Gesamtwirtschaftliche Kosten eines Kriegs gegen den Irak

Anschlag auf die Weltwirtschaft

Die Interessen der USA-Administration, mit denen der Militärschlag gegen den Irak zu erklären versucht wird, sind sattsam bekannt. ...

... Vordergründig geht es um die Demontage von derzeit noch vermuteten Produktionspotenzialen für Massenvernichtungswaffen. Im Zentrum steht der Sturz des unbestreitbar diktatorischen Hussein-Regimes. Die penetrante Reduktion aller möglicher Alternativen, mit denen dieses Ziel erreichbar wäre, auf Krieg, zeigt, es geht ausschließlich um Großmachtinteressen der USA - ohne Rücksicht auf die gesamte Region sowie die Bündnispartner in der Allianz. Ökonomisch gilt es, den Zugang zu den Ölquellen im Irak wie überhaupt im Nahen Osten zu sichern. Der Irak (15,1 Mrd. Tonnen) verfügt nach Saudi-Arabien (35,4) und vor Kuwait (13,0) über die zweitgrößten Ölreserven der Welt. Weit vor allen anderen Industrienationen liegt der Ölverbrauch der USA bei 895 Millionen Tonnen pro Jahr. Zwar sprudelt das schwarze Gold immer noch kräftig aus den Quellen der USA. Nach Saudi-Arabien mit 379 Mio. Tonnen sind die USA der zweite große Ölförderer mit 353 Mio. Tonnen. Je stärker jedoch heute die Vorkommen in den ölärmeren Regionen mit Einsatz hoher Kosten genutzt werden, desto entscheidender werden in Zukunft die Vorräte in der arabischen Wüste und umso mehr gewinnt das OPEC-Kartell an politischer Macht. Prognosen gehen bis zum Jahr 2020 von einer Verdreifachung des Ölbedarfs durch die USA aus. Die Abhängigkeit des Wirtschaftswachstums von Öl ist in den USA extrem hoch, weil auch zum Schaden der Umwelt auf eine Politik der Energieeinsparung und -substitution bisher verzichtet worden ist. Die USA deckt derzeit die Hälfte ihres täglichen Rohölbedarfs aus dem Ausland. Davon stammen 20% aus Ländern am persischen Golf. Allein die tägliche Rohölförderung des Iraks nach Aufhebung der Sanktionen würde ausreichen, den größten Teil des Bedarfs der USA aus dieser Energiequelle zu bedienen. Dabei geht es um die Frage, welche Mineralölfirmen nach dem Krieg gegen den Irak zur Ausbeutung der Ölquellen im Irak zum Zug kommen. Derzeit gibt es Verträge des Iraks mit einem französischen Mineralölkonzern. In den USA wird der französischen Regierung vorgeworfen, die Franzosen widersetzten sich dem Krieg, um die Rechte nicht zu verlieren. Diese Kritik an Frankreich macht die Absichten der US-Administration deutlich. Sicherlich wird die USA alles versuchen, das angestrebte Militärprotektorat im Irak nach dem Krieg zu nutzen, um die Rechte US-Mineralölkonzernen zuzuschanzen. Die US-Strategie reicht jedoch weltpolitisch weit über das Interesse am Ölstandort Irak hinaus. Wie der Umgang mit den Verbündeten im "alten Europa", also nach dem US-Sprachgebrauch gegenüber den Ländern, die den durch die USA diktierten Waffengang nicht mitmachen, deutlich werden lässt, George W. Bush demonstriert der Welt, dass die USA als Weltpolizei in den kommenden Jahren ohne Rücksicht auf die Verbündeten schalten und walten wollen. Dafür wird die auch die Destabilisierung Europas sowie im Nahen Osten in Kauf genommen.

