Im Futur gedacht

Der Film »Rafiki« mischt die kenianische Gesellschaft auf

Zwischen 2014 und 2018 verzeichnete die Nationale Kommission für die Rechte von Schwulen und Lesben in Kenia über tausend Fälle von Gewalt gegen LGBTQI-Personen. Bis zu 95 Prozent aller KenianerInnen lehnen homosexuelle Beziehungen strikt ab und Erweckungskirchen schüren Homophobie. Betroffenen drohen hohe Gefängnisstrafen.

So wundert es kaum, dass der kenianische Spielfilm Rafiki im April 2018 von der kenianischen Medienaufsichtsbehörde verboten wurde. »Rafiki« (Kiswahili: FreundIn) handelt von der lesbischen Liebe zwei junger Frauen. Zwischen Kena (gespielt von Samantha Mugatsia) und Ziki (Sheila Munyiva) wächst eine tiefgehende Beziehung und innige Liebe. Ihre Familien vertreten die konservative und patriarchale Haltung der kenianischen Gesellschaft, ihre Väter sind zudem politische Gegner. Kena, deren Mutter auf eine baldige Heirat ihrer Tochter hofft, und die deutlich jüngere Ziki sind gezwungen, sich zwischen ihrer Liebe, ihrer Freiheit und ihrer persönlichen Sicherheit zu entscheiden.

Filmemacherin Wanuri Kahiu erwirkte per Gerichtsbeschluss die Aufhebung des Spielverbotes in Kenia – zumindest für eine Woche. Damit setzte sie ihr Recht durch und schlug der Medienbehörde ein Schnippchen: Die Karrierechancen der Regisseurin wären in Gefahr, wenn der Film zur Einreichung bei internationalen Preisen keine öffentliche Aufführungen im Produktionsland nachweisen kann, so die Urteilsbegründung des Gerichts. Es entzog sich damit allerdings einer grundsätzlichen Auseinandersetzung mit den Rechten von LGBTQI.

Das Urteil des kenianischen Publikums fiel dafür umso deutlicher aus: In der besagten Spielwoche Ende September 2018 waren die Kinosäle ausgebucht. Der Film soll in den jeweiligen Kinos den zweithöchsten Gewinn aller Zeiten eingefahren haben. Schon allein deswegen bedeutet »Rafiki« einen Durchbruch, nachdem zuvor der Film »The Stories of our Lives« eines schwul-lesbischen Künstlerkollektivs in Kenia verboten worden war.

Enttäuscht wird, wer in dem Film eine afrikanische Leidensgeschichte, eine von Armut und Mangel gezeichnete Bildsprache oder ein lesbisches Drama erwartet. Genießen kann ihn, wer offenen Auges und Ohres die kreative Filmästhetik eines avantgardistischen Experimentes auf sich wirken lässt. Bilder in Magenta und Weiß, afropolitaner Chic und die eigensinnigen ausdrucksstarken Looks der stolzen Liebenden zeichnen einen Lebensentwurf kenianischer Frauen, der vom Willen zum Bruch mit der homophoben Gesellschaft zeugt.

Durch seinen kritischen Blick auf die Männergesellschaft Kenias und die sich selbst einschränkende Selbstkontrolle einiger Frauen, die patriarchale Frauenbilder konservieren, hat der Film auch als feministisches Werk Sprengkraft. Das Leben, das sich Kena und Ziki erträumen und für das sie einstehen, soll »echt« sein, so ehrlich und leidenschaftlich, dass es über alles hinauswächst, was sich ihre ZeitgenossInnen vorstellen können. Die Essenz, von der der Film stilistisch lebt, ist die Nähe zwischen ihnen. Eine lesbische Liebe, die nur deswegen eine Chance hat, weil die Frauen sich von den Wünschen ihrer Eltern freimachen und ihrem inneren Begehren nach einem gemeinsamen Leben jenseits der genormten Lebensentwürfe der Gesellschaft folgen. Dies ist im kenianischen Kontext einer urbanen mittelständischen Siedlung so grenzüberschreitend wie außergewöhnlich, weil den beiden Frauen weithin fehlt, was in einem europäischen Kontext als stärkender Bezugspunkt einer nicht-heteronormativen Beziehung kaum wegzudenken ist: Vorbilder. Eine LGBTQI-Community kommt in dem Film nicht vor – sie ist für die meisten KenianerInnen auch im wahren Leben nicht sichtbar, obwohl es sie durchaus gibt.

In der von Regisseurin Wanuri Kahiu gegründeten Firma Afro-Bubblegum wirken Filmschaffende, MusikerInnen, GrafikerInnen und ModedesignerInnen mit. Gemeinsam kreierten sie die Welt von Kena und Ziki nach ihrem Geschmack und setzen damit politische Botschaften. Die kenianische Medienbehörde verbot den Film mit dem Kommentar, die Hauptfigur zeige am Ende zu wenig Reue. Wie billig. Afro-Bubblegum kann hingegen stolz darauf sein, die kenianische Medienbehörde international vorgeführt zu haben. Vermutlich wird »Rafiki« nicht der letzte Meilenstein aus dem Hause Afro-Bubblegum sein, wenn es um Meinungsfreiheit und die Freiheit der Kunst einer wachsenden kreativen Szene geht.

Rafiki. Regie: Wanuri Kahiu. 82 min, Südafrika, Kenia , Frankreich 2018. Filmstart in deutschen Programmkinos war am 31.1.2019.

Martina Backes ist Mitarbeiterin im iz3w.