Der Hype in den Mainstream-Medien fördert die rechte „Alternative für Deutschland“ (AfD). Ein Kommentar
Beflügelt durch die Eurokrise hat die als rechtspopulistische Professorenpartei und „Piratenpartei für Rentner“ (heute-show) bezeichnete „Alternative für Deutschland“ (AfD) in den letzten Wochen erstaunlich viel mediale Aufmerksamkeit erhalten.
Sie weckt unterschiedliche Befürchtungen. CDU/FDP sorgen sich um ihre Regierungsmehrheit bei den Bundestagswahlen im September. Andere sehen in ihr nicht ohne Grund eine gefährliche rechte Partei und decken auf, aus welchem rechten Sumpf ein Teil der AnhängerInnen kommt.
Die neue Partei vorwiegend als Sammelbecken tumber Rechter darzustellen, greift allerdings zu kurz. Der aus der CDU in die AFD übergetretene ehemalige hessische Staatssekretär Alexander Gauland bezeichnete am 17. April 2013 seine Partei ungeniert in einem langen Interview im WDR als „Graswurzelbewegung“ gegen die „Schuldenhaftung“ Deutschlands für die europäischen „Südstaaten“.
Ideologisch assistiert wird er hierbei nicht nur von den reaktionär-„libertären“ ObskurantInnen der Zeitschrift „Eigentümlich Frei“, sondern von einer breitgefächerten Bewegung um ihre Ersparnisse und Privilegien fürchtender BürgerInnen. Von einer „Überforderung des hart arbeitenden Mittelstandes“ über die Weigerung „immer Zahlernation“ zu sein bis hin zur angeblichen „geplanten Versklavung“ ist bei der AfD für jede/n graduell abgestuft etwas Passendes dabei. Ihre WählerInnen kommen aus allen Parteien. Von den AfD-Gründungsmitgliedern mit parteipolitischer Vergangenheit kamen 67 aus den Grünen, 91 aus den Piraten, 346 aus der SPD, 372 aus der FDP und 730 aus der CDU/CSU (1).
Als „Mutter der Bewegung“ wird Beatrix von Storch von der rechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“ (2) gefeiert. Als Vorsitzende der „Zivilen Koalition“ mobilisiert sie seit 2004 für ein „leistungsorientiertes Bildungssystem“, die „Verteidigung von Souveränität und Geldwertstabilität“ und „für weniger Staat, mehr Bürgersinn“ hunderttausende von InternetnutzerInnen zu Meinungsvoten. Es handelt sich hier praktisch um eine extrem rechte Variante von Campact. Hinzu kommt noch ihr seriös aufgemachtes interaktives Portal „Abgeordneten-Check“, wo PolitikerInnen mit Kampagnen wie „Kein Steuergeld für Griechenlands Schulden!“ durch massenhafte Anfragen und Statements unter Druck gesetzt werden. Es waren 1,8 Millionen Petitionen in den letzten 95 Wochen (3). Zum Vergleich: Die Campact-Initiative für „Umfairteilen“ hat gerade mal 24.000 UnterzeichnerInnen (Stand: 22.04.2013).
Eng verbunden mit dieser gut geölten Einflussnahme-Maschinerie wettert das „Aktionsbündnis für Direkte Demokratie“ (nicht zu verwechseln mit dem „Omnibus für Direkte Demokratie“ und dem Verein „Mehr Demokratie“) und sein teilweise in der AdF verankertes Personal gegen die „EU-Diktatur“. Das von der AfD benutze Vokabular wie „Zivile Koalition“ und „direkte Demokratie“ zeigt, wie pazifistisch-emanzipatorische Etikette umstandslos für völlig entgegengesetzt stehende Inhalte umfunktioniert werden.
„Handstreichartig“
Auf ihrem ersten Parteitag am 14. April 2013 hat die AfD deutlich gezeigt, was sie wirklich unter „direkter Demokratie“ versteht. Sie wurde hierfür von der nahestehenden „Jungen Freiheit“ bewundert: „Entscheidender für den weiteren Verlauf und den Erfolg des Parteitages war es indes, daß Lucke die Begeisterung auch ausnutzte, um das vom Vorstand ausgearbeitete Wahlprogramm handstreichartig (sic!) ohne Diskussion beschließen zu lassen“ (4).
Es ist kein neues Phänomen, dass auf Kosten Anderer reich gewordene Regionen sich weigern, einen Teil ihres Reichtums denjenigen zurückzugeben, bei denen sie sich in der Vergangenheit bereichert haben. Einem solchen Wohlstandschauvinismus verdankt die Lega Nord in Italien ihre Existenz.
Die norditalienischen Ligen wurden zu manchmal etwas schwierigen, aber letztendlich über Jahrzehnte hinweg treuen Koalitionspartnern Berlusconis. Dieser regionale Egoismus der Besitzenden kommt bei der AfD auf einer höheren institutionellen Ebene ebenfalls zum Tragen, wenn sie von einem zu schaffenden deutschen oder nordeuropäischen Währungsverbund unter Ausschluss der „maroden“ Südstaaten spricht.
Durch die Occupy-Bewegung hat sich im letzten Jahr sogar in der BRD ein kritischeres Bewusstsein gegenüber Konzern- und Bankenmacht entwickelt. Jetzt besteht die Gefahr, dass diese in der Öffentlichkeit deutlich bemerkbaren antikapitalistischen Impulse und Diskurse zunehmend durch nationalistische und egoistische Ressentiments überlagert und die erreichten Fortschritte zunichte gemacht werden.
Nun droht folgendes Szenario:
Die globalisierungskritische Linke müht sich ab, um 20.000 Menschen zur Blockupy-Demo am 1. Juni 2013 nach Frankfurt zu mobilisieren und anschließend könnte nur gut drei Monate später als Bankenkrisengewinnerin die „Alternative für Deutschland“ in den Bundestag einziehen! Der hierzulande recht unterentwickelte Widerstand gegen den kapitalistischen Alltag in Betrieben, Jobcentern und Stadtvierteln würde dann noch mehr in den Hintergrund gedrängt als bisher.
Horst Blume
Anmerkungen:
1. taz vom 15.04.2013
2. Siehe: www.machtvonunten.de/nationalisten-rechte-neoliberale/136-altbekannte-junge-frechheit.html
4. „Junge Freiheit“ vom 19.04.2013, S. 5
Kommentar aus: Graswurzelrevolution Nr. 379, Mai 2013, www.graswurzel.net