Entstehung, Institutionalisierung und Veränderung
Keywords: discourse, buen vivir, sumak kawsay, indigeneity, socialism, post-development
Schlagwörter: Diskurse, buen vivir, sumak kawsay, Indigenität, Sozialismus, Post-Development
Buen vivir wurde 2008 und 2009 als neue Vision populär, als es Eingang in die Verfassungen von Ecuador und Bolivien fand. Dieses Konzept basiert auf einem bestimmtem Sinnhorizont: eine Form des Lebens in Harmonie mit sich selbst (Dimension der Identität), mit der Gesellschaft (Gerechtigkeit/Gleichheit) und mit der Natur (Nachhaltigkeit) (Cubillo-Guevara u.a. 2016). Ohne Zweifel multiplizierten sich gleichzeitig mit ihrer Verbreitung die damit verbundenen Bedeutungen. Ihre Interpretation unterscheidet sich abhängig von den Interessen und den Positionen eines/einer jeden Akteurs/Akteurin oder Institution, die sich in ihren Diskursen darauf berufen.[1] Diese zunehmende Pluralisierung der Diskurse führte zu einer komplexen, uneinheitlichen und oft obskuren und konfusen Debatte. Mit dem Vorhaben, eine größere Verständlichkeit dieser Debatten zu schaffen, stellten wir uns folgende Frage: Welche verschiedenen Bedeutungen hat buen vivir in den Diskursen der verschiedenen lateinamerikanischen AkteurInnen erlangt? Das Ziel dieses Artikels ist es also, die unterschiedlichen lateinamerikanischen buenos vivires oder die verschiedenen Bedeutungen von buen vivir in Lateinamerika zu identifizieren. Unsere Überlegungen stellen einen Versuch der Synthese oder Integration der beiden Forschungslinien dar, die wir parallel, aber unabhängig voneinander entwickelten. Unser gemeinsames Ziel ist es, das diskursive Feld des lateinamerikanischen buen vivir und sein zeitliches Entstehen zu rekonstruieren.[2]
Dieser Artikel bietet also auf der Basis von früheren Untersuchungen eine Systematisierung und eine diachronische Strukturierung der lateinamerikanischen Diskurse aus einer poststrukturalistischen epistemologischen Perspektive, die der Historizität in der Konstruktion von Ideen, Konzepten und Diskursen einen zentralen Platz einräumt.[3] Das Material, das wir bei den vorangegangenen Analysen genutzt haben, ist akademische und graue Literatur, aus denen wir die Kategorien der Analyse induktiv abgeleitet haben. Diese Kategorien sind deshalb mit bestimmten AutorInnen und Texten verknüpft. Diese bieten nicht nur einfache rhetorische Formulierungen, sondern sie repräsentieren die Positionen und Ideen der politischen und sozialen Debatten über buen vivir.
Unser Artikel ist folgendermaßen aufgebaut: In einem ersten Schritt führen wir buen vivir als signifikantes, schwebendes Ordnungsprinzip (Laclau & Mouffe [2001] 2012) des politischen und sozio-kulturellen Diskurses in mehreren Ländern der andin-amazonischen Region, v.a. Ecuador und Bolivien, in der Morgendämmerung des 21. Jahrhunderts ein. Anschließend stellen wir die verschiedenen Bedeutungen oder diskursiven Strömungen, die wir induktiv aus der Literatur destilliert haben, gemäß ihrer chronologischen Reihenfolge vor: ursprüngliches buen vivir, hybrides buen vivir, indigenistisches buen vivir, sozialistisch-etatistisches buen vivir und buen vivir der Post-Development-Diskurse. Der Text schließt mit einer kritischen Würdigung dieser Wandlungen und zeigt das Potenzial des diskursiven Phänomens, die Alternativen zur (konventionellen) Entwicklung aufzuzeigen.
Das plurale lateinamerikanische buen vivir
Buen vivir als Alternativansatz zum dominanten Entwicklungsmodell, der eine Form des Lebens im Einklang mit sich selbst, der Gesellschaft und der Natur sucht, kann als ein ideeller Impulsgeber in seiner lateinamerikanischen Herkunftsregion und potenziell auch in globalem Umfang betrachtet werden (Vanhulst & Zaccai 2016). Obwohl normalerweise über buen vivir im Singular geredet wird, gibt es zweifellos nicht die eine Definition, sondern eher eine große Bandbreite von Interpretationen, die von politischen und sozialen AkteurInnen hervorgebracht wurde. Diese große Bandbreite zeigt die Spannung zwischen verschiedenen Weltsichten, die sich gegenseitig beeinflussen und für ihre Institutionalisierung streiten. In diesem Sinn ist buen vivir gleichzeitig plural.
Um diese konstitutive Heterogenität des lateinamerikanischen Diskurses von buen vivir zu erfassen, schlugen verschiedene AutorInnen mehrere Typologien von Diskursen vor, z.B.:
- kulturalistische, ökologische und ökomarxistische Strömungen (Le Quang & Vercoutère 2013),
- indigenistische, sozialistische und poststrukturalistische Strömungen (Vanhulst & Beling 2013a; 2013b; 2014; Vanhulst 2015),
- die indigenistischpachamamistischen, sozialistisch-etatistischen und ökologischen PostDevelopmentStrömungen (Hidalgo-Capitán & Cubillo-Guevara 2014; Cubillo-Guevara u.a. 2014),
- die buenos vivires (Acosta 2013; Loera González 2015) oder
- die Aufspaltung in buen vivir und sumak kawsay (Oviedo 2014).
