Die Gewalt der Globalisierung

... und die Globalisierung der Gewalt

Klimabericht und technokratische Lösungen / "NO WAR! NO G8! Sturmwarnung"-Extrablatt und Schwerpunkt der Graswurzelrevolution Nr. 319

Vom 6. bis 8. Juni veranstalten die Regierungschefs der acht mächtigsten Wirtschaftsnationen in Heiligendamm bei Rostock einen G8-Gipfel. Aus diesem Anlass veröffentlichen wir in dieser Ausgabe der Graswurzelrevolution (GWR) mehrere Hintergrundartikel zum Thema, sowie eine vierseitige Aktionszeitung im Innenteil (Auflage: 20.000), die extra (gegen Portospende) bestellt und verteilt werden kann.
Der Gipfel wird sich mit besorgter Miene auch den Veränderungen des Weltklimas annehmen. Doch es ist nicht der völlig verallgemeinerte "Mensch", der die Hauptursache der Klimakatastrophe bildet, es ist die Struktur der industriellen, wachstumsorientierten, kapitalistischen Gesellschaft, die solche Menschen formt. Und es sind vor allem die Menschen der ärmeren Länder, welche die Folgen zu tragen haben. (GWR-Red.)

Der gerade diskutierte zweite Teil des UN-Klimaberichts geht davon aus, dass die von Menschen verursachten Veränderungen des Weltklimas durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe und vermehrte Freisetzung von Treibhausgasen wie Kohlendioxid und Methan die Lebensgrundlagen von Milliarden Menschen angreifen, dass vor allem die Ärmsten und ohnehin Bedrohten gefährdet sind. Das weitere Ansteigen des Meeresspiegels werde Inseln und ganze Landstriche überfluten, die häufiger auftretenden extremen Wetterlagen, Dürren und Hochwasser bedrohten auch Länder, die bislang nicht als akut gefährdet galten. Tierarten und Pflanzensorten seien vom Aussterben bedroht. Und dies geschehe schneller als bisher erwartet.
Das Abschmelzen der Gletscher vieler Gebirge, der auftauende Permafrost in der Tundra und das abschmelzende Eis in Grönland und an den Polen waren deutliche Zeichen.
Tendenzen hin zu unregelmäßigen Vegetationsperioden, veränderten Vorkommen von Tieren und Pflanzen, etwa von Fischen in der Nordsee oder das Ausbleiben des Vogelzuges bei Zugvögeln sind zu beobachten.
Große Konflikte gab es um die "Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger", denn die Vertreter der Länder mit dem meisten CO2-Ausstoß, aufstrebende Energieverbraucher und notorische FortschrittsoptimistInnen versuchten, die öffentlich aufgenommenen Ergebnisse und Empfehlungen abzuschwächen. Man müsse schließlich sehen, dass die Erwärmung auch Heizkosten spare, häufigere und bessere Ernten in manchen Teilen der Welt ermögliche, dass die Erwärmung der Atmosphäre erdgeschichtlich gerade neue Arten hervorgebracht habe...

Überraschungen: Die Krise als Chance?

Es überrascht, dass auf eine 1500 Seiten starke Studie schnell politische Antworten veröffentlicht wurden. Die Maschine, die Krisen gar nicht mehr anders denn als "Chance" wahrnehmen kann, produziert sofort neue "Hoffnungsträger", und sei es der G 8-Gipfel, der sich in Heiligendamm mit dem Thema Klima befassen werde.
Überraschend ist, dass auch gut informierte BeobachterInnen, die erkennen, dass die Haupt-Leidtragenden des Klimawandels arme Bevölkerungen in Bangladesh oder Burundi sind, deren Beitrag zur Klimaveränderung kaum messbar und deren CO2-Ausstoß minimal ist, angesichts der "apokalyptischen Szenarien" - in politischen Optimismus verfallen:
"Das Klimathema hat tatsächlich das Potential, die Welt zu verbessern. Nicht weil hier jemand moralisch argumentiert. Sondern weil ohne Gerechtigkeit gar nichts mehr geht."
Es ist die vorschnelle Hoffnung, es werde schon nicht so schlimm kommen, die Menschheit werde sich zusammenschließen gegen den scheinbar gemeinsamen Feind, hier kein Angriff von fernen Sternen, aber doch auch aus der Höhe. Es wird so getan, als sei die Forderung der Vernunft (wessen Vernunft?) schon deren unvermeidliche Realisierung - während in Wirklichkeit das Gegenteil institutionalisiert ist: Da gibt es ganz andere Rationalitäten, die zuerst leugnen, dann in Selbstschutz investieren und am Ende die sozialdarwinistische Parole "Survival of the fittest" herausschreien. Wir haben es hier mit jenem scheinbaren "Realismus" zu tun, der stets nur eine Form der Ausblendung von Wirklichkeiten ist:
"Zum Realismus gehört neben den Investitionen in Deiche und Solaranlagen aber auch ein Begriff, der bislang den Gutmenschen vorbehalten war: Gerechtigkeit. Nur eine faire Behandlung der Schwellen- und Entwicklungsländer wird das Schlimmste für alle verhindern. Sie brauchen Geld, saubere Technik, faire Handelsbeziehungen und Hilfe bei der Forschung und sie werden sie bekommen."
Das mag sogar sein, aber ein solcher Deal zwischen Eliten wäre noch lange nicht Gerechtigkeit. Noch ganz in der Sprache der Babyboomer des schon vor Jahren zusammengebrochenen "neuen Marktes" kann man sich "Gerechtigkeit" nur als Thema der verachteten "Gutmenschen" vorstellen, womit wahrscheinlich alle getroffen werden sollen, die keinem der zahlreichen Realismus-Angebote anhängen, Realismen, die allesamt in die Katastrophe führen. Schauen wir sie uns an:

Leerlaufende bürokratische Routine, vorgegebene Lösungen

Es gibt keine Gefahren mehr, nur noch Risiken: Alles eine Frage der Versicherungsmathematik.
Es können überhaupt Probleme nur so begriffen und definiert werden, dass die vorab gefundenen, immer schon vorhandenen "Lösungen" abgerufen werden. Knappheit, sagt der Ökonom, muss sich natürlich im Preis ausdrücken. Politik? Macht daraus ein Thema für symbolisches Handeln. Oder ein Wahlkampfthema. Betont ihre Verantwortung, zeigt Führungskraft. Ein typisches Beispiel solcher "ökologischer Kommunikation", eines politischen Marketings ist etwa die Kampagne für "Energiesparlampen": In Australien - einem bekannten Vorreiter des Klimaschutzes - gibt es gar das Verbot traditioneller Glühbirnen zugunsten der Energiesparlampen.
Dass diese zum Teil bedenkliche elektromagnetischer Felder erzeugen, über deren Wirkungen wenig öffentlicher Streit geführt wird; dass sie vor allem aber Quecksilber enthalten, das über den Hausmüll (bisher landen die Sparlampen zu 90% im Hausmüll)3 die Umwelt belastet, wird dabei gerne übersehen. Hauptsächlich werden Billigprodukte gekauft: Diese halten nicht lange, müssen also öfters durch neue Lampen ersetzt werden, verschmutzen durch Quecksilber wie den erhöhten Material- und Energieverbrauch bei der Produktion die Umwelt - verschaffen aber zunächst der "politischen Führung" das Alibi, etwas "Nachhaltiges" unternommen zu haben.
Es ist hauptsächlich deren "Umwelt", die so geschützt wird.

