Fünf Ansätze, warum Religionen kritikwürdig sind
Wenn die Gläubigen glauben zu wissen und die Ungläubigen wissen nicht zu glauben - was kann man dann noch wissen und glauben? Die großen Weltreligionen haben immer schon von sich behauptet, alleinigen Anspruch auf die Wahrheit zu haben. Und schon immer gab es kritische Stimmen. Religionskritik kommt aus ganz verschiedenen Richtungen. Fünf der geläufigsten Theorien stellen wir euch vor.
Projektion der menschlichen Eigenschaften
Ludwig Andreas Feuerbach (1804-1872) meint, dass die Menschen nur ihr
eigenes Wesen auf einen Gott abbilden. Für ihn ist die Menschheit
selbst schon unendlich, vollkommen, ewig und allmächtig. Das alles sind
Attribute, die gläubige Menschen ihrem „Gott" zusprechen. Laut
Feuerbach ist es die Aufgabe der Menschen, sich dieser Projektion
bewusst zu werden, damit sie sich selbst verwirklichen können.
Der Kapitalismus ist schuld
Karl Marx (1818-1883) stimmt weitestgehend mit Feuerbach überein.
Allerdings sieht er den Grund für das Ent- und Bestehen der
Religionen im Kapitalismus. Dieser beutet den Menschen aus und schafft
somit Elend. Die Religion hilft den Menschen, das Elend zu verdrängen.
Daher kommt der berühmte Satz: „Die Religion ist das Opium des Volkes".
Marx meint, dass der Mensch seine Ketten durch die Revolution sprengen,
die Klassenherrschaft beenden und den Kapitalismus abschaffen muss,
damit keine Religion mehr benötigt wird.
Gott als Wahnvorstellung
Nach Sigmund Freud (1856-1939) ist Gott nur eine Wunschvorstellung oder
auch eine Vaterprojektion. Diese beruht auf dem Bedürfnis nach Schutz,
der Forderung nach Gerechtigkeit, der Sehnsucht vom Leben nach dem Tod,
der Suche nach Antworten auf alle Geheimnisse des Lebens.
Naturgesetze bestimmen unser Leben
Auguste Comte (1798-1857) und Bertrand Russel (1872-1970) vertreten den
naturwissenschaftlichen Ansatz der Religionskritik: Früher diente Gott
als Erklärung für alles, was naturwissenschaftlich nicht zu ergründen
war. Nachdem sich die naturwissenschaftliche Forschung allerdings immer
weiterentwickelt hat, wissen wir mittlerweile, dass die Umwelt den
Naturgesetzen folgt und nicht von einer unbekannten Macht gelenkt wird.
Das Theodizee-Problem
Der französische Philosoph Albert Camus (1930-1960) ist enttäuscht von
einem Gott, der angeblich allmächtig und liebend sein soll, jedoch Leid
zulässt. Dieses Problem nennt sich Theodizee. Nach Camus wird Gott
gerne als Ausrede benutzt, um zu rechtfertigen, warum Leid nicht
bekämpft wird. Er meint, dass die Menschen die Absurdität der
Leidzufügung aushalten müssen, weil es keinen Sinn gibt. Sie müssen
sich gegen das Leid auflehnen und ihre Würde solidarisch verteidigen.
Kindheitstrauma
Auch Jean-Paul Sartre (1905-1980) ist von Gott fast schon „genervt".
Dieser fungierte in Sartres Kindheit nämlich immer als eine Art
lästiger Aufpasser. Für Sartre existiert der Mensch nur dann, wenn er
sich selbst, ohne Fremdeinwirkung, verwirklichen kann. Ansonsten ist er
nicht frei, sondern wurde von Gott vor seinem Bestehen geformt. Den
Existentialisten Sartre stört auch, dass Gott nicht objektiv erfahrbar
ist. Das heißt, dass niemand Gottes Wirken sehen kann, ausgenommen die
Person, der es angeblich zu Gute gekommen ist.
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