Call for Papers
Erfolg ist immer relativ, da bezogen auf je spezifische Erfolgskriterien, die variieren können von der Profitmaximierung bis zur spirituellen Erfüllung. Das verbindet Erfolg mit Entwicklung.
Erfolg ist immer relativ, da bezogen auf je spezifische Erfolgskriterien, die ebenso wie Rationalitätskriterien variieren können von der Profitmaximierung bis zur spirituellen Erfüllung. Das verbindet Erfolg mit Entwicklung, die ebenfalls anhand von bestimmten Parametern gemessen wird, welche letztlich einem Konsens darüber entspringen, was Entwicklung sei. Erfolgreiche Entwicklung ist daher ganz abstrakt die möglichst punktgenaue Erfüllung von Parametern, die im Konsens zwischen den relevanten Institutionen und Expertennetzwerken definiert wurden. Nach konventionellem oder, wenn man will, hegemonialem Verständnis besteht solcher Erfolg in der Annäherung einer Volkswirtschaft an das (jeweilige, da historisch ebenfalls Wandlungen unterworfene) OECD-Profil. Schon die Aufnahme Südkoreas, vor allem aber Mexikos in die OECD machte aber deutlich, dass solchen Bewertungen - durch die "Erfolg" bei Entwicklung gleichsam aktenkundig gemacht wurde - zumindest mit Vorsicht zu begegnen ist. Schließlich verrät ein etwas längerfristiger Blick auf die Geschichte nachholender Entwicklung, dass Erfolg durchaus flüchtig sein kann und keineswegs zwangsläufig dauerhaft ist. Erinnert sei an die Position Argentiniens, wo in der Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg dem Anschein nach durchaus eine eigenständige Volkswirtschaft entstanden war und das in der Folgezeit einen dramatischen Abstieg erlebte.
Gegenwärtig zieht vor allem der spektakuläre Aufstieg neuer Wirtschaftsmächte in Ost- und Südostasien - allen voran inzwischen Chinas - die Aufmerksamkeit von Entwicklungsplanern und derjenigen auf sich, die sich noch immer damit beschäftigen, so etwas wie Entwicklungstheorie zu entwerfen. Auch die Asien-Krise der späten 1990er Jahre konnte dieser Euphorie nichts Ernstliches anhaben, scheint es doch, als sei die pessimistische Prognose, nachholende Entwicklung sei postkolonialen Gesellschaften grundsätzlich verstellt, durch diese Erfahrungen endgültig widerlegt. An die PERIPHERIE wurde in diesem Kontext explizit die Aufforderung herangetragen, sich doch endlich einmal auch mit diesen positiven Seiten der weltweiten Veränderungsprozesse zu befassen.
Die Redaktion will und kann die Augen weder vor den beeindruckenden Wachstumszahlen im Fernen Osten noch vor den dramatischen ökonomischen und gesellschaftlichen Veränderungen verschließen, die darin zum Ausdruck kommen. Hinzu kommen erfolgreiche Transformations- und Transitionsprozesse sowohl auf sozioökonomischer wie auf im engeren Sinne politischer Ebene in anderen Regionen der Welt, wobei Chile und Südafrika zu den am meisten beachteten Paradigmen gehören. Große asiatische Länder, allen voran Indien, scheinen unmittelbar vor dem Nachvollzug der südostasiatischen Erfahrungen zu stehen. Zudem scheint Armut nicht unbedingt politische Instabilität nach sich zu ziehen, wie das Beispiel Tansanias zeigt, das unter diesem Gesichtspunkt auch als Erfolgsfall analysiert werden könnte.
Dennoch scheint es uns angebracht, die kritische Perspektive auf diese aktuellen Veränderungsprozesse nicht aufzugeben, sondern sogar verstärkt auf die Widersprüche und Ambivalenzen zu achten, die ihnen innewohnen. Dass es sich um kapitalistische Entwicklung handelt, ist dabei vielleicht trivial, aber angesichts der Kommunikation der wirklichen oder scheinbaren Erfolge keineswegs banal. Es überrascht jedenfalls nicht, wenn einige der beobachtbaren Konsequenzen sich ehestens in diesen Rahmen einordnen lassen. Die sich verstärkenden regionalen Disparitäten in China, aber etwa auch in Brasilien sind wohl bekannt, und vor diesem Hintergrund gilt es verstärkt auch nach den Modalitäten zu fragen, wie sich diese Spannungen darstellen und wie sie verarbeitet - oder aber an den Rand gedrängt werden. Ökologische Zerstörungen, für die der Drei-Schluchten-Staudamm am Yangtze nur ein symbolträchtiges Beispiel darstellt, sind eine weitere wichtige Dimension dieser Problematik. Gleiches gilt für soziale Folgen, aber auch für die detailliertere Analyse von dem Anschein nach erfolgreichen Entwicklungsmodellen im Hinblick auf die Verschiebung und Reproduktion von gesellschaftlicher Herrschaft und Ungleichheit. Eine wesentliche Dimension sind schließlich die Auswirkungen von Erfolgen nationalstaatlicher Entwicklung für die weiteren Regionen, in denen sie stattfindet, vor allem die Verstärkung regionaler Hegemonie und die Auseinandersetzung mit dieser Problematik auf der Ebene globaler, aber auch nationaler Entwicklungskonzepte.
Vor diesem Hintergrund interessieren wir uns besonders für
- soziale Folgen von beschleunigtem Wachstum
- ökologische Konsequenzen solcher Prozesse
- wirtschaftliche Grundlagen und Strukturen von Entwicklungserfolgen
- Erfolge und Grenzen als erfolgreich bewerteter Transition
- regionale Konsequenzen
Redaktionsschluss: 17. Februar 2006.