Kriegskosten berechnen und verkünden

Die ökonomischen Interessen sowie der totalitäre Anspruch auf die Definitionsmacht bei der Lösung von Konflikten in der Welt erklärt wohl auch, warum auf ernsthafte Bewertungen der ökonomischen Folgen eines Krieges gegen den Irak verzichtet wird. Denn, werden die ökonomischen Vor- und Nachteile dieser Kriegsstrategie abgewogen, so fällt das Kosten-Nutzen-Kalkül Ergebnis niederschmetternd aus. In der Sprache der ökonomischen Entscheidungstheorie werden gegenüber den durch die USA kalkulierten, allerdings selbst gefährdeten prof¡tablen Vorteilen ("Benefits") des Irak-Kriegs die gesamtwirtschaftlichen Kosten systematisch unterschlagen. Die Rechnungen, die aus dem Pentagon bekannt geworden sind, erfassen nur einen Bruchteil der gigantischen Belastungen, übrigens ausschließlich für die USA. Die katastrophalen Folgen in den vielen anderen Ländern, wie überhaupt für die Weltwirtschaft werden komplett ausgeblendet. Damit bleibt die USA-Administration der alten Tradition treu, mit völlig unterschätzen Kosten Kriege im eigenen Land politisch durchzusetzen. So wurden die Kosten des Korea- und Vietnamkrieges ebenso wie die des ersten Golfkriegs (1990-1991) auf die Erfassung der reinen Militärkosten reduziert. Dabei schreiben Finanzgesetze in den USA vor, zu "öffentlichen Großprojekten" - und dazu zählt dieser Krieg - Kosten-Nutzen-Analysen vorzulegen. Wenn diesem Gesetzesauftrag gefolgt würde, müsste der Aufmarsch ins Kriegsgebiet sofort gestoppt werden. Die Busch-Administration weiß wohl genau, warum sie auf die alt bekannte Verschleierungstaktik setzt. Einigermaßen angemessene Kostenschätzungen könnten die Akzeptanz derartiger Militäraktionen im eigenen Land gefährden. Auf der Basis einer umfassenden Analyse der direkten und indirekten Kosten des Kriegs gegen den Irak würden auch die Drittwirkungen entzifferbar - nämlich die ökonomischen Belastungen vieler Länder wie überhaupt der Weltwirtschaft. Selbst wenn Deutschland hoffentlich dabei bleibt, an diesem Krieg nicht teilzunehmen, die ökonomischen Lasten sind so oder so - wie noch zu zeigen sein wird - enorm. Erst die schonungslose Auflistung der ökonomischen Gesamtkosten zeigt, wer am Ende in welchem Ausmaß an den Lasten beteiligt sein wird. Also, politisch wie ökonomisch, die Bewertung der gesamtwirtschaftlichen Kosten eines möglichen Kriegs gegen den Irak ist dringend erforderlich. Auch die Länder, die sich gegen die Teilnahme an diesem Krieg entschieden haben, müssen an der ökonomischen Wahrheit großes Interesse haben. Denn die Entscheidungen der USA lösen über die weltwirtschaftlichen Folgen negative Wirkungen (externe Effekte) aus, denen sich die zwar nicht entscheidenden, jedoch betroffenen Länder nicht entziehen können. Wohl auch um die ganze Wahrheit zu verheimlichen, werden methodische und substanzielle Bedenken gegen die Berechnung von Kriegskosten eingewendet. Diese bekannten eingrenzbaren Schwierigkeiten rechtfertigen jedoch nicht den Verzicht auf die Kalkulation der Kriegskosten. Im Mittelpunkt stehen letztlich nur die monetär bewertbaren Kosten. Die vielen Toten sowie das menschliche Elend durch einen Krieg lassen sich in einer solchen Kalkulation seriös nicht erfassen. Das ökonomische Rechenwerk belegt jedoch die verheerenden Wirkungen auf die ökonomische Wertschöpfung als Basis von Einkommenssicherung und der Arbeitsplätze. Die kurzweiligen ökonomischen Interessen an diesem Krieg werden durch gigantische Gesamtkosten völlig abgewertet. Dabei lassen sich zur Ermittlung der Kriegskosten Untersuchungen zu voran gegangen Kriegen produktiv nutzen. Forschungsarbeiten liegen nicht nur zu allen großen Kriegen vor, sondern auch zu Naturkatastrophen und jüngst zu den ökonomischen Folgen des internationalen Terrors (zu den ökonomischen Folgen des 11. Septembers). Eine hervorragende Position auf dem Gebiet der Untersuchung der gesamtwirtschaftlichen Herausforderungen durch Krieg und Frieden nimmt der Begründer der modernen Makroökonomik, John Maynard Keynes, ein. Zu den Klassikern zählt sein im Juni 1919 erschienenes Buch "Die wirtschaftlichen Folgen des Friedensvertrags". Nach Durchsicht der Verträge von Versailles zeigte er, dass die seitens der Alliierten Deutschland und seinen Verbündeten abverlangten Entschädigungssummen nicht aufbringbar und daher "unklug und selbstmörderisch" seien. Weitsichtig warnte er vor dem politischen Debakel, in das diese nicht tragbaren Belastungen die Weimarer Republik stürzen mussten. Der Text macht zugleich die hohen Opportunitätserträge eines vermiedenen Krieges deutlich. Die Untersuchung widerlegt auch die heutigen Kriegstreiber, die wohl auch den ökonomischen Verstand verloren haben. Volkswirtschaftliche (direkte und indirekte) Kosten eines Krieges mit dem Irak nach Berechnungen von William Nordhaus* (in Mrd. US Dollar, Basis 2002)

