Keywords: migration, immigrant parents, othering, education, family recognition
Schlagwörter: Migration, Eltern mit Migrationshintergrund, othering, Bildung, Anerkennung der Familie
Das Bildungsversprechen, das den entwicklungspolitischen Diskurs auf globaler Ebene dominiert, weist interessante Analogien zum migrationspolitischen Diskurs in Deutschland auf, in dem die „Integration durch Bildung“ die Lösung aller Probleme zu sein scheint. Während in Entwicklungsdiskursen das, was unter „Entwicklung“ zu verstehen ist kaum zufriedenstellend definiert ist, wird im Migrationsdiskurs der Integrationsbegriff in seiner Bedeutung maßlos überfrachtet und doch nie klar abgegrenzt. Integration wird vielmehr als politischer Kampfbegriff eingesetzt, wobei die formale Bildung als die wirkungsvollste Waffe gegen die Herausforderungen der Integration angepriesen wird. Dabei bleibt der Integrationsbegriff im politischen und öffentlich-medialen Diskurs mit voller Absicht unklar. Der Referenzrahmen und der Raum, in dem Integration vollzogen werden soll, ist selten deutlich abgesteckt, und die Ziele, die durch die Integration erreicht werden sollen, sind – bis auf die Doktrin der Sprachfähigkeit – konturlos.
Heute ist die Bildungsbenachteiligung von Kindern mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem immer noch unbestreitbar. Der ihnen und ihren Familien versprochene soziale Aufstieg durch Bildung ist angesichts ihrer faktischen Position auf dem Bildungs- und Arbeitsmarkt unglaubwürdig (Diefenbach 2010; Beauftragte der Bundesregierung 2021: 67f; Scherr 2022). Es ist daher erstaunlich, welcher große Zauber formalen Bildungsabschlüssen im öffentlichen Diskurs nachgesagt wird. Das Heilsversprechen, das mit dem Bildungsabschluss verknüpft ist, geht über Individuation, Emanzipation bis hin zur Integration und stellt somit für alle Migrant:innen unbestreitbar die einzige Eintrittskarte in die Gesellschaft[1] dar. Besonders überzeugend sind dabei über alle Kanäle neuer und alter Medien präsentierte, biographische Erzählungen von sozial aufgestiegenen Migrationssubjekten, die eben diese Eintrittskarte erworben haben und nicht zufällig auch weitere Merkmale tragen, welche sie zu positiven Vorbildern qualifizieren.
Im Gegensatz zu diesen vorgeführten Migrationssubjekten haben Bildungsverlierer:innen im deutschen Bildungssystem keine Gesichter und treten nur im Plural in Form von Anteilswerten auf, wie etwa die hohen Anteile von Schulabbrecher:innen, von Schüler:innen in Haupt- und Förderschulen oder von solchen, die die Schullaufbahn ohne Abschluss verlassen[2] (OECD 2019). Gesichtslos sind auch diejenigen Migrationssubjekte, die ohne formale Bildungsabschlüsse durch unternehmerische Aktivitäten vom Einzelhandel bis zu größeren Unternehmen ihren Lebensunterhalt verdienen und oftmals als erste Anlaufstelle für Migrant:innen und Geflüchtete dienen, welche auf der Suche nach einer Erwerbsmöglichkeit sind. In der Bevölkerung mit Migrationshintergrund sind aber gerade diese Erfolgskarrieren sowohl immer häufiger anzutreffen, wie Auswertungen des Mikrozensus belegen (Sachs 2020), als auch in den Zukunftsvorstellungen vieler Eltern deutlich manifester als der Typus des Bildungsaufsteigers, der vom deutschen Bildungssystem versprochen und von der Migrationspolitik angepriesen wird. Anders als der Aufstieg durch Bildung ist der durch wirtschaftliche Aktivitäten erreichte finanzielle Wohlstand als Zukunftsentwurf kompatibel mit familienbezogenen Werten und wird daher im Familiensystem eher als funktional betrachtet. Daher halten Familien mit Migrationserfahrungen den Anrufungen des Bildungssystems und dem migrationspolitisch vorgegeben Pfad zur Integration die Anerkennung des Familiensystems entgegen, die familiensolidarisch-kollektivistische Qualitäten betont (Çıtlak 2022: 8). Denn insbesondere im transnationalen Kontext spielen formale Bildungsabschlüsse oftmals nur eine nachrangige Rolle. Hingegen sind finanzielle und praktische Ressourcen, die durch selbständige (wirtschaftliche) Tätigkeiten erzielt werden, besser geeignet, andere Familienmitglieder zu unterstützen und dadurch Anerkennung und Respekt innerhalb des Familiensystems zu erlangen. Diese Diskrepanz zwischen den Anrufungen des formalen Bildungssystems und den Anerkennungsstrukturen des Familiensystems, die bislang weder hinreichend reflektiert noch gesellschaftlich ausgehandelt wurde, gilt es offenzulegen.
Das Versprechen vom Aufstieg durch Bildung
Die Diskussion über den Aufstieg durch Bildung wird unter Ausschluss derjenigen geführt, um die es geht. Sowohl migrantische Kinder und Jugendliche als auch ihre Eltern sind in diesem Diskurs „subalterne Subjekte“, d.h. sie werden nicht-erhört und nicht-gesehen. Dabei wird unentwegt über sie gesprochen, ihre Leistungen gemessen, ihre Neigungen analysiert, ihr Glauben bewertet und basierend auf diesen Vermessungen werden Mutmaßungen bezüglich ihrer Präferenzen aufgestellt. Selbst wenn sie immer wieder neue Sprachkanäle ausprobieren, wie z.B. postmigrantische Eltern, die versuchen ihren Wunsch nach einer bilingualen Bildung im deutschen Schulsystem gemeinschaftlich zu artikulieren, wird das Zuhören selbst hegemonial strukturiert und ihre Bemühungen ignoriert. Dieser Zustand zeigt aber auch, dass die Narrationen über migrantische Bildungsaufsteiger:innen für „das Publikum“ ohne Migrationshintergrund gemacht sind und dem Zweck dienen, Bildung als einzigen Aufstiegsweg in der Migrationsgesellschaft zu markieren. Für die Migrationssubjekte sind diese Erzählungen kaum glaubwürdig. Die Darstellungen von Einzelnen, die die soziale Leiter erklimmen, und die ständige Affirmation von Problemen, die Gruppen von Menschen, als deren Mitglieder sie gelesen werden, verursachen, ruft Widerstand sowohl bei den Heranwachsenden als auch ihren Eltern hervor. Die Ambivalenz dieser Anrufungen, die sowohl medial als auch über verschiedene gesellschaftliche Systeme an sie herangetragen wird, greift sowohl ihre personelle als auch ihre soziale Identität an.
