Höchstrenditen zu erzielen, ist seit jeher ein ganz normaler Zweck von Kapitalanlagen. Immer kann dabei auch etwas schiefgehen, Spekulationen können sich als Fehlspekulationen erweisen, Unternehmen und Banken können Pleite machen. Und es kann sein, daß kurzfristige mit langfristigen Gewinnerwartungen in Konflikt geraten. Zudem ist die kapitalistische Ökonomie bekanntlich konkurrenzgetrieben. Im Markt gibt es permanent Gewinner und Verlierer.
Das alles gilt auch für die derzeitige Krise. Die enormen Finanzwerte, denen jetzt nachgeweint wird, sind nicht im Nirwana verschwunden. Die spekulativen Operationen der vergangenen Jahre haben zu enormen Gewinnen geführt, Multimillionäre haben sich vermehrt und sind noch reicher geworden. Auch an den aktuellen Finanzkatastrophen läßt sich verdienen, die Karten in der Konkurrenz der Banken und Fonds werden neu gemischt, aus den Pleiten der einen gehen andere gestärkt hervor, Konzentration von Marktmacht steigert sich. Naiv wäre es anzunehmen, der Kapitalismus pfeife auf dem letzten Loch.
»Jetzt ist der Staat dran« - so das gegenwärtige Feldgeschrei. Die Zeit des »staatsfreien Marktes« sei vorüber. Leider, wie ökonomisch unbedarfte Werber für den sogenannten Neoliberalismus meinen. Glücklicherweise, wie manche harmlosen Kritiker des Kapitalismus sagen. Beide sind auf eine Legende hereingefallen, denn schon immer haben sich Kapitalinteressen, wenn es ihnen nützlich erschien, der staatlichen Gewalt bedient, der zivilen und, wenn es darauf ankam, der kriegerischen. Der kluge Kapitalist hat sich niemals auf die alleinige Kraft des Marktes verlassen. Zugriffe auf Ressourcen wurden mit Hilfe des Staates organisiert, Konkurrenten durch Eingriffe der Politik niedergezwungen, unternehmerische Kosten oder Verluste über den Staat ans Volk weitergeben, gesellschaftliche Opposition gegen Kapitalmacht wurde mit staatlichen Mitteln unterdrückt.
»Der Markt allein soll es uns richten« - von dieser Devise hat sich kapitalistische Praxis nie leiten lassen. Auch zeitweilige Verstaatlichungen sind nichts Neues in der Geschichte des Kapitalismus. Sie können die Bedingungen dafür verbessern, daß im nächsten Schritt der Privatisierung wieder prächtige Profite anfallen. In den gegenwärtigen staatlichen Hilfsaktionen für den Finanzmarkt sieht die Kapitalseite keineswegs eine Gefahr der Machtverschiebung. Für Linke ist es ratsam, die methodischen Fähigkeiten des Kapitalismus nicht zu unterschätzen.