Warum seit einer Generaton nicht mehr gestreikt wurde
Es gibt "rote" Gewerkschaften, die in bestimmten Betrieben scheinbar unauflösbar mit dem Management verwoben sind- wie die IG Metall bei VW in Wolfsburg. Es gibt "gelbe" Gewerkschaften, die von Unternehmern gegründet wurden, um Organisationen der Arbeiterbewegung das Wasser abzugraben - die AUB bei Siemens etwa.
Und es gibt Hausgewerkschaften, wie die Eisenbahner-Gewerkschaft Transnet, die sich weitgehend auf einen Konzern (Deutsche Bahn AG) beschränkt und von diesem über die Jahrzehnte systematisch einverleibt wurde.Transnet verwendet die Farbe Blau.
Im folgenden wird es um die Systematik dieser Einverleibung gehen und um die Folgen für die momentan ca. 182.500 Angestellten der Deutsche Bahn AG (DB) in Deutschland
Transnet-Hansen: Boss über 250.000 Mitglieder
Für die deutsche Gewerkschaftsbewegung ist der ehemalige Transnet-Vorsitzende Norbet Hansen so etwas geworden wie der ehemalige Superminister Wolfgang "Adecco" Clement für die SPD - eine unangenehme, ja peinliche Person. Norbert Hansen, der jetzt als Personalmanager der DB tätig ist, überstand am 24. Juli 2008 ein Ausschlussverfahren, das vier Ortsverwaltungen seiner Gewerkschaft gegen ihn angestrengt hatten. Die zuständige Ortsverwaltung Berlin lehnte die Anträge lapidar ab, "weil sie unbegründet gewesen seien."
Später, Im Oktober 2008, wurde bekannt, dass das Bahn-Management sich bei einem erfolgreichen Börsengang einen gesonderten "Schluck aus der Pulle" genehmigen wollte: Bonus-Zahlungen. Norbert Hansen wäre als frisch gebackener Personal-Manager der DB wahrscheinlich auch in den Genuss dieser Zahlungen gekommen. Durchaus zu Recht. Denn in den vergangenen Jahren hatten Hansen und seine Transnet einen großen Anteil daran, die Deutsche Bahn AG und ihre Angestellten börsenreif zu sanieren und umzustrukturieren.Damit sind nicht nur äußerst moderate Lohnzuwächse gemeint, wie die 4,5% ab dem 1. Januar 2008.
Auf dem Transnet-Gewerkschaftstag vom 23.-27. November 2008 zeigten sich erste Risse im System. Hansens Nachfolger Lothar Krauß trat nicht mehr an. Die oppositionelle Initiative "Bahn von unten" fand mehr Gehör als sonst. Davon, einen eigenen Kandidaten durchbringen zu können, war sie weit entfernt. Statt Lothar Krauß wurde Alexander Kirchner zum Vorsitzenden gewählt und Regine Rusch-Zimba zu seiner Stellvertreterin.
Kirchner soll bei der Transnet-Basis beliebt sein, weil er sich volksnah gibt. So habe er als Mitglied des geschäftsführenden Vorstands (GV) stets darauf verzichtet, einen eigenen Chauffeur zu nutzen. Um eine Abkehr vom System Hansen zu erwirken, wäre allerdings weit mehr nötig als eine kleine Personal-Rochade und die Fähigkeit, eine Dienst-Limousine selbst zu lenken.
Es ist ein altbekanntes und eingespieltes Muster, dass die Nähe zur Macht eine Organisation und ihr Personal über die Jahre assimiliert. Die Besonderheit im Falle Transnet ist das Ausmaß - die Durchdringung der Gewerkschaft durch die Deutsche Bahn AG bis in die unterste Ebene:
- In einem internen Revisionsbericht der DB aus dem 2002 wurde festgestellt, dass es im Jahr 2001 im Bahnkonzern 947 freigestellte Betriebsräte gab und damit mehr als laut Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) notwendig. Zitat: "Damit lagen die tatsächlichen Freistellungen um 85% über den gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen."
- Die Betriebsräte hätten, wie die Financial Times Deutschland und das ZDF-Magazin frontal21 übereinstimmend zitieren, auffällige Einkommenssteigerungen, etwa durch Höhergruppierung zu verzeichnen.
- Es ist von "verdeckten Freistellungen" für Transnet-Betriebsräte die Rede.
