Zölle gehören eigentlich der Vergangenheit an. Sie waren einst ein wichtiges Instrument, um einen Wirtschaftsraum gegenüber Einfuhren aus dem Ausland oder Ausfuhren in das Ausland zu schützen. Zugleich bildeten sie eine Einnahmequelle für den Staat.
So gab es Schutz- und Finanzzölle, Wertzölle und Mengenzölle. Häufig dienten sie nur vordergründig dem Schutz einheimischer Produzenten. In Wahrheit waren sie eher ein einfaches Mittel zur fiskalischen Abschöpfung von Handel und Verkehr. England zum Beispiel deckte im 17. Jahrhundert die Hälfte seiner Staatsausgaben durch Zölle. Und Preußen versuchte während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts seine junge Industrie durch Zölle vor der Billigkonkurrenz aus dem Ausland zu schützen. Bedeutende Ökonomen des 19. Jahrhunderts wie beispielsweise Friedrich List (1789-1846) widmeten ihre Hauptwerke dem Zollwesen.
In späteren Jahren aber verlor die Zollpolitik immer mehr an Bedeutung, ohne jedoch als Komponente der Außenhandelspolitik gänzlich von der Bildfläche zu verschwinden. Vor allem in Zeiten sich verschärfender internationaler Konkurrenz, protektionistischer Wirtschaftspolitik und zunehmender Spannungen zwischen den Staaten oder Militärblöcken erlebten immer wieder auch Zölle eine bemerkenswerte Renaissance. Dies betrifft Export- wie Importzölle, besonders aber letztere, da unter den Bedingungen weltweiter Überproduktion die Protektion der inländischen Wirtschaft gegenüber der Konkurrenz aus dem Ausland überwiegt.
Importzölle bewirken generell, dass die Standort- und Produktionskostenvorteile ausländischer Anbieter kompensiert werden. Die Folge ist, dass sich die heute weitestgehend flexible Produktion von kostengünstigeren Standorten außerhalb des Zoll erhebenden Staates zu solchen mit höheren Kosten verlagert. Dies ist weltwirtschaftlich gesehen zwar suboptimal und mit einem Effizienzverlust verbunden, dient aber den nationalen wirtschaftlichen Interessen des Zoll erhebenden Staates. Demgegenüber eignen sich Exportzölle vor allem für Güter, für die eine preisunelastische Nachfrage besteht, zum Beispiel für Rohstoffe und Energieträger. Aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit dieser Güter ist ihr Absatz auch bei infolge von Zöllen steigenden Preisen gewährleistet.
Die Erhebung von Zöllen stellt einen staatlichen Eingriff in den Wirtschaftsverkehr dar und verträgt sich folglich nichtmit einer am Liberalismus ausgerichteten Wirtschaftspolitik. Insofern war es konsequent, dass die neoliberale Europäische Union von Anfang an für die Bildung von Freihandelszonen eintrat und über den Abbau von Zollschranken und die Errichtung einer Zollunion auf eine internationale wirtschaftliche Integration hingewirkt hat. Im Gegensatz dazu versuchen die USA mit ihrer Wirtschafts- und Außenhandelspolitik ihre hohen Produktionskosten und Standortnachteile durch Zölle zu kompensieren.
Der Slogan „Amerika First“ von Donald Trump markiert insofern einen Strategiewechsel – weg von einer globalen Verantwortung hin zu einer Politik, die nur noch nationale Interessen bedient und die überall und immer die USA in den Mittelpunkt stellt. Die Auswirkungen werden dramatisch sein: ein Handelskrieg mit China, die Aufkündigung der Handelspartnerschaft und Zollkooperation mit der Europäischen Union, ein Wiederaufflammen der Inflation, da das Preisniveau infolge der Zölle steigen wird, eine Einschränkung des internationalen Wettbewerbs wegen verzerrter Preise, ein unverhältnismäßiger Anstieg der Gewinne der US-Unternehmen, da ihr Umsatz sich auf Grund der Zurückdrängung ausländischer Anbieter spürbar erhöhen wird, ein Vordringen des Protektionismus in der Welt als neuer Wirtschaftsdoktrin, ein Anstieg des Wechselkurses des US-Dollars und eine einseitige Verbesserung der Zahlungsbilanz der USA.
Der Rückgriff Trumps in der Zollpolitik auf das Instrumentarium des Protektionismus ist so zeitgemäß, wie es die Wiedereinführung der Dampfmaschine oder der Holzverkohlung in der modernen Industrie wäre. In Verbindung mit der Dominanz des US-Dollars, der Leitfunktion der New Yorker Börse sowie der tonangebenden Rolle der US-Zentralbank (Fed) in der Welt wird die Zollpolitik, wie Trump sie angekündigt hat, verheerende Auswirkungen für die wirtschaftlichen Beziehungen, die Handels- und Zahlungsströme sowie auf die ohnehin schon fragilen Gleichgewichte in der Welt haben.
Was die Europäische Union anbetrifft, so gibt es hier in Bezug auf die USA seit Jahren mehr Stillstand als Fortschritt. Eine grundlegende Verbesserung der wirtschaftlichen Beziehungen sollte das Transatlantische Freihandelsabkommen, offiziell Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP), bringen. Dieses wurde seit mehr als einem Jahrzehnt verhandelt. Nach der ersten Wahl von Donald Trump (2016) wurden die Verhandlungen jedoch ausgesetzt. Trump hatte in seinem Wahlkampf jegliche Art von Freihandelsabkommen kritisiert und stattdessen einen protektionistischen Wirtschaftskurs eingeschlagen. Nach seiner Abwahl gab es wieder Hoffnung für das TTIP, allerdings kein abschließendes Ergebnis.
Jetzt, nach der zweiten Wahl von Donald Trump, hat sich das Ganze vermutlich erledigt. Der EU bleibt vorläufig nur übrig, abzuwarten und gegebenenfalls hart zu verhandeln. Wenn es aber so kommt, wie angekündigt, und die USA auch für Importe aus der EU die Zölle empfindlich anheben, dann bleibt Deutschland und der EU nichts anderes übrig, als mit ähnlichen Maßnahmen zu reagieren. Wie sich ein Wirtschaftskrieg zwischen den USA und der EU mit einer Kooperation innerhalb der NATO und auf anderen Gebieten vereinbaren lässt, ist allerdings eine offene Frage – und wirft in Bezug auf die Zukunft erhebliche Probleme auf: Man kann nicht Partner sein und gleichzeitig Gegner.