Der imperiale Krieg wurde weiter veralltäglicht. Es beschwerten sich
einige Berichterstatter, die seit Tagen über den Super-GAU im
japanischen Kernkraftwerk Fukushima berichten, der Krieg westlicher
Länder gegen Libyen hätte die Aufmerksamkeit der Zuhörer und Zuschauer
von diesem zentralen Ereignis abgelenkt. Tatsächlich war es aber wohl
umgekehrt: Die Bellizisten schienen es ganz zufrieden, dass gerade das
Unglück weiter seinen Lauf nahm und breite Aufmerksamkeit fand, konnten
sie doch so um so besser ungestört ihren Krieg führen. Niemand weiß
wirklich, wie viele Tote es in Libyen inzwischen gegeben hat, wie, wen
und was die Bomberpiloten und die Raketenabfeuerer getroffen haben. Es
ist ein „asymmetrischer" Krieg. „Der Pilot eines Kampfbombers oder die
Besatzung eines Kriegsschiffs, von dem aus Tomahawk-Raketen abgefeuert
werden, befinden sich außerhalb der Reichweite gegnerischer Waffen. Der
Krieg hat hier alle Charakteristika der klassischen Duellsituation
verloren und sich, zynisch gesagt, gewissen Formen von
Schädlingsbekämpfung angenähert." Dieser Satz des stadtbekannten
Kriegsbefürworters Herfried Münkler ist immer wieder einmal zu erinnern,
um das ganze Ausmaß des derzeitigen westlichen Zynismus' deutlich zu
machen. Der Schädling heißt jetzt Gaddafi. Nur, wie das mit der
Kriegsoption und ihren Folgen so ist: am Ende sterben nicht die
Diktatoren, sondern die einfachen Menschen. Die Diskussion um
„Kollateralschäden" wird unterdrückt. Können die Piloten im anrasenden
Flugzeug unterscheiden, ob das am Boden ein Schädling oder ein einfacher
Zivilist ist? Ein böser Regierungssoldat oder ein guter Aufständischer?
Der „totale Krieg" unseligen Angedenkens bedurfte der Kraftanstrengung der gesamten Bevölkerung des kriegsführenden Staates, zuzüglich der Ausbeutung aller durch Eroberung und Unterdrückung herrschaftsunterworfenen Menschen, wie es das Deutsche Reich in seinen beiden Welteroberungsversuchen im 20. Jahrhundert praktizierte. Das gesamte innere wirtschaftliche, soziale, wissenschaftliche, politische und geistige Leben des Landes wurde in den Dienst der Kriegsführung gestellt. Gewiss, zwischen den beiden Weltkriegen gab es einen wesentlichen Unterschied: Der Kaiser und sein Ludendorff hatten mit Kohlrübenwinter, Streiks und legaler Opposition zu tun, was die Führung des „totalen Krieges" im Innern beeinträchtigte, wie Ludendorff später als eine seiner Folgerungen aus der Niederlage feststellte, während „der Führer" Hungerrevolten des Herrenvolkes unbedingt vermeiden wollte - und sei es um den Preis massenhaften Verhungerns der eroberten Menschen im Osten. Also wurden die Deutschen mit Brot und Spielen, der Auslieferung der Lebensmittelrationen bis zum bitteren Ende und immer neuen UFA-Filmen bei Laune gehalten. Und die Kommunisten und Sozialdemokraten saßen im KZ beziehungsweise wurden umgebracht, damit sie öffentliche Proteste nicht organisieren konnten. Dann kam der sogenannte Kalte Krieg. Auch hier mussten beträchtliche Reserven der Wirtschaft, von Wissenschaft und Technik mobilisiert werden, um die gewaltigen nuklearstrategischen Raketensysteme zu bauen, mit denen jede der Seiten die ganze Welt mehrfach hätte vernichten können. Als Anfang der neunzehnhundertachtziger Jahre die Mittelstreckenraketen im Zentrum Europas stationiert wurden und der sowjetische Generalsekretär Jurij Andropow gesagt hatte, nun könnten sich die Deutschen Ost und West durch einen Zaun von Raketen anschauen, war klar, es geht ums Ganze. Die Leute kauften Schnaps und feierten noch öfter als sonst, weil sie wussten, es konnte bald vorbei sein.