Technische "Lösungen"

Wenn überhaupt, dann werden Probleme als technische Aufgaben wahrgenommen, die durch neue Produkte, innovative Strategien bearbeitet werden sollen.
Dass es keine Technik gibt, die nicht Niederschlag sozialer Verhältnisse und Ausdruck politisch-sozialer Strategien ist, bleibt dem technokratischen Bewusstsein verborgen. Also bringt das Brainstorming auch zum Klimawandel eine Fülle alter und neuer Technik auf die Tagesordnung: Gentechnisch angepasste Pflanzen, die mit weniger Wasser auskommen oder höhere Erträge bieten sollen, sind ein Beispiel. Wasserentsalzungsanlagen, höhere Dämme, das Abdecken von Gletschern mit Folien gegen die Sommersonne, neue Formen der Energiegewinnung (denn auch viele der technischen Alternativen verbrauchen viel Energie), sparsamere Elektrogeräte... - die Liste ist unendlich, und vieles davon wird tatsächlich gebaut werden. Es gibt dabei strategisch wichtige Technologien, die in ihrer sozialen Bedeutung durch die Kämpfe der letzten Jahrzehnte markiert wurden.
Die Krise bietet auch hier die Chance auf einen Durchbruch. Dazu zählen "von oben" betrachtet vor allem die Gentechnik und die Atomenergie. Jede neue Groß-Technologie braucht zu ihrer Durchsetzung das Versprechen, ein gravierendes gesellschaftliches Problem zu lösen oder spürbare Verbesserungen zu bewirken.
Renaissance der Atomenergie?
Der Kampf um die Rohstoffe ist längst entbrannt. Außenpolitik wird zunehmend Energiepolitik. Was zunächst als Sicherung knapper Energiequellen erscheint, kann bald schon Abhängigkeit und Erpressbarkeit signalisieren. Lange galt den Regierungen der Ausbau der Atomenergie als gute Aussicht, Strom zu erzeugen und mit (angeblich) billiger elektrischer Energie weiteres Wachstum sicher zu stellen.
Diese Überlegung spielt derzeit mehr im Hintergrund eine Rolle; nun ist der CO2-Ausstoß zum großen Propagandathema für Atomenergie geworden.
Allerdings ist die "friedliche" Nutzung der Atomenergie nur ein Abfallprodukt der militärischen, zu Beginn nur eine "friedliche" Legitimation gewesen.
Der militärische Charakter dieser Form der Energiegewinnung wird immer wieder deutlich: Es ist ein enormer Sicherheits- und Kontrollaufwand notwendig, Sicherheitsvorkehrungen, die alle Klima- und sozialen Veränderungen überdauern müssten, wenn sie nicht katastrophale Folgen haben sollten. AKWs sind potentielle Anschlagsziele tatsächlich terroristischer Kriege.
Und: Proliferation, das ist schon wieder ein Kriegsgrund.

Die Gewalt der Globalisierung: Selbstinszenierung und Wirklichkeit

Herzlich Willkommen in der schönen neuen Welt des Weltmarktes für alles und jeden!
Hier gibt es - wie so oft in der Geschichte des kapitalistischen Projekts - Millionen Ausgegrenzte, "Überflüssige" und VerliererInnen. Sie werden nicht gebraucht, auch kaum noch als Reservearmee. Sie stören, stellen nur Kostenfaktoren dar, am Ende vielleicht eine Gefahr für das ganze Projekt.
Die G 8-Staaten repräsentieren nicht nur das industrielle Potential der Welt, sondern z.B. auch die blutige Internationale der Rüstungsindustrie: zwischen 1998 und 2003 haben sie 84 % der weltweit verkauften Waffen geliefert, allein die USA etwa die Hälfte davon. Zwei Drittel der Waffen gingen an Entwicklungsländer, wo sie den bewaffneten Arm der unsichtbaren Hand des Marktes bilden. Die Rahmenbedingungen des Marktes müssen von einem "starken Staat" oder von einem Staatenbündnis gesichert werden.
Dabei sind die Krisen der kapitalistischen Ideologie und ihre abnehmende Glaubwürdigkeit deutlich genug. Es mangelt allerdings an libertär-sozialistischen Gegenutopien einer Weltgesellschaft ohne Ausbeutung, Unterdrückung und Krieg, die der strukturellen wie direkten Gewalt des expandierenden Kapitalismus eine massenhaft überzeugende Grenze zieht.
Über der Kritik des globalisierten Kapitalismus wollen wir nicht die Kritik seiner scheinbaren Alternativen vergessen, die ebenfalls nicht wünschenswert wären: Der patriarchal kontrollierende Sozialstaat in nationalen Grenzen (wie er in diversen sozialdemokratischen Varianten derzeit in Lateinamerika wieder zu Ehren kommt) oder gar ein diktatorischer Etatismus, der Gleichheit gegen Freiheit ausspielt. Diese politischen Formen bestehen weiter und in verschiedenen Kombinationen mit aggressiv-kapitalistischer Ökonomie (sehr offensichtlich in Russland und China). So kann die Debatte ewig weiter laufen: "Mehr Markt!" contra "Mehr Staat!". Unsere Perspektive ist eine andere: Selbstorganisation, Bruch mit den Formen autoritärer, patriarchaler, rassistischer und sexistischer Ausbeutung und nationalstaatlicher, militaristischer Unterdrückung.
Die G 8-Treffen sind Selbstdarstellungen einer Antwort "von oben" auf Krisen des internationalen ökonomischen Systems, das immer auch von Konkurrenz geprägt und kein homogener Block ist.
Die Umsetzung ihrer Erklärungen in nationale Politik - und die Ebene des Nationalstaats ist nach wie vor von entscheidender Bedeutung - erfolgt keineswegs automatisch oder selbstverständlich, sondern vermittelt über Weltbank, IWF, WTO, lokale Staatenbündnisse und ökonomische Zusammenschlüsse: EU, Nafta, ASEAN.
Alle diese Organisationen ermangeln demokratischer Legitimation, nicht zuletzt deshalb sind die Beschlüsse der G8 zunächst einmal Absichtserklärungen, die natürlich durch Staatsapparate und Medienmacht durchgesetzt werden sollen, aber immer auch auf vielfältige Gegenbewegungen treffen können. An diesen Widerständen können die "Herren der Welt", worauf ja ihre Selbstinszenierung hinausläuft, schnell als "Kaiser ohne Kleider" sichtbar werden.
Die Illusion der Beherrschbarkeit, Planbarkeit, Steuerungsfähigkeit des Systems kann an der Überkomplexität der Probleme wie der fehlenden Legitimation der "Lösungen" zerbrechen.