Die Migrationsforschung der letzten Jahrzehnte betont die Vielfalt der Migrationsgesellschaft. Daran angelehnt findet eine ambivalente Auseinandersetzung mit herkunftsspezifischen Ungleichheitsverhältnissen im Bildungssektor statt, die sich auf allen Ebenen einerseits um eine einheitliche Ansprache bemüht und andererseits strukturelle Problemlagen wiederholt einzelnen Sprach- und Herkunftsgruppen zuweist. Auch sind Argumente, die sich auf eine religiöse Vereinheitlichung beziehen und den Erziehungsstil im Islam als Erklärung für den geringeren Bildungserfolg nahelegen, heute genauso prominent wie vor vierzig Jahren und unterliegen dabei der gleichen Vereinfachung. Auf die negativen Zuschreibungen reagieren „als muslimisch markierte Subjekte“ mit unterschiedlichen Strategien, die alle mit der Tatsache einhergehen, dass „die Religion des Islam […] als Ausgangspunkt für die eigene Identitätsbeschreibung (wieder) relevant“ wird „und sei es nur wegen der aktiven Distanzierung von ihr“ (Foroutan 2020a: 31). Breit angelegte repräsentative Befragungen zu Einstellungen innerhalb der Mehrheitsgesellschaft untermauern den Grad der Anders-Machung von Muslim:innen, während empirische Untersuchungen zu Einstellungen in der Migrationspopulation ihre unzureichende symbolische Integration belegen (ebd.: 23f). Die Forschung der letzten zwanzig Jahre weist außerdem im Bildungssektor auf strukturelle und individuelle Diskriminierung hin, die sich u.a. in Einstellungen von Lehrer:innen nachweisen lassen, die „[…] stereotypisierende, ablehnende und feindselige Haltungen und Einstellungen zum Islam und zu Muslim*innen“ haben (Karakaşoğlu 2020: 99).
Nicht nur die pauschale Kategorisierung als Muslim:innen, die seit den 1990er Jahren europaweit vollzogen wurde, sondern auch die Stigmatisierung bestimmter Herkunftsgruppen führt zu Diskriminierung im Schulkontext. Es ist daher festzuhalten, dass heute Kinder aus z.B. vietnamesischen Familien im deutschen Bildungssystem andere Bedingungen vorfinden als Kinder aus türkeistämmigen Familien. Die Andersmachung türkeistämmiger Menschen hat im deutschen Migrationsdiskurs eine lange Geschichte, die sich anfangs auf den Arbeitsmarkt (Bommes & Scherr 1991) bezog, später auf den Bildungssektor übertragen wurde (Radtke 2004) und dort bis heute fortwährend reproduziert wird. Es ist daher angemessen eine rassismustheoretische Auseinandersetzung mit dem Thema anzugehen, die nicht auf die zugeschriebenen „Gruppenmerkmale“ türkeistämmiger Eltern und Kinder fokussiert, sondern auf die Motivationen, die sich hinter dem Festhalten an eigenen Privilegierungen der Mehrheitsgesellschaft verstecken (Leiprecht 2016). Denn
„Rassismus in der postmigrantischen Gesellschaft dreht sich nur an der Oberfläche um Migration – tatsächlich geht es um die Aushandlung von Anerkennung, Chancengleichheit und Teilhabe, die als umkämpfte Güter auch von Migrant*innen, ihren Nachkommen sowie anderen zu lange marginalisierten Gruppen beansprucht werden“ (Foroutan 2020b: 18).
Reformversuche im Bildungssektor, die die Privilegierungen von Gymnasien angehen, ebenso wie lokale Bemühungen, die Segregation im Schul- und Vorschulkontext aufzulösen, stoßen daher auf Gegenwehr und lassen sich – trotz empirischer Belege ihrer nachteiligen Wirkungen auf die Bildungschancen von insbesondere mehrsprachigen Kindern – nicht durchsetzen (Mannitz & Schneider 2014: 74f).
Auf der individuellen Ebene weisen neuere Forschungsergebnisse zu der Frage, wie Diskriminierungserfahrungen im Bildungskontext von Schüler:innen mit Migrationshintergrund verarbeitet werden, darauf hin, dass rassistische Erfahrungen sowohl von außen individualisiert und abgewertet werden, als auch von den Schüler:innen selbst mit dem Ziel bagatellisiert werden, das eigene Selbstwertgefühl und das Gefühl der Zugehörigkeit zu bewahren (Leiprecht 2016: 237). Wenn es für Schüler:innen schamhaft ist, über ihre eigene Diskriminierung zu sprechen und wenn Eltern die strukturellen Mechanismen der Andersmachung im Bildungssystem nur dann umgehen können, wenn sie den negativen Zuschreibungen über ihre eigene Sprachgruppe zustimmen und wenn neben alldem ihre eigene Bildungsbenachteiligung noch als Hauptargument dafür hinhalten muss, dass ihre Kinder benachteiligt werden, ist Widerstand eine naheliegende Reaktion.
