Antifeminismus macht krank

Wie rechte Akteur*innen die Gesundheit gefährden

Seit geraumer Zeit nehmen rechte und konservative Kräfte quer über den Globus Gleichstellungspolitiken ins Visier und versuchen die feministischen Errungenschaften der letzten Jahre zurückzudrängen. Die jüngsten Erfolge rechtsextremer Akteur*innen etwa in den USA oder Ecuador verdeutlichen, dass sich mit antifeministischen Narrativen auch Wahlen gewinnen lassen. Das Feindbild Feminismus und die feste Vorstellung einer binären Geschlechterordnung eint durchaus unterschiedliche politische Spektren. 

Aktuell stehen vor allem reproduktive Rechte im Zentrum antifeministischer Angriffe. Diese zielen nicht nur darauf ab, den Zugang zu legalen und sicheren Abtreibungen einzuschränken oder bestehende Abtreibungsverbote aufrechtzuerhalten. Sie richten sich zunehmend auch gegen sexuelle und geschlechtliche Bildung über Gender-Vielfalt sowie gegen Möglichkeiten für nicht heteronormativ lebende Menschen, Kinder zu bekommen oder zu adoptieren. 

Besonders deutlich zeigen sich entsprechende Entwicklungen in Ländern mit rechter und konservativer Regierungsbeteiligung. In den USA und in Polen wurden Regelungen, die den Abbruch von Schwangerschaften ermöglicht haben, wieder zurückgenommen. Aber auch dort, wo das Recht auf Abtreibung juristisch noch intakt ist, ist es vor rechten Angriffen nicht sicher: In Argentinien etwa haben die Kürzungen in der öffentlichen Versorgung zur Folge, dass der Zugang zum Schwangerschaftsabbruch am individuellen Geldbeutel hängt. Dabei bergen unsichere Abbrüche oftmals hohe gesundheitliche, mitunter sogar tödliche Risiken: Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind diese weltweit für 13 Prozent der Müttersterblichkeit verantwortlich. 

‚Unnatürliche‘ reproduktive Rechte

Sowohl rechtsextreme als auch viele religiös-konservative, zum Beispiel evangelikale Akteur*innen berufen sich in der Ablehnung reproduktiver Rechte auf eine essentialisierte Vorstellung einer ‚natürlichen Ordnung‘. Rechtsextreme begründen diese Ordnung als volksgemeinschaftliches Prinzip, was sich in rassistischen Fortpflanzungsnormen einer entsprechenden Bevölkerungspolitik sowie der Kopplung von Reproduktionsrechten an ethnokulturelle Zugehörigkeit äußert. Im religiös begründeten Fundamentalismus wird aus einer vermeintlich gottgewollten Hierarchie abgeleitet, dass die Geschlechterrollen biologisch fixiert und Fortpflanzung ein ‚göttlicher Auftrag‘ seien. So wundert es nicht, wenn beide Strömungen auch mal zusammenarbeiten. Das geschah zum Beispiel in Brasilien, wo die Evangelikalen sich bei der Stichwahl 2018 mit großer Mehrheit hinter den Rechtspopulisten Bolsonaro stellten. Er machte sich bei ihnen vor allem durch seine antifeministische und queerfeindliche Einstellung beliebt. 

In beiden sich oft ergänzenden Fällen wird Reproduktion nicht als individuelles Recht, sondern als kollektive Pflicht konstruiert. Während sie für rechtsextreme Akteur*innen eine demografische Ressource für die ‚Volksgemeinschaft‘ darstellt, fungiert sie in religiösen Kontexten als Umsetzung des göttlichen Willens. Beide Spektren konstruieren Bedrohungsszenarien, nach denen die binär-hierarchische Geschlechterordnung und die ‚kulturelle Normalität‘ gegen diejenigen verteidigt werden müssten, die sie infrage stellen: Feminist*innen, die sich für reproduktive Rechte engagieren oder auch LGBTIQA+Personen, die Zweigeschlechtlichkeit wie auch Heteronormativität ins Wanken bringen. 

Queere Körper werden innerhalb dieser Vorstellung als doppelte Bedrohung konstruiert: Einerseits destabilisieren sie durch ihre bloße Existenz den Mythos einer ‚natürlichen‘ Fortpflanzungsordnung, andererseits entziehen sie sich der staatlichen Steuerung von Fertilität. Ihre Reproduktionsfähigkeit wird pathologisiert (z.B. bei trans Personen) oder als illegitim dargestellt (z.B. bei homosexuellen Eltern). Zugleich kommt es von rechts zu einer Umdeutung von reproduktiver Gesundheit zur ,demografischen Waffe‘ und einer Dämonisierung von reproduktiven Rechten als ‚unnatürlich‘, ‚gefährlich‘ oder ‚gesellschaftszersetzend‘. 

Die zunehmenden Restriktionen im Bereich der LGBTIQA+-Rechte wirken sich unmittelbar auf reproduktive Möglichkeiten aus. Das gilt etwa für Verbote geschlechtsangleichender Maßnahmen, eingeschränktem oder fehlendem Zugang zu reproduktiver Gesundheitsversorgung sowie der systematischen Beschneidung von Elternschaftsrechten für queere Personen. 