Szenarien

Schwerpunkt der Kosten

Kurzer Krieg (Bad Case)

Langer Krieg (Worst Case)

Militärische Ausgaben

50

140

Folgekosten (indirekt) für die Dekade von 2003 bis 2012



Besatung und Friedenserhaltung

75

500

Wiederaufbau und Infrastruktur

30

105

Humanitäre Hilfeleistungen

1

10

Auswirkungendes Ölpreiseffektes

-40 (1)

778

Makroökonomische Auswirkungen

-17 (2)

391

Dirkte und indirekte Kosten (3)

88

1924

1) Angenommen wird, dass nach einem kurzen Krieg der Ölpreis pro Barrel deutlich sinkt (Bandbreite 20-25 US Dollar) und dementsprechend volkswirtschaftliche Kosten abnehmen (positiver Effekt auf die Gesamtwirtschaft von 40 Mrd. US Dollar). 2) Beim Szenario "kurzer Krieg" kommt es nicht zu volkswirtschaftlichen Kosten, sondern zu positiven Effekten auf die Gesamtwirtschaft im Umfang von 17 Mrd. US Dollar (Konsum- und Investitionsbereitschaft nehmen zu; mit den Gewinnerwartungen steigen wieder die Aktienkurse). 3) Nicht berücksichtigt sind die direkten und indirekten Kosten durch internationale Terroranschläge. * Quelle: William D. Nordhaus, The Economics of a War with Iraq; Cowles Foundation for Research in Economic, Yale University, Discussion Paper Nr. 1387, December 2002 Die einigermaßen korrekte Erfassung der Kosten eines Krieges im Irak ist ausgesprochen komplex und kompliziert. Unterschiedliche, allerdings nur monetär bewertbare Kostenkomponenten sind zu unterscheiden. Da sind die direkten Kosten durch den Militäreinsatz. Deren Höhe hängt von der Länge und Intensität der Kriegsführung ab. Hinzu kommen die Kosten der Schaffung eines Militärprotektorats nach dem Krieg sowie für den Wiederaufbau. Dabei ist auch der derzeitige Zustand von Staat und Wirtschaft im Irak zu berücksichtigen. Schließlich müssen die indirekten Kosten abgeschätzt werden, die die Folgen für die Weltwirtschaft, die USA und die anderen einzelnen Länder erfassen. Hier spielt die Entwicklung des Ölpreises eine strategische Rolle. Die makroökonomischen Belastungen durch einen Ölpreisschock sind enorm. Aber auch Einflüsse auf den Außenwert des US$ und weiterer Wechselkurse sowie auf die Aktienkurse sind innerhalb der gesamtwirtschaftlichen Analyse zu berücksichtigen. Zudem müssen die Reaktionen der Konsumenten, der Investoren sowie der Geld- und Finanzpolitik im makroökonomischen Gesamtkalkül berücksichtigt werden. Dabei wird das Ausmaß all dieser Effekte durch die Länge und Art der Kriegsführung maßgeblich bestimmt. Die methodischen und empirischen Probleme der Erfassung der gesamtwirtschaftlichen Kosten sind unbestreitbar. Es wäre fatal, hier eine Präzision durch die Angabe monetärer Größen vortäuschen zu wollen. Aber die Kenntnis ungefährer Größenordnungen ist dem Verzicht auf Angaben in jedem Fall vorzuziehen.