Vorbei war dann aber der Kalte Krieg. Eilends wurde die Meinung in Umlauf gebracht, es bräche eine herrliche neue Zeit des allgemeinen Friedens an. Ein paar Jahre lang wurden tatsächlich auch die Rüstungshaushalte heruntergefahren. Nur sollte der konkrete Friede nicht kommen, und die Verantwortlichen im Westen fanden behände allerlei Vorwände, die NATO nicht aufzulösen, obwohl doch die Warschauer Vertragsorganisation des Ostens längst dahingeschieden war. Der Taliban trat an die Stelle des altbösen Kommunisten, und nach dem 9. September 2001 wurden die Rüstungshaushalte schleunigst wieder hochgefahren. Die weltweiten Rüstungsausgaben erreichten 2006 erneut den Stand von 1988, das war der damals höchste am Ende des Kalten Krieges, und sie steigen weiter von Jahr zu Jahr, auch unter Obama, und jeder Rüstungshaushalt ist nun der höchste in der Welt, den es je gab. Nur, was wollen die mit dem ganzen Zeug? Ab und zu muss das Lager geräumt werden. Am besten ist, die Systeme werden nicht mühsam in ihre Bestandteile zerlegt und entsorgt, sondern verbraucht. Dann werden mal eben ein paar Hundert Raketen und Bomben verschossen. Besonders gut macht sich das in der Wüste. Da geht nebenbei nicht so viel kaputt. So boten sich nach den kargen Bergen Afghanistans besonders gut der Irak und nun Libyen an. Die haben zudem den Charme, dass dort Öl liegt. Wenn die unliebsamen Regime, die gegenüber dem Westen oft so unbotmäßig waren, weggebombt werden, findet sich ja sicher eine freundliche Regierung, die auch die US- und andere Westfirmen wieder direkt an den Ölhahn lässt. Nur führt ein Imperium, wie es die USA sind oder die Europäische Union ist, keinen totalen Krieg. Die Läden bleiben voll, und die Leute werden bei Laune gehalten. Bundesliga, Formel 1 und „Wetten dass" sind am gewohnten Sendeplatz. Zwischendurch ein paar Meldungen über Naturunglücke und Reaktorunfall, Tsunami in Japan oder Sturmflut in Thailand. Erst nach zehn Minuten ein paar Meldungen vom Kriegsgeschehen. Über die Opfer weiß man vorgeblich nichts Genaues, weil, vom Boden gibt es nur die Bilder des Staatsfernsehens, und das lügt ja sowieso, weil, es steht ja im Dienste des Diktators, der gerade weggebombt werden soll. Deutschland ist diesmal nicht dabei. Aber das Unbehagen ist doch da. Die Leute gewöhnen sich an den Krieg, heißt das Kalkül, wie sie sich an immer schlechteres Fernsehen und an immer teureres Wasser gewöhnen. Und dann kann man auch die Gewöhnung steigern. Schritt für Schritt. Bis die Menschen eines Tages denken, das müsse so sein: Endlich wieder Krieg!
Oder auch nicht. Vielleicht hat ja diese Regierung auch deshalb nicht mitgemacht, weil sie weiß, dass die Deutschen in ihrer übergroßen Mehrheit nicht mehr kriegsverwendungsfähig sind. Die haben noch die Schnauze voll von damals. Auch wenn jetzt nicht mehr offen von Kohle, Stahl und Weizen getönt wird, wie 1941, sondern irgendwas von Demokratie und Menschenrechten zusammengelogen wird - am Ende geht's doch wieder um Öl, seltene Erden oder ähnliches. Als kämen Menschenrechte aus Bomben und Raketen. Das Unbehagen bleibt, so lange der Krieg andauert. Auch darüber, dass die hierzulande Regierenden sich nächstes Mal vielleicht nicht wieder trauen, Nein zu sagen.
Der „totale Krieg" unseligen Angedenkens bedurfte der Kraftanstrengung der gesamten Bevölkerung des kriegsführenden Staates, zuzüglich der Ausbeutung aller durch Eroberung und Unterdrückung herrschaftsunterworfenen Menschen, wie es das Deutsche Reich in seinen beiden Welteroberungsversuchen im 20. Jahrhundert praktizierte. Das gesamte innere wirtschaftliche, soziale, wissenschaftliche, politische und geistige Leben des Landes wurde in den Dienst der Kriegsführung gestellt. Gewiss, zwischen den beiden Weltkriegen gab es einen wesentlichen Unterschied: Der Kaiser und sein Ludendorff hatten mit Kohlrübenwinter, Streiks und legaler Opposition zu tun, was die Führung des „totalen Krieges" im Innern beeinträchtigte, wie Ludendorff später als eine seiner Folgerungen aus der Niederlage feststellte, während „der Führer" Hungerrevolten des Herrenvolkes unbedingt vermeiden wollte - und sei es um den Preis massenhaften Verhungerns der eroberten Menschen im Osten. Also wurden die Deutschen mit Brot und Spielen, der Auslieferung der Lebensmittelrationen bis zum bitteren Ende und immer neuen UFA-Filmen bei Laune gehalten. Und die Kommunisten und Sozialdemokraten saßen im KZ beziehungsweise wurden umgebracht, damit sie öffentliche Proteste nicht organisieren konnten. Dann kam der sogenannte Kalte Krieg. Auch hier mussten beträchtliche Reserven der Wirtschaft, von Wissenschaft und Technik mobilisiert werden, um die gewaltigen nuklearstrategischen Raketensysteme zu bauen, mit denen jede der Seiten die ganze Welt mehrfach hätte vernichten können. Als Anfang der neunzehnhundertachtziger Jahre die Mittelstreckenraketen im Zentrum Europas stationiert wurden und der sowjetische Generalsekretär Jurij Andropow gesagt hatte, nun könnten sich die Deutschen Ost und West durch einen Zaun von Raketen anschauen, war klar, es geht ums Ganze. Die Leute kauften Schnaps und feierten noch öfter als sonst, weil sie wussten, es konnte bald vorbei sein.