Außerdem durchlief das plurale lateinamerikanische buen vivir wenigstens drei evolutionäre Momente: seine diskursive Entstehung, seine Hybridisierung (oder diskursive Institutionalisierung) und seine Verzweigung (oder diskursive Veränderung), die Raum gibt für wenigstens fünf verschiedene buenos vivires. Wir haben also:
- ein ursprüngliches buen vivir, das dem Moment seiner diskursiven Entstehung im ecuadorianischen Amazonasgebiet und seiner Expansion in den andinamazonischen Raum Lateinamerikas entspricht,
- ein hybrides buen vivir, das dem Moment seiner (konsensuellen) diskursiven Institutionalisierung in den verfassungsgebenden Versammlungen in Ecuador und Bolivien entspricht,
- und zuletzt drei Interpretationen, die dem Moment der (postkonsensuellen) diskursiven Veränderung entsprechen.
Letztere eröffnen drei weitere Deklinationen:
- ein indigenes buen vivir, das die indigenen Bewegungen Lateinamerikas hervorbrachten,
- ein sozialistischetatistisches buen vivir, das von den Regierungen Boliviens und Ecuadors und ihnen nahe stehenden Intellektuellen stammt,
- und ein buen vivir des PostDevelopment aus den lateinamerikanischen sozialen Bewegungen, speziell den ökologischen und den mit ihr verwobenen intellektuellen Kreisen.
Die diskursive Entstehung des ursprünglichen buen vivir
Die erste Version des Diskurses von buen vivir als intendierte Alternative zum klassischen Entwicklungsparadigma nennen wir hier „sumak kawsay“ oder „ursprüngliches buen vivir“ (Cubillo-Guevara & Hidalgo-Capitán 2015a).[4] Sie tauchte im ecuadorianischen Amazonasgebiet in den Kichwa-Gemeinden auf (A. Viteri u.a. 1992; C. Viteri 1993; 2000; 2003), beeinflusst durch shiir waras und penker pujustin[5] und durch die Analysen, die einige Anthropologen dort durchführten (Descola 1986; Mader 1999). Die Organisation der Indigenen Völker von Pastaza (Organización de Pueblos Indígenas de Pastaza – OPIP) und speziell die Kichwa-Gemeinde von Sarayaku in Amazonien, die von einigen indigenen Kichwa-Intellektuellen angeführt wurden, realisierten in diesem Kontext zu Beginn der 1990er Jahre einen Prozess der Reflexion über ihre Lebensweise sowie über Alternativen einer nachhaltigen Entwicklung, wie sie AkteurInnen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit in die Vereinten Nationen eingebracht haben.
Die aus der Amazonas-Region stammende Konzeption von sumak kawsay ruht auf drei Säulen: sacha runa yachay (die Weisheit des im Wald lebenden Menschen), runakuna kawsay (das Leben des Volkes) und sumak allpa (die Erde ohne Schlechtes). Diese Säulen können als Harmonie mit sich selbst (kulturelle Dimension der Identität), Harmonie mit der Gemeinschaft (soziale Dimension der Gleichheit bzw. Gerechtigkeit) und Harmonie mit der Natur (Umweltdimension und Nachhaltigkeit) interpretiert werden (Sarayaku 2012).
Somit war die diskursive Entstehung von sumak kawsay im ecuadorianischen Amazonasgebiet (C. Viteri 1993; 2000; 2003) nicht allein die erste Version des lateinamerikanischen buen vivir. Vielmehr resultierte seine Entstehung aus einem bottom-up- und einem outside-inward-Prozess (Beling & Vanhulst 2016), so dass es ein von indigenen Gemeinschaften mit der Unterstützung internationaler Organisationen (v.a. NRO und Entwicklungsorganisationen) ausgearbeitetes Konzept ist. Dieses Konzept wurde anschließend von verschiedenen lateinamerikanischen Intellektuellen und politischen AkteurInnen übernommen, vor allem durch indigene ecuadorianische Bewegungen (wie sumak kawsay), indigene bolivianische Bewegungen (wie suma qamaña) und indigene peruanische Bewegungen (wie allin kawsay) (Cubillo-Guevara & Hidalgo-Capitán 2015a). Diese hybriden diskursiven Entwürfe verbreiteten sich nach und nach von den Zentren her, in denen sie entstanden sind, als „Alternativen zur Entwicklung“ (inside-outward-Prozess).
Die diskursive Institutionalisierung des hybriden buen vivir
Um 2008 schlugen innerhalb der verfassungsgebenden Debatten in Ecuador und Bolivien die dortigen indigenen Bewegungen die Aufnahme der Konzepte von sumak kawsay (in Kichwa) und suma qamaña (in Aymara) unter den Bezeichnungen „buen vivir“ (Ecuador) und „vivir bien“ (Bolivien) in die Verfassung vor. Diese Bezeichnungen stammen ohne Zweifel nicht nur aus einer ungefähren Übersetzung der Ausdrücke aus dem Kichwa bzw. aus dem Aymara ins Spanische, sondern waren das Ergebnis eines angeblich einvernehmlichen Prozesses der Institutionalisierung oder konzeptionellen Hybridisierung, die den idiosynkratischen Charakter des ursprünglichen buen vivir stark abmilderte.
So ist das hybride buen vivir, das in den verfassungsgebenden Debatten auftauchte, das Ergebnis einer „Dreifachhelix“. In ihr werden verschiedene Prinzipien der andin-amazonischen Kultur, die von den indigenen Bewegungen verteidigt wird, mit aktuellen Beiträgen kritischer Intellektueller zu dem Konzept der Entwicklung (nationaler oder ausländischer, sozialistischer oder Post-Development-Provenienz) kombiniert, sowie mit den Ergebnissen partizipativer Prozesse sozialer Bewegungen Lateinamerikas (Indigenen, SklavennachfahrInnen, Bauern, GewerkschafterInnen, solidaristas, GenossenschafterInnen, SozialistInnen, UmweltaktivistInnen, FeministInnen, DekolonialistInnen, VertreterInnen der Befreiungstheologie…) gemeinsam mit neuen fortschrittlichen nationalen politischen Eliten (besonders sichtbar in Ecuador und Bolivien). Unter den nicht-indigenen Beiträgen, die das Verweben des hybriden buen vivir beeinflussten, ragen Post-Development, Anti-Entwicklung, Anti-Globalisierung, Interkulturalismus, Öko-Marxismus, Umweltschutz, Feminismus und Theologie der Befreiung hervor.