Analyse der Kriegsfolgen für die USA

Eine umfassende und methodisch anspruchsvolle Abschätzung der volkswirtschaftlichen Kosten eines Krieges mit dem Irak USA hat der renommierte Wirtschaftsprofessor an der Yale-Universität, William D. Nordhaus, (1) im Dezember 2002 vorgelegt. Seine Analyse bezieht sich zwar nur auf die ökonomischen Folgen für die USA. Aus diesem Ansatz lassen sich jedoch Anknüpfungspunkte zur Untersuchung der ökonomischen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft, aber auch auf Deutschland ableiten. Diese Studie korrigiert auf der Basis des nicht unwahrscheinlichen schlimmsten Falls ("worst case") die verniedlichenden Angaben zu den Kriegskosten, die aus dem Pentagon in die Öffentlichkeit gedrungen sind. Die offiziellen Bewertungen reduzieren die Kosten auf die direkten Militärausgaben. Auch die Untersuchung der "Democratic Staff of the House Budget Committee" (House Study) unterschätzt die Gesamtkosten mit der angegebenen Spanne von 48 und 60 Mrd.$. Die Schätzbasis bilden die Preise aus den Angaben zum ersten Golfkrieg, die korrigiert werden ("top down"-Methode). Im ungünstigsten Fall geht das New War A-Szenario von einer kurzen Dauer des Krieges aus (30 Tage Kämpfe und 2 1/2 Monate Nachkriegspräsenz). Bei der Untersuchung durch das "Congressionell Budget Committee" (CBO-Studie) wird die Kostenschätzung auf der Basis der wichtigsten Komponenten vorgenommen ("bottom up"- Methode). Die Gesamtkosten belaufen sich im angenommenen ungünstigen Falle auf 44 Mrd.$. In einem ersten Schritt sollen nachfolgend die Untersuchungsergebnisse von William D. Nordhaus, die sich ausschließlich auf die USA beziehen, zusammengefasst werden. Anschließend werden die ökonomischen Folgen eines Kriegs gegen den Irak auf Deutschland zu spezifizieren versucht. William D. Nordhaus fasst in seiner Studie die direkten und indirekten Kosten zusammen. Dabei unterscheidet er zwischen den drei Szenarien: bad case, worse case, worst case (vom minimalen bis zum maximalen Kriegsfall). Aus den durchgerechneten Szenarien ergibt sich eine Bandbreite an volkswirtschaftlichen Gesamtkosten zwischen 99 Mrd.$ und 1924 Mrd.$. Der untere Wert gehört zum Szenario "bad case". In der Tabelle sind die Kostenkomponenten dargestellt: Militärausgaben, Besatzung und Friedenserhaltung, Wiederaufbau und Infrastruktur, humanitäre Hilfeleistungen, Auswirkungen des Ölpreiseffektes und makroökonomische Auswirkungen. Bei dem "bad case" wird von kurzen Kampfhandlungen ausgegangen. Der Ölpreis fällt nach einem vorübergehend leichten Anstieg schnell und dauerhaft unter das heutige Niveau (Bandbreite 20-25 US $). Die Militärausgaben sind vergleichsweise beherrschbar. Auch die Ausgaben für die Besetzung und Friedenserhaltung, den Wiederaufbau und die Infrastruktur sowie für humanitäre Hilfe fallen gering aus. Von den Ölpreisen gehen in der gesamtwirtschaftlichen Wirkung sogar positive Effekte aus. Durch die schnelle Eroberung des Irak und die für die nachfolgende Phase unterstellte politische Stabilität sinkt der Ölpreis von derzeit ca. 30 $ pro Barrel deutlich unter 25 $. Durch entsprechende Kostenersparnisse bei den Konsumenten und Investoren würde die ökonomische Wertschöpfung um 40 Mrd. 3 zunehmen. Die gesamtwirtschaftlichen Wirkungen sind durch starkes Vertrauen, steigende Gewinne und sinkende Aktienkurse sowie eine günstige Wechselkursentwicklung ebenfalls positiv (17 Mrd.$). Dieser "bad case" scheint das kalkulierte Wunschszenario der Bush-Administration zu sein. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass selbst hier Gesamtkosten mit knapp 99 Mrd.$ entstehen. Dieses Szenario "Minimierung der Schäden" ist jedoch insgesamt viel zu optimistisch. Im nicht unrealistischen "worst case" explodieren dagegen die Kosten auf 1.924 Mrd.$. Hierbei wird ausgegangen von einem lang anhaltenden Krieg (mit Häuserkampf), der Zerstörung der Ölförderanlagen (auch in den Nachbarstaaten), dem Anstieg des Ölpreises auf 75$ für längere Zeit sowie von internationalem Gegenterror. Eine tiefe Vertrauenskrise breitet sich aus und lähmt die Weltwirtschaft. Die Konsumbereitschaft nimmt massiv zugunsten des Angstsparens ab. Sinkende Gewinnerwartungen führen zum Rückgang der Sachinvestitionen. Die Aktienkurse spiegeln die pessimistischen Erwartungen wider; sie stürzen ab. Da der private Konsum mit sinkenden Vermögenswerten infolge der Verluste bei Aktienkursen eingeschränkt wird, zwingt der Einbruch dieses Nachfrageaggregats die US-Wirtschaft endgültig in die Rezession. Für die USA kommt es zu einer zusätzlichen Belastung: Der sich heute schon durchsetzende Verfall des US $ gegenüber dem Euro führt zu einem Rückzug des ausländischen Kapitals aus den USA. Die Finanzierung des Doppeldefizit - öffentlicher Haushalt und Leistungsbilanzdefizit - durch ausländisches Kapital bricht in sich zusammen. Die Vorteile aus der US $-Abwertung für die Exportwirtschaft vermögen diese Nachteile nicht aufzuwiegen. Die Geldpolitik schaltet wegen wachsender Inflationsrisiken - vor allem durch die hohen Ölpreise - auf restriktiven Kurs um. Die Finanzpolitik verliert mit den wachsenden Staatsschulden an Manövrierfähigkeit. Insgesamt stürzt die Gesamtwirtschaft in eine tiefe Rezession. Dieser ökonomische Einbruch in den USA prägt jedoch auch die Weltwirtschaft und überträgt sich auf andere Industrieländer, insbesondere Deutschland. Dabei werden in diesem Szenario nach Nordhaus zwei krisenverschärfende, mit einander zusammenhängende Belastungen nicht berücksichtigt. Ein Krieg im Irak würde die gesamte Region massiv destabilisieren. Dabei ist die Frage entscheidend, wie es nach einem aus USA-Sicht gewonnen Krieg im Irak weitergehen soll. Planspiele sind bekannt geworden. Politisch angestrebt wird die "Entbaathifizierung". Dazu wird eine US-Militärverwaltung eingesetzt, die auch Kriegsverbrecherprozesse gegen Hussein und seinen engen Apparat durchsetzen soll. Einem zivilen US-Verwalter obliegt die Aufgabe, die schrittweise Transformation in ein demokratisches Staatswesen in die Wege zu leiten. Es ist doch jetzt schon abzusehen, dass dieses Militärprotektorat als tiefe Demütigung in der gesamten Region begriffen wird. Der islamische Widerstand würde an Kraft gewinnen und könnte am Ende auch die undemokratischen Öloligarchien in den Golfstaaten ergreifen und zum Einsturz bringen. Schließlich ist mit einem neuen Schub beim internationalen Terrorismus im Klima religiösen Fundamentalismus zu rechnen. Ökonomische Untersuchungen, die im Gefolge des 11. September-Terrors in den USA entstanden sind, belegen umfangreich die sich daraus ergebenden ökonomischen direkten und indirekten Belastungen. Direkte Kosten entstehen durch Vernichtung von Sachvermögen sowie den Aufwand für Sicherheitsmaßnahmen. Indirekte Wirkungen über den Vertrauensverlust von Konsumenten und Investoren sowie steigende Sicherheitskosten treiben die volkswirtschaftlichen Schäden nach oben. Die Spaltung zwischen Armen und Reichen würde sich nicht nur vertiefen. Fazit: Ein Krieg gegen den Irak wäre nicht nur politisch sondern auch ökonomisch heller Wahnsinn.