Vorbei war dann aber der Kalte Krieg. Eilends wurde die Meinung in Umlauf gebracht, es bräche eine herrliche neue Zeit des allgemeinen Friedens an. Ein paar Jahre lang wurden tatsächlich auch die Rüstungshaushalte heruntergefahren. Nur sollte der konkrete Friede nicht kommen, und die Verantwortlichen im Westen fanden behände allerlei Vorwände, die NATO nicht aufzulösen, obwohl doch die Warschauer Vertragsorganisation des Ostens längst dahingeschieden war. Der Taliban trat an die Stelle des altbösen Kommunisten, und nach dem 9. September 2001 wurden die Rüstungshaushalte schleunigst wieder hochgefahren. Die weltweiten Rüstungsausgaben erreichten 2006 erneut den Stand von 1988, das war der damals höchste am Ende des Kalten Krieges, und sie steigen weiter von Jahr zu Jahr, auch unter Obama, und jeder Rüstungshaushalt ist nun der höchste in der Welt, den es je gab. Nur, was wollen die mit dem ganzen Zeug? Ab und zu muss das Lager geräumt werden. Am besten ist, die Systeme werden nicht mühsam in ihre Bestandteile zerlegt und entsorgt, sondern verbraucht. Dann werden mal eben ein paar Hundert Raketen und Bomben verschossen. Besonders gut macht sich das in der Wüste. Da geht nebenbei nicht so viel kaputt. So boten sich nach den kargen Bergen Afghanistans besonders gut der Irak und nun Libyen an. Die haben zudem den Charme, dass dort Öl liegt. Wenn die unliebsamen Regime, die gegenüber dem Westen oft so unbotmäßig waren, weggebombt werden, findet sich ja sicher eine freundliche Regierung, die auch die US- und andere Westfirmen wieder direkt an den Ölhahn lässt. Nur führt ein Imperium, wie es die USA sind oder die Europäische Union ist, keinen totalen Krieg. Die Läden bleiben voll, und die Leute werden bei Laune gehalten. Bundesliga, Formel 1 und „Wetten dass" sind am gewohnten Sendeplatz. Zwischendurch ein paar Meldungen über Naturunglücke und Reaktorunfall, Tsunami in Japan oder Sturmflut in Thailand. Erst nach zehn Minuten ein paar Meldungen vom Kriegsgeschehen. Über die Opfer weiß man vorgeblich nichts Genaues, weil, vom Boden gibt es nur die Bilder des Staatsfernsehens, und das lügt ja sowieso, weil, es steht ja im Dienste des Diktators, der gerade weggebombt werden soll. Deutschland ist diesmal nicht dabei. Aber das Unbehagen ist doch da. Die Leute gewöhnen sich an den Krieg, heißt das Kalkül, wie sie sich an immer schlechteres Fernsehen und an immer teureres Wasser gewöhnen. Und dann kann man auch die Gewöhnung steigern. Schritt für Schritt. Bis die Menschen eines Tages denken, das müsse so sein: Endlich wieder Krieg!
Oder auch nicht. Vielleicht hat ja diese Regierung auch deshalb nicht mitgemacht, weil sie weiß, dass die Deutschen in ihrer übergroßen Mehrheit nicht mehr kriegsverwendungsfähig sind. Die haben noch die Schnauze voll von damals. Auch wenn jetzt nicht mehr offen von Kohle, Stahl und Weizen getönt wird, wie 1941, sondern irgendwas von Demokratie und Menschenrechten zusammengelogen wird - am Ende geht's doch wieder um Öl, seltene Erden oder ähnliches. Als kämen Menschenrechte aus Bomben und Raketen. Das Unbehagen bleibt, so lange der Krieg andauert. Auch darüber, dass die hierzulande Regierenden sich nächstes Mal vielleicht nicht wieder trauen, Nein zu sagen.