Außerdem wurde die Dreifachhelix durch bottom-up- und top-down-Prozesse (Vanhulst 2015) und durch bidirektionale Flüsse inside-outward und outside-inward zwischen regionalen politisch-kulturellen Prozessen und dem globalen Raum aktiviert. In der Tat institutionalisierte sich das hybride buen vivir in einem Kontext der globalen politischen Auseinandersetzung mit dem vorherrschenden neoliberalen Modell von Entwicklung Mitte der 2000er Jahre (outside-inward) als Resultat multipler Prozesse der Partizipation verschiedener AkteurInnen auf verschiedenen Niveaus und in verschiedenen Sektoren (bottom-up). An diesen Auseinandersetzungen nahmen die neuen fortschrittlichen nationalen Eliten aktiv teil (top-down). Anschließend diente das hybride buen vivir anderen Prozessen der Auseinandersetzung im restlichen Lateinamerika als Modell (inside-outward). Es bietet damit ein gutes Beispiel für glokale diskursive Artikulation bei der Suche nach Post- und Anti-Development-Utopien (Beling & Vanhulst 2016).
Nachdem buen vivir in die Verfassungen Ecuadors (als buen vivir) und Boliviens (als vivir bien) aufgenommen worden war, blieb es zweifellos unbestimmt. Es erschien als zweideutiges Ziel der Gesellschaft, vergleichbar mit dem Konzept von Wohlstand (Cubillo-Guevara 2016). Diese Unbestimmtheit war das Resultat eines vermeintlichen Konsenses zwischen den divergierenden politischen und sozialen AkteurInnen, die an den verfassungsgebenden Prozessen teilgenommen hatten: Mit ihren widersprüchlichen Einsprüchen hatten sie verhindert, dass das hybride buen vivir ein wirklich alternatives Konzept zu Entwicklung wurde, wie es die indigenen Bewegungen und einige soziale Bewegungen (FeministInnen, DekolonialstInnen, ÖkologInnen usw.) angestrebt hatten. Vielmehr stellte sich heraus, dass buen vivir eher ein „leerer Signifikant“ (Laclau & Mouffe [2001] 2012) ist, mit dem die divergierenden AkteurInnen seither argumentieren: von der konventionellen Entwicklungspolitik über alternative Konzeptionen von Entwicklung bis hin zu radikalen Alternativen zur westlichen Moderne. Diese Vielseitigkeit führte im Folgenden zu Verwerfungen in den Diskursen über buen vivir.
Die Veränderungen in den Diskursen des indigenenistischen, des sozialistisch-etatistischen und des buen vivir des Post-Development
In den Jahren, die auf die Aufnahme des Konzepts buen vivir in die Verfassungen Ecuadors und Boliviens folgten, spalteten sich die Diskurse auf. Ausgehend von seiner Unbestimmtheit des hybriden buen vivir entstanden so (1) ein indigenistisches buen vivir, das die Wiederherstellung oder Aufrechterhaltung der indigenen Identität priorisiert, (2) ein sozialistisch-etatistisches buen vivir, das das Erreichen einer sozio-ökonomischen Gerechtigkeit priorisiert und (3) ein buen vivir der Post-Development-Diskurse, das die Idee einer sozio-ökologischen Wende priorisiert. Diese drei Konzeptionen können als das Resultat eines komplexen Prozesses der Interpretation und Umdeutung von buen vivir durch die intellektuellen und politischen lateinamerikanischen Eliten unter Mitwirkung von auswärtigen Intellektuellen angesehen werden. Sie entwickelten sich in einer top-down- sowie outside-inward-Bewegung, die die lokalen Kontexte durchdringt und die sich danach jenseits dieser Kontexte in eine inside-outward-Bewegung ausweitet.
Jede dieser Strömungen ist mit verschiedenen Gruppen von AkteurInnen verbunden, die das Konzept von buen vivir in den Dienst ihrer politischen Zwecke im Kampf um die Hegemonie im lateinamerikanischen Kontext der „Zuwendung zur Linken“ in einer post-neoliberalen Ära stellen. Dennoch überwinden alle Strömungen die bloße idiosynkratische Exotik und erlauben eine wechselseitige Befruchtung mit anderen „Diskursen des Wechsels“ (Escobar 2011), die die Notwendigkeit einer radikalen institutionellen und kulturellen Transformation hinsichtlich den in der Welt dominanten Modellen von Entwicklung betonen (Cubillo-Guevara & Hidalgo-Capitán 2015b; Hidalgo-Capitán & Cubillo-Guevara 2016; Beling & Vanhulst 2016).[6]
Das indigenistische buen vivir
Die indigenen Diskurse werden von den indigenen Intellektuellen selbst, insbesondere aus Ecuador, Bolivien und Peru, sowie von den lateinamerikanischen indigenen Bewegungen geführt, mit denen sie verbunden sind. Zu den markantesten unter ihnen zählen wir Carlos Viteri, Simón Yampara, Grimaldo Rengifo, Mario Torrez, Javier Medina, Luis Macas, Nina Pacari, Luis Maldonado, David Choquehuanca, Fernando Huanacuni, Pablo Dávalos, Josef Estermann, Javier Lajo, Raúl Prada, Floresmilo Simbaña, Atawallpa Oviedo, Xabier Albó und Rafael Bautista. Diese verstehen buen vivir als das Leben in seiner ganzen Fülle (sumak kawsay in Kichwa, suma qamaña in Aymara oder allin kawsay in Quechua) und weisen moderne Entwicklung als soziale Ausbeutung zurück (C. Viteri 2003), die sie als eine weitere Form der Kolonisierung ansehen (Quijano 2011; Prada 2014).