Deutschland durch Kriegsfolgen in der Abwärtsspirale

Die massiven ökonomischen Schäden, die der Krieg gegen den Irak auslösen würde, blieben jedoch nicht nur auf die Kriegsregion und die kriegsauslösende USA beschränkt. Die Weltwirtschaft würde allein schon wegen der Leitfunktion der USA in Mitleidenschaft gezogen. Diese globalen Folgen werden durch die Ölpreisentwicklung belegt. Kommt es zur Ölverknappung bzw. Erhöhung des Ölpreises, dann leiden darunter alle Länder im Ausmaß ihrer Abhängigkeit von dieser Energiequelle - auch wenn sie sich gegen diesen Krieg ausgesprochen haben. Nicht nur wegen seiner ökonomisch engen Verzahnung mit den USA würde Deutschland relativ stark durch die gesamten Kriegskosten belastet. Mit Blick auf die Schwerpunkte im Nordhaus-Tableau sind für Deutschland die unterschiedlichen Ebenen der ökonomischen Belastung wie folgt zu bewerten:

Belastungen der öffentlichen Haushalte

Direkte Kosten für die Militäraktion entstehen im Ausmaß der Beteiligung an dem Krieg. Nach dem derzeitigen Stand sollen Soldaten nicht direkt in den Krieg einbezogen werden. Die Hilfe soll sich auf logistische Arbeiten und Überwachungsleistungen reduzieren. Derzeit sind die Kosten für logistische Leistungen durch die Bundeswehr mangels Angaben über das Ausmaß des (indirekten) Einsatzes nicht möglich. Sollten Kosten anfallen, ist wohl mit einer Umschichtung im Verteidigungshaushalt zu rechnen. Derzeit ist unklar, inwieweit die USA erfolgreich Druck auf Deutschland ausüben wird, sich an den Kosten des Militärschlags zu beteiligen. Im letzten Golfkrieg - nach der Besetzung Kuweits durch den Irak 1991 - ist nach Angaben des Bundesfinanzministeriums eine Beteiligung im Umfang von 17,2 Mrd. DM erfolgt. Die meisten Ausgaben dienten der Sicherstellung des Nachschubs von Munition, Transportmitteln sowie der Zahlung von Finanzhilfen an die USA. Es sollte der Grundsatz gelten: ein Land, das den Krieg nicht unterstützt, darf auch nicht an dessen Finanzierung beteiligt werden. An humanitären Hilfeleistungen sowie am Wiederaufbau des Iraks wird sich Deutschland sicherlich beteiligen (Gesamtvolumen im ungünstigsten Fall 605 Mrd.$). Da vor allem bei anhaltenden kriegerischen Auseinandersetzungen von einem wachsenden internationalen Terrorismus auszugehen ist, werden die öffentlichen Ausgaben für Sicherheitssysteme deutlich zunehmen. Der absehbare Anstieg kriegsbedingter Ausgaben wird zur Belastung der öffentlichen Haushalte - insbesondere im Bundeshaushalt - führen. Die erste Welle derartiger Ausgaben nach dem 11. September ist durch die Anhebung der Versicherungs- und Tabaksteuer finanziert worden. Für die künftige Finanzierung stehen Ausgabenkürzungen an anderer Stelle, Steuererhöhungen oder der Anstieg der Staatsverschuldung zur Verfügung. Neue Verteilungskonflikte sind etwa nach dem Motto - Sicherheit statt Bildung - vorprogrammiert.

