Einschüch­terungs­versuch gegen Freies Radio im Breisgau

Hefteditorial iz3w 395 (März/April 2023)

Am Morgen des 17. Januars staunten wir nicht schlecht, als bei unseren Freiburger Kolleg*innen von Radio Dreyeckland (RDL) plötzlich die Polizei vor der Tür stand. Durchsucht wurden die Privatwohnungen von zwei Redakteuren und die Redaktionsräume des Senders selbst. Noch mehr staunten wir, als klar wurde, weshalb durchsucht wurde: Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe, also deren Staatsschutzabteilung, wirft RDL vor, Werbung für eine verbotene Vereinigung gemacht zu haben. Es geht um linksunten.indymedia, ein linkes Medienportal, das 2017 kurzerhand vom Innenministerium zu einem Verein erklärt und dann verboten worden war. Diesen verbotenen Verein habe RDL nun angeblich unterstützt – und zwar in einem nachrichtlichen Beitrag vom August 2022 über die Einstellung des Strafverfahrens gegen das Webportal. Dort war ein Link zum Archiv von linksunten gesetzt (so wie es viele andere Medien ebenfalls getan hatten) und das Ganze mit einem Foto von einem Graffito »Wir sind alle Linksunten Indymedia« bebildert. Auch diese Kombination von Link und Bild findet sich in anderen Medien.

Mit der offiziellen Begründung, warum bei RDL verfolgt wird, was anderswo keine juristischen Folgen hat, wich unser Staunen dann langsam Wut und Entsetzen. In Karlsruhe hat man da eine sehr eigene Logik: Es sei davon auszugehen, dass dem »angesprochenen Leserkreis« der Artikel als eine Meinungsäußerung gelte, die sich die verbotenen Inhalte zu eigen mache. Die Staatsanwaltschaft imaginiert, wie Leser*innen einen sachlichen Nachrichtentext zu verstehen haben. Das ist ein Frontalangriff auf die Pressefreiheit. Schon das Verbot von linksunten.indymedia wurde damals von der NGO Reporter ohne Grenzen als »äußerst bedenklich« eingestuft. Die Durchsuchungen bei RDL haben wieder eine neue Qualität, weil es um einen lizensierten Rundfunkanbieter geht und geschützte Bereiche wie etwa der Quellenschutz betroffen waren. Am Ende des Tages waren wir dann schockiert – und das kommt, wie eine Kollegin am nächsten Tag in einem Redebeitrag auf der Solidaritäts-Kundgebung sagte, bei linken Journalist*innen eigentlich selten vor, denn wir sind einiges gewohnt.

Und dass ein Gericht mit so fadenscheiniger staatsanwaltlicher Begründung die Durchsuchung eines presserechtlich geschützten Mediums genehmigt, ist ein Skandal. Wo gerät die staatsschützende Phantasie als nächstes außer Rand und Band? Wenn man der Argumentation der Staatsanwaltschaft folgt, dürften wir als Journalist*innen über keine verbotene Vereinigung mehr berichten. Diese absurde Begründung greift in die Grundlagen freier Berichterstattung ein. Wir teilen daher die Einschätzung der Kolleg*innen von RDL, dass es bei dieser Durchsuchung vor allem um Einschüchterung und Datensammeln ging.

Einen Monat nach den Durchsuchungen zeigt sich das noch einmal deutlich. Mittlerweile kamen die beschlagnahmten Datenträger wieder zurück, allerdings hat die Staatsanwaltschaft Karlsruhe bereits angekündigt, weitere Auswertungen vorzunehmen. Die nur teilweise verschlüsselten Daten wurden dafür gespiegelt. Und der Datenhunger der Ermittlungsbehörden ist noch größer, als zunächst angenommen: »Nach dem ersten Blick in die Akten wird klar, dass die Staatsanwaltschaft bei unserem Hoster alle IP Adressen erfragt hat, die in letzter Zeit auf rdl.de zugegriffen haben. Das hätte nicht nur die rund 150 Sendungsmachenden betroffen, sondern alle Hörer*innen von Radio Dreyeckland, die über die Webseite auf Programminhalte zugreifen«, so RDL-Techniker Franz Heinzmann auf einer Pressekonferenz. Dieses Anliegen konnte zum Glück durch anwaltliche Intervention verhindert werden. Auch gegen die Durchsuchungen als Ganzes hat RDL Rechtsmittel eingelegt und angekündigt, »die Pressefreiheit notfalls auch juristisch bis zum Bundesverfassungsgericht zu verteidigen«.

Dabei haben die Kolleg*innen unsere volle Solidarität. Ihr Fall zeigt, wie wichtig, aber auch wie prekär unabhängige Medienarbeit ist. Es bleibt ein mulmiges Gefühl, wenn man bei Reporter ohne Grenzen in Sachen gefährdeter Pressefreiheit den Namen der eigenen Stadt liest. Und für manche ist dieses Gefühl mehr als mulmig: Roubama Baba-Traoré hat Togo verlassen, weil sie dort als Journalistin angegriffen wurde und arbeitet nun bei RDL in der Redaktion von Our Voice. Sie sagte auf der Pressekonferenz über die Durchsuchungen: »Wir dachten, Deutschland sei ein Modell für Presse- und Meinungsfreiheit. Wir dachten, Radio Dreyeckland sei ein sicherer Ort.«

Ist es nicht. Wichtig ist nun, sicherzustellen, dass die Einschüchterungsversuche der Behörden nicht greifen und kein Präzedenzfall geschaffen wird. RDL sendet weiter und klagt vor Gericht. Es hat unsere und hoffentlich auch eure volle Unterstützung.

Denn: Wir sind alle RDL! Findet

die redaktion