialkapital den Entwicklungsagenturen so attraktiv erscheinen ließen - sowohl praktisch (weil sie es selbst schwierig finden, Probleme der Macht und der Klassenbeziehungen zu thematisieren) als auch ideologisch (im Kontext der Dominanz des Neoliberalismus und der Feindschaft gegenüber auch nur gemäßigt linker Politik). Sie erklären auch die Attraktivität des Gedankens für einige neoklassische Ökonomen. Bebbington und seine Koautoren erklären in ihrem Artikel über die Sozialkapitaldebatten in der Weltbank, wie "das Argument, dass die Diskussion über Sozialkapital eher mit den Themen der institutionellen Ökonomie (à la Mancur Olson) als mit Themen der politischen Ökonomie [wie sie der Politologe Jonathan Fox vorgeschlagen hat - J.H.] verbunden werden sollte, langsam die Oberhand gewann" (Bebbington u.a. 2004, 16). Das von Putnam übernommene Konzept des Sozialkapitals bot sich insbesondere an für eine Anwendung im Rahmen der informationstheoretischen Ökonomie und lieferte, wie Ben Fine (2001) herausarbeitet, eine elegante Methode zur Ausweitung dieses Paradigmas in die Bereiche der Soziologie und der Politologie hinein. Es gab außerdem den Anstoß zu einer Fülle ziemlich dubioser positivistischer Sozialwissenschaft. Wie Fine bemerkt, folgt die Vorgehensweise eines Großteils der Arbeiten den zuerst von James Coleman und dann von Putnam vorgezeichneten Linien und wurde viele Male einfach kopiert. Man erfindet ein Maß für Sozialkapital (z.B. ein Maß für die Dichte der freiwilligen Assoziation) und zeigt dann, dass dieses eng korreliert ist mit irgend einem "Output", etwa einem Maß für Gesundheit. In solchen Studien gibt es bisweilen Versuche der Erklärung, oft genug jedoch auch nicht. Noch seltener sind Versuche zu testen, warum die Korrelationen Kausalität anzeigen. Selbst sorgfältige Untersuchungen, die es unternehmen, die Auswirkungen von Sozialkapital zu messen, sind häufig unbefriedigend, weil "Sozialkapital" ein statistisches Artefakt bleibt und die Frage, "was verursacht was und mittels welcher Mechanismen oder sozialen Prozesse?" unbeantwortet bleibt. Die Kritik an Putnams Konzept von Sozialkapital ist inzwischen wohl etabliert und wird selbst von denen als "seriös" anerkannt, die für die Empfehlung zu dessen Nutzung im Rahmen der Weltbank verantwortlich waren (s. Bebbington u.a. 2004). Die Erkenntnis, dass es unangebracht und kontraproduktiv sein könnte, Sozialkapital durch die Gründung von so etwas wie Dorfvereinen aufzubauen - weil dabei, wie Enrique Pantoja zeigt, Macht ignoriert wird(12) - scheint langsam in Entwicklungsagenturen Einzug zu halten. Die Frage bleibt, ob eine Konzeptualisierung von Sozialkapital auf den von Bourdieu vorgezeigten Linien, welche vielleicht zusätzlich noch die Unterscheidung zwischen "bindendem", "überbrückendem" und "verbindendem Kapital" nutzbar machen könnte (wie Szreter vorschlägt), nicht ein wertvoller Beitrag zur Sozialwissenschaft sein könnte. Die Anerkennung der Bedeutsamkeit von "Beziehungen" wie bei Bourdieu ist sicher unerlässlich. Sie würde den Weg zur Analyse von Politik und Macht öffnen. Von Wert sind auch die Gedanken über die unterschiedlichen Implikationen unterschiedlicher Typen von sozialen Netzwerken, wenn diese im Bezugsrahmen ihres Kontextes und ihres Inhalts analysiert werden. Was die Bezeichnung "Sozialkapital" dieser Analyse darüber hinaus hinzufügt, ist dagegen weniger klar. Die ideologischen Verwendungen des Begriffs überwiegen den analytischen Wert, den er besitzt. Aus dem Englischen übersetzt von Gerhard Hauck Die englische Originalfassung erscheint unter dem Titel "Social Capital" in: Fine, B.; Jomo, K.S. (Hg.): The New Development Economics: A Critical Introduction. Delhi/London 2005, i.E.