Gesamtwirtschaftliche Folgekosten

Der jüngste Anstieg des Ölpreises auf über 30 $ je Barrel ist bereits auf die Planung eines Militärschlags gegen den Irak zurückzuführen. Kenner des Ölmarkts gehen davon aus, dass heute schon 5-7 $ pro Barrel durch die erwarteten Kriegsfolgen "eingepreist sind". Damit ist die zuletzt im Januar präsentierte Prognose zum Wirtschaftswachstum mit ohnehin nur 0,6 % für dieses Jahr bereits Makulatur. Sie basiert auf der Annahme, der Ölpreis werde sich im Frühjahr bei 25 $ bewegen. Gegenüber dieser Prognose liegt bei 30 $ die Ölrechnung um 4 Mrd. 3 höher. Steigt der Ölpreis auf 35 $ so kommen nochmals 8 Mrd. 3 hinzu. Die Folgen der Ölpreiserhöhung sind: Rückgang des privaten Konsums, Kostensteigerungen in der Wirtschaft und damit sinkende Ausrüstungsinvestitionen und steigende Ausgaben des Staates. Soweit versucht wird, die Kostensteigerung über die Preise zu überwälzen, steigt die Inflationsrate. Die Gefahr ist dann groß, dass die Europäische Zentralbank die Inflation zum Anlass nimmt, den durch die steigende Ölrechnung gesenkten inländischen Verteilungsspielraum durch eine restriktive Geldpolitik durchzusetzen. Die privatwirtschaftliche Investitionsbereitschaft würde zusätzlich belastet. Zusammen mit der ohnehin sich vertiefenden Vertrauenskrise führt der Ölpreisanstieg letztlich zum Abschwung der Konjunktur. Die Arbeitslosigkeit steigt. Die staatlichen Einnahmen sinken, während die Krisenkosten durch die ansteigende Arbeitslosigkeit in den öffentlichen Haushalten zunehmen. Der Druck auf eine Einsparpolitik zur Vermeidung einer Ausweitung der öffentlichen Schuldenaufnahme im Sinne der Maastricht-Kriterien nimmt zu. Die Konjunktur würde zusätzlich durch den Rückgang von öffentlichen Ausgaben für die Wirtschaft belastet. Bei einer über ein Jahr andauernden Erhöhung des Ölpreises um 10 $ je Barrel sinkt das Wirtschaftswachstum in Deutschland um 0,3 Prozentpunkte; die absolute Einbuße beträgt 6 Mrd. Der private Konsum sinkt um 0,2 Prozentpunkt, die Ausrüstungsinvestitionen um 0,4 Prozentpunkte. Die Inflationsrate steigt um 0,5 Prozentpunkte. In der Gesamtwirkung droht durch bei einem Krieg gegen den Irak die derzeit ohnehin nur stagnative Konjunkturentwicklung in eine Rezession umzukippen. Über den Ölpreisschock hinaus treiben weitere Rückwirkungen die Konjunktur Deutschlands in die Abwärtsspirale: Neuere Untersuchungen belegen die gewachsene Abhängigkeit der konjunkturellen Entwicklung Deutschlands von der der USA. Insoweit schlägt die von Nordhaus beim "worst case" erwartete tiefe Rezession der US-Wirtschaft auch auf Deutschland durch. Wegen der hohen Exportquoten kommt es bei einer krisenhaften Entwicklung der Weltwirtschaft zu zusätzlichen Belastungen der deutschen Wirtschaft. Unternehmen sehen sich darüber hinaus gezwungen, steigende Ölpreise und Kosten für zusätzliche Sicherheit gegenüber Terroranschlägen über die Preise abzuwälzen. Bei den gesamtwirtschaftlichen Folgen eines Kriegs gegen den Irak ist auch die Veränderung der Wechselkurse zu berücksichtigen. Oft wurde der US$ in Krisenzeiten als sicherer Hafen angesteuert und wertete deshalb auf. Als Kriegspartei an sich sowie wegen der wachsenden Risiken durch Terroranschläge wird die USA jedoch mit einer Abwertung ihrer Währung rechnen müssen. Die Kriegsfolgen sind in der jüngsten Abwertung des $ bereits "eingepreist". Eine Abwertung des $ gegenüber dem Euro - Aufwertung des Euro - verteuert die Rechnung für die deutschen Exporte in dieser Währung. Weichen die ausländischen Kunden wegen der verteuerten Waren aus Deutschland auf die internationalen Konkurrenten aus, sinken die Exporte. Reagieren die deutschen Unternehmen mit Preissenkungen, dann gehen die Erlöse zurück und die Gewinne sinken. Der Gesamteffekt ist jedoch recht gering, weil gut zwei Fünftel der Ausfuhren in die Länder der Eurozone fließen. Eine Abwertung des Dollar gegenüber dem Euro um 10% verringert den Zuwachs des deutschen Bruttoinlandsprodukts um 0,3%. Durch die Abwertung des $ werden allerdings die Importe, die in dieser Währung