Diese Intellektuellen schlagen in großen Zügen vor, die harmonischen Lebensbedingungen im 21. Jh. wiederherzustellen, die die originären Völker der Abya Yala (Lateinamerika) hatten (Dávalos 2011). Sie wollen dies durch Zugrundelegung andiner Kosmovision (Estermann 1998) – und anderer indigener Kosmovisionen – als wichtigste kulturelle Referenzen der lateinamerikanischen Gesellschaften erreichen, und dies auf eine Weise, die es ermöglicht, die verlorene Identität der Vorfahren wiederherzustellen und eine zivilisatorische Veränderung herbeizuführen (Prada 2011; Estermann 2012).
Dieses indigenistische Konzept als eine Form des symbolisch-materiellen Widerstands angesichts der historischen Unterdrückung der traditionellen indigenen Lebensweisen ist mehr auf Erhaltung und Wiederherstellung der indigenen Identität in ihrer kulturellen und politischen Dimension als auf die Erreichung sozioökonomischer Gerechtigkeit und sozial-ökologischer Transformation konzentriert. Gleichwohl sind auch die sozio-ökonomischen und die sozio-ökologischen Dimensionen in sumak kawsay durchaus präsent.
Diese Konzeption der indigenen Bewegungen Ecuadors, Boliviens und Perus verbreitete sich auch in denen der Abya Yala. Dabei erscheint die Entstehung dieser Strömungen nicht nur als eine Reaktion der indigenen Gemeinschaften der andinen Länder gegenüber den neoliberalen Regimes, sondern auch als das Ergebnis der Konvergenz zwischen indigenen Kosmovisionen und dem Denken der verschiedenen globalen sozialen Bewegungen zu Beginn des 21. Jh., insbesondere der Antiglobalisierungsbewegung.
Für die Selbstbestimmung der indigenen Völker ist dieser Ansatz von großer Relevanz, denn er regt die Umwandlung der lateinamerikanischen Nationalstaaten in plurinationale Staaten an (Simbaña 2011). Außerdem ist er für die Wiedergewinnung der Traditionen und Kosmovisionen der Vorfahren sehr wichtig. Sein Augenmerk richtet sich speziell auf die spirituellen Elemente, die mit buen vivir verbunden sind, z.B. auf die Beziehung zur Pachamama (Huanacuni 2010; Maldonado 2010). In diesen Strömungen wird häufiger sumak kawsay (oder verwandte Wörter) als buen vivir verwendet, denn letzterer Begriff wird manchmal als westliche Verzerrung der ursprünglichen indigenen Prinzipien angesehen (Macas 2010; Maldonado 2010; Oviedo 2011).
Die meisten dieser Auffassungen, die innerhalb des diskursiven Feldes der sog. „Entwicklung mit Identität“ oder „Ethno-Entwicklung“ gesehen werden könnten (Masabalín 2017), entsprechen einer Vorstellung von Welt als einer Jahrhunderte alten Natur der Anden und Amazoniens (Hidalgo-Capitán & Cubillo-Guevara 2014). Die Intellektuellen, die diese Konzeption verteidigen, werden von einigen anderen despektierlich als „Pachamamamistas“ bezeichnet (Stefanoni 2010), als seien sie VertreterInnen eines „kindlichen Indigenismus“ (Correa 2008), der ohnehin unfähig wäre, buen vivir umzusetzen.
Andererseits vermischt sich diese Version des indigenistischen buen vivir mehr oder weniger mit bestimmten Auffassungen von Theorien der Kolonialität, der Macht, des Wissens und des Seins (Quijano 2000; Schiwy & Maldonado-Torres 2006), die versuchen, zu einem zivilisatorischen Wandel führende Prozesse der Dekolonisierung einzuleiten.
Das sozialistisch-etatistische buen vivir
Die sozialistischen Diskurse werden von neomarxistischen Intellektuellen geführt, die mit den Regierungen Ecuadors, Boliviens, Nicaraguas oder El Salvadors verbunden sind oder ihnen nahe stehen. Zu den prominentesten Repräsentanten können wir Rafael Correa, Evo Morales, Daniel Ortega, Salvador Sánchez-Cerén, René Ramírez, Álvaro García-Linera, Rosario Murillo, Iosu Perales, Fander Falconí, François Houtart, Pedro Páez, Ricardo Patiño, Katu Arkonada, Atilio Borón, Marta Harnecker, José Luis Coraggio, Félix Cárdenas, Vicente Escandell, Mariano Féliz, Valter Pomar und María Nela Prada zählen. Diese Intellektuellen verstehen buen vivir als Sozialismus des sumak kawsay (Ramírez 2010), als kommunitaristischen, andinen Sozialismus (García-Linera 2010), als schönes Leben (Murillo 2013), als Sozialismus des buen vivir oder – in der ecuadorianischen, bolivianischen, nicaraguanischen und salvadorianischen Variante – als Sozialismus des 21. Jahrhunderts. Dieser zeigt große Ähnlichkeit mit der neomarxistischen Variante moderner Entwicklung.
Diese Intellektuellen schlagen die Implementierung eines Entwicklungsmodells vor, das sich grundlegend an der Verbesserung der sozialen Gerechtigkeit orientiert (Ramírez 2010; Patiño 2010; Harnecker 2010). Dies soll durch einen revolutionären Prozess erreicht werden – in Ecuador „Bürgerrevolution“, in Bolivien „demokratische und kulturelle Revolution“, in Nicaragua „sandinistische Revolution“ und in El Salvador „demokratische Revolution“ genannt. Währenddessen kommt es zu einer Transformation der Produktionsstrukturen in den lateinamerikanischen Ländern (SENPLADES 2012): Das Entwicklungsmodell, das unterstützt wird, ist der Neo-Extraktivismus. Dieses Modell geht mit der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen im großen Maßstab und mit hoher Intensität einher und führt zu Enklaven-Ökonomien (oder zu „Opferzonen“). Sein Ziel ist es, den Weltmarkt mit massiven Exporten zu füttern: mit Öl aus Ecuador, Gas aus Bolivien, metallische Mineralien aus El Salvador oder in Nicaragua durch den Bau eines Kanals, der Atlantik und Pazifik miteinander verbindet. Die aus diesen Exporten erzielten öffentlichen Einnahmen sollen einer progressiven Sozialpolitik im Interesse einer besseren Einkommens- und Vermögensverteilung dienen (Gudynas 2011a; 2016).