Indem der Zugang zu Abtreibung, Verhütung oder assistierter Reproduktion staatlich reguliert wird, lässt sich nicht nur die Bevölkerungszusammensetzung steuern, sondern auch die soziale Stellung von Frauen und queeren Personen. Diese biopolitische Kontrolle zielt darauf ab, heteronormative Kernfamilien als reproduktive Einheiten zu privilegieren und so tradierte Machtverhältnisse zu zementieren. 

Krieg mit der Gebärmutter

Gleichzeitig werden pronatalistische Positionen in Stellung gebracht. In der europäischen Rechten funktioniert dies meist über die Propagierung eines menschengemachten ‚demografischen Wandels‘, der zum vermeintlichen Aussterben der autochthonen Bevölkerung und deren Ersetzung durch zugewanderte Personen führen soll. Letztere würden dabei mehr Kinder bekommen, als Angehörige der Dominanzgesellschaft. Parteien wie die FPÖ in Österreich nutzen bereits seit den 2010er-Jahren martialische Begriffe wie »Wiegenimperialismus«, »Geburtendschihad « oder »Krieg mit der Gebärmutter«, um Ängste zu schüren. 

Während insbesondere rechte Kräfte dem Globalen Süden vorwerfen, sich ‚ungebremst‘ zu reproduzieren, wird gleichzeitig die sinkende Geburtenrate in westlichen Gesellschaften als existenzielle Bedrohung stilisiert. Der damit geführte Kulturkampf wird nicht nur als gesellschaftlicher Konflikt, sondern als Kampf um das ‚Überleben‘ von Nation, Tradition und sozialer Stabilität inszeniert. 

Auch im hindunationalistischen Indien gibt es solche Kampagnen zuungunsten von Geburten sowohl in den unteren Schichten wie auch der nicht-hinduistischen Bevölkerung. So betreffen staatliche Sterilisationsprogramme dort vorrangig Frauen niedriger Kasten, Indigene und Musliminnen (Seite D18). Sämtliche Maßnahmen zur Kontrolle über reproduktive Rechte zielen letztlich auf die Aufrechterhaltung eines patriarchalen Demografie-Regimes. 

Die antifeministische Ablehnung von allem, was mit Gender zu tun hat, unterminiert auch zentrale Erkenntnisse der geschlechtersensiblen Medizin. Infolgedessen bleibt die weiße, männliche Norm als unhinterfragter Referenzpunkt medizinischer Forschung weitgehend bestehen – mit der Konsequenz, dass die spezifischen gesundheitlichen Bedürfnisse anderer nicht-männlicher und nicht-weißer Bevölkerungsgruppen systematisch marginalisiert werden. 

Die Reproduktion traditioneller Geschlechterstereotype wirkt sich auch in der medizinischen Praxis aus. Die häufige Wahrnehmung von Frauen als emotional übersteigert oder ‚hysterisch‘, führt etwa dazu, dass ihre Beschwerden weniger ernst und teils gravierende gesundheitliche Folgen in Kauf genommen werden.

Antifeministische und rechte Akteur*innen setzen sich oft für die Privatisierung des Gesundheitswesens sowie für den Rückbau sozialstaatlicher Leistungen ein. Die folgenden Einschränkungen im Zugang zu präventiver und kurativer Gesundheitsversorgung treffen vor allem ökonomisch Benachteiligte, wie der eingangs geschilderte Fall Argentiniens verdeutlicht. Auch die rigorosen Streichungen Donald Trumps in der US-Entwicklungshilfe und die daraus resultierende Knappheit in der Gesundheitsversorgung in Ländern des Globalen Südens sind ein weiteres Beispiel für die Folgen sowohl neoliberaler wie auch rechter Politik.

Die Anforderung der Geschlechternorm

Antifeminismus ist auch ungesund, weil er strikte normative und binär-hierarchische Anforderungen an alle Menschen stellt. Die damit verbundenen geschlechtsspezifischen Rollenerwartungen wirken sich auch negativ auf die psychische Gesundheit aus. Die von Antifeminist*innen propagierte binär-hierarchische Geschlechterordnung ist zudem fundamental mit vergeschlechtlichter Gewalt verwoben. 

Das binäre Geschlechtermodell naturalisiert Besitz- und Kontrollansprüche über Körper und Lebensentwürfe, die sich in einer Kultur der Tabuisierung und Bagatellisierung von Gewalt manifestieren. Die steigende Zahl an Femi(ni)ziden, etwa in Kenia, Südafrika oder Brasilien, verdeutlicht die tödlichen Konsequenzen dieser Ideologie. 

Zugleich fungiert Gewalt auch als Mittel der Disziplinierung von Abweichungen, die insbesondere gegen Personen angewendet wird, die sich nicht den normativen Erwartungen unterordnen. Dazu zählen neben Frauen, die aus tradierten Rollenbildern ausbrechen – vor allem trans, inter und nichtbinäre Menschen. Staatliche und gesellschaftliche Praktiken, die auf die Zwangsanpassung nicht-konformer Identitäten abzielen (etwa durch Konversionstherapien, verweigerte Hormontherapien oder geschlechtsangleichende Maßnahmen), perpetuieren dabei nicht nur die Abwertung nicht-normativer Lebensrealitäten, sondern gefährden aktiv die psychische und physische Integrität der Betroffenen. 

Antifeminismus ist folglich sowohl für Individuen als auch die gesamte Gesellschaft ungesund, weil er grundlegende körperliche, psychische und soziale Gesundheitsbedürfnisse untergräbt.