Türkeistämmige Eltern als subalterne Subjekte
Die Bezeichnung „subalterne Subjekte“, die Gayatri Chakravorty Spivak (2008) in Anlehnung an Antonio Gramsci einführte, hat vor einiger Zeit zu der Diskussion geführt, ob diese Bezeichnung auch für im globalen Norden lebende Migrant:innen zutreffend sein könnte. Auch Spivak selbst wurde mehrfach mit dieser Frage konfrontiert und hat, wie Nikita Dhawan (2007) zusammenfassend darlegt, sich permanent und vehement dagegen ausgesprochen, da die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit allein – selbst, wenn diese benachteiligt und diskriminiert ist – nicht ausreichend sei, um die Personengruppe als „subaltern“ zu bezeichnen. Spivaks Hauptargument bezog sich dabei nicht auf die Definition der subalternen Person, sondern auf die Konsequenzen, die eine solche Bezeichnung mit sich bringen würde. Die Migrant:innen im Globalen Norden als neue Subalterne zu bezeichnen hätte also den gleichen Effekt wie die Alibi-Funktion der postkolonialen Perspektive. In dem Zusammenhang wurde kritisch angemerkt, dass Modebegriffe wie „Postkolonialität“ und postkoloniale Theorie paradoxerweise dem Westen dabei behilflich sind, die eigene Vergangenheit und ihre Folgen in der Gegenwart „in Ordnung zu bringen“ und dabei vor allem der Karriere und Profilierung der Intellektuellen der „ersten Welt“ dienen (Dhawan & Castro Varela 2009: 305). Spivaks Kritik an der Bezeichnung von Migrant:innen und Geflüchteten als neue subalterne Subjekte hat weitere Facetten: Zum einen führt die Fokussierung auf Migrant:innen in den meisten Metropolen des Westens dazu, dass die globalen kapitalistischen Ausbeutungsverhältnisse, die sich hinter dieser Kulisse abspielen unterbelichtet bleiben. Zum anderen werden die nach Spivaks Definition „eigentlichen“ Subalternen, diejenigen also, die in ländlichen Regionen des globalen Südens geblieben sind und weiterhin unverändert ausgebeutet werden, durch diese Fokussierung ausgeblendet. Die Auseinandersetzung mit migrantischen Intellektuellen erzeugt außerdem den Eindruck, die Anliegen der selbsterklärten Subalternen erhört zu haben und bietet das gute Gewissen über den Rest (alles, was im Hintergrund abläuft) nicht weiter nachdenken zu müssen (Spivak 2002; 2008: 127f).
Allerdings spricht einiges dafür, dass insbesondere Menschen mit Migrationsgeschichte, die der bildungsfernen Arbeiterklasse angehören und jene, die als Angehörige einer stigmatisierten Herkunftsgruppe bezeichnet werden müssen, durchaus subalterne Subjekte sind. Dafür spricht die Tatsache, dass ihre Bildungsvorstellungen, ihre Definitionen davon, wie eine „kultivierte Person“ sein sollte, keinen Anschluss an den Bildungsdiskurs hierzulande finden und so nicht-erhört bleiben. Die in kollektivistischen Kulturen des globalen Südens (Kağıtcıbaşı 2017: 827f; Çıtlak 2022: 4f) ebenso wie in der Arbeiterschicht westlicher Kulturen (Aytekin & Boger 2016: 121) geschätzten Persönlichkeitseigenschaften und parentalen Sozialisationsziele wie Respekt, kulturell angemessenes Benehmen, Verbundenheit und Hilfsbereitschaft finden in der bürgerlichen formalen Bildung im Westen keine Beachtung (Çıtlak u.a. 2008). Diese Eigenschaften werden sogar als minderwertig gelesen, ebenso wie die Bildung, die in den Familien Kindern zuteil wird, abgewertet wird. Im Gegensatz zu der familiären Bildung der nicht-migrierten Arbeiterklasse wird die Bildung in Migrationsfamilien, d.h. die Orientierung an klassen- und kulturspezifischen Maximen als Zeichen von fehlender Integration gelesen und in Form von unwiderruflichen Konsequenzen rückgemeldet. Der wohl eingängigste Beleg dafür ist die unfassbare „Erklärungskraft“ des Indikators „Zuhause gesprochene Sprache“ im Bildungsbericht der Bundesregierung, der andere migrationsbedingte Merkmale ablöst und eine neue Differenzlinie entlang migrantischer Schüler:innenschaft markiert. Dass Kinder, die zu Hause ihre Muttersprache sprechen, deutlich schlechter im Bildungssystem abschneiden, nimmt wieder einmal die Eltern in Verantwortung und unterstreicht außerdem den monolingualen Habitus des deutschen Schulsystems (vgl. Gogolin & Nauck 2013). Zudem wird der Wunsch, den viele Eltern mit Migrationsgeschichte haben, ihr Kind möge bilingual aufwachsen, dabei gänzlich ignoriert.
Gleichsetzung von Bildungserfolg mit Integration
Die Gleichsetzung von Bildung mit Integration basiert erstens auf der Annahme, dass der gleichberechtigte Zugang zu Bildung soziale Ungleichheit aufheben könne, und zweitens darauf, dass die erfolgreiche Schulkarriere quasi natürlich zu mehr Integration führen werde. Die erste Annahme, die sich sehr hartnäckig im dominanten Diskurs um Integration hält, wurde bereits vor fast fünfzig Jahren von dem französischen Soziologen Raymound Boudon widerlegt. Mit Hilfe von Modellrechnungen zeigte er auf, dass auf nationaler Ebene Bildungsexpansion und Wirtschaftswachstum unabhängig voneinander verlaufen können, d.h. ohne dass die eine Entwicklung einen Einfluss auf die andere haben muss (Boudon 1974: 9). Der von ihm vorausgesagte fehlende statistische Zusammenhang kann heute mit den Daten der Weltbank für die Mehrheit der Nationalstaaten bestätigt werden, in denen der Wohlstand (BIP) und die Bildungsexpansion in den letzten Jahrzehnten permanent anstiegen (z.B. Indien, China, Russland), während zugleich die Schere zwischen arm und reich (Gini-Quotient) dramatisch auseinander ging. Für Migrant:innen in Deutschland führen die ungleichen Bedingungen des Arbeitsmarktzuganges bzw. die auf dem Arbeitsmarkt wirkenden Selektions- und Diskriminierungsprozesse zur Entwertung ihrer Bildungsabschlüsse. Daraus ergeben sich nicht nur ungleiche Berufs- und Karrierechancen, sondern auch eine höhere Armutsgefährdung. So waren nach Berechnungen des Mikrozensus 2019 Menschen mit Migrationshintergrund und Abitur häufiger armutsgefährdet (20 %) als Menschen ohne Migrationshintergrund und Hauptschulabschluss (16 %) (Statistisches Bundesamt 2020: 342f). Wodurch schon die zweite Schwachstelle in der Argumentationskette des dominanten Narrativs von Bildung als einzigem Weg zur Integration in Erscheinung tritt, nämlich der „Imperativ der Integration“, der bereits in den 1970er und 1980er Jahren für die damaligen Gastarbeiter:innen und deren Nachkommen aufgestellt wurde (Bojadžijev 2012) und bis heute als alleinige Bringschuld von Migrationssubjekten angesehen wird. Der Integrationsauftrag wird nur dann erfüllt, wenn Migrationssubjekte die formale Schulbildung in Deutschland erfolgreich abschließen und anschließend sozial aufsteigen, indem sie in den ersten Arbeitsmarkt erfolgreich eintreten, möglichst viele deutsche Freunde haben, keine religiöse Orientierung haben und am besten mit ihren Kindern nur noch Deutsch sprechen. Aber wenn die Subjekte ihre für Teile der Mehrheitsgesellschaft „fremd klingenden Namen“ beibehalten, wenn sie People of Color sind und als nicht-deutsch gelesen werden, machen viele von ihnen weiterhin Erfahrungen mit Diskriminierung, insbesondere im Bildungs-, Arbeits- und Wohnungsmarkt. Wenn sie sich dagegen offen und laut wehren, laufen sie Gefahr, den Eindruck zu erwecken, doch nicht integriert zu sein. Denn oftmals wird es bereits als Zeichen von Desintegration gelesen, gemeinsam mit anderen migrantischen Menschen Interessen zu artikulieren. Nicht zuletzt auch deswegen, weil Solidarität eine kollektivistische Selbstidentifikation als Gruppenmitglied beschreibt und dem Grundprinzip des individualistisch orientierten westlichen Bildungssystems und seiner auf individuelle Leistungen ausgerichteten Bewertungsmethoden widerspricht.
