Über die Entwicklung der Vergütung von Managern, insbesondere in den börsennotierten Unternehmen, die in den DAX 30 aufgenommen sind, wird derzeit eine heftige Kontroverse geführt. Nachdem die Gehälter einiger Vorstandsvorsitzender bekannt geworden sind, hat der Druck seitens der Politik, der Wissenschaft und der Medien zugenommen. Zunehmend wird gefordert, die Vergütung der Topmanager im Geschäftsbericht offen zu legen. Aufgrund der Geheimniskrämerei der Kapitalgesellschaften und ihrer Vorstände ist es jedoch bis heute schwierig, vollständige Informationen zur Managervergütung zu erhalten und auszuwerten. Zur Entwicklung und derzeitigen Höhe lassen sich dennoch folgende empirische Hinweise geben.
Die meisten Vorstandsmitglieder deutscher Unternehmen beziehen derzeit ein Salär in der Bandbreite von 100000 Euro bis 400000 Euro. Sie erhalten damit das bis zu 13fache des durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommens (29420 Euro). Vor allem in börsennotierten Firmen ist diese Relation allerdings auf das Hundertfache ausgebaut worden, während sich in früheren Jahren die Kapitalfunktionäre maximal das 20- bis 30fache der durchschnittlichen Arbeitnehmerentgelte angeeignet haben. Die Topverdiener sitzen in den besagten DAX 30-Unternehmen. Im Durchschnitt stieg in dieser Gruppe die Vergütung für jedes Vorstandsmitglied von 910000 Euro in 1997 um 81,3 Prozent auf 1,65 Mio. Euro im vergangenen Jahr. Dabei gibt es zwischen den Unternehmen, aber auch innerhalb des Vorstands ein großes Gefälle - allerdings auf hohem Durchschnittsniveau.
Zum Topverdiener avancierte nach dem Neuzuschnitt der Vorstandsarbeit der Deutschen Bank dessen Vorsitzender Josef Ackermann: Mit 11,1 Mio. Euro im letzten Jahr betrug sein Salär nahezu das 380fache des Durchschnittseinkommens. 1 Ein Mitglied des Vierer-Vorstands der Deutschen Bank erhält im Durchschnitt von den insgesamt gezahlten 28 Mio. Euro jeweils sieben Millionen Euro - und somit 240 Mal so viel wie ein durchschnittlicher Arbeitnehmer. Diese Zahlen sind öffentlich zugänglich, weil die Deutsche Bank der Sollregel nachkommt und die Vergütungen ihrer vier Vorstandsmitglieder publiziert.
Ein weiterer Mega-Gewinner im DAX-Club ist Jürgen Schrempp. Im Unterschied zur Deutschen Bank weigert sich Daimler-Chrysler jedoch, die Vorstandsbezüge individualisiert zu publizieren. Selbst über die Prinzipien und Elemente der Vergütung wird nur spärlich informiert. Es wird jedoch gemutmaßt, dass sich Jürgen Schrempp im letzