Adoptions- und Inseminationsrechte unabhängig von normierten Lebensweisen
Kurz vor der Bundestagswahl, respektive kurz vor Ende ihrer Amtszeit stellte die ehemalige Justizministerin Brigitte Zypries die bisher größte Studie zu so genannten Regenbogenfamilien vor. Nach der Befragung zeigte sich - oh Wunder - dass Kinder gleich gut und gleich schlecht mit homo- und heterosexuellen Eltern aufwachsen. Was folgt? - Abgesehen von einem vorprogrammierten erscheinenden Schlagabtausch der einschlägigen Fronten, erst einmal wenig. Auch wenn die FDPlerin Ina Lenke sich vornimmt in der Schwarz-Gelben Koalition „dicke Bretter" bohren zu wollen, wird die FDP trotz ihrer nie gekannten Stärke dieses Thema gegen die Unions-Christen nicht durchsetzen können - und ihm in der Abwägung mit anderen Politikfeldern wohl auch nicht annähernd genug Gewicht beimessen. Bleibt also mal wieder nichts anderes übrig, als Alles selbst zu machen - Dann aber auch gleich emanzipatorisch-radikal.
Elternrechte im Fadenkreuz der Norm
Derzeit sind Adoptionsmöglichkeiten und Inseminationsbehandlungen („Künstliche Befruchtung") beinahe ausschließlich gegeben für wohl situierte, heterosexuelle Ehepaare, die sowohl „kulturell kompatibel" als auch im „richtigen" Alter sind. Nicht-eheliche Lebensgemeinschaftungen zweier Personen oder Personenmehrheiten - welcher sexueller Orientierung oder Identität auch immer - als auch die Eingetragenen Lebenspartnerschaften, fallen mehr oder minder raus. Selbst wenn eine Möglichkeit zur Adoption potentiell besteht, bedeutet das aber auch noch lange nicht, dass es reale Möglichkeiten dazu gibt. Da es wesentlich mehr AdoptionsanwärterInnen als Adoptivkinder gibt, werden in solchen Begutachtungen in den allermeisten Fällen heterosexuelle Eltern, die auch sonst ins „normal"-normierte Schema passen, bevorzugt. Familienkonstellationen mit mehr als zwei erwachsenen Bezugspersonen sind rechtlich nicht möglich - und erfahren so strukturelle Ablehnung, rechtliche Unsicherheit und finanzielle Benachteiligung. Menschen, die sich ihrem bei Geburt zugeordneten Geschlecht entledigt haben und vom Staat im anderen Geschlecht haben anerkennen lassen, wird eine biologische Elternschaft durch die vom Transsexuellengesetz angeordnete Zwangssterilisation/-kastration sogar gewalttätig verwehrt. Im Bereich der Inseminationsrechte - also dem Zugang zu Samenbanken und den Verfahren der „künstlichen" Befruchtung - sieht es ähnlich schrecklich aus. Schaut man genauer hin, zeigt sich schnell: Richtige Kinder sind gewünscht - nicht die rassistisch untergeordneten „kleinen Kopftuchmädchen" und nicht die aus der „bildungsfeindlichen Unterschicht" und nicht die aus „perversen", „unnatürlichen" Familien. Nein, gewollt sind bestimmte Kinder von bestimmten Eltern in bestimmten familiären Strukturen. Denn die biopolitische Regierung der Bevölkerung ist auch in Zeiten eines globalisierten Kapitalismus noch eine der wichtigsten Machttechnologien. Hier wird Bevölkerungspolitik betrieben - rassistisch, sexistisch und nationalistisch geprägt wie eh und je.
Herrschaftskonzept Verwandtschaft
Der Grundtenor der derzeitigen Debatte kreist vor allem um Adoptionen für homosexuelle Paare (also Zweier-Verbindungen) in Lebenspartnerschaften. Kaum reflektiert werden in solchen Forderungen die strukturellen Normierungs-/Ausgrenzungsstrukturen im Bereich der Elternschaft, die nicht aufgebrochen, sondern eher in einer weiteren Konstellation bestätigt werden würden. Bei solchen Forderungen stehen zu bleiben ist blind gegenüber Klassenaspekten, Rassisierungsprozessen, ..., gegenüber den Zwängen konformistischer Lebensweise. Anstatt immer mehr (zumeist gegenüber dem Normalmodell heterosexuelle Ehe unterprivilegierte) Sonderlösungen und homosexuelle Nachahmermodelle zu schaffen, sollte das Prinzip Ehe als Subtext familien-, sozial- und steuerrechtlicher Regelungen verschwinden - zugunsten der Gleichberechtigung von Lebensformen. Gefördert wird nicht das möglichst gute Aufwachsen von Kindern und möglichst selbstbestimmte, einzelfallspezifische Organisation von gegenseitiger Verantwortungsübernahme, sondern die Zementierung einer ideologisch aufgeladenen Lebensform als Norm. Daher geht es in politischen Kämpfen vor allem um eines: Den Zwang zu normierten Lebensweisen, weil sie normiert, normalisierend und normierend sind, zu kritisieren und aufzubrechen.
Aber die Kinder? Denkt doch an die Kinder!
In den Auseinandersetzungen geht es zudem vollkommen um die Position der Eltern. Tauchen Kinder auf, dann stets instrumentalisiert in den paternalistischen Erklärungen Konservativer, die wissen wollen, was im Interesse von Kindern ist und was nicht. Es muss klar sein, um was es hier geht: Um massive Verfügungsgewalten über junge Menschen. Eine emanzipatorische Forderung zu Adoptionsrechten kommt daher nicht ohne die Betrachtung der adoptierten Seite aus. Unsere Antwort darauf: Radikaldemokratisierte Kinderrechte, die aufgrund des Alters diskriminierte Menschen aus ihrer Quasi-Leibeigenschaft befreien, die das Familienrecht Eltern bzw. „Erziehungsberechtigten" verleiht. Junge Menschen müssen weitgehende Rechte haben sich gegen ihre Adoption zu wehren. Auch die Abkehr von den aktuellen (auch leiblichen) Eltern, muss möglich werden. Das Sorgerecht und sonstige Verfügungsgewalten müssen ordentlich entrümpelt werden. Dazu gehört auch eine grundlegende Umstrukturierung sozialer Ansprüche, wie Kinder- und SchülerInnengeld, Bafög, Sozialhilfe etc. pp., die bisher weitgehend an die Eltern gekoppelt sind. Sie müssen als direkte Ansprüche, von Kindern und Jugendlichen selbst geltend gemachte werden können - gerade wenn diese sich entscheiden den Machtverhältnissen ihrer biologistisch-kulturell zwangsverordneten Familie den Rücken zu kehren und ein selbstbestimmteres Leben zu führen.
(Dieser Beitrag gibt in gekürzter Version ein Positionspapier von JungdemokratInnen/ Junge Linke wieder. Der ganze Text ist auf www.jdjl.org zugänglich.)