In diesem Sinne wird eine inmediatische Zielvorstellung einer Sozialpolitik bevorzugt (Befriedigung der grundlegenden Bedürfnisse und gerechte Verteilung) und das Erreichen der Ziele von Identität und sozial-ökologischem Wandel als nachrangig betrachtet. Diese Auffassung von buen vivir verbreitete sich aus den intellektuellen Kreisen der Regierungen Ecuadors und Boliviens bis zu den intellektuellen Kreisen anderer linker, lateinamerikanischer Regierungen wie den bolivarischen (Nicaragua, El Salvador) oder den sozialdemokratischen (Brasilien, Argentinien, Uruguay), bis schließlich die meisten von ihnen den sozialistisch-etatistischen Begriff von buen vivir in ihren politischen Diskurs einbezogen.
Dieser Ansatz legt großen Wert auf die Rolle, die der Staat bei der Umsetzung von buen vivir einnimmt (SENPLADES 2011), und macht diesen zum wichtigsten politischen Akteur und einzigen Interpreten des Volkswillens. Dadurch wurden die verschiedenen sozialen Bewegungen, die zur Einführung des Konzepts von buen vivir als Zentrum der politischen Debatte beigetragen hatten, von der politischen Aktion ausgeschlossen.
Obwohl die Intellektuellen, die dieser Denkströmung angehören, die Transformation der lateinamerikanischen sozioökonomischen Systeme in Richtung einer post-kapitalistischen Gesellschaft anstreben, in der Sozial- und Solidarwirtschaft eine wichtige Rolle spielen (Coraggio 2007) und die Ökonomien zwar einen Markt haben, aber keine „Marktgesellschaften“ sind, halten die lateinamerikanischen Regierungen in der Praxis an historischen Akkumulationsmustern, Strukturen der neo-extraktiven Produktion und an einem „Neodevelopmentalismus“ fest. Dies untergräbt ihre Fähigkeit, die Allmacht der Märkte und ihrer neoliberalen Grundlagen effektiv in Frage zu stellen.[7] So erzeugen die Widersprüche zwischen dem Diskurs und der Praxis der Regierungen von Rafael Correa in Ecuador, von Evo Morales in Bolivien, von Daniel Ortega in Nicaragua und von Salvador Sánchez-Cerén in El Salvador ein Gefühl der Enttäuschung und Empörung unter denen, die die Utopie ihrer politischen Programme teilen und zugleich deren politische Praxis ablehnen (Hollender 2012).
Das bedeutet, dass das sozialistisch-etatistische buen vivir, das den klassischen Versionen der Entwicklung sehr nahe kommt, einer westlichen und sozialistischen Weltanschauung entspricht (Hidalgo-Capitán & Cubillo-Guevara 2014; Vanhulst & Beling 2014). Eine solche Konzeption kann in diesem Diskurs mit einer mit sozialer Gerechtigkeit gekoppelten Transformation der Produktionsweisen verknüpft werden (Braña u.a. 2016).
Die Intellektuellen, die diese Konzeption verteidigen, werden von einigen kritischen Intellektuellen als PraktikerInnen eines „senilen Developmentalismus“ (Martínez-Alier 2010; Svampa 2011) oder eines „Kapitalismus des 21. Jahrhunderts“ (Santos 2014) betrachtet: Sie plädierten in ihren Diskursen für eine bloße Substitution des Konzepts „Entwicklung“ durch das des „buen vivir“. Dadurch würden beide Konzepte miteinander gleichgesetzt. Im Ergebnis sei „buen vivir“ der Mehrheit seiner Dimensionen entleert worden, als es in die verfassungsgebenden Prozesse aufgenommen wurde (Acosta 2015; Walsh 2010).
Andererseits weist diese Version des buen vivir mehr oder weniger explizit große Nähe zu bestimmten Auffassungen neo-marxistischer Theorien über Entwicklung auf, unter ihnen
- der sogenannte „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ (Dieterich [2002] 2006),
- die populären revolutionären Prozesse Lateinamerikas – bolivarianische, bürgerliche, kulturelle, demokratische, sandinistische Revolution… (Izarra u.a. 2004),
- Vorstellungen einer Sozialen und Solidarischen Ökonomie (Coraggio 2007) oder
- andere Formen des Widerstands gegen die Globalisierung (Amin & Houtart 2002), die für ein neues sozioökonomisches postkapitalistisches System eintreten.
Das buen vivir der Post-Development-Diskurse
Die Post-Development-Diskurse[8] zu buen vivir führen diejenigen Intellektuellen, die mit der Kritik am Entwicklungsdiskurs, verstanden als eine Ideologie, die mit eurozentrischen Konzeptionen der Moderne einhergeht, und mit den sozialen Bewegungen in Lateinamerika verbunden sind. Dazu zählen Alberto Acosta, Eduardo Gudynas, Arturo Escobar, Edgardo Lander, Miriam Lang, Esperanza Martínez, Dania Quirola, Magdalena León, Leonardo Boff, Gustavo Esteva, Patricio Carpio, Rafael Quintero, Aníbal Quijano, Fernando Vega, Elisa Vega, Maristella Svampa, José María Tortosa und Koldo Unceta. Sie verstehen das Post-Development-buen-vivir als eine Utopie, die (re-)konstruiert werden muss (Acosta 2010) angepasst an die Besonderheiten der jeweiligen Territorien. Das Ideal der modernen Entwicklung, welches sie als eine Form der Herrschaft betrachten, lehnen sie als gesellschaftliches Leitbild ab (Acosta 2015). In diesem Sinne verstehen sie buen vivir als das Negativmuster von Entwicklung mit einem großen dekolonisierenden und utopischen Potenzial zur Generierung alternativer Wege für heutige Gesellschaften.