Wie empirische Ergebnisse belegen, geht der Bildungsaufstieg, der als Ausdruck struktureller Integration gilt, vor allem bei Türkeistämmigen nicht mit sozialer Anerkennung einher, so dass der Weg zur symbolischen Integration für sie geebnet wäre.
„So nehmen Menschen mit Migrationsgeschichte bei höherer Bildungsmobilität allgemein weniger Diskriminierung wahr, während für türkeistämmige Menschen genau das Gegenteil der Fall ist. Weiterhin stellt sich die Frage, ob Unterschiede je nach Migrationsgeneration bestehen. Wir beobachten, dass jene Personen, die nicht in Deutschland geboren wurden (erste Generation), eher Diskriminierung angeben als Menschen der zweiten Generation. Jedoch trifft dies auf Menschen mit türkeistämmiger Migrationsgeschichte erneut nicht zu.“ (Brinkmann u.a. 2023: 2)
Offensichtlich kann weder der Bildungsaufstieg noch die biographische Verbindung mit Deutschland als Geburtsort Türkeistämmige vor Diskriminierungserfahrungen bewahren. Diese Verhältnisse legen alternative Wege zur Anerkennung nahe, die sich u.a. an der hohen Anzahl Selbständiger in dieser Herkunftsgruppe zeigt.
Im Bildungssektor sind eine fortwehrende Kulturalisierung (Gomolla & Kollender 2019) und ein anmaßendes Fremdverstehen zu beobachten, in dem die Anliegen von Migrationseltern in ihrer Abwesenheit von einigen wenigen stellvertretend artikuliert werden. Diese „Darstellung“ ihrer Interessen kann nicht mit der „Repräsentation“ ihrer Interessen gleichgesetzt werden. Ein gutes Beispiel dafür sind die Annahmen über Entscheidungen bzw. Investitionen, die in Migrationsfamilien bezüglich Bildung getroffen werden, die auf nutzentheoretische Grundlagen basieren. Die Tatsache, dass die Ergebnisse solcher Modellrechnungen die tatsächliche Einstellung dieser Gruppen nicht widerspiegeln, jedoch bildungs- und migrationspolitisch Gehör finden, kann als Argument dafür gelesen werden, dass Eltern mit Migrationshintergrund doch nicht für sich sprechen können und repräsentiert werden müssen. Wie nachfolgend gezeigt wird, gilt diese Beschreibung insbesondere für Mütter der ersten (Gast-)Arbeitergeneration und für die postmigrantischen Mütter der zweiten Generation, die als neue Subalterne weiterhin keinen Platz in dem Diskurs um ihre Kinder haben. Obwohl hier von Familienpositionen gesprochen wird, bezieht sich das nachfolgende empirische Belegmaterial auf Frauen, die in ihrer Rolle als Mütter über ihre eigene Erfahrung und ihre Erwartungen an die Zukunft ihrer Kinder befragt wurden[3]. An anderer Stelle haben wir nachgewiesen, dass innerfamiliäre Verbundenheit für türkeistämmige Mütter der zweiten Generation sogar bedeutsamer ist als für die erste und deutlich mehr Bedeutung hat als für die Vergleichsgruppe nicht-migrierter Mütter (Çıtlak u.a. 2008). Auch zeigten Ergebnisse unserer qualitativen Studie hohe Bildungsaspirationen in der zweiten Generation.
Diskriminierungserfahrungen türkeistämmiger Mütter der zweiten Generation
Im Gegensatz zu neuen Migrant:innen sind postmigrantische Jugendliche, insbesondere solche aus der Arbeiterklasse, mit der Aussichtslosigkeit ihrer Situation vertraut, nachdem ihre Eltern oftmals selbst ähnliche Enttäuschungen im Schul- und Arbeitskontext gemacht haben. Darauf weisen Ergebnisse unserer migrationsbezogenen Interviews mit türkeistämmigen Frauen der zweiten Generation[4] hin, die sich nicht nur in ihrer eigenen Schulzeit unfair behandelt und diskriminiert sahen, sondern in den meisten Fällen auch die Erwartung hegten, dass ihre Kinder ebenfalls unfair behandelt werden. Die interviewten Frauen nannten in den Gesprächen verschiedene Erfahrungen, die sich in dem Konzept des „othering“ beschriebenen Prozessen, des Fremd-Gemacht-Werdens und des Fremd-Werdens (Kluge & Bostanci 2012: 27f) zuordnen lassen. So beschrieb eine Mutter ihre schulbezogenen Erfahrungen: „Wir mussten uns nämlich richtig bemühen, um gute Noten zu bekommen, weil wir sowieso von den Lehrern als ‚fremde Kinder‘ angesehen wurden“ (M: 230). Eine andere wurde als 12-13-Jährige über eine lange Zeit hinweg in der Schule von Mitschüler:innen offen rassistisch angegangen, ohne dass die Lehrer:innen oder die Schulleitung etwas dagegen unternahmen.
