Der größte Protesttag in der US-Geschichte: 21. Januar 2017
Schauderhaft! Wer die ultranationalistische „America first!“-Antrittsrede (1) des neuen US-Präsidenten am 20. Januar 2017 gesehen hat, weiß, dass dem Globus durch die Übergabe des mächtigsten Amtes der Welt an einen Leugner des Klimawandels ein unkalkulierbares Vabanquespiel droht.
Der rücksichtslose Tycoon und sein aus Faschisten, Milliardären, Generälen und Claqueuren bestehender Hofstaat drohen die Menschheit näher an den Abgrund zu schieben, als wir uns das vor der US-Wahl 2016 hätten vorstellen können. (2)
Besonders gefährlich bei Trump ist die Kombination aus Bosheit, Dummheit, Beratungsresistenz und Impulsivität. Die Machtfülle, die diesem von sechzig Millionen US-BürgerInnen gewählten Narzissten in die Hände gelegt wurde, ist beängstigend. So sagt Bruce Blair, der in den 1970er-Jahren für die US-Armee das Prozedere für den möglichen Abschuss von Atomwaffen kontrollierte, im Interview mit dem „Spiegel“: „Trumps Finger auf dem Atomkoffer macht mir Angst. Ich habe keinerlei Vertrauen in Trumps Urteilskraft, was Krieg und Frieden angeht. Er ist impulsiv. Er ist aggressiv, schlecht oder falsch informiert. Er weiß praktisch nichts über Atomwaffen oder internationale Beziehungen. Er ist ein Hitzkopf. Er denkt nicht. Er will nicht lernen. Und er hat gezeigt, dass er die Welt in Gewinner und Verlierer einteilt. Ganz ehrlich: Ich lebe in Angst. Ich fürchte, irgendwann trifft Trump eine schlechte Entscheidung, was Atomwaffen angeht.“
NationalistInnen wie LePen in Frankreich, Wilders in den Niederlanden, Farage in Großbritannien und Petry in Deutschland freuen sich ebenso wie die Autokraten Orbán in Ungarn, Erdoğan in der Türkei und Putin in Russland über den neuen Bündnispartner auf dem Weg zu einer Renaissance des rücksichtslosen, nationalistisch-kapitalistischen Wahnsinns.
ABER es gibt auf dieser Welt nicht nur Arschlöcher!
Einen Tag nach der Amtseinführung des Egomanen demonstrierten in den Metropolen von Istanbul, London, Paris, Dublin bis Berlin weltweit unzählige Menschen gegen den Hetzer. Allein in den USA gingen am 21. Januar rund 2,9 Millionen Menschen gegen den Mann auf die Straße, der sich aufs Übelste über Frauen, Mexikaner und Behinderte geäußert hat. (3) Es war die größte Ein-Tag-Demo der US-Geschichte. In Washington demonstrierten 500.000 Menschen, in Los Angeles waren es 750.000, 60.000 marschierten unter Parolen wie „Not my president“, „No human is illegal“ und „No Trump, no KKK, no fascist USA“ durch Atlanta. Jeweils 250.000 waren es in New York, Chicago und Boston, 200.000 in Denver, außerdem je 60.000 in Oakland und St. Paul, 50.000 in Philadelphia, 100.000 in Madison, je 20.000 in Pittsburgh und in Nashville,...
„Überall friedlich protestierende Leute mit positiven Botschaften. Das ist das Amerika, in dem ich leben möchte!“, zitiert bento.de die Aktivistin Taylor Caddington. Es gehe hier auch um Rechte für Homosexuelle, Dunkelhäutige, Muslime, Frauen und um Abtreibungsrechte. „Dass Trump jetzt Präsident ist, macht mich traurig. Das Schlimmste für mich war sein Satz ‚You can grab them by the pussy‘. Er suggeriert Männern, dass Frauen nichts wert sind“, so die 22-Jährige. Sie wolle Trump zeigen, dass er nicht mit den grauenhaften Dingen, die er sagt, davonkommt. „Er muss einsehen, dass es eine Grenze gibt. Die kann er nicht überschreiten, und wenn er es versucht, dann werden sich alle diese Leute hier gegen ihn stellen.“
Millionen Menschen sind auf die Straße gegangen und haben klargemacht, dass sie die Zukunft nicht den Menschenfeinden überlassen wollen. Das macht Hoffnung.
Die Zukunft gehört den emanzipatorischen Sozialen Bewegungen. Sie liegt in unseren Händen, wenn wir nicht resignieren, sondern aufstehen und gegen die Herrschenden Widerstand leisten. (4) Wir können die Gespenster des Nationalismus vertreiben und das Weltgeschehen in eine ganz andere Richtung bewegen. Kämpfen wir gemeinsam. Für eine Welt, in der nicht Konkurrenz, nicht der kapitalistische Raubbau an Mensch und Natur, sondern Emanzipation und Gegenseitige Hilfe, die Verwirklichung einer sozial gerechten, ökologisch überlebensfähigen, gewaltfreien und herrschaftslosen Gesellschaft auf der Tagesordnung stehen.
Bernd Drücke, 22.1.2017
Anmerkungen:
- Siehe: www.spiegel.de/politik/ausland/donald-trumps-rede-zum-amtsantritt-im-wortlaut-a-1131038.html
- Siehe dazu: Die US-Wahl als Zeitenwende. Gewaltfreier Widerstand gegen den Trumpismus, Artikel von Bernd Drücke, in: GWR 414, Dezember 2016, S. 3 f., www.graswurzel.net/414/trump.php Eine englischsprachige Version des Textes findet sich jetzt auf: http://portland.indymedia.org/en/2016/12/433934.shtml
- Vgl. Jason Easley: Women’s March Is The Biggest Protest In US History As An Estimated 2.9 Million March. 21.1.2017, www.politicususa.com/2017/01/21/womens-march-biggest-protest-history-estimated-2-4-million-march.html
- Zum Thema siehe auch meinen Artikel „Eine gute Nachricht aus den Vereinigten Staaten. Die Whisleblowerin Chelsea Manning wird am 17. Mai 2017 aus der Haft entlassen“ auf Seite 24 dieser GWR 416.
Kommentar aus: Graswurzelrevolution Nr. 416, Februar 2017, www.graswurzel.net