Eine kurze Einführung
Von der Finanzierung der Kriegsfilmproduktion in Hollywood durch das Pentagon über die Allgegenwart des Belvedere-Balkons im österreichischen Jubiläumsjahr, vom Illustrierten-Cover bis zum Foto neb
dem Kunstzeitschriftentext: Bilder machen Politik und Politik produziert Bilder. Aber was Bildpolitiken eigentlich sind, lässt sicht nur schwer sagen. Und zwar deshalb, weil schon umstritten ist, was "Politik" und was ein "Bild" ist. Die Zusammensetzung macht es nicht einfacher.
Eine gängige Frage ist die nach der Politik hinter den Bildern. Denn es gibt sie zweifelsohne, diese verborgene, ideologische Seite des Bildes, die es nach wie vor zu enttarnen und bloßzustellen gilt, um sich nicht mit Oberflächlichem abzugeben und nicht der Politik dahinter auf den Leim zu gehen. Allein die Tatsache, dass Bilder immer "gemacht" sind, macht sie anfällig für Manipulationen: Sie selbst werden und mit ihnen wird manipuliert. Wer sich Bildpolitiken deshalb nur als stalinistische Foto-Retouchen oder omnipräsente Großkonzernwerbegrafiken vorstellt, imaginiert aber zu kurz. Welche Politik mit welchen Bildern gemacht wird, ist nicht allein durch ideologiekritische Betrachtungen herauszufinden. Denn Bilder sind nicht nur die Überbringer von - möglicherweise versteckten - Botschaften. Ideologie ist also nicht alles, was es in, auf und hinter den Bildern zu sehen gibt. Bilder tragen nicht nur weiter und vermitteln, sondern produzieren selbst Diskurse. (Ob sie selbst "handeln" wie die Sprache, ist eine andere Frage). Bildpolitiken sind geballte visuelle Praktiken, mit deren Hilfe auf individueller Ebene z. B. Gedächtnis und Gefühle produziert werden und deren soziale Dimension u. a. in der Herstellung von Öffentlichkeit besteht. Aber nicht nur das: Sie konstituieren kommunikative und soziale Räume. Bilder wirken auch unabhängig davon, ob die hervorgerufenen Effekte beabsichtigt sind oder nicht.
Trotz dieser Unbestimmtheit lässt sich natürlich dennoch fragen, was ein geeignetes Bild ist, welches Bild angemessen und welches besser ist. Fragen, mit denen BildproduzentInnen permanent konfrontiert sind. Für die Antworten darauf gibt es wiederum keine einheitlichen Maßstäbe, sondern nur solche, die in Beziehung zu anderen Bildkontexten und Bildpolitiken stehen. Bildpolitiken nämlich funktionieren anders als z. B. die Bildwissenschaften, die sich noch mehr oder weniger plausibel in ihre einzelnen und relativ eindeutigen Disziplinen wie Kunstgeschichte, Visual Studies etc. zerlegen lassen. Demgegenüber ist nicht eindeutig zu definieren, wie konservative oder anarchistische, feministische, liberale oder faschistische Bildpolitiken aussehen, weil sie immer Werturteilen unterliegen und nur in Abgrenzung zu anderen zu bestimmen sind. Ganz beliebig sind diese Festlegungen allerdings auch nicht, weil sie in gesellschaftlichen Kontexten entstehen und darin eingebettet sind. Deshalb können Rammsteins Leni Riefenstahl-Bilder ebenso wenig linke Bildsprache sein wie Duchamps Pissoir ein Fascho-Monument. Übergänge und Überschneidungen gibt es aber auch hier, weil Bildsprache, wie jede andere Sprache auch, verstanden werden muss. Bildsprache ihrerseits bringt zwar (wie Bildpolitiken) auch hin und wieder Effekte hervor, ist aber nicht ausdrücklich auf Gesellschaft ausgerichtet. Nicht alles, was sich außerhalb materieller Verhältnisse auf das Soziale bezieht, ist deshalb aber Bildpolitik: Gebräuchlich ist dafür meist das Adjektiv symbolpolitisch, und Symbol kann dies und jenes, muss aber kein Bild sein.
Dieser Artikel erscheint in Bildpunkt. Zeitschrift der IG Bildende Kunst, "Bildpolitiken", Herbst 2005.