„Dass zum Beispiel im Unterricht gesagt wurde, hier stinktʼs, machen Sie das Fenster auf und alles auf mich geguckt hat und solche Sachen und der Lehrer da nur saß und die Hände in den Schoß gelegt hat […]“ (M: 232)
Da ihre Beschwerde, bzw. die ihres Vaters wirkungslos blieb, wechselte sie die Schule. In dem Interview beschreibt sie weiter wie diese Ereignisse ihr Selbstwertgefühl beschädigt haben.
„[…] das war so eine der größten Kränkungen, die ich je erlebt habe. Zumal ich das auch so nicht kontrollieren konnte; ich kann´s ja nicht gutmachen oder wegmachen oder so, das war so das Schlimmste, und ich hatte so den Eindruck, ich konnte mich so nicht wehren. Ja, also, so rehabilitiert fühlte ich mich da nie, hatte dann auch Schwierigkeiten, neuen Kontakt und so herzustellen zu den Mitschülern“ (M: 232)
Im Verlauf des Gesprächs erläutert sie, wie diese Ereignisse in ihrer Schulzeit sie zu der Haltung geführt haben, die sie heute einnimmt, wenn ihr diskriminierende Ereignisse aufgrund ihrer Herkunft widerfahren. Sie habe ihre „Angst und Scheu verloren“ und „sich selbst geschworen sich immer zu wehren“. Dabei resümiert sie ihre Schilderungen mit „[…] die Lehrer haben versagt“.
Die nachfolgende Passage aus dem Interview mit einer anderen Gesprächspartnerin ist beispielhaft für othering. Einerseits wird das Fremd-Gemacht-Werden als Angehörige einer stigmatisierten Gruppe beschrieben und andererseits die positiv daherkommende, jedoch grenzüberschreitend-rassistische Bewertung ihres äußeren Erscheinungsbildes von der Interviewten kritisch reflektiert. Unsere Gesprächspartnerin antwortet zuerst auf die erste Frage bezüglich ablehnender Erfahrungen aufgrund ihrer Herkunft:
„Also grundsätzlich bin ich nicht richtig auf Ablehnung gestoßen, wobei das nicht damit zu tun hat, dass ich besser akzeptiert werde, sondern dass …ich nicht sofort als Türkin erkannt werde, dadurch dass ich halt ´ne helle Haut und helle Haare habe, ist das meistens so, dass die meisten Leute ziemlich überrascht sind, wenn ich dann sage, ich bin Türkin, und dann kommt dann die Feststellung, dass ich sehr gut Deutsch spreche […] dann, dass ich überhaupt nicht türkisch aussehe, wo die meisten dann denken, dass das ein Kompliment ist, mittlerweile es nervt mich sehr, wenn festgestellt wird, dass ich überhaupt nicht türkisch aussehe, ja …mit diesem ‚Danke Gott auf Deinen Knien, dass Du nicht so aussiehst‘ … und wenn ich zurückdenke fällt mir jetzt auf, dass ich sehr wohl anders behandelt worden bin […]“ (M: 202)
Die Interviewte beschreibt die Rassifizierung entlang kultureller, sprachlicher und äußerlicher Kategorien sowie die Hierarchisierung, die mit diesen Zuordnungen einhergeht. Ähnlich wie die vorherige Gesprächspartnerin (M: 232) interpretiert sie ihre eigene passive Haltung im Nachhinein als Naivität und geht mit sich hart ins Gericht, wie die nachfolgende Passage zeigt, in der sie von einer alltagsrassistischen Erfahrung durch Eltern ihrer Klassenkameradin berichtet:
„[…] oder, dass die Mutter von einer Freundin mir z.B., obwohl sie das bei anderen Kindern gemacht hat, das Mathebuch nicht ausgeliehen hat, ich sollte zehn Mark (als Pfand) hinterlassen, weil sie mir sonst nicht getraut hätte. So was fällt mir im Nachhinein auf und ich ärgere mich sehr darüber, dass mir das damals nicht aufgefallen ist, dass ich mich nicht habe verteidigt, das macht ja einen ziemlich dummen Eindruck so, […], dass man diese kleine dumme Türkin, die man so belabern kann, also das ärgert mich im Nachhinein sehr […]“ (M: 202)
Die Schilderungen von Diskriminierungserfahrungen in der eigenen Kindheit und Jugend gehen bei den interviewten Frauen oft mit Gefühlen der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins einher. Daraus lässt sich schließen, dass sie von den Situationen überrascht worden sind, d.h. sie keine Diskriminierung erwartet haben und davon ausgingen, wie jede andere Schülerin behandelt zu werden. Dieses vermeidliche Missverständnis hat weitreichende Folgen, wie dies von Ghassan Hage (2009) im Zusammenhang mit Erwartungen analysiert wird, die Migrant:innen an die Staatsbürger:innenschaft knüpfen. Staatsbürgerin des Landes zu sein ist mit dem Versprechen verbunden, irgendwann gleichwertig zu sein. Den Rassismus, den die erste Generation der Migrant:innen (also die Eltern der von uns interviewten Mütter) erfahren haben, beschreibt er als „Nichtanrufung“, während die Folgegenerationen, denen unsere Gesprächspartnerinnen angehören, eine negative, falsche, missverstandene Anrufung erleben.
„Eine missverstandene Anrufung ist wesentlich dramatischer und emotional komplizierter als eine negative Anrufung. Die Individuen erkennen sich in diesem Fall in der Anrufung wieder, um schließlich festzustellen, dass sie nicht gemeint sind.“ (Hage 2009: 81)
Diese Erklärung wird in der nachfolgenden Passage aus dem Interview mit einer weiteren Frau der zweiten Generation, die ihre Erfahrungen mit der Bikulturalität als Deutsch-Türkin in ihrer Kindheit als doppelte Ausgrenzung erlebte, weiter untermauert.
„[…] als Kind hatte man natürlich nicht die Vorstellung (von Bikulturalität), fand alles doof halt. Fand man ‚Türkisch sein‘ doof, dann wollte man Deutsch sein. Aber mittlerweile ist das ja so, […] dass ich das halt ja doch sehr gut umgesetzt habe. Also diese Bikulturalität sag ich mal. Blöd ist halt nur, dass man manchmal, das ist ein Nachteil, dass man in der Türkei als Mensch zweiter Klasse gesehen wird und auch in Deutschland so gesehen wird. Und das einem der deutsche Ausweis auch nicht jetzt unbedingt so viel weiterhilft.“ (M: 215)
Die Interviewte beschreiben ihre Enttäuschung darüber, dass ihre rechtliche Gleichstellung, die sie von ihrer Elterngeneration unterscheidet, und ihre positive Selbsteinschätzung, eine gelungene Bikulturalität entwickelt zu haben, für ihre vollwertige Teilhabe wirkungslos bzw. irrelevant ist und sie nicht vor Diskriminierung schützen kann. Sie hat offensichtlich die Staatsbürger:innenschaft als Voraussetzung für die vollwertige Behandlung ihrer Person missverstanden, ebenso wie den Auftrag einer gelungenen Bikulturalität. Diese Fragilität des Zugehörigkeits-Versprechens der Mehrheitsgesellschaft beschrieb eine andere Gesprächspartnerin so:
„Sachen (kulturelle Eigenarten), die denen (den Deutschen) passen, werden akzeptiert, Arbeiter, die eben arbeiten, überall arbeiten die Türken, das wird alles akzeptiert, aber dann, wenn Du irgendwie mal was Falsches machst, wirst du dann sofort als Ausländer abgestempelt. Das finde ich dann echt schade.“ (M: 208).[5]
Diese Ambivalenz der Zugehörigkeit, die sich einerseits aus vergangenen Erfahrungen mit Missachtung, Ausschluss und Erniedrigung und andererseits aus gegenwärtigen, alltäglichen Infragestellungen der Zugehörigkeit speist, beschreibt die Essayistin Enis Maci als Peitsche, die immer hervortreten kann.
„Die Figur des Kanaken ist flexibel wie eine Peitsche; ihr Zweck bleibt bestehen, sie biegt sich und bricht nie, und die Schatten vergangener Kanakenfiguren leben im schmalen Peitschenschatten weiter, sie können – das werde ich nie vergessen – jederzeit aus dem vermeintlich Hellen ins sogenannte Dunkle zurückgeholt werden.“ (Maci 2019: 199)
Die Diskriminierungserfahrungen der Interviewten und ihre Überzeugung, einer besonders stigmatisierten Herkunftsgruppe anzugehören („Türke sein ist ja schon eine Schande mittlerweile in Deutschland“, M: 216), ließen sie erwarten, dass auch ihre Kinder Erfahrungen mit Ausgrenzung im Schulkontext machen werden, in dem sie von Lehrer:innen „unfair behandelt und Kinder ohne Migrationshintergrund dafür bevorzugt“ werden (M: 228).
Auf die Frage bezüglich ihrer Erwartungen, im Schulkontext gleichwertig behandelt zu werden, erzählte eine andere Gesprächspartnerin von ihren Erfahrungen während des Elternsprechtags ihrer Nichte, die schlecht in Mathe war.
„[…] da sagte sie (die Lehrerin), das läge mit Sicherheit auch an ihrer Erziehung, weil sie wohl festgestellt hat, dass türkische Kinder grundsätzlich schlecht in Mathe sind […], so dass da so irgendwas mit diesen Mathe-Genen bei den Türken nicht stimmt, und… ich hab Nachhilfe vorgeschlagen, da sagte sie, sie wüsste nicht, in wieweit das helfen könnte, ob das nicht einfach so eine Voraussetzung (Disposition) ist, die sie mitbrachte, und das hat mich schon umgehauen […] und meine Nichte sieht auch nicht türkisch aus, aber die Lehrerin weiß das natürlich, dass sie das ist, so dass sie praktisch in diese Schublade gesteckt wurde“ (M: 202)
Die offensichtlich rassistische Erklärung der Lehrerin, die damit in ihrer beruflichen Rolle ihre Machtposition missbraucht, lässt die Vermutung zu, dass in rassifizierten (scheinbaren) Aushandlungssituationen zwischen Eltern und Schule eine eingeübte Diskriminierungspraxis gegenüber Türkeistämmigen existiert. In diesem Zusammenhang muss außerdem berücksichtigt werden, dass Bildungskontexte vom Kindergarten bis zur weiterführenden Schule insbesondere für türkeistämmige Kinder segregiert sind. Diese Entmischung hat multiple Gründe, die sowohl Wohnungsmarktdiskriminierung als auch institutionelle Diskriminierung betrifft. Durch trägerspezifische Entmischung in den Kindergärten, durch die Einzugsgebiete der Grundschulen und ihre ungleiche Verteilung über das mehrgliedrige Schulsystem befinden sie sich oft in Bildungskontexten, in denen die meisten Schüler:innen ebenfalls aus der Türkei stammen oder einen anderen Migrationshintergrund haben. Die zunehmende räumliche Segregation, die heute in der Lebenswelt der meisten Migrationsmenschen ihnen ihre symbolische Ausgrenzung vor Augen führt, steht ebenfalls ihrer Hoffnung entgegen, im Bildungssystem Chancengleichheit zu erfahren.