bezahlt werden, billiger. Der durch die Ölpreisexplosion und wachsende Kosten der Sicherheit zu erwartende Anstieg der Inflationsrate wird gedämpft und der Druck auf die Europäische Zentralbank in Richtung restriktiver Geldpolitik abgeschwächt. Wegen der hohen deutschen Importquote aus dem Euroland fällt jedoch dieser Entlastungseffekt recht gering aus. Die einzelnen, hier genannten Faktoren, wie die Vertrauenskrise überhaupt, führen zu pessimistischen Gewinnerwartungen bei den Unternehmen. Da sich in der Kursentwicklung der Börsen künftige Gewinne widerspiegeln, sind weitere Kursverluste an der Börse vorprogrammiert. Darüber können auch die kurzfristigen Kursgewinne bei Unternehmen der Rüstungs- und Sicherheitswirtschaft nicht hinweg täuschen ("buy cannons, sell trumpets"). Kursverluste und damit sinkendes Geldvermögen reduzieren den privaten Konsum in Deutschland - allerdings erheblich schwächer als in den USA. Die anhaltend hohen Kursverluste werden jedoch auch als Indiz für niedrige Einkommenszuwächse und steigende Arbeitslosigkeit wahrgenommen. Die Folge sind Einschränkungen beim Konsum - auch durch Angstsparen. Allerdings fällt gegenüber den USA dieser Konsumverzicht erheblich geringer aus, da die Vermögensbildung in Form von Aktien in Deutschland eine bedeutend geringere Rolle spielt. Verluste bei den Aktienkursen sowie überhaupt wachsenden Probleme bei der Besorgung von Kapital an den Börsen belasten auch die Unternehmensinvestitionen. Sinkende Aktienkurse verstärken die Bewegung auf der gesamtwirtschaftlichen Abwärtsspirale. Eine Modellrechnung zeigt, die Halbierung der Aktienkurse führt zu Einschränkung des privaten Konsums um 0,2-0,8 % und löst die Abnahme der Unternehmensinvestitionen um 0,6% aus. Durch den Absturz der Konjunktur, in deren Sog auch die Nachfrage nach Beschäftigung einbricht, steigt die Arbeitslosigkeit. Es sind am Ende die Arbeitslosen die am stärksten die gesamtwirtschaftlichen Kosten eines Irakkriegs zu tragen hätten. Dabei ist damit zu rechnen, dass die hier beschriebenen endogenen Belastungen durch wirtschaftspolitische Fehl-Reaktionen verstärkt werden würden. Die Geldpolitik, die sich zur Stabilisierung des Preisniveaus vor allem gegen die ölpreisbedingte Inflation richtet, wird restriktiv ausgerichtet werden. Ergänzend wird die Finanzpolitik unter dem Druck der Maastricht- bzw. Amsterdam-Kriterien versuchen, die durch sinkendes Wirtschaftswachstum und steigende Arbeitslosigkeit zu erwartenden Einnahmeausfälle und wachsende Krisenkosten durch weitere Einsparungen bei den Ausgaben und/oder Steuererhöhungen aufzufangen. Bereits der drohende Irakkrieg hat zur Verunsicherung und zum Vertrauensverlust der Investoren und Konsumenten geführt. Die gesamtwirtschaftlichen Verluste durch den Irak-Krieg müssen auf jeden Fall mit einer expansiven Finanz- und Geldpolitik beantwortet werden. Die wegen der allgemeinen Konjunkturkrise ohnehin gebotene gegensteuernde Konjunkturpolitik wird durch die Folgen der Bedrohung durch den Irak-Krieg noch dringlicher.

Fazit

Der Irakkrieg führt zu hohen gesamtwirtschaftlichen Kosten und damit zur Belastung der Weltwirtschaft nicht nur in den Metropolen. Wirtschaftliche Rezession und Arbeitslosigkeit sind die Folge. Deshalb reicht es nicht aus, zu erklären, man beteilige sich nicht an dem Krieg. Vielmehr müssen durch die deutsche Politik alle Möglichkeiten genutzt werden, diesen Krieg zu vermeiden. Friedenspolitik ist zugleich ein Beitrag zur Stärkung der Wirtschaft und der öffentlichen Haushalte. Friedenspolitisch wie ökonomisch sind die Aktivitäten der Bundesregierung zusammen mit den anderen Ländern zur Vermeidung dieses Krieges schlichtweg verantwortungsvoll, weil vernünftig.

Anmerkungen

1 William D. Nordhaus: The Economics of a War with Iraq; Cowles Foundation for Research in Economic, Yale University, Discussion Paper Nr. 1387, December 2002. Der Artikel wurde am 26.02.2003 abgeschlossen Prof. Dr. Rudolf Hickel lehrt am Institut für Arbeit und Wirtschaft (iaw), Fachbereich Wirtschaftswissenschaft, der Universität Bremen