Zukunftsorientierte Wissenschaft statt Geopolitik

Friedenslogische Perspektiven zum Ukrainekrieg

Dass Russland einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt, ist unbestreitbar. Fraglich ist, wie dem zu begegnen ist. Geopolitik scheint das Mittel der Stunde zu sein, eine friedenslogische Antwort dagegen wird weitgehend ausgeblendet. Doch geopolitische Strategien fördern Rivalitäten und gefährden die Zukunft des Planeten. Es bedarf daher einer zukunftsorientierten Friedenswissenschaft – mehr denn je.

Am 16. Oktober 1914, nach der deutschen Kriegserklärung an Russland und Frankreich, unterstützte fast die gesamte Dozentenschaft deutscher Universitäten und Technischer Hochschulen den Krieg. Sie folgten dem sogenannten Manifest der 93 »An die Kulturwelt!«, das den Verteidigungskampf rechtfertigte: „Von deutscher Seite ist das Äußerste geschehen, ihn abzuwenden. […] Sich als Verteidiger europäischer Zivilisation zu gebärden, haben die am wenigsten das Recht, die sich mit Russen und Serben verbünden“.

Die damalige Stimmung reichte vom Erschauern gegenüber der übermächtigen Bedrohung bis zur Begeisterung über die endlich erreichte nationale Einheit. Gab es zunächst massive Proteste und Antikriegsdemonstrationen, vollzog die SPD-Führung mit Kriegsbeginn eine Kehrtwende und stimmte in einem »Burgfrieden« mit den Kaisertreuen im Reichstag Kriegskrediten zu.

Einsam gegen den Krieg

Doch nicht alle beugten sich den Kriegsbestrebungen. Albert Einstein war von der patriotischen Stimmung fast aller Wissenschaftlerkollegen erschreckt, fühlte sich als Intellektueller und Pazifist einsam. Zusammen mit zwei weiteren Kollegen unterschrieb er im Sommer 1914 den von Georg Friedrich Nicolai verfassten »Aufruf an die Europäer«, der mangels weiterer Unterstützung nicht veröffentlicht wurde. Weitsichtig heißt es da: „Der Kampf, der heute tobt, wird wahrscheinlich keinen Sieger hervorbringen; es wird wohl nur die Besiegten lassen.“ Sie erwarteten, dass „alle europäischen Beziehungsbedingungen in einen instabilen […] Zustand gerieten“. Dass die Verfasser richtig lagen, zeigte sich bald. Der Kriegsalltag machte vielen zu schaffen, Massenarbeitslosigkeit, Lebensmittelpreise stiegen und Armut nahm zu. Wissenschaftler starben an der Front oder brachten ihr Fachwissen in den Krieg ein.

So wie das katastrophale Ende des Ersten Weltkriegs absehbar war, so war es auch der Weg dahin. Einige Wissenschaftler*innen und Intellektuelle, die die sozio-ökonomischen, industriellen und militärlogischen Zeitläufte beobachteten, ahnten die großen Systemkonfrontationen vorher. So beschrieb beispielsweise der mit Bertha von Suttner befreundete polnisch-russische Industrielle Ivan (Jan) von Bloch in seinem sechsbändigen Werk von 1898 den kommenden großen Krieg (Scheffran 2014). Dafür wurde er für den ersten Friedensnobelpreis 1901 nominiert, kurz bevor er starb. Auch das Beispiel des britischen Meteorologen Lewis Frye Richardson zeigt die Relevanz nüchterner Wissenschaft. Richardson untersuchte nach dem Ersten Weltkrieg mit einem Modell, wie die Rüstungsdynamik sich aufgeschaukelt hatte, was ihn später zu Warnungen vor dem Zweiten Weltkrieg veranlasste (Scheffran 2020).

 

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