Die Globalisierung der Gewalt: "Failing states" und militärische Invasionen

Glaubten wir Medien und PolitikerInnen der G8-Staaten, so gibt es Krisen nur, wo es keine Staaten gibt: "Failing states" nennen sie Staaten, die sich zersetzen, die von einander bekämpfenden separatistischen Gruppen gekennzeichnet sind.

In der Regel aber sind das Staaten, die eine koloniale Vergangenheit mit umstrittenen Grenzen haben. Oder es sind Staaten, deren ganz normale Politik in die Katastrophe geführt hat und die schließlich durch soziale Krisen und staatliche Repression gegen "eigene" Bevölkerungen ihre Legitimation einbüßen, sich nicht selten dann neue (etwa religiöse oder ethnische) Rechtfertigungen besorgen, vielleicht dazu die passende Schutzmacht. Sie bilden Zonen großer Unsicherheit für die Beherrschten, dann aber auch die umgebenden Staaten und schließlich das internationale System, so dass früher oder später Anstrengungen zu deren Stabilisierung oder Auflösung in "neue" Staatlichkeiten mit verbesserter Legitimationsgrundlage (etwa Übereinstimmung von Herrschaftsterritorium mit Nation, Religion, Sprache, Ethnie, was immer die "Identität" ermöglichen soll) unternommen werden.
Auf dem Boden der vorherigen Grundordnung unlösbar gewordene soziale Konflikte werden in der Regel ethnisiert, und das heißt tendenziell brutalisiert und militarisiert.
Die neue Legitimation der Herrschaft wird von rigiden Wir-Sie-Abgrenzungen und -Zuschreibungen erwartet, die ausgrenzende und nicht selten rassistische Dimensionen haben.
Die endgültige Verfestigung solcher Zuschreibungen gelingt meist nur über militärische Konfrontationen, die große Teile der Bevölkerung in eine Entscheidung zwingen, zu welcher Seite, Ethnie, Religion sie sich "bekennen", bei wem sie Schutz suchen und gegen wen sie sich verteidigen.
Krieg wird so schnell zum Bewegungsgesetz der Nationenentstehung und Staatsgründung, oft von großer Brutalität ("ethnische Säuberung") begleitet, damit die Trennung auch endgültig wird und niemand sich der Parteinahme entziehen kann. Fluchtbewegungen und "Bevölkerungstausch" sind die Folgen.

Kriegsökonomie

Wenn aus sozialer Not solche militärischen Eskalationen entstehen, so münden sie meist in eine regelrechte Kriegsökonomie, in der Bewaffnete das Übergewicht über ZivilistInnen bekommen und der Krieg ganze Gruppen ernährt. Tendenzen zu solchen Kriegsökonomien entstehen auch aus lang andauernden bewaffneten Konflikten, an deren Beginn noch eine deutliche soziale und berechtigte Konfliktlage stand. Guerillabewegungen laufen Gefahr, nur noch ihrer Selbstreproduktion zu dienen, in den schlimmsten Fällen durch mafiöse Strukturen, die sich über Drogenhandel, Zwangsrekrutierung und Korruption erhalten und längst jeden emanzipatorischen Inhalt verloren haben (die Geschichte des Sendero Luminoso in Peru oder die FARC in Kolumbien sind Beispiele dafür).
Bewaffnete Männlichkeit verstärkt sexistische Strukturen.
Aber auch gegen unbewaffnete Massenbewegungen, die den Interessen kapitalistischer und staatlicher Eliten entgegentreten, wird häufig mit brutaler Gewalt agiert: Morde, Folter, Todesschwadronen und viele Formen auch legaler Repression bedrohen zivile Widerstandsbewegungen. Diese müssen ein Interesse haben, eine militärische Eskalation zu vermeiden, die sie unweigerlich von ihren emanzipatorischen Zielen trennt, militarisiert und oft zudem gegen eine intakte Armee (die einzig noch funktionierende Struktur des Staates, in Wirklichkeit sein Kern), Paramilitärs und von außen militärisch-logistisch verstärkte Struktur nur in die Niederlage führen kann. Statt dessen kann Solidarisierung gegen die militärischen Methoden sogar zur Ausweitung emanzipatorischer Kämpfe führen und die Absichten von Kriegsherren vereiteln.

