Interview mit fünf Aktiven von Radio Dreyeckland aus Freiburg über den Alltag des Radiomachens in vier Jahrzehnten
Radio Dreyeckland feiert dieses Jahr 40-jähriges Jubliäum. iz3w sprach mit fünf Aktiven über ihre Erfahrungen mit solidarischem Radiomachen und die Frage, wie die internationalistische Bewegung Radio Dreyeckland über vier Jahrzehnte mitgeprägt hat - im praktischen Alltag des Radiomachens und in der Themensetzung.
„Freies Stimmchen der Region, im Wandel der Zeit vom Piratensender zum bürgernahen Lokalradio“, titelt die Kulturzeitschrift im Dreyeckland im Sommer 1984. Schon damals schaute man also auf die Geschichte des Senders. Dieses Jahr blickt Radio Dreyeckland auf 40 Jahre Freie Radiogeschichte. Von 1977 bis 1980 nannte es sich 'Radio Verte Fessenheim'. Bis 1988 sendete RDL ohne Lizenz als 'Piratenradio'. Zur Erinnerung: Am 4. Juni 1977 wird die erste Sendung von Radio VERTE Fessenheim ausgestrahlt vom Platz um einen besetzten Atomstrommasten. Gesprochen wird Französisch, Deutsch und Alemannisch. Antenne Freiburg von Radio VERTE Fessenheim sollte bald regelmäßig über den Wyhl-Prozess in Mannheim berichten: Die Geschichte des Senders ist eng mit der Widerstandsbewegung gegen das geplante Kernkraftwerk Wyhl in der Rheinebene am Fuße des Kaiserstuhls verbunden – wie auch mit der AntiAtomBewegung überhaupt. Wenig später waren die Häuserkämpfe in Freiburg Anlass für die Radiopiraten, „Lügen der bürgerlichen Medien aufzudecken“. Radio Verte Fessenheim verstand sich ein Stück weit als Sprachrohr der politischen Bewegungen dieser Zeit.
Zu Beginn konnte Radio VERTE Fessenheim, um den Peilern der Polizei nicht ins Netz zu laufen, nur ein paar Minuten freie Wellen über den Äther rauschen lassen. Der Gesichtspunkt, dass die Anpeilgeschwindigkeit der Staatsorgane die Länger der Sendungen bestimmte, entfiel mit dem Amtsantritt des Sozialisten François Mitterand in Frankreich. Seit er die Verfolgung der Freien Radios einstellen ließ, bestimmte der Energievorrat an Batterien die Länge der Sendungen. Ausgestrahlt wurde von Frankreich aus. Dennoch, die frühen Jahre hatten in der politischen Landschaft linker Bewegungen das Bild von Radio Dreyeckland als „Piratensender“ geprägt. Weniger bekannt ist, wie die internationalistische Bewegung Radio Dreyeckland über vier Jahrzehnte mitgeprägt hat, im praktischen Alltag des Radiomachens und in der Themensetzung. Wir sprachen mit fünf Aktiven über ihre Erfahrungen mit solidarischem Radiomachen.
Iz3w: Radio Dreyeckland erhielt seit Anfang der 1980er Jahre Anfragen aus allen Ecken der Welt, den Aufbau von Radios zu unterstützen: aus Kurdistan, El Salvador, Nicaragua, Südafrika, Neukaledonien, Surinam, um nur einige zu nennen. Wie kam es dazu?
Michael Karthäuser (MK): Wir bekamen Anfragen aus der ganzen Welt, zunächst aus europäischen Ländern wie der Türkei, Malta und Polen, später aus Afrika und Lateinamerika. Eine ganze Reihe von Projekten wurde realisiert, indem wir die Gruppen beraten und technisches Material geliefert haben. Selber war ich bei drei Projekten vor Ort dabei. Für Radio Galibi in Surinam haben Sonja und ich von 1993 bis 1995 in insgesamt neun Wochen eine komplette Radiostation für die nationale Indianerorganisation aufgebaut, samt einem 25 Meter hohen Sendemast und einem Haus. Während dieser Zeit haben wir einen Techniker ausgebildet und drei Workshops gegeben: Wie mache ich Radio, wie finanziere ich es, wie organisiere ich ein Wochenprogramm? Die Anfragen selber bekamen wir größtenteils von Solidaritätsgruppen aus Deutschland, die mit Initiativen aus den jeweiligen Ländern zusammengearbeitet haben.
In Lateinamerika warenrecht grausame Diktaturen etabliert worden: In Chile, Argentinien, Bolivien, Brasilien, Peru, sowie Guatemala und El Salvador. Internationalistische Gruppen solidarisierten sich vielfach mit revolutionären Befreiungsbewegungen. Mit der umstrittenen Kampagne „Waffen für El Salvador“ wurde in den beginnenden 1980er-Jahren die linke Guerillabewegung gegen die Rechtsdiktatur in El Salvador unterstützt, ein damals vom Bürgerkrieg geschütteltes Land.
1979 unterstützten antiimperialistische Gruppen die sandinistische Revolution der FSLN – Sandinistische Nationale Befreiungsfront – gegen die Somoza-Diktatur in Nicaragua. Dort haben wir übrigens den Aufbau von Radio Kilambe in Wiwili unterstützt – es ging zu Beginn um die Kommunikation mit einem Krankenhaus. Teilweise kamen ExilantInnen direkt auf uns zu und baten uns, ihre Radioprojekte in ihren Herkunftsländern zu realisieren. Zum Beispiel Geflüchtete aus dem Sudan oder auch aus Ogaden – dem somalisprachigen Teil in Äthiopien, später dann aus der Türkei aus Kurdistan. Es war nicht immer leicht, die politischen Intentionen und Haltungen bis ins Detail abzuschätzen.
Was war die Motivation, einen Radiosender für eine alternative Berichterstattung zu wählen, und nicht etwa eine Zeitung?
MK: Anfang der 1980er Jahre konnte man preiswerte Sender bauen oder kaufen und mit wenig Aufwand eine riesige Zuhörerschaft erreichen, das war für politische Gruppen damals etwas ganz Neues. Eine Druckmaschine hingegen hätte leichter beschlagnahmt werden können, mit einem mobil arbeitenden Radio ging das nicht so einfach.
Birgit Huber (BH): Zudem wollten die Befreiungsbewegungen jener Zeit teilweise Leute mobilisieren, die gar nicht lesen und schreiben konnten. Da ist Radio ein gutes Medium, weil man einfach sprechen und zuhören und so auch miteinander kommunizieren kann.
Schon die ersten Sendungen von Radio Dreyeckland wurden auf Französisch, Deutsch und Alemannisch ausgestrahlt. Schnell kam die Idee auf, mehrsprachige Sendungen zu fahren. Woher kam der Anstoß?
Clemens Hauser (CH): Schon früh gab es sporadisch so genannte muttersprachliche Sendungen, zum Beispiel auf Portugiesisch, aber für viel MigrantInnen hätte das illegales Radioprojekt Schwierigkeiten für den Aufenthaltsstatus bedeuten können. Die Sendungen „In anderen Sprachen“ (IAS) sind erst nach der heftig umstrittenen Entscheidung, Sendeplätze am Samstag und Sonntag bereitzustellen, zum Herzstück des Radios geworden. Denn viele Werktätigen können nur am Wochenende selber Radio machen. Die Sendungen IAS sind vor allem deshalb so unglaublich wichtig, weil es für kleine Communities zum Beispiel aus dem Iran oder Eritrea viel schwieriger ist, ein Medium zu finden, in dem sie ihre Themen für die Community in der Senderegion veröffentlichen können. Bei RDL haben wir uns oft die Frage gestellt: „Wer hört uns denn eigentlich?“ Die Exilgemeinden stellten eine gute Zuhörerschaft: Wenn die iranische Redaktion ein Fest ankündigt, dann sind da 150 Leute erschienen, und das einzige Verbreitungsmedium war das Radio!
Viktoria Balon (VB): RDL hat heute 25 Sendungen in 23 Sprachen, das ist im deutschen Raum ein Rekord. Für die SendungsmacherInnen ist es wichtig, nicht nur ihre Sprache, sondern auch ihre Gedanken und ihr Selbstbild dem Bild entgegenzustellen, was viele Medien über die migrantischen Communities verbreiten. Viele Mitwirkende der IAS Sendungen haben in ihren Ländern schon journalistisch gearbeitet. So etwa unsere neue Redakteurin, die als Journalistin aus Togo flüchten musste. Die Jobangebote, die sie hier erhält, sind natürlich ganz anderer Art. Mit Tränen in den Augen sagte sie mir, dass sie bei RDL den Sinn ihres Lebens zurückbekommen hat. Unabhängig von Beruf und Sozialisierung ist es wichtig, die eigene Sprache zu leben und zu feiern, außerhalb des Alltäglichen.
RDL hat sich als anti-nationalistisch, anti-rassistisch, anti-sexistisch bezeichnet – und damit von bürgerlichen Medien auch abgehoben, durch einen Prozess, der nicht nur die politische Haltung als solche, sondern auch die eigene Sprache auf sexistische rassistische paternalistische Elemente genau unter die Lupe nahm. Konnte dieser Selbstanspruch gegenüber den Sendungen IAS eingehalten werden?
CH: Zugegeben: Da wir viele Sprachen, in denen gesendet wurde, nicht verstanden, konnten wir auch nicht wissen, ob in einer Sendung nicht vielleicht gerade ein Gewinnspiel stattfindet oder die Grauen Wölfe mitsenden. Wenn dazu kein Dialog zustande kam, gab es auch mal Sendeverbote, aber dennoch ist das Gespräch das wichtigste Mittel – unter Beachtung der Machtverhältnisse, unserer unterschiedlichen Ausgangspositionen und Gründe, uns mit einem Thema auseinanderzusetzen.
VB: Aber die IAS sind nicht nur sprachlich kategorisiert. Die Deutsche Welle sagt, serbisch, kroatisch und bosnisch sind drei Sprachen, bei uns ist das aber eine Sendung, genannt Balkanorama. Außerdem gibt es einige transkontinentale Kooperationen mit Community Radios, und auch thematisch überqueren wir Grenzen. In der russischen Sendung besprechen wir indische Literatur, einfach alles was uns interessiert. Für mich persönlich war das Projekt InterKonneXiones eine wertvolle Schule über den Wert von vielfältigen Sprachen im Radio.
Das Projekt InterKonneXiones stellte den Versuch dar, eine internationalistische Berichterstattung und einen Austausch von Informationen mit Sendern zwischen Europa und Lateinamerika zu verwirklichen: In welcher politischen Atmosphäre wurde das Projekt aus der Taufe gehoben?
BH: Wir haben uns 1992 bei RDL intensiv mit der eigenen Sprache über so genannte Dritte-Welt-Länder beschäftigt und wollten internationalistische Berichterstattung als freie Radios verbessern, sie weniger klischeebeladen und weniger exotistisch gestalten, was gar nicht so einfach war. Der Jugoslawienkrieg, der Genozid in Ruanda, der Golfkrieg waren wichtige Ereignisse, die uns dazu gebracht haben, Medienberichterstattung, gerade auch die eigene, intensiv zu reflektieren. Für eine sensiblere Berichterstattung wollten wir zudem ein Netzwerk der freien Radios in Europa bilden und Programme austauschen, die Sendungen sollten in fünf europäische Sprachen synchronisiert und zugänglich gemacht werden.
In den 1990ern gerieten viele Bilder ins Wanken, auch für die internationalistischen Gruppen. Gleichzeitig wurde Kritik an der bürgerlichen Berichterstattung immer lauter und auch immer konkreter. Ihr habt in euren „IKX Briefen“ die Macht von Sprache und der SprecherInnenrollen auch diskurstheoretisch analysiert.
BH: Christa Wichterich war 1994 als Korrespondentin der Weltfrauenkonferenz in Nairobi und schrieb darüber, wie Auslandskorrespondenten ihre O-Tongeberinnen suchten. Sie fragen einfach in die Runde: „Ist hier eine, die vergewaltigt worden ist und englisch spricht?“ Und ein aus Eritrea stammender Journalist, Mekonnen Mesghena, schrieb über die Rolle von Taxifahrern für die Auslandkorrespondenten: Taxifahrer werden auf der Fahrt vom Flughafen in die Hotel-Suite befragt und als Stimme des Volkes zitiert. Abgesehen davon, dass es in der Regel keine Taxifahrerinnen gab, war das nur ein Anstoß für uns, unbedingt andere Berichte über den Trikont und über die Realität der Frauen in die Freien Radios bringen zu wollen. Berichte auch über den Alltag und nicht nur über Anlässe wie Wahlen und Putsche.
Wie habt ihr euch mit denen ausgetauscht, über die gesprochen wurde?
BH: Auf dem AMARC-Kongress, der vorwiegend von Trikont-Ländern organisiert wird, ist unser Vorschlag für das Projekt auf großes Interesse und große Kritik gestoßen: „Ohne uns zu fragen, wollt ihr euch also über die Berichterstattung über die Dritte Welt austauschen?“ Klar, das war ein Denkfehler in der Konzeption des Projekts. Also fingen wir damit an, zuerst Kontakte zu Radios im Globalen Süden zu knüpfen. Das IKX Team kam aus der feministischen Solidaritätsbewegung und im Laufe der Zeit bis 1998 haben Migrantinnen, vor allem aus Lateinamerika, das Projekt komplett übernommen und das bei RDL heftig umstrittene, am Ende jedoch tragfähigste Konzept „Freiräume der Kommunikation für Frauen“ angestoßen. Der Austausch mit den Lateinamerikanerinnen war sehr bereichernd, zum Beispiel haben sie in ihren Beiträgen die soziale Determinierung des Geschlechts diskutiert, lange bevor wir verstanden, was sie mit Gender meinten. Der Begriff war uns damals neu. Wir haben das Wort dann einfach mit Geschlecht ins Deutsche und in alle anderen Sprachen auch falsch übersetzt.
Das alles hat natürlich lange gedauert, damals haben wir Briefe geschrieben und Kassetten per Post geschickt. Daher waren auch die Konferenzen, zu denen wir die Partnerradios hier nach Freiburg eingeladen haben, für den gelebten Austausch immens wichtig.
Der Medienaktivismus hat sich gerade auch durch die Digitalisierung stark gewandelt. Inzwischen haben Freiwillige aus dem Benin drei Monate bei RDL gearbeitet. Und Leute, die bei Radio Dreyeckland eigene Sendungen machen, waren oft mehrere Monate für einen Austausch in einem Community Radio im Globalen Süden. Fabian, du warst als Freiwilliger in Brasilien bei der Agencía Pulsar, der portugiesische Nachrichtenagentur von AMARC, und in Costa Rica im Centro de Communicacion. Was hast du davon mitgenommen?
Fabian Kern (FK): Das Kommunikationszentrum Voces Nuestres hat in einer Radionovela über ein Dorf, das an der Südgrenze eines Landes liegt, Geschichten von MigrantInnen erzählt. Die Sendung wurde in ganz Zentralamerika ausgestrahlt und war immer so gemacht, dass man sie nicht in einem bestimmten Land verorten konnte, sondern jeder an sein eigenes Land gedacht hat. Das hat mich beeindruckt. Zur Digitalisierung und Technik: In Lateinamerika haben sich Radios mittlerweile in starken regionalen Netzwerken organisiert. Wenn Anfragen aus diesen Netzwerken an RDL kommen, dann zum Beispiel dazu, wie man Handy- oder Radionetzwerke in ländlichen Gebieten aufbauen kann, die von staatlichen Providern nicht abgedeckt werden. Es geht viel darum, wie man sich von staatlichen und privaten Anbietern unabhängig machen kann. Und es geht viel um Freie Software.
Medienaktivismus geht in Lateinamerika vielerorts mit harten Repressionen einher, immer wieder wird von Verhaftungen und sogar Morden berichtet. Was bedeutet das inhaltlich für eine internationalistische Berichterstattung im Sinne von Solidarität?
FK: Wir können dort natürlich nicht direkt einen Sender betreiben, aber wir unterstützen die AktivistInnen dort, indem wir die Repressionen thematisieren. Die Radios, die ich in Chile besucht habe, senden immer noch in einem Rechtsrahmen aus der Zeit der Militärdiktatur. In vielen Ländern in Lateinamerika gab es eben keinen Zusammenbruch der Diktatur, sondern einen Übergang. Daher bestehen oft weiterhin drakonische Strafen auf das Betreiben eines Piratensenders, und eine Legalisierung oder Vergabe von Frequenzen an Community Radios ist extrem langwierig oder gar nicht vorgesehen. Ich habe mich in Chile mit AktivistInnen auf einen Kaffee getroffen, dann sind wir gemeinsam in ein Keller-Studio gegangen, das alles war völlig klandestin. Auch ist ernüchternd, was wir aktuell aus vielen lateinamerikanischen Ländern erfahren: Bevor es zu einer Umsetzung der rechtlichen Fortschritte kommen kann, die in den letzten Jahren im Bereich Medienfreiheit gemacht wurden, wird durch den Aufschwung der Rechten wieder gedrosselt. Das Gesetz der Kirchner-Regierung in Argentinien etwa, das die Frequenzen zwischen staatlichen, privaten und freien Radios gedrittelt hat, wird von der Regierung Macri völlig auseinandergenommen.
Wie seid ihr selber mit eurer Rolle als Weiße AkteurInnen in den Süd-Nord-Kooperationen umgegangen?
BH: In den 90ern waren Identitäten ein ganz großes Thema, gerade auch im Projekt InterKonneXiones. Wer kommt woher? Wer sitzt an den Machthebeln? Für mich persönlich ist die Gleichheit von Menschen wichtiger als diese Schubladisierung.
CH: In den Sendungen IAS gab es natürlich ein Machtgefälle zwischen den Redaktionen und mir als Gruppenkoordinator von RDL. Wir entscheiden über Geld und Sendeplätze, und sie kommen als Leute, die Radio machen wollen. Bestimmen und wissen wir besser, was richtig ist? Wir sind ein fortschrittliches, demokratisches Projekt hier, aber begegnen wir uns wirklich auf Augenhöhe? Wenn ich gesagt habe, lasst uns reden, dann hieß es oft: Wir wollen als linkes Projekt vorwärts schreiten und uns nicht aufhalten mit diesem Sozialgedöns. Aber diese Konflikte zu lösen, ist gleichzeitig mühsam und großartig, weil wir in der Auseinandersetzung viel über uns lernen mussten.
FK: Als die beiden Brasilianerinnen Luisa und Livia hier für einen Austausch für mehrere Monate auftauchten, haben wir relativ schnell realisiert, dass die beiden im Gegensatz zu uns eine journalistische Ausbildung hatten und viel mehr Plan in Bezug auf Recherche und Beitragsgestaltung. Unsere Herkunft spielte dabei keine Rolle. In der Arbeit sind sie die Expertinnen, die inhaltliche Schwerpunkte setzen und ich eher der Techniksklave, der die Sendung nachher ins Netz stellt.
Hierzulande wird Presse- und Meinungsfreiheit eher als selbstverständliches Recht wahrgenommen. Wie kann über Repression gegen Medienaktivisten im Globalen Süden in einem Freien Sender so berichtet werden, dass die ZuhörerInnen nicht abschalten?
FK: In einem Resolutionsentwurf der internationalen Internetkonferenz NETmundial in São Paulo von 2014 heißt es: Die Rechte, die die Menschen offline haben, müssen auch online geschützt werden. Aber wir reden in den hiesigen Sendungen wie zum Beispiel in der Podcastsendung +1c@fe nicht nur über Repressionen, sondern wir wollen uns schon ein bisschen breiter aufstellen. Ich halte es für fragwürdig, wenn JournalistInnen immer nur über Repressionen gegen JournalistInnen sprechen. Deswegen bedienen wir uns auch leichterer Themen.
BH: Ich finde an der +1c@fe gerade Themen wie Fahrradfahren oder Nacktsein in Freiburg und in Rio tollt. Eine internationalistische Radioberichterstattung soll Alltagsthemen besprechen und Gemeinsamkeiten aufdecken. Festzustellen, dass Subkulturen über weite Entfernungen sehr ähnlich sind, finde ich einen ganz großen Wert an der Podcast-Reihe.
Von den Sendungen IAS abgesehen, fiel der Blick bei internationalistischen Themen im Rahmen der RDL Redaktion meistens von hier aus Richtung Globaler Süden und auf die dortigen Verhältnisse. Wie kann eine internationalistische Berichterstattung sonst noch aussehen?
FK: Wir berichteten zum Beispiel über einen Kongress der Brasilianischen Expat- Community in Amsterdam gegen den Putsch und für die Demokratie – das ist für ein brasilianisches Publikum in Brasilien ebenso interessant wie für Brasilieninteressierte in Deutschland. Was im Freien Radio noch viel mehr Beachtung braucht, ist die Tatsache, dass migrantische Communities hier einen Alltag leben, der für Leute „dort“ in Lateinamerika, Asien, Afrika super interessant ist. Viel zu oft denken wir nur, dass wir Berichte aus Ländern des Globalen Südens brauchen.
Birgit Huber nahm von 1992 bis 1997 an dem Projekt InterKonneXiones teil, heute koordiniert sie das Gruppenradio bei RDL. Clemens Hauser koordinierte über 7 Jahre die Sendungen in anderen Sprachen, heute ist Viktoria Balon dafür zuständig. Fabian Kern verbrachte ein Jahr bei der Freien Nachrichtenagentur in Brasilien, gestaltet die brasilianisch-deutsche Podcast-Reihe und ist bei Indymedia Linksunten engagiert. Michael Kartäuser installierte im Studio von Radio Dreyeckland ebenso wie in Surinam und in der Türkei die Technik für das Radiomachen. Gesprächsleitung: Martina Backes