- Die Betriebsräte wurden auf Kosten der Deutschen Bahn fortgebildet - wie es laut BetrVG vorgesehen ist; die Rechnungen des Transnet-eigenen Bildungsträgers BTB sollen allerdings bis zu 33% über vergleichbaren Angeboten gelegen haben.
- Wie die ZEIT berichtet, wurden Betriebsräte abhängig vom Bahnbetriebsergebnis bezahlt. "Und gute Ergebnisse wurden erzielt durch Personalabbau."
- Die Bahn gewährt eine Reihe von Sozialleistungen exklusiv nur Mitgliedern der Tarifgemeinschaft von Transnet und GDBA.
- Ein "Fonds für soziale Sicherung" bietet ihnen eine Reihe von Privilegien. Unorganisierte oder Mitglieder anderer Gewerkschaften wie der GDL gehen leer aus, also immerhin jeder zweite Bedienstete. Eine Klage der GDL gegen diese Praxis der Ungleichbehandlung unterlag in der Revision.
- Bei einer Behandlung in der Klinik der Eisenbahner-Krankenkasse (BKK-Bahn) in Bad Drieburg haben Mitglieder von Transnet Anspruch auf kräftige Zuschüsse und Rabatte.
- Bahnmitarbeiter, die sich fortbilden, bekommen bis zu 80 Prozent der Kosten ersetzt - wenn sie in der Transnet sind.
Sparda-Bank und DEVK: Guck mal wer da tagt
Wer früher bei der Bahn gearbeitet hat, wir reden von den Jahrzehnten der Nachkriegszeit, gehörte zwar nicht zu den Großverdienern, konnte aber auf eine abgesicherte Existenz in einem scheinbar krisenfreien Staatsunternehmen hoffen. Neben dem Arbeitsplatz gab es Eisenbahnerwohnungen; die Eisenbahner hatten sich schon am 1. April 1886 eine eigene Versicherung auf Gegenseitigkeit geschaffen, die "Sterbekasse der Beamten und Arbeiter im Bezirke der Königlichen Eisenbahndirektion zu Breslau" (heute DEVK - ein Verein, der diverse nicht börsennotierte Aktiengesellschaften hält); es gab die von Eisenbahnern gegründeten Spar- und Dahrlehenskassen (die Sparda-Banken).
So kommt es, dass sich die Führungsriege der Transnet (wie auch der GDBA und vereinzelt der GDL) bis heute in den Aufsichtsräten der Deutschen Eisenbahner Versicherungskasse (DEVK) und in den Vorständen von zwölf regionalen Sparda-Banken findet.
- Norbert Hansen, damaliger Vorsitzender von Transnet, ist 2007 Vorsitzender von vier DEVK-AGs und einmal stellv. Vorsitzender.
- Alexander Kirchner, heutiger Vorsitzender von Transnet, ist 2007 sowohl stellvertretender Vorsitzender zweier DEVK Aufsichtsräte
- Regine Rusch-Zimba, heutige stellv. Vorsitzende von Transnet, ist 2007 im Aufsichtsrat der DEVK Allgemeine Versicherungs-AG, sowie Vorsitzende des Aufsichtsrats der DEVK Allgemeine Leben AG,
- Karl-Heinz Zimmermann, damals Vorstand Personenverkehr der Transnet, ist 2007 im Aufsichtsrat der DEVK Allgemeine Versicherungs-AG.
- Franz Jung, damals Bereichsleiter Personal der Transnet
- Rolf Lutzke, damals Vorstandssekretär der Transnet
- Günter Ostermann, damals stellv. Vorsitzender von Transnet
- Peter Kuczora, damals Geschäftsführer der Transnet Service GmbH
- Armin Lauer, damals Geschäftsführer Vermögensverwaltung GmbH der Transnet
- Lothar Krauß, damals stellv. Vorsitzender Transnet
- Wolfgang Zell, damals Vorstand Güterverkehr und IT-Bereich Transnet
- Alois Weis, damals Gewerkschaftssekretär der Transnet
- André Wichmann, damals Bereichsleiter der Transnet
- Karl-Heinz Zimmermann (siehe oben)
Im Beirat der Sach- und HUK-Versicherungsverein a.G. finden sich 2007 außerdem:
Im Beirat der DEVK Lebensversicherungsverein a.G. finden sich 2007:
Transnet erlaubt ihren Funktionären einen Teil der Aufwandsentschädigungen zu behalten. Pro Mandat können maximal 6.050,- EUR im Jahr als persönliche Einkunft erzielt werden. Doch es soll hier nicht um Sondereinkünfte gehen, die zwar in ihrer Summe - bei Multi-Funktionären wie Hansen - das Jahresgehalt eines DB Zeitarbeiters überschreiten dürften, gemessen an üblichen Managergehältern tatsächlich nur Peanuts sind.