Widerstand durch Ablehnung von Vorbildern
Aus der amerikanischen und kanadischen Migrationsforschung lassen sich Studien anführen, die belegen, dass Community-Vorbilder, also erwachsene Personen, die aus der gleichen Herkunftsgruppe stammen, als Vorbild und Motivationsquelle für Kinder und Jugendliche dienen können (Sampson & Morenoff 1997: 16f; Cooper u.a. 2002; Wilson 2012)[6]. Diese vermuteten positiven Effekte von Vorbildern aus der Migrationscommunity ließen sich in unseren Studien mit türkeistämmigen Eltern im Ruhrgebiet allerdings nicht nachweisen. Die Ergebnisse mehrerer Elterninterviews zeigten vielmehr, dass vorwiegend verwandte Personen als Vorbilder für die eigenen Kinder genannt wurden. Diese wurden nicht aufgrund ihrer hohen Bildungsabschlüsse und beruflichen Positionen zu Vorbildern, sondern vor allem deshalb, weil sie zu materiellem Wohlstand gekommen waren und „trotz des Aufstiegs“ sich für die Belange ihrer Familienangehörigen engagierten und respektvoll gegenüber Älteren waren (Harwood u.a. 2006; Çıtlak u.a. 2008). Auffallend war zudem, dass es sich dabei häufiger um in der Türkei realisierte Aufstiegserzählungen handelte und damit die Vermutung nahe lag, dass die Narrationen vom migrantischen Aufstieg, die medial, sozial und politisch hierzulande fortwährend affirmiert werden, im Familiensystemen nicht ankommen bzw. durch „Abwertung“ im Vorfeld aussortiert wurden. Auf der individuellen Ebene kann diese Abwertung (devaluing) eine coping-Strategie darstellen (Crocker & Major 1989), um sich oder die eigenen Kinder vor den selbstentwertenden Konsequenzen der drohenden negativen Bewertung im Bildungssystem zu schützen. Auf der Gruppenebene jedoch lässt das vorliegende empirische Material auch die These zu, dass postmigrantische Eltern der Arbeiterklasse eine eigene „counter-school-culture“ (Willis [1977] 2017) entwickelt haben, die darin besteht, nur sehr wenig vom deutschen Schulsystem zu erwarten, misstrauisch gegenüber schulischen Bewertungen des Kindes zu sein und alternativen Wegen im transnationalen Raum den Vorzug zu geben. Dabei stehen der soziale Aufstieg in der Türkei sowie der über Selbständigkeit in Deutschland erreichte soziale Aufstieg als Gegenkonzepte in der Imagination der Befragten permanent an oberster Stelle. Besonders beispielhaft für diese Denkweise ist der nachfolgende Auszug aus einem Interview mit einer türkeistämmigen Mutter der zweiten Generation. Sie wurde gefragt, ob sie Personen kennt, die sie als Vorbilder für ihre Tochter ansieht. Sie nennt zuerst, dass sie Studierende im Umfeld hat, dass diese aber „schon seit langem“ studieren und nie abschließen:
„Vielleicht waren sie mal ehrgeizig und haben es nicht geschafft und quälen sich jetzt rum. […] Aber in der Türkei gibt es einige. Meine Nichten und Neffen sind Lehrer geworden. Sie haben das Studium in 4 Jahren beendet. […] Der Sohn (ihres Bruders) ist Arzt geworden und seine Tochter Lehrerin, Englischlehrerin. […] Also ja es gibt schon einige (Vorbilder).“ (E-6)
Die Interviewpartnerin gibt danach an, dass die Studierenden hier (in Deutschland) in ihrem Bekanntenkreis einen „von oben herab anschauen“ und „so komisch“ und nicht bereit sind, „anderen mit ihrem Wissen auszuhelfen“. Einerseits wird also ihre Distinguiertheit bemängelt und andererseits werden ihnen Persönlichkeitseigenschaften abgesprochen, die als positive Bestandteile einer erwachsenen Person (Hilfsbereitschaft, Respekt, Güte) anzusehen sind. Als Gegenbeispiel nennt sie ihren Bruder als geeignetes Vorbild für ihre Kinder.
„[…] mein Bruder, er ist ein ganz guter, erfolgreicher Geschäftsmann. Sehr erfolgreich. Und […] Unternehmen hat er […] Er hat auch einen […] also Geschäftsführungsposition bekommen. Und ja dann zeige ich schon mal meinen Kindern: ‚Dein Onkel guck mal, er hat euch als Vorbild zu sein. […] Er hat seine Ausbildung so toll hinter sich und jetzt führt er sein Geschäft […]‘.“ (E-7)
In dieser Passage und dem weiteren Verlauf des Interviews konstruiert die Interviewte zwei gegensätzliche Entwürfe des sozialen Aufstiegs. Auf der einen Seite die individualistisch-egoistische Aufstiegsorientierung durch Studium mit ungewissem Ausgang und Dauer in Deutschland und auf der anderen der kollektivistisch-familiensolidarische Aufstieg durch wirtschaftliche Aktivität oder durch ein Studium in der Türkei.
Dieses Muster der selektiven Bewertung von Aufstiegsprozessen, das sich in den Gesprächen wiederholt zeigte, legt zwei mögliche Interpretationen nahe. Zum einen wird der individualisierte Aufstieg durch Bildung in Deutschland als Gefährdung der Kohärenz des Familiensystems wahrgenommen und daher abgewehrt bzw. im Informationsfluss erfolgreich ignoriert. Aus der Perspektive der Eltern ist es naheliegend, danach zu fragen, welchen Nutzen eine Person für die Familie hat, wenn er/sie lediglich egoistische Ziele wie eine individuelle Karriere verfolgt und damit sogar bezweckt, das Ursprungsmilieu, die migrantische Arbeiterschicht, in der die Familie verwurzelt ist, möglichst weit hinter sich zu lassen. Es ist offensichtlich, dass die Verachtung, die mit dieser Distinktion einhergeht, weder für das Familiensystem insgesamt funktional, noch für die meisten Eltern wünschenswert sein kann.
Zum anderen ist die Gefahr des Versagens im Bildungssystem für Migrationsjugendliche der Arbeiterschicht sehr wahrscheinlich. In seiner klassischen Studie „Learning to Labour“ beschreibt Paul Willis ([1977] 2017), wie sich Jugendliche der Arbeiterschicht im England der 1970er Jahre gegen die mittelschichtsorientierte Schulkultur auflehnen und dieser eine Gegenkultur entgegenhalten. Eine derartige Gegenkultur findet sich auch in der migrantischen Jugendszene, die allerdings – im Gegensatz zu den Working-Class-Kids von Willis – nicht die sichere Alternative haben, wenn sie die Schule abbrechen, Arbeit in Fabriken zu finden, sondern buchstäblich auf der Straße landen werden (Aytekin & Boger 2016: 117).
Unter diesen Bedingungen ist in der Wahrnehmung der interviewten Eltern der Bildungsaufstieg in der Türkei oder der soziale Aufstieg durch selbständiges Unternehmertum in Deutschland sowohl erreichbarer als auch mit größerer gesellschaftlicher Anerkennung verbunden, von der das erweiterte Familiensystem im transnationalen Raum profitieren kann. Die Ressourcen, die durch den Aufstieg des Familienmitglieds ins Familiensystem hineingetragen werden, sind unter diesen Umständen möglicherweise reichhaltiger, die gegenseitige Unterstützung wahrscheinlicher, als wenn der Aufstieg durch Bildung in Deutschland realisiert wurde. Soziale Aufstiegsprozesse, die durch Selbstständigkeit erreicht werden, erlauben außerdem die Einbindung von weiteren Familienmitgliedern und eröffnen so die Chance auf innerfamiliäre Anerkennung.