Interventionismus

Der Anspruch, ganz besonders der USA, keine Zonen der Unsicherheit zuzulassen, in denen sich terroristische oder andere gefährliche Gruppen entwickeln können, hat den schon aus dem "kalten Krieg" vertrauten Praktiken der Intervention (tatsächlich: Invasion!), durch Stellvertreter oder verdeckte Operationen, auch durch Kriege einer niedrigen Eskalationsstufe, Auftrieb gegeben und neue Legitimationen hinzugefügt.
Auch die europäischen Staaten haben ihre militärischen Planungen und die Ausrichtung ihrer Truppen von "Landesverteidigung" zunehmend auf weltweite Intervention umgestellt.
Nicht mehr der Angriff auf das eigene Territorium gilt als Bedrohungsszenario, sondern ein "Risiko", das sehr weit gefasst ist. Dazu gehört die Sicherung von Rohstoffquellen. Es gehört auch dazu, Zonen der "Instabilität" zu kontrollieren, eigene StaatsbürgerInnen weltweit schützen zu können, Flüchtlingsbewegungen abzuweisen usw., kurz:
Was als "Verteidigung" begriffen wird, hat sich globalisierend ausgedehnt, so dass der frühere Kriegsminister Struck davon sprechen konnte, "unsere Freiheit" werde auch "am Hindukusch verteidigt".
In der Logik der "Risikoanalyse" ist das nur konsequent.
Das Fatale an den "Sicherheitsrisiken" ist ihre enorme Vermehrung durch die Lage der Welt, die so eine wachsende Fülle an Kriegsgründen hervorbringt.
Diese werden als "gerechte Kriege" verstanden, denn es droht, der 11. September hat es bewiesen, Terror gegen die Zivilbevölkerung der Metropolen.
Und von den Rohstoffquellen abgeschnitten zu werden ist tatsächlich eine tödliche Bedrohung für die bestehende Ökonomie der Industriestaaten. So bekommt der Kampf um die knapper werdenden Rohstoffe und die Konkurrenz um aussichtsreiche Fördergebiete schnell eine militärische Dimension:
Was nützen Verträge, wenn man deren Einhaltung nicht erzwingen kann?
Es werden dabei nicht mehr die Massenheere Wehrpflichtiger gebraucht (diese sind eher für die Rekrutierung qualifizierten Personals und Verankerung des Militärs in der Gesellschaft erwünscht), sondern BerufssoldatInnen, Spezialkräfte für besondere Aufgaben, technisierte Gruppen und für Interventionen geeignete Kampftruppen.
Eine Militarisierung der Gesellschaft wird es also weniger in den alten Formen geben - viele Soldaten, Zwangsdienste -, sondern tendenziell eher über Computerspiele, Filme, sportlich-männliche Diskurse, "Führung" und "professionelles" Handeln.
"Gerechte Kriege" werden durch Massenmedien propagiert; militärische Tugenden und Körperbilder erleben eine Renaissance.

Die Gewalt der Globalisierung: "Hilflose Helfer", "Überflüssige", Hunger!

In der Peripherie tätige Hilfsorganisationen, die angesichts militärischer Brutalitäten von einer Intervention anderer Staaten oder der UN Gutes erhoffen, reagieren zunächst verständlich, und über viele Gemeinheiten von Diktatoren und Paramilitärs wüssten wir nichts ohne sie.

Dennoch reagieren auch sie oft als "hilflose Helfer", die Teil des Problems sind: Sie verstärken Strukturen, in denen diejenigen zu den Gewinnern gehören, die Zugang zu internationaler Hilfe haben oder den Hilfsorganisationen sogar die Bedingungen diktieren können, wo und wie sie tätig werden. Diejenigen, die für solche "Internationalen" arbeiten, gehören zu den Privilegierten. Die Hilfsorganisationen errichten eine Infrastruktur, die lokale Selbstheilungskräfte und Selbstorganisation auch überrollen kann. Schließlich sind sie oft ihren SpenderInnen, den westlichen Regierungen und Medien näher als den lokalen Gegebenheiten. Oft genug verändern sie die Sozialstrukturen in den Ländern ihrer Intervention zugunsten der Männer, die über die Ressourcen verfügen, die von den internationalen Organisationen bereitgestellt werden und deren Ansprechpartner sind, zu Lasten der Frauen, die dadurch abgewertet werden und deren Fähigkeiten etwa in der Landwirtschaft oder Textilproduktion entwertet werden.
Im schlimmsten Fall ziehen die "Internationalen" ebenso wie intervenierende Militärs Bordellbetriebe um ihre Stützpunkte an, die Gewalt gegen Frauen und Kinderprostitution fördern.
Wenn schließlich nach Jahren des Bürgerkriegs die kämpfenden Parteien sich davon überzeugt haben, dass keine die Oberhand gewinnen kann oder ihre Finanziers und internationalen Unterstützer auf Kompromisse drängen, so dass eine geordnete Ausbeutung von Ressourcen erfolgen kann , entsteht nicht nur das Problem, ganze Generationen, die sich an Krieg gewöhnt haben und vom Krieg leben, zu resozialisieren und für Bewältigung der Traumata und Versöhnung zu arbeiten, sondern auch das Überlebensproblem.
So hat beispielsweise jetzt im Kongo der australische Konzern Anvil, der bisher bereits Silber in Katanga fördert, vor, die unter Mobutu durch Raubbau verfallenen Kupferminen wiederherzustellen (bei dem derzeitigen Rohstoffhunger und einem äußerst günstigen Vertrag mit der Republik Kongo ein narrensicheres Geschäft). Das Problem: In Kinsevere existiert bereits ein informeller Bergbau unabhängiger Schürfer, die nun vertrieben werden müssen. Denn in den Jahren des Bürgerkrieges begannen zwei Millionen Menschen auf eigene Rechnung Erz abzubauen. Ein Fünftel der Bevölkerung soll von dieser Art Bergbau leben und 80 % der Mineralien des Landes sollen zur Zeit so gefördert werden.
Da das Land reich an Rohstoffen aller Art ist und diese zudem relativ leicht abbaubar sind, schon zu Zeiten Mobutus die Minen verfielen und die Bergleute sich auf Lohnzahlungen nicht mehr verlassen konnten, war es nahe liegend, den Bergbau in eigene Regie zu nehmen. Vermarktung war kein großes Problem, die isolierten Schürfer waren leicht auszunehmende Partner für Rohstoffaufkäufer aus aller Welt. Und nun stellt sich die Eigentumsfrage, und die große Industrie kehrt zurück. Produktion mit rationellen Methoden und neuer Technologie bedeutet aber: Überschüssige Bevölkerung, Arbeitslosigkeit, Armut, bald auch Hunger!

Hunger als Folge globaler Gewalt

Wenn der Treibhauseffekt zur Folge hat, dass Wüsten sich weiter ausbreiten und andererseits küstennahes Tiefland überflutet oder versalzen wird, so verschärft das ein Problem, das für eine reiche Welt besonders beschämend ist: Hunger. Etwa eine Milliarde Menschen sind von Mangelernährung betroffen.
Darunter sind nicht wenige reiche Länder, Nigeria etwa, der sechstgrößte Erdölexporteur der Welt. Nigeria ist auch ein Beispiel dafür, wie diese Ökonomie darauf beruht, individuelle und organisatorische Freiheiten zu beschränken bis zur blutigen Verfolgung der Opposition.
Wir denken an Ken Saro-Wiwa, jenen gewaltfreien Widerstandskämpfer gegen Shell und für die Ogoni, auf deren Land Öl gefördert wird, der 1995 vom nigerianischen Regime zusammen mit acht Mitarbeitern hingerichtet wurde. Mangelnde Freiheit ist eine wichtige Grundlage für mangelnde Gerechtigkeit und für die kapitalistische Ökonomie selten ein Problem; erst der Widerstand schafft das Problem.
Mit unfreien Formen der Arbeit ist die globalisierte Ökonomie vereinbar und einverstanden, solange daraus nicht eine Destabilisierung entsteht. Niedrigste Löhne und Kinderarbeit etwa ist in manchen Ländern geradezu Voraussetzung für weltmarktfähige Produktion.
Allerdings haben soziale Bewegungen solche Zustände, besonders in der Textilindustrie, immer wieder zum Thema gemacht und dadurch Image und Umsätze der Konzerne beschädigt, so dass diese dann ihre Unternehmenspolitik ändern mussten und zum Teil sogar soziale und ökologische Kriterien als Konkurrenzvorteil und Bestandteil ihres Images entdeckten...
Bekannt ist, dass auch Länder mit hungernder Bevölkerung oft landwirtschaftliche Erzeugnisse exportieren, die Devisen bringen und auf dem Weltmarkt teurer verkauft werden können als an die einheimische Bevölkerung.
Nicht für alle "Marktteilnehmer" ist Reis oder Mais ein Nahrungsmittel. Alles kann auch Spekulationsgut werden. Und an der Warenbörse entsteht oft genug ein Preis, der bewirkt, dass Reis oder Mais nicht als Nahrungsmittel derer zur Verfügung steht, die hungern. Oder es wird Getreide aufgekauft um es für die industrielle "Fleischproduktion" zu verwenden.
Aber wie wäre es, von einem ganz anderen Naturverständnis auszugehen? Natur wäre dann nicht kostenloser Rohstoff, zu vermarktende Idylle oder eine Restkategorie noch nicht vergesellschafteter Räume und Zeiten, sondern das Gegenüber der Gesellschaft. Keine Sache, sondern Leben.
Aber das setzt zuerst eine andere Gesellschaft voraus und - ein anderes, nicht-verdinglichtes Leben.

Die Globalisierung der Gewalt: Der Kampf um Rohstoffe

Die Bevölkerung rohstoffreicher Länder ist häufig nicht besonders reich, sondern gerade besonders bedrückt, denn kleine Elitegruppen verfügen allein über die Reichtümer. Vom behaupteten neoliberalen "Durchsickern" des Fortschritts und Reichtums bis zu den Massen bleibt in der Wirklichkeit selten mehr übrig als Zynismus.

So wurde z.B. dem Kongo der Besitz strategischer Rohstoffe zum Verhängnis. Schon das Uran in den Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki stammte aus dem Kongo und die Diamanten halfen, den Krieg zu finanzieren, wie seitdem alle Kriege um die Kontrolle dieser Rohstoffe: Kobalt etwa, das in Raketen und anderen Waffensystemen verarbeitet wird.
Es war ein wichtiges Motiv, warum im Kalten Krieg westliche Kontrolle über das Land sichergestellt werden sollte, was bis zur Ermordung des Präsidenten Lumumba ging, der verdächtigt wurde, sich an die Sowjetunion anzunähern oder ein "Sicherheitsrisiko" darzustellen.
Jahrzehnte kam der Reichtum des Landes nur der Familie des Diktators Mobutu und seinen politischen Freunden zugute. In den Staaten der Peripherie ist auch Korruption an der Tagesordnung, die sicherstellt, dass Zugang zu Arbeitsplätzen, Ausbildung und einflussreichen Positionen nur bekommt, wer zahlungskräftig ist. Zahlungskräftig wiederum wird nur, wer Teil einer politischen Machterwerbsgruppe ist, die durch den Willen zu Macht und Reichtum zusammengehalten wird und sich letztlich auf Gewalt stützt. Wer nicht Teil eines "Netzwerks" wird, bleibt ausgeschlossen von jeder "Entwicklung" und ist gar durch direkte Gewalt bedroht.
Bis heute, es ist jetzt etwa Coltan, das in Handys verbaut wird, ist der Kampf um diese Rohstoffe der Hintergrund für die Kriege der Warlords, die ganze Provinzen unter ihre Kontrolle bringen, dort oft ein Schreckensregime errichten, das Kindersoldaten rekrutiert, Vergewaltigung und Terror gegen die unbewaffnete Bevölkerung richtet und so Fluchtbewegungen auslöst, weil an ein ziviles Leben und eine geordnete Agrarproduktion nicht mehr zu denken ist.
Diese Situationen separatistisch zerfallender Staaten und brutaler, im schlimmsten Fall genozidaler Übergriffe wiederum bietet Gründe, oft auch Vorwände oder Anlässe für die militärischen Invasionen von Nachbarländern, die ein Übergreifen der Konflikte fürchten, ethnisch definierte Loyalitäten zu einer Kriegs-Partei unterhalten oder die Flüchtlingsbewegungen als Bedrohung ihrer eigenen Stabilität erfahren.
Nicht zuletzt werden Interventionen von den dominanten Akteuren des internationalen Systems teils gefordert, von den Bedrohten selbst, von humanitären Institutionen und Lobbygruppen, aus der Hierarchie der hegemonialen Staaten oder der UN, die ebenfalls destabilisierende Flüchtlingsströme, ein "Einsickern" terroristischer Gruppen, ein Übergreifen des Konflikts auf eine ganze Region - und den Verlust wertvoller Rohstoffquellen fürchten. So nährt der Krieg den Krieg, und siegreiche militärische Macht wird durch Verträge belohnt, die dauerhaften Einfluss in der Region, Zugriff auf Rohstoffe und Mittel des Wiederaufbaus und der "Entwicklung" sichern.
Ein Blick, der nur den momentanen Ausschnitt des Konfliktverlaufs betrachtet und die Kolonialherrschaft als prägende Gewalterfahrung nicht berücksichtigt, kann leicht, von den Massenmedien mit Bildern der Despoten Mobutu oder Idi Amin agitiert, annehmen, Afrika habe keine demokratischen Traditionen. Dabei sind sie nur verschüttet, die VertreterInnen oft verfolgt und umgebracht. Auch der Tribalismus ist nicht selten erst durch die Spalte-und herrsche-Politik der Kolonialmächte und späterer Machterwerbsgruppen entstanden. Würde man nur das Wirken der Kolonialmächte etwa im Kongo betrachten, müsste man schließen, "der Westen" habe keine demokratische Traditionen, sondern kenne nur Nilpferdlederpeitschen und Körperstrafen bis zum Mord.

Wasser als umkämpfter Rohstoff

Zu den umkämpften Rohstoffen gehört inzwischen ein Stoff, von dem die Physik lehrt, dass er gar nicht verschwinden kann oder weniger wird: Wasser.
Aber die Klimaveränderungen und industrielle Verschmutzung haben auch hier gravierende Auswirkungen, so dass sauberes Trinkwasser in noch mehr Regionen der Erde knapp werden kann. Bodenversiegelungen und Flussbegradigungen können Überschwemmungen verursachen oder verstärken, Meerwasser kann bei Überschwemmungen Süßwasser kontaminieren; Dürren und Verwüstungen sind in vielen Teilen der Erde eine direkte Gefahr für die Menschen.
Wenn das Flusswasser zu schmutzig ist oder Flüsse austrocknen, wird Grundwasser mit Diesel- oder Elektropumpen aus der Tiefe besorgt. Aber auch diese Vorräte können knapp werden, verschmutzt werden oder Trockenheit an der Erdoberfläche zur Folge haben. Besonders für die Landwirtschaft hat das weitreichende Folgen, denn ein Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche weltweit wird bewässert. Wassertransporte, Staudammbauten und andere technische "Lösungen" verschieben in der Regel das Problem nur, verursachen praktisch aber Zwangsumsiedlungen Hunderttausender, die als Opfer des "Fortschritts" nicht zählen und woran sich weltweit Widerstand entzündet.
Die marktwirtschaftliche Lösung, dass alles einen Preis bekommt und Privateigentum wird, ist angesichts der Knappheit des Gutes aus Sicht der Marktstrategen nur konsequent, bedeutet aber, dass Verschwendung und Verdursten nebeneinander bestehen, ganz nach Zahlungskraft. Und die letzten "freien Güter", Wasser und Luft, werden auch kapitalistischer Verwertung zugeführt.
Im schlimmsten Fall kann das knappe Gut Wasser zum Kriegsgrund werden, etwa wenn ein Fluss gestaut oder umgeleitet wird und Dürre an seinem Unterlauf die Folge ist (so z.B. der Ilisu-Staudamm im Südosten der Türkei, wodurch Syrien und der Irak vom Wohlwollen der türkischen Staudammbesitzer abhängig werden).
Hier wie überall gibt es eine dezentrale Alternative: Vermeidung von Verschmutzung, sparsamer Verbrauch, Sammlung von Regenwasser und Erhaltung der Flussläufe und Bewässerungstechniken.
Wenn aber in der Wasserpolitik die Tendenzen der letzten Jahre nicht gebrochen werden, so drohen Missernten mit den Folgen Hunger oder dauernde Abhängigkeit von Nahrungsmittelspenden in vielen Ländern der "Dritten Welt", gerade den besonders bevölkerungsreichen, die auf künstliche Bewässerung angewiesen sind.

"Nachwachsende Rohstoffe"?

Auch hier wird von oben eine optimistische, schnelle Lösung propagiert, ohne die Nebenfolgen solcher industrieller Lösungsansätze bei gleich bleibenden kapitalistischen Bedingungen auch nur zu bedenken oder als Problem wahrzunehmen.
"Nachwachsende Rohstoffe" gelten inzwischen als geeigneter Weg, fossile Brennstoffe zu ersetzen. Äthanol und Biodiesel erscheinen auch den Hauptenergieverbrauchern als akzeptable Form, ihren Hunger nach Erdöl zu reduzieren. So warnt inzwischen sogar George W. Bush vor der "Suchtabhängigkeit" vom Erdöl. In Mexiko stiegen prompt die Preise für Grundnahrungsmittel, als die USA begannen, Mais zur Herstellung von Äthanol zu verwenden.
In den Staaten Lateinamerikas ist eine Kontroverse entstanden, die auf handfeste Interessengegensätze zurückgeht: Während Brasiliens Präsident Lula für sein Land eine große Zukunft als Lieferant von Biorohstoffen sieht (Zuckerrohr sei ein umweltfreundlicher Energieträger und absorbiere Kohlendioxid) , warnte Castro davor, drei Milliarden Menschen könnten verhungern, weil die USA deren tägliches Brot verflüssigen und in ihre Benzintanks füllten.
Auch Venezuelas Präsident Chávez, erdölexportierend, warnte vor den Biotreibstoffen, während Brasilien ein internationales Forum für Biotreibstoffe unterstützt, dem außer den USA noch China, Indien, Südafrika und die EU angehören.
Die scheinbare "Lösung", durch "nachwachsende Rohstoffe" den Verbrauch fossiler Energien zu drosseln und weniger Kohlendioxid freizusetzen, löst allerdings wiederum eine Bewegung aus, nicht nur landwirtschaftliche Flächen der Nahrungsmittelproduktion zu entziehen, sondern auch weitere Waldflächen zugunsten agrarindustrieller Monokulturen zu zerstören.
So warnt die Aktion "Rettet den Regenwald" nun eindringlich vor den Folgen dieser Strategie. Ein Beispiel: Für die Gemeinde Schwäbisch Hall ist es billiger, ein Blockheizkraftwerk (zweifellos ökologisch positiv zu bewerten!) zur Produktion von Strom und Wärme mit Palmöl aus Malaysia zu betreiben als mit Rapsöl. Aber die Palmölplantagen verursachen in Malaysia und anderen Ländern gerade die Abholzung des Regenwaldes , damit die Zerstörung der Artenvielfalt, zum Schluss wahrscheinlich eine Erosion der Böden und hohe Aufwendungen für künstliche Düngung. Schon jetzt werden massiv Agrarchemikalien eingesetzt, die vor allem in vielen Ländern der "Dritten Welt" zu Gesundheitsschäden führen.
Das Land für die Plantagen in der "Dritten Welt" wird nicht selten sogar durch Brandrodung gewonnen, wodurch nicht nur der Wald, sondern auf Borneo etwa auch die Torfschichten darunter zerstört werden. Und diese Brände belasten die Erdatmosphäre mit - CO2! Eine wahrhaft tolle Ökonomie!
Das Interesse der Eliten und Regierungen ist auch offensichtlich nicht, die Einkommensquellen der lokalen Bevölkerung durch die Mangrovenwälder zu schützen, sondern die zahlungskräftige Nachfrage des Weltmarktes auszunutzen. Im Gegensatz zu dem verbreiteten Glauben, der Staat sei Schutz gegen die Irrationalitäten des Marktes, zeigt er sich hier als Instrument der instrumentellen und ökonomischen Rationalität dieses Marktes. In vielen Ländern vertreibt er gerade Kleinbauern und ihre Familien, deren Land anders besser verwertet werden kann.
Die Zerstörung von Resten der Subsistenzökonomie und einer Produktion für lokale Bedürfnisse wird alle anderen Probleme verschärfen: Flucht und Migration aus Gebieten, die das Überleben nicht mehr sichern und drohen, zu Kriegs- oder Bürgerkriegsökonomien zu werden; Verarmung, die zu sich verschärfenden Konflikten führen kann, oft mit "ethnischen", rassistischen oder religiös begründeten Fundamentalismen ideologisch abgesichert; internationale Interventionen, um "Zonen der Unsicherheit" und Flüchtlingsbewegungen zu kontrollieren.

Die Gewalt der Globalisierung: Grenzen, die wir nicht anerkennen!

In der Weltgesellschaft schwinden die traditionellen physischen und kommunikativen Grenzen; die wechselseitigen Abhängigkeiten und Beeinflussungen nehmen zu.
Soziale und oft auch symbolisch-kulturelle Grenzen werden desto wichtiger. Oft genug findet das politisch-militärischen Ausdruck. Ökonomische und kulturelle Warenströme sollen ungehindert fließen, die Grenzen der Bürgerschaft aber genau definiert bleiben durch eindeutige Loyalitäten. Deshalb muss der Zugang auch territorial begrenzt werden.
Es gibt eine Gleichzeitigkeit des Abbaus und der Verstärkung von Grenzen: Wenn die EU wächst, so verstärkt sie gleichzeitig ihre Außengrenzen, definiert aber auch nach Innen neu, wem welche Befugnisse zustehen und wer nicht dazugehört oder nur mit eingeschränkten Rechten.
Mauern und Zäune, Losungen und Passwörter sind nicht weniger geworden in den Zeiten der Entgrenzung: Der Zugang oder Ausschluss wird mehr und mehr zum zentralen Machtelement.
Die Grenzen zwischen USA und Mexiko oder die Außengrenzen der EU spiegeln wie in einem Brennglas die Trennung von relativen Wohlstandsregionen gegenüber ihrer Peripherie.
2006 sind nach zurückhaltenden Schätzungen etwa 3000 Menschen im Mittelmeer und im Atlantik bei dem Versuch ums Leben gekommen, nach Spanien oder Italien einzuwandern.
Die EU-Grenzschutzagentur Frontex (!) kann schnelle Einsatztruppen für grenzpolizeiliche Einsätze an den Außengrenzen der EU zusammenstellen, die sich vor allem gegen illegale Einwanderung richten; gegen die "Frühjahrsoffensive" der MigrantInnen ist diese "Rapid Border Intervention" mit Patrouillenboten, Hubschraubern, Wärmebildkameras angetreten.

Sicherheitsregime, Kontrolltechniken

So ist auch der 13 km lange und 2,5 m hohe Sicherheitszaun um den G 8-Konferenzort Heiligendamm von hoher symbolischer Bedeutung: Überall muss der Zugang kontrolliert und protokolliert werden.
So wie Kriegsschiffe vor der Ostseeküste kreuzen, Taucher Angriffe verhindern sollen, Störsender bloße Störungen, so gibt es in vielen Bereichen der schönen neuen Welt ein ausgeklügeltes und durch Erfahrungen immer weiter perfektioniertes "Grenzmanagement" und natürlich Vorfeldkontrollen gegen tatsächliche oder vermeintliche StörerInnen oder gar Terroristen.
Auch innerhalb der modernen Gesellschaften entstehen Zonen verdichteter oder ausgedünnter Sicherheit: Die "gated areas" der Reichen in den USA bilden "geschlossene Städte" wie früher die Militärregionen der Sowjetunion sie kannten, von Wachmannschaften und Sicherheitstechnik unzugänglich gemacht für "Außenstehende" und potenzielle Risiken.
Dem stehen Stadtviertel gegenüber, die zum Teil "aufgegeben" wurden und von Drogen- und Bandenkriminalität geprägt sind. So bildet sich die Situation der Welt auch im Innern der Industriestaaten tendenziell ab.
Noch vor wenigen Jahren wäre der Einsatz von Überwachungstechniken im öffentlichen Raum auf viel mehr Protest gestoßen. Unter dem Banner der "Terrorismusbekämpfung" wird eine immer feinmaschigere Kontrolle von Personenbewegungen und Datenströmen legitimiert.
Die überall gesammelten und teilweise schon von allen KundInnen der Konzerne und Verwaltungen bereitwillig gelieferten Daten werden zunehmend zusammengeführt und immer besser ausgewertet.
Symbolische und reale Grenzüberschreitungen, aber auch Blockadeaktionen sind Antworten der sozialen Bewegungen "von unten": "Wir ziehen Euch auch Grenzen!", ist eine Antwort, eine andere:
"Wir akzeptieren Eure Grenzen nicht, wir überschreiten sie!"

Den Nationalstaat unterminieren und überschreiten!
Bewegungen des weltweiten Widerstands und ihre befreienden Potentiale