Entscheidend erscheint mir die entstehende Struktur, das Netzwerk, die regelmäßigen informellen Treffen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Bahn-Chef Hartmut Mehdorn und Margret Suckale, damals Vorstand Personal und Recht der Deutsche Bahn AG - also Hansens Vorgängerin im Management, 2007 ebenfalls in einer Anzahl der oben aufgeführten DEVK-Gremien vertreten waren.
Wenn die Gewerkschaft Transnet tatsächlich einen personellen Schnitt mit dem System Hansen anstreben würde, müsste sie zunächst das oben vertretene Personal kritisch unter die Lupe nehmen. Und die DEVK-Aufsichtsräte sind nur ein kleiner Teil des Netzwerks. Die Deutsche Bahn AG und ihre Töchter haben unzählige solcher Posten und Pöstchen zu vergeben.
Was soll daran schlimm sein?
Zunächst einmal fällt auf, dass Transnet seit fast einer Generation das ursprünglich Kern-Geschäft einer Gewerkschaft vernachlässigt. Der letzte flächendeckende Streik datiert auf das Wiedervereinigungsjahr 1990 und ging von den Beschäftigten der ehemaligen Reichsbahn aus. Sie gingen mit Verve zur Sache und probierten ihre neu gewonnenen Rechte - schließlich gab es in der DDR kein Streikrecht - freudig aus. Der damalige Chef der "Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands" (GdED, 2000 in TRANSNET umbenannt), Rudi Schäfer, hatte alle Mühe den Ausstand im Zaum zu halten, der sich gegen alle Streikpläne der Gewerkschaft offenbar flächenbrandartig im Güter- und Personenfernverkehr ausbreitete.
Es ging gegen das, was später folgen sollte: Massenentlassungen. Und das, was bis heute andauert: Ungleicher Lohn in Ost und West. Schäfer handelte ein Handgeld von 50 DM pro Kind aus, dazu 300 DM Urlaubsgeld und 75 Prozent eines Monatsgehaltes als einmalige Pauschalvergütung. Was die Kündigungen betraf, so erreichte die GdED, dass die Arbeitgeberseite bis Mitte 1991 stillhalten und danach "sozialverträgliche Kündigungen" aussprechen sollte.
Drohung: Personalabbau
Damit ist die Peitsche benannt, mit der die Deutsche Bahn ihre Hausgewerkschaft seither vor sich her treibt. Und man muss das Dilemma klar sehen, in dem die GdED als Massengewerkschaft ganz anders steckte als ein berufsständisches Kartell von Spezialisten, wie es die GDL bildet. Die Deutschen Bahnen (deren Namen und Gesellschaftsformen wechselten) halbierten ihr Personal von 462.239 MitarbeiterInnen im Wiedervereinigungsjahr 1990 bis auf 222.656 im Jahr 2000.
Dann folgte - unter Gerhard Schröder, der die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu einem Hauptziel seiner Kanzlerschaft ausgerufen hatte - ein Paradigmenwechsel: Der allgemeine Beschäftigungspakt, wie es in besten Schröder-Deutsch hieß.
Der Bund verpflichtete die Bahn, fortan auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten, zunächst bis 2004, dann bis 2010, im April 2008 konnte Transnet sogar die Beschäftigungssicherung bis ins Jahr 2023 vermelden - eine Zeitspanne, die am Vorabend des Zusammenbruchs der Weltwirtschaft völlig surreal erscheint.
Für den Kündigungsverzicht hätte Transnet, so schreibt der Stern, angeboten, "den Privatisierungsprozess konstruktiv zu begleiten".
Über Russland nach China - Die große eurasische Landverbindung
Transnet dürfte tatsächlich die weltweit einzige Massengewerkschaft einer Eisenbahn sein, welche die Privatisierung ihres Mutterkonzerns begrüßt und sogar mit intensiver Lobby-Arbeit vorantreibt. Norbert Hansen war zudem einer der wenigen Gewerkschaftsbosse im DGB, der die Agenda 2010, den von Schröder, Clement und Müntefering durchexerzierten sozialpolitischen Kahlschlag also, öffentlich befürwortete.
