Nationalismus ist einer der umstrittensten Begriffe, der unterschiedlich aufgefasst und interpretiert wird. Die Meinung, dass der Patriotismus - im Gegensatz zum Nationalismus - Menschen anderer Nationen nicht hinabstufe und deshalb legitim sei, ist weit verbreitet. Bei näherer Betrachtung fällt jedoch auf, dass in der Aufwertung der einen Nation automatisch eine Abwertung der anderen Nationen im Verhältnis zur aufgewerteten Nation enthalten ist. Es ist also fragwürdig, ob Nationalismus und Patriotismus überhaupt klar voneinander abzugrenzen sind.
Nationen sind unnatürlich
Für manche beginnt Nationalismus bereits da, wo Menschen in verschiedene Nationen eingeteilt werden. Schließlich sind Nationen keine von der Natur gegebenen Gemeinschaften, sondern von Menschen gemachte Gebilde, die entstanden sind, sich ändern und verschwinden können. Die konkreten Folgen, die sich aus der Einteilung von Menschen in Nationen ergeben, werden zum Beispiel an der Flüchtlingspolitik deutlich, die Menschen auf Grund ihrer Nationalität aus einer Gesellschaft ausschließt. Die Abschaffung von nationalen Gebilden ist deshalb auch eine zentrale Forderung der Bewegung für die Rechte von Flüchtlingen.
Im nationalen Boot
Nationalismus ist aber nicht nur eine Abgrenzung nach außen, sondern auch ein Instrument, das soziale Ungleichheit verschleiert und damit bestehende Herrschaftsverhältnisse festigt: Da vergisst die Arbeiterin schon mal die letzte Lohnkürzung, der Arbeitslose vergisst Hartz IV und die Ehefrau vergisst die Schläge der letzten Nacht: Es sitzen schließlich alle - Herrschende wie Beherrschte - im großen nationalen Boot, in dem man zusammenhalten muss!
Im schwarz-rot-goldenen Fahnenrausch
Schöne Beispiele für „Nationalismus" in Deutschland sind die
Herren-Fußball-Weltmeisterschaft 2006 oder die wieder
aufkeimende Deutschtümelei zur Europameisterschaft in diesem Jahr. Endlich dürfe man
wieder stolz auf Deutschland sein.
Zwar sind nicht alle, die beim Fußball für die deutsche - oder für
irgendeine andere - Mannschaft halten, automatisch NationalistInnen,
aber die häufige Begründung „Ich bin deutsch, also bin ich für die
deutsche Mannschaft" ist nationalistisch.
Schließlich verbindet die meisten Deutschen nichts anderes mit der
Fußballnationalmannschaft, als dass sie rein zufällig die gleiche
Nationalität hat.