Sie schlagen die Initiierung lokaler Prozesse sozialer Partizipation vor, durch die jede Gemeinschaft ihr eigenes buen vivir oder buen convivir einschließlich der ökologischen Nachhaltigkeit als einer wesentlichen Voraussetzung für die Konstruktion guten (Zusammen-)Lebens definiert (Gudynas & Acosta 2011). In diesem Sinne schließen sie im Vergleich zu den anderen Strömungen das Problem der ökologischen Nachhaltigkeit als zentralen Aspekts ein, unter anderem durch die Achtung der „Rechte der Natur“, wie sie beispielsweise in die Verfassung Ecuadors aufgenommen wurden. Dies bedeutet implizit die Umwandlung lateinamerikanischer neo-extraktiver Ökonomien in post-extraktive Volkswirtschaften, d.h. in Volkswirtschaften, die auf die Abkehr von der extraktiven Abhängigkeit ausgerichtet sind (Gudynas 2011b).
Die meisten dieser Auffassungen verteidigen eine lokale, partizipatorische und plurale Konstruktion des regulativen Ideals von buen vivir als einer Collage aus indigenen, bäuerlichen, gewerkschaftlichen, solidarischen, kooperativistischen, feministischen, pazifistischen, ökologischen, sozialistischen, befreiungstheologischen, dekolonialen usw. Konzeptionen, damit die territorialen Ausprägungen des buen vivir in einer pluralen Welt koexistieren können.
Der Post-Development-Ansatz misst der Rolle der Zivilgesellschaft und insbesondere den sozialen Bewegungen bei der Definition und Umsetzung von buen vivir große Bedeutung bei. Diese Bewegungen betrachtet er als die wichtigsten politischen AkteurInnen. Sie sollten von den Regierungen Lateinamerikas gehört und respektiert werden, unabhängig vom Grad der politischen Repräsentation in Parlamenten, den sie erreichen können. Außerdem streben sie den Aufbau einer biozentrischen Gesellschaft an, in der die Natur und ihre Interdependenz mit der Menschheit eine zentrale Rolle spielen (Gudynas 2009).
Die Intellektuellen, die diese Auffassung von buen vivir verteidigen, werden von einigen der anderen beiden Strömungen beschuldigt, ihnen fehle politischer Pragmatismus, sie seien von einem gewissen Nihilismus durchdrungen und in einem Diskurs von romantischem Ökologismus gefangen (Correa 2007). Außerdem hätten sie die ursprüngliche Bedeutung des buen vivir verzerrt, indem sie diese mit westlichen Inhalten gefüllt hätten, die der andinen Kosmovision fremd seien (Oviedo 2011). Dieser letzte Vorwurf ergibt sich aus der Tatsache, dass dieses Konzept des buen vivir durch seinen glokalen Charakter auffällt, der sich aus dialektischen Prozessen der gegenseitigen Befruchtung mit anderen Vorschlägen für soziale Transformation aus verschiedenen Teilen der Welt auf der Suche nach möglichen (wünschenswerten und legitimen) Strategien für einen radikalen sozial-ökologischen Umbau ergibt. Unter diesen Transformationsvorschlägen stechen jene hervor, die in der Literatur der ökologischen Ökonomie und politischen Ökologie versammelt sind, wie degrowth, „Fröhliche Genügsamkeit“ (s. z.B. Rabhi 2013), das lateinamerikanische sumak kawsay, das indische (Öko-)swaraj oder das afrikanische ubuntu (s. z.B. Kakozi 2015). Zu nennen sind ferner übergreifende Visionen wie der Konvivialismus (Adloff & Leggewie 2014; Illich [1973] 1975) oder das Aufkommen der kollaborativen commons als eines ökonomischen Paradigmas, das mit dem Kapitalismus konkurrieren kann (s. z.B. Rifkin 2014).
Schlussfolgerungen
Diese Arbeit der Integration und Synthese verschiedener Forschungsrichtungen zeigt: In den lateinamerikanischen Diskursen gibt es fünf verschiedene Bedeutungen von buen vivir, die den drei verschiedenen historischen Momenten der Entstehung, der Institutionalisierung und der Veränderung entsprechen. Diese Erkenntnis erlaubt eine progressive Neudeutung des Konzepts.
Als erstes sehen wir ein ursprüngliches buen vivir, verstanden als sumak kawsay oder holistisches und harmonisches Leben. Es entspricht dem Moment des diskursiven Entstehens im ecuadorianischen Amazonasgebiet als Diskurs, der einen alternativen Vorschlag zur Entwicklungsideologie propagiert. Es wurde von der OPIP (Organización de Pueblos Indígenas de Pastaza im Amazonastiefland Ecuadors) und westlichen Anthropologinnen entwickelt und durch internationale NRO im lateinamerikanischen andin-amazonischen Umfeld vermittelt.
An zweiter Stelle steht das hybride buen vivir, zweideutig verstanden als ein gesellschaftliches Ziel vergleichbar der Wohlfahrt. Wir ordnen es dem Moment seiner diskursiven Institutionalisierung in den verfassungsgebenden Versammlungen Ecuadors und Boliviens zu. An dieser Institutionalisierung nahmen die sozialen alternativen Bewegungen, einschließlich der indigenen Bewegungen, und die neuen nationalen progressiven politischen Eliten teil.
Die folgenden drei Typisierungen entstanden als diskursive Abweichung vom hybriden buen vivir und korrespondierten dann mit der historischen Phase der diskursiven Veränderung des buen vivir:
- Eine dritte Interpretation bezeichnen wir als indigenes buen vivir. Wir verstehen es als Versuch der Wiederherstellung traditioneller indigener Weltanschauungen mit mehr oder weniger essenzialisierten Vorstellungen von sumak kawsay, suma qamaña oder allin kawsay, die aus den lateinamerikanischen indigenen Bewegungen und den mit ihnen verbundenen lateinamerikanischen dekolonialistischen Intellektuellen hervorgingen.
- Viertens haben wir ein sozialistischetatistisches buen vivir, verstanden als Sozialismus des sumak kawsay, kommunitären andinen Sozialismus, „schönem Leben“ und Sozialismus des buen vivir. Es entstand in den Regierungen Ecuadors und Boliviens und ist stark von den mit ihnen verbundenen lateinamerikanischen neomarxistischen Intellektuellen geprägt. Manche KritikerInnen sehen in ihm einen neo-extraktiven Developmentalismus.
- Die fünfte Interpretation finden wir im buen vivir der PostDevelopmentDiskurse. Sie stellt eine Utopie dar, die territoriale Ausprägungen von buen vivir (buenos convivires) zusammenführen soll. Sie wurde durch Intellektuelle des PostDevelopment und in den lateinamerikanischen sozialen Bewegungen entwickelt. Getragen wird sie speziell von ÖkologInnen, den übrigen globalisierungskritischen sozialen Bewegungen und der globalen intellektuellen Strömung des PostDevelopment.
Buen vivir erscheint so als Pentaeder, dessen jede Seite eine diskursiv unterschiedliche Bedeutung repräsentiert. Diese Bedeutungen variieren im Laufe der Zeit. Ihr gemeinsamer Sinnhorizont ist allerdings eine zu den hegemonialen kulturellen Modellen und ihren Interpretationen der Entwicklung alternative kulturelle und politische Matrix. Dieser Pentaeder dient als Interpretationsschlüssel für die verschiedenen Beiträge zur Debatte um das lateinamerikanische buen vivir. Er erlaubt es, die Grenzen und Möglichkeiten von Dialog und diskursiven Koalitionen zwischen diesen Beiträgen klarer zu verstehen, um alternative kulturelle Modelle jenseits konventioneller Entwicklung zu entwerfen. Eine solche Analyse kann durchgeführt werden, indem man in die Vergangenheit blickt und daraus Schlussfolgerung für die Zukunft zieht. Es geht also darum, aus den Lehren, die sich aus dem bisherigen Verlauf der Diskurse über buen vivir in den zwei Jahrzehnten ihrer Existenz ergeben, nach den unerforschten Möglichkeiten der Transformation zu fragen, die buen vivir in der Zukunft bieten könnte.
Darüber hinaus zeigt die historische Entwicklung der vorgestellten Diskurse die strukturellen Grenzen für die Umsetzung von buen vivir als „Alternative zur Entwicklung“ im Bereich von Politik und Staatsführung. Verstanden als ein politisches Programm ging buen vivir in der Praxis nicht über die Grenzen des konventionellen Entwicklungsmodells hinaus. Es wurde mehr oder weniger effektiv von einem neo-keynesianischen Staat verwaltet. Dies führte zu einer Stärkung der bestehenden Machtkonstellationen und zur Trägheit und strukturellen Abhängigkeiten vom aktuellen Modell, dessen Nachhaltigkeit auch über ökologische Fragen hinaus umstritten ist. Andererseits gelang es, historisch marginalisierte soziale Gruppen einzubeziehen. So entstanden neue, progressive politische Eliten subalterner Herkunft, z.B. politische Zusammenschlüsse wie die Alianza PAÍS in Ecuador, die Movimiento al Socialismo (MAS) in Bolivien oder die inzwischen aus Guerilla-Verbänden zu politischen Parteien umgeformten Frente Sandinista de Liberación Nacional (FSLN) in Nicaragua und Frente Farabundo Martí para la Liberación Nacional (FMLN) in El Salvador.
Andererseits fördern die ursprünglichen und indigenen Konzeptionen von buen vivir oder sumak kawsay in den Territorien, in denen sie bereits vor ihrer Entstehung als zeitgenössische Diskurse existierten, die Entstehung sozialer Beziehungen, die Alternativen zum hegemonialen Entwicklungsmodell aufzeigen, und inspirieren soziale und politische Experimente in Nischen alternativer Praktiken in anderen Teilen der Welt. Jedoch bleiben diesen Diskursen jegliche Überschneidungen mit nationalen und globalen politischen und wirtschaftlichen Makrostrukturen fremd.
Die interessantesten Auswirkungen der Diskussion über buen vivir in ihren verschiedenen Beiträgen und in den verschiedenen Stadien ihrer Entstehung und diskursiven Transformation sind also diejenigen, die sich auf kulturelles Lernen beziehen. Dazu gehört auch die Schaffung einer politischen Utopie, die mit dem Konzept der Entwicklung (als Ideologie verstanden) in Dialog tritt, die aber gleichzeitig darüber hinausgeht (Vanhulst & Beling 2014). In der Tat kann buen vivir als das erste großangelegte Experiment einer Kommunikation zwischen modernen und nichtmodernen Konzeptionen des guten Lebens betrachtet werden, zwischen Konzeptionen also, die unter dem eurozentrischen Prisma der Traditions- versus Modernitätsdichotomie als antagonistisch betrachtet wurden. Dies hat Auswirkungen im institutionellen und materiellen Bereich, die über reine Rhetorik hinausgehen.
Buen vivir ist somit Ausdruck einer kulturellen Wende, die sich aus einem erhellenden Paradox ergibt: Das kulturelle Erbe der indigenen Traditionen der Region, das sich historisch (und noch heute) als mit dem Entwicklungsparadigma unvereinbar betrachtet, wird jetzt als der Schlüssel für dessen Erneuerung und erneute Legitimation neu interpretiert (Carballo 2015). Tatsächlich ist die Besetzung des buen vivir mit seinem kulturellen Erbe (Zirkularität, Beziehungsfähigkeit, Biozentrismus, Ganzheitlichkeit usw.) in den akademischen Bereich der Entwicklungsstudien vorgedrungen und zeigte die Grenzen der Organisationsprinzipien des konventionellen Entwicklungsparadigmas auf (Linearität, Individualismus, Anthropozentrismus, instrumentelle Rationalität usw.). Auf diese Weise fordert dieses subalterne Konzept das hegemoniale Konzept von Entwicklung europäischen Ursprungs (und den Dialog damit) heraus. Dies war und bleibt seine wesentliche Performativität als Diskurs.