Das ist kein Zufall. Schröder und Hansen sind sich seit den 1970ern eng verbunden. Als Gerhard Schröder 1978 Juso-Vorsitzender wurde, hieß sein Stellvertreter Norbert Hansen. Seitdem sind beide die Treppe ordentlich nach oben gefallen. Beim Börsengang der Bahn könnte die Beziehung Schröder-Hansen wieder eine Rolle spielen. Denn wer sollte dieses - gemessen an den Margen des Kapitalmarkts - wenig profitable Unternehmen oder einen ihrer Teile, wie die DB Mobility Logistics, eigentlich kaufen?
Winfried Wolf schreibt hierzu, dass neben "vagen Hinweisen auf japanische und arabische Interessenten [...] vor allem russische Investoren" genannt würden. Gazprom und staatliche Banken sowie die Russische Staatsbahn RZD. Eine Szene also, in die jener Gerhard Schröder beste Kontakte hat. Er sitzt seit 2005 dem Gazprom-Konsortium NEGP Company vor, das den Bau einer Ostsee-Pipeline betreibt.ix . Wolf schreibt über das mögliche Investment ausgerechnet der als marode, ineffizient und extrem korrupt geltenden russischen Staatsbahn in Deutschland weiter: "So sind große Folgeaufträge vor allem für den Siemens-Konzern bei der Modernisierung der russischen Eisenbahnen im Gespräch. Sodann soll das Projekt einer rund 10.000 Kilometer langen "eurasischen Landverbindung" für Güterverkehr aus China" realisiert werden.
Am 1. Dezember 2008 meldete die Bahn, dass sie zwischen Rotterdam und Oberhausen erstmals einen 1.000 Meter langen Güterzug getestet habe (DB Pressemitteilung 112/2008). Die bisherige Maximal-Länge war 750 Meter.
Hauptsache Arbeit?
Eine langfristige Beschäftigungssicherung war also die Währung, in der sich Transnet von der Bahn bezahlen ließ und mit welcher sie fortan erpresst wurde. "Beschäftigungssicherung in Gefahr" - so oder so ähnlich lauteten die Meldungen, wenn der Bahn die Tarifforderungen nicht passten. Wie sahen nun aber diese langfristig gesicherten Stellen aus?
Im Juni 2001 schreibt das Handelsblatt: "Die Deutsche Bahn will über Vermittlungs- und Transfergesellschaften voraussichtlich tausende von Arbeitsplätzen auslagern. [...] Die Deutsche Bahn AG wollte die Anzahl der Stellen, die ausgelagert werden, nicht beziffern. Ein Sprecher verwies jedoch darauf, dass das Ziel, die Personalkosten bis 2005 um 3,3, Mrd. DM zu senken, weiter stehe." So wurde am 1. Juli 2001 mit der DB Vermittlung GmbH eine Mischung aus Konzern-interner Leiharbeitsagentur und Arbeitsamt gegründet, in der seitdem überschüssige aber "nicht kündbare Beschäftigte" hin und her geschoben wurden. "Arbeitnehmer, die über Berufsjahre oder Verbeamtung keinen individuellen Kündigungsschutz genießen, sollen in konzernfremden Transfergesellschaften unter kommen. Auch dem stimmte der Betriebsrat prinzipiell zu. In dem Fall soll die Bundesanstalt für Arbeit auf Antrag 67% des letzten Nettolohns übernehmen. Die Bahn will auf 85% aufstocken. [...] Um konkurrenzfähig mit den aufkommenden privaten Wettbewerbern zu werden, hatten sich die Gewerkschaften und Bahn im März auch auf flexiblere Branchentarifverträge geeinigt."
Der heutige Sprecher der Initiative "Bahn von unten", der Gewerkschafter Hans-Gerd Öfinger, schreibt im Dezember 2002 über enttäuschend verlaufende Verhandlungen zwischen Transnet und DB:
"Jetzt liegt ein neuer Ergänzungs-Tarifvertrag für DB Regio vor, der für die rund 9000 Lokführer und 5000 "KiN" ("Kundenbetreuer im Nahverkehr" bzw. Zugbegleiter) in diesem Bereich erhebliche Verschlechterungen bringt: ihnen wird Zeit und Geld geklaut. [...]Fazit: Je nach Schichtplan müssen die betroffenen Lokführer und Zugbegleiter 10-16 zusätzliche Schichten im Jahr arbeiten, und sie verlieren an Einkommen in der Größenordnung von bis zu einem Monatseinkommen jährlich. Allein durch die geänderten tariflichen Arbeitszeitregelungen sind jetzt bis zu 1400 Arbeitsplätze gefährdet - und dies vorgeblich im Namen der Sicherung der Konkurrenzfähigkeit und der Arbeitsplätze."