Anmerkungen

(1) Dabei folge ich weitgehend Tarrows hervorragender Kritik an Putnams Italienbuch; s. Tarrows 1996; vgl. auch Levi 1996; Fine 2001; Harriss 2001; und Szreter 2002 - zu "Bowling Alone." (2) Ein Beispiel ist das East India Rainfed Farming Project, das die Menschen in den Dörfern, in denen es zur Anwendung kam, aufforderte, Organisationen des Community Development aufzubauen. Solche Organisationen wurden als Schlüssel zu verbesserter und nachhaltiger Sicherung des Lebensunterhalts angesehen. In der Praxis wurden sie, wie Kumar und Corbridge (2002) gezeigt haben, aufgrund der Tatsache, dass die Mitgliedschaft in den Organisationen zur Vorbedingung für den Zugang zu den vom Projekt zur Verfügung gestellten Ressourcen gemacht wurde, am Ende (nicht überraschend) von denen dominiert, die ohnehin schon die Reichsten und Mächtigsten waren. Es könnte sogar sein, dass in diesem Fall die Sicherheit des Lebensunterhalts der Ärmeren im Gefolge des Aufbaus dieser Organisationen tatsächlich gelitten hat. (3) (Harriss 2003; s. auch Platteau 1994 für eine ausführlichere Argumentation auf der gleichen Linie. (4) Vgl. Dasgupta 1988;Vertrauensverhalten impliziert mehr als auf Information gegründete Erwartungen über die anderen, es verlangt wegen des Fehlens von vollständiger Information eine Art von Vertrauenssprung. S. Mollering 2001 (5) "WD-40" ist ein Mittel, das man z.B. zum Lockern von festgerosteten Schrauben und Muttern benutzt. (6) Dieses Zitat und die folgenden stammen aus dem "World Development Report 2000/2001" (World Bank 2000, 128). (7) An dieser Stelle gibt es ein Meinungsverschiedenheit. Ben Fine (2001) behauptet mit guten Argumenten, der "Ballon" des Sozialkapitals sei erst gestartet worden, nachdem man Bourdieus Ideen über Bord geworfen hatte. Szreter (2002, 616f) beschuldigt Fine der "Schlüpfrigkeit" und betont, es gebe eine Reihe von am Sozialkapital interessierten Wissenschaftlern, ihn selbst eingeschlossen, welche sich auf Bourdieus Konzepte einließen. Meine eigene Besprechung der Arbeiten aus der Weltbank - die Bourdieu eher geflissentlich zu ignorieren scheint -veranlassten mich, Ben Fines Position zu unterstützen, wenngleich es zutrifft, dass einige Arbeiten, die nach Ben Fines Buch erschienen sind, ein "bringing back in" von "Macht, Politik und Geschichte" (so der Titel von Szreters Papier) widerspiegeln - teilweise durch Bezugnahme auf Bourdieu. (8) Bourdieus Argument wird besonders klar herausgearbeitet in der Arbeit einer Gruppe von französischen Soziologen über die Großbourgeoisie in Frankreich (vgl. Le Monde Diplomatique, September 2001). Die Autoren beschreiben Kreuzfahrten als die "hauts-lieux de gestion du capital social" ("Zentralorte der Formation des Sozialkapitals"). Sie bemerken, dass "der Eintritt in die Großbourgeoisie über die Reichtumsakkumulation zustande gebracht wird. Aber das alleine reicht nicht aus. Es braucht Zeit, das Netzwerk an Sozialbeziehungen aufzubauen, das den gesellschaftlichen Rang garantiert." Die "Beziehungen", die zählen, implizieren Statusunterschiede, die man mit Szreter als auf dem Vorhandensein von "bindendem" und der mehr oder weniger bewussten Verwerfung von "überbrückendem" Kapital beruhend ansehen könnte. (9) Michael Woolcock, der Bourdieus Ideen tatsächlich ernsthaft verarbeitet hat (in Woolcock 1998), hat es wohl für strategisch nützlich gehalten, sie über Bord zu werfen, als er zur Weltbank ging. Dies scheint der Sinn des Berichts über die Rezeption des Sozialkapitalgedankens in der Bank zu sein, dessen Ko-Autor er ist (s. Bebbington et al., 2004). (10) Fine 2001, 17; eine an Bourdieu anknüpfende, aber im Bezugsrahmen der Netzwerkanalyse abgefasste Perspektive ist die von Nan Lin (2001). Für ihn bezieht sich Sozialkapital auf in soziale Beziehungen eingebettete Ressourcen. Aber der Zugang zu diesen Ressourcen hängt ab von der strukturellen Position des Akteurs (in der Gesellschaft), ihrer Verortung in partikularen sozialen Netzwerken und der Zielsetzung ihrer Handlungen. Es ist unmittelbar einleuchtend, dass die Möglichkeiten des Zugangs zu den Ressourcen für viele Menschen durch ihre gesellschaftliche Stellung (z.B. als Schwarze, Dalits oder Frauen) eingeschränkt sind und dass Sozialkapital daher ein Aspekt der Macht-/Klassen-Differenzierung ist. Die zentralen Argumente seiner Darlegung lassen sich in folgenden Aussagen zusammenfassen: a. Individuen haben unterschiedliche soziale Ressourcen je nach dem Ausmaß und der Vielfalt ihrer sozialen Beziehungen und den Ressourcen der Personen, mit denen sie in Beziehung stehen. (Die kritischen Faktoren sind demnach: 1. die Anzahl der Personen in ihrem Beziehungskreis, die gewillt oder verpflichtet sind, ihnen zu helfen; 2. die Stärke der jeweiligen Beziehungen; 3. die Ressourcen dieser Personen.) b. Es ist möglich, dass bestimmte Gruppen von Personen Sozialkapital (dauerhafte Sozialbeziehungen) als kollektive Ressource entwickeln und erhalten, was die Lebenschancen der Gruppenmitglieder verbessert (das ist Bourdieus Argument). (11) Alle Zitate im folgenden Text stammen aus Pantoja 1999 (12) Vgl. auch Kumar und Corbridge (2001)

Literatur

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Aus PERIPHERIE 99 "Sozialkapital - Kapitalisierung des Sozialen", Münster 2005, S. 267-285

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