In der Literatur zu postmigrantischen Eltern aus Italien findet sich eine weitere mögliche Reaktion, die ebenfalls als Counter-School Culture bezeichnet werden kann. Wie Marc Schmid (2014) in seiner qualitativen Untersuchung zeigen konnte, ignorierten einige italienische Migranteneltern die Anrufungen und Versprechen des deutschen Bildungssystems, um ihre Kinder vor möglichen selbstwerterodierenden Erfahrungen zu schützen. Sie unterstützten vielmehr ihre Kinder dabei, alternative Wege, die nicht auf den Schulabschluss angewiesen sind, zu gehen. Denn dem kaum wahrscheinlichen Ziel des Aufstiegs durch Bildung in Deutschland zu folgen, hieß für sie in erster Linie „sich klein zu machen“ (ebd.). Die hohe Rückwanderungsquote, die Verlegung der Schulbildung und/oder der Hochschulbildung in die Heimatländer sind weitere Strategien des Widerstandes gegen diese selbstwerterodierenden Erfahrungen im hiesigen Bildungssystem.
Ausblick
Der dominante Diskurs sieht in dem individuellen sozialen Aufstieg durch Bildung den einzigen Weg für die Integration von Migrant:innen und legitimiert dadurch fortwährend die Meritokratie (Hadjar & Becker 2016), also die Vorstellung, durch Bildung sei – wenn nicht alles – so doch Vieles erreichbar. Diese Narrationen werden durch Geschichten von individuellen „Bildungsaufsteiger:innen“ untermauert, jedoch bleibt offen, ob und wie viel von diesen Erzählungen bei Migrationsfamilien tatsächlich ankommt. Bisherige Forschungen zeigen vielmehr, dass die Ökonomisierung von Lebensleistungen insbesondere für die Arbeiterschicht, solche in prekären Lebenslagen und Angehörige stigmatisierter Gruppen von großer Bedeutung ist (Kurtenbach 2018; Çıtlak 2022). Für Migrant:innen spielen außerdem die sozialen, politischen und ökonomischen Verhältnisse in den Herkunftsregionen eine wichtige Rolle. Es ist zudem ersichtlich, dass die globale soziale Ungleichheit, die fortwährende Bedürftigkeit und Not in anderen Teilen der Welt hervorbringt, so auch in den Ursprungsregionen der Migrant:innen, die Auflösung ihrer Rolle als finanzieller Rettungsanker ihrer Familien nicht zulässt und sich so das Schicksalsmuster, die helfende Hand zu sein, fortwährend wiederholt und sogar als Auftrag an die Folgegenerationen weitergegeben wird. Diese transnationale Unterstützungsstruktur von Familiensystemen wird üblicherweise anhand von Geldrücküberweisungen (remittances) untersuchen, die weltweit von Migrationsfamilien in die jeweiligen Herkunftsregionen geleistet werden. Die durch die Migrant:innen erwirtschafteten finanziellen Mittel werden im Familiensystem nach systeminternen Regeln, d.h. nach Hierarchien, Verbindlichkeiten, vorherigen Leistungen, Bedürftigkeit usw. verteilt (Baraulina u.a. 2007; Sezgin 2011). In diesem Kontext ist die Frage nach der Kapitalisierung von Bildungsabschlüssen keine individuelle Angelegenheit mehr, sondern eine, die das Familiensystem insgesamt betrifft. Dass diese transnationale Familiensolidarität mit Rollenkonformität einhergeht und die Aufrechterhaltung traditioneller Familienstrukturen begünstigt, ist keine Überraschung, muss jedoch kontextualisiert betrachtet werden. Denn schließlich ist die Aufrechterhaltung von familiären Strukturen und der darin eingelassenen Hierarchien ein grundsätzliches Problem von Migrationsmenschen, die sich in rechtlich-sozial und ökonomisch prekären Lebenslagen befinden.
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Anschrift der Autorin:
Banu Çıtlak
banu.citlak@b-tu.de
https://doi.org/10.3224/peripherie.v43i2.06
Dieser Beitrag wurde im „double-blind peer-review“-Verfahren begutachtet.
[1] Der systemtheoretische Ansatz in der Migrationssoziologie, der Integration als die allgemeine Problematik jedes Individuums in der modernen, funktional differenzierten Gesellschaft entlang der Teilhabe an unterschiedlichen sozialen Systemen beschreibt (Bommes 2011: 243f) bleibt hier gänzlich unberücksichtigt.
[2] Im bevölkerungsstärksten Bundesland NRW hatten im Schuljahr 2020/21 mehr als 42 % der Schüler:innen einen Migrationshintergrund, ihr Anteil lag an Hauptschulen bei 64,1 %, an Förderschulen (Grund- und Hauptschulen) bei 31,1 %, in Realschulen bei 51 % und an Gymnasien bei 33 % (IT-NRW)
[3] Aussagen über die Einstellungen von Vätern können mit dem vorliegenden Material nicht getroffen werden.
[4] Im Rahmen der Studie wurden u.a. 25 türkeistämmige Mütter im Ruhrgebiet befragt, die in Deutschland geboren oder eingeschult worden waren. Die hier angeführten Inhalte beziehen sich auf das Migratory-Experiences-Interview, das ein teil-strukturiertes Interview ist, das Fragen zu den Umständen der Migration und den Erfahrungen beinhaltet, die im Ankunftsland gemacht wurden. Für eine vollständige Darstellung der geschilderten Diskriminierungserfahrungen Çıtlak 2014: 197.
[5] Diese Aussage wurde zehn Jahre vor den kontrovers diskutierten Twitter-Erklärungen von Mesut Özil getroffen, in denen er beschreibt, wie er als deutscher Fußball-Nationalspieler gefeiert wird, wenn die Mannschaft gewinnt, und aufgrund seiner türkischen Wurzeln zum Sündenbock gemacht wird, wenn sie verliert (Tagesschau online 2018)
[6] So beschreibt die Grünen-Politikerin Aminata Touré in ihrer lyrischen Autobiografie, dass Vorgänger:innen mit Migrationshintergrund wie Cem Özdemir sie motiviert hätten und ihr das Gefühl gaben, „keine Außerirdische zu sein“ (Touré 2021: 46).