DB Auslagerung GmbH + DB Tochter AG
Das Zauberwort zur Kostensenkung und zur Verhinderung von Solidarität unter den Beschäftigten heißt Auslagerung. Bis in die Gegenwart hat die Deutsche Bahn ein unüberschaubares Dickicht aus etwa 300 Tochter-, Sub-, und Sonstwie-Unternehmen gegründet oder aufgekauft, aus deren Namen fast experimentelle Lyrik entstehen könnte: DB Netze Fahrweg, DB Netze Energie, DB Dienstleistungen, DB ProjektBau, DB Schenker Logistics, Deutsche Umschlaggesellschaft Schiene-Straße (DUSS), DB RegioNetz Infrastruktur, Railion, DB Services Immobilien, DB BahnPark, Heidekrautbahn, DB Bahnbau, DB Zeitarbeit...
Meine Lieblingswortschöpfung ist allerdings DB Bahn, was ja soviel bedeutet wie Deutsche Bahn Bahn und in den Ausführungen Deutsche Bahn Bahn Fernverkehr, Deutsche Bahn Bahn Regio und Deutsche Bahn Bahn Stadtverkehr zu haben ist. Dieses hohl rollende "Branding" hat m. E. deutliche Bezüge zum Dadaismus.
Das Lachen kann einem allerdings vergehen, wenn man bedenkt, dass jedes dieser Konstrukte ein eigenes Management, eine Verwaltung und - im Falle von Aktiengesellschaften - auch wieder Aufsichtsratsposten - auch für Transnet-Funktionäre - mit sich bringt. Was an den Löhnen einfacher Beschäftigter gespart und gekürzt wird, fließt zu einem beträchtlichen Teil nach oben, in diese künstlich aufgeblasenen Apparate und Hierarchien, die enorm viel Zeit damit verschwenden, sich gegenseitig Rechnungen zu stellen, Absprachen zu treffen etc.
Als die Lokführer-Gewerkschaft GDL im Januar 2008 per Streik einen eigenständigen Tarifvertrag erzwingen konnte, reagierte die Deutsche Bahn kurze Zeit später mit weiteren Konstrukten. Wie die GDL in einer Pressemitteilung vom 15. Mai 2008 berichtete, plante die DB "bisherige Mitarbeiter der DB Regio AG durch einen Betriebsübergang künftig in Tochterunter-nehmen [...] zu beschäftigen." Dort sollten dann die Karten wieder neu - zu Gunsten der Unternehmer - gemischt werden. Außerdem wurden Lokführer nun bevorzugt als Leiharbeiter eingestellt - von der DB-Zeitarbeitstochter DB Bahnservice GmbH. Bezahlt natürlich außerhalb des von der GDL ausgehandelten Lokführer-Tarifvertrags.
Diese Rechnung hatte die Deutsche Bahn ohne die GDL gemacht. Der ältesten deutschen Gewerkschaft, die erst 2007 aus einem jahrzehntelangen Dornröschenschlaf erwacht ist, gelang es aus dem Stand, 90 Prozent der Lokführer der DB-Zeitarbeitstochter zu organisieren.
Am 13. November 2008, also nur sechs Monate nachdem die Bahn ihr Auslagerungs-Manöver gestartet hatte, konnte die GDL nach intensiven Verhandlungen vermelden, dass die betreffenden Kollegen nun von der DB in Festanstellung übernommen würden. Die GDL hat offenbar bewiesen, dass mit ihr nicht zu spaßen ist. Der Erfolg: Ein Zeitarbeits-Lokführer bekam, wie die GDL berichtet, ein Jahresgehalt von rund 22.000 Euro. Ein regulär beschäftigter Streckenlokführer in den DB Transportgesellschaften verdient hingegen 31.500 Euro jährlich.
Ein Lohnzuwachs um beinahe 50% - durch gewerkschaftliche Organisierung, Konflikt-bereitschaft und solidarisches Handeln. Die GDL verwendet übrigens die Farbe Grün.
Elmar Wigand in BIG Business Crime #1/2009