Darüber hinaus leben die vielfachen gegenhegemonialen Kräfte, die buen vivir als ein Projekt radikaler sozialer Transformation verteidigt haben, in den lateinamerikanischen sozialen Bewegungen und in Teilen der Akademie und der regionalen und globalen Deutungssphären fort. Sein größtes Zukunftspotenzial liegt in der Erkundung möglicher diskursiver Synergien und in der gegenseitigen Befruchtung mit anderen, mehr oder weniger radikalen Transformationsdiskursen oder Diskursen des soziokulturellen und politischen Wandels, z.B. degrowth, Post-Development, Post-Kapitalismus, collaborative commons, glückliche Nüchternheit, Konvivialismus usw., aber auch mit reformistischen Diskursen wie „Human Development“, „Entwicklung als Freiheit“, „Kreislaufwirtschaft“, „Glücksökonomie“, der „Wirtschaft des Gemeinwohls“ usw. (s. Beling u.a. 2018).
Verschiedene akademische Bemühungen tragen zu diesem Zweck bei, indem sie die intellektuellen und soziokulturellen Quellen, die relevanten Faktoren in der Entstehung und die kulturellen und politischen Effekte der Transformationsdiskurse über buen vivir identifizieren (s. Beling & Vanhulst 2016; Cubillo-Guevara 2016; Hidalgo-Capitán & Cubillo-Guevara 2017). Von Bedeutung sind auch diejenigen, die versuchen, die strukturellen Blockaden und das Beharrungsvermögen zu verstehen, die bottom-up-Transformationen blockieren, und Möglichkeiten suchen, diese Unbeweglichkeit zu durchbrechen.
Sowohl diese intellektuellen Erkundungen einerseits als auch die sozialen Experimente sozial-ökologischer Utopien, die in der täglichen Praxis gelebt werden (indigene Gemeinschaften, Ökodörfer, transition towns, die slow-food-Bewegung, Gruppen, die Zeitbörsen und Regionalgeld nutzen, usw.), andererseits sind Teil des politischen und kulturellen Kampfes und Widerstands gegen das vorherrschende Modell von Entwicklung. Dieser Kampf und dieser Widerstand sind in der Region weiterhin stark verankert und inspirieren sogar Prozesse der kollektiven Selbstreflexion in anderen Teilen der Welt.
Von den AutorInnen autorisierte Übersetzung aus dem Spanischen: Jörg Handrack
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Anschriften der AutorInnen:
Ana Patricia Cubillo-Guevara
anapcubillo@telefonica.net
Julien Vanhulst
julien@ucm.cl
Antonio Luis Hidalgo-Capitán
alhc@uhu.es
Adrián Beling
abeling@flacso.org.ar
Peripherie, Nr. 149, 38. Jg., 1/2018, Verlag Barbara Budrich, Leverkusen.
[1] Le Quang & Vercoutère 2013; Vanhulst & Beling 2013a; 2013b; 2014; Hidalgo-Capitán & Cubillo-Guevara 2014; Cubillo-Guevara u.a. 2014; Vanhulst 2015; Cubillo-Guevara 2016; Hidalgo-Capitán & Cubillo-Guevara 2017.
[2] Z.B. Beling & Vanhulst 2016; Cubillo-Guevara 2016; Cubillo-Guevara u.a. 2016; Vanhulst 2015; Vanhulst & Beling 2014; Vanhulst & Zaccai 2016.
[3] Aus Platzgründen können wir die Analyse der raum-zeitlichen Kontextualisierung der verschiedenen laufenden Diskurse, die wir in mehreren früheren Arbeiten entwickelt haben und die die Basis dieser Synthese bilden, hier nicht leisten. Um diesen fundamentalen Aspekt der Analyse der Entstehung der Diskurse über buen vivir abzudecken, senden wir die zitierten Texte den LeserInnen gerne zu.
[4] Diesen originalen Diskurs haben Cubillo-Guevara & Hidalgo-Capitán (2015a) „genuin“ genannt. Wir ziehen hier den Terminus „ursprünglich“ vor, um den Blick auf seine Bedeutung in Bezug auf jede mögliche essenzialistische Lesart zu richten.
[5] „Shiir waras“ bzw. „penker pujustin“ kommen von den indigenen Völkern der Achuar bzw. der Shuar, die im peruanischen und ecuadorianischen Amazonasgebiet leben. Sie sind gleichbedeutend mit den Konzepten wie sumak kawsay in Kichwa und el küme mongen in Mapuche. Sie alle (und andere) sind die indigenen Quellen von buen vivir.
[6] Diese hier vorgeschlagene Kategorisierung birgt das unvermeidliche Risiko, die mehr oder weniger subtilen Unterschiede zwischen den DenkerInnen als VertreterInnen der genannten Strömungen auszublenden. Das gilt besonders für das indigene buen vivir, in welchem beispielsweise die Auffassungen und Positionen bzgl. der Moderne stärker variieren, als es unsere Verallgemeinerungen vermuten lassen.
[7] Caria & Domínguez 2014; Gudynas 2012; Radcliffe 2012; Vanhulst & Beling 2014.
[8] Diese diskursive Strömung bewegt sich in einem globalen intellektuellen Feld, das breit, heterogen ist und expandiert. Dazu gehören auch ExponentInnen, die nicht aus Lateinamerika kommen, etwa Wolfgang Sachs, Vandana Shiva, Martínez-Alier und Aram Ziai; s. den Post-Development-Reader (Rahnema & Bawtree 1997). Erwähnenswert ist auch das Post-Development-Wörterbuch, herausgegeben von Ashish Kothari, Ariel Salleh, Arturo Escobar und Federico Demaria, dessen Veröffentlichung für 2018 erwartet wird.