Die weltweite Bewegung für eine andere Globalisierung vereint kulturell verschiedenartige soziale Bewegungen von unten. Sowohl in den Metropolen wie auch in der Peripherie, besonders aber die Traditionen der Arbeiterbewegung, der Umweltbewegungen, der antirassistischen Bewegung und der Frauenbewegung. Global agierend, solidarisch mit weit entfernt lebenden Opfern der eigenen Regierungen waren auch schon frühere Bewegungen des 19. und 20. Jahrhunderts. Nicht umsonst versuchte sich die Arbeiterbewegung von Anbeginn als "Internationale" zu organisieren. Die Studierendenbewegungen von 1968 waren ein weltweites Phänomen und von "Peoples Power" wurde 1989/90 nicht nur in Osteuropa beim Sturz des Staatssozialismus, sondern auch auf den Philippinen beim Sturz MarcosÂ’ oder bei der Transformation in Südafrika gesprochen.
Die neue Bewegung des weltweiten Widerstands gegen die kapitalistische Globalisierung ist also nicht wirklich neu. Was je nach Standpunkt und Vorlieben 1994 mit dem Aufstand der Zapatistas im mexikanischen Chiapas, mit den Streiks der französischen Arbeiterbewegung von 1995, mit dem weltweiten Widerstand gegen das multilaterale Abkommen über Investitionen (MAI) 1997/98 oder mit der massiven Blockade des Treffens der Welthandelsorganisation (WHO) in Seattle/USA 1999 begann, hat sich inzwischen zu einer machtvollen Bewegung mit Weltsozialforen, alternativen Foren und Aktionskampagnen gegen Gipfeltreffen der Mächtigen entwickelt. Sie verbreitet ein Bewusstsein dafür, dass die Lösung globaler Krisen nicht mehr in nationalstaatlichem Rahmen, sondern nur noch weltweit gelöst werden können.
Die Revolte in Argentinien 1999 sowie die weitgehend gewaltfreie Demonstration in Genua 2001, die auf brutale Stör- und Repressionsstrategien der italienischen Polizei und eingeschleuster Faschisten traf, waren die bisherigen Höhepunkte der Bewegung.
Diese neue Bewegung unterscheidet sich trotz aller Kontinuität von einer unmittelbar voraus gehenden Phase der traditionellen, linken Solidarität mit nationalen Befreiungsbewegungen.
Als vormalige Guerilleros die Staatsmacht eroberten und deren bewaffnete Verbände nun die neue Armee stellten, haben allzu viele nationale Befreiungsbewegungen ihren Frieden mit dem globalen Kapitalismus gemacht und nur noch ihren - oft den Eliten der neuen Klassen vorbehaltenen - Anteil am Kuchen eingefordert, anstatt wirklich eine freie, solidarische Gesellschaft anzustreben.
Im Mittelpunkt der heutigen weltweiten Bewegung steht nicht mehr die Eroberung der staatlichen Zentralmacht, auch dort nicht mehr, wo sie sich noch als Guerilla organisiert (die EZLN in Chiapas strebt nicht die zentralstaatliche Machtübernahme in Mexico-City an). Den Schwerpunkt bilden vielmehr: vielfältige regionale und lokale Bewegungen, oft von Minderheiten; die kulturell verschiedenen Widerstandstraditionen, auf die sie sich beziehen; sowie die Möglichkeit des transnationalen Austausches und der grenzüberschreitenden Solidarität, die ihnen die weltweite Bewegung eröffnet.
So haben sich Betroffene industriell-kapitalistischer Großprojekte weltweit organisieren können: Seien es die Opfer großer Zwangsumsiedlungen von Staudammprojekten; seien es indigene Bevölkerungen, die in Uranminen unter Lebensgefahr den Rohstoff für die Atomkraftwerke liefern und dabei jetzt, heute schon sterben; oder seien es von großen Fischfabriken und der Überfischung traditioneller Fischereigründe bedrohte Fischerfamilien, die sich seit 1997 im WFFP (World Forum of Fisher Peoples) organisieren.
Ihnen allen liefert die weltweite Bewegung einen neuen Rahmen des Austausches und der Organisierung von Kampagnen (z.B. 21. November als Welttag der Fischer), die den nationalstaatlichen Rahmen zugleich transnational überschreiten wie lokal unterminieren.
Im Rahmen dieser regionalen, nicht auf den nationalen Rahmen zielenden Bewegungen sind die von den Menschen angewandten Kampfformen auf ein niedriges Gewaltniveau begrenzt oder bewusst von gewaltfreien Kampfformen geprägt, die eine grundsätzliche Kritik des Militarismus transportieren. In Israel/Palästina haben gemeinsam durchgeführte direkte gewaltfreie Aktionen, unterstützt von AktivistInnen aus aller Welt, die zu Aktionen vor Ort anreisen, den Mauerbau zwischen den beiden Gesellschaften in Frage gestellt, den Schutz der Betroffenen vor Militärgewalt erfolgreich organisieren und die Repression zu einem nicht hinnehmbaren Skandal machen können.
Diese befreienden Potentiale und Tendenzen des lokal verankerten Transnationalismus werden in der weltweiten Widerstandsbewegung ständig von drei Seiten her herausgefordert:
erstens von einer sozialdemokratisch orientierten Integrations- und Entradikalisierungstendenz parteipolitischer Vorfeldorganisationen und von bürokratisch agierenden Nicht-Regierungs-Organisationen, welche die Weltsozialforen prägen, bei denen ursprünglich Parteien ebenso wie bewaffnete Verbände ausgeschlossen bleiben sollten;
zweitens von linken Etatisten und Militaristen wie Hugo Chavéz in Venezuela, die sich eher auf die alte Tradition der nationalen Befreiungsbewegungen stützen, die sich beim Weltsozialforum 2006 in Caracas bereits als Personenkult inszenierten und gleichzeitig die Kritik des alternativen Forums als "faschistisch" denunzierten;
drittens linke Traditionsströmungen wie etwa die trotzkistische Socialist Workers Party, die das Europäische Sozialforum 2004 in London dominierten und auch strategisch manipulierten.
Es wird sich zeigen, ob sich die libertären und gewaltkritischen Potentiale in den künftigen Diskussionen als eigenständige und selbst bewusste Strömung präsentieren und durchsetzen können.

Anmerkungen:
1 Die "NO WAR! NO G8!-Sturmwarnung" findet sich als PDF (ZIP-komprimiert) unter: http://www.graswurzel.net/319/
2 Bernhard Pötter: Ohne Gerechtigkeit geht nichts. taz, Ostern 07, S. 1.
3 Ebd.
4 Greenpeace warnt, dass im Kongo bis zum Jahre 2050 40 % des Regenwaldes vernichtet werden könnten, was dem CO2-Ausstoß Großbritanniens in den letzten 60 Jahren entsprechen würde. Vgl. Dominic Johnson in der taz vom 11.04.07, S. 3: Kongo wird Klimakiller.
5 Alle Angaben nach D. Johnsons Artikel: Arm und reich zugleich, taz vom 19.03.2007, S. 4.
6 Vgl. mehrere Artikel zu Ken Saro-Wiwa in GWR 203, Dezember 1995: In memoriam Ken Saro-Wiwa.
7 Meldung in der FAZ, 2.4.07.
8 In Lateinamerika fällt der Regenwald heute in der Regel dem Flächenbedarf für Rinderzucht zum Opfer, ein Aspekt der globalen McDonalds-Ökonomie.
9 EU-Justizkommissar Frattini am 29.03.07 in der FAZ
10 Dieses Konzept hat schon sehr früh der englische Libertäre Nigel Young ausgearbeitet: Transnationalismus und Kommunalismus, in: Wege des Ungehorsams. Jahrbuch für gewaltfreie & libertäre Aktion, Politik und Kultur. WeZuCo, Kassel 1984, S. 61-74.

Artikel aus: Graswurzelrevolution, Monatszeitung für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft, Nr. 319, 36. Jahrgang, Mai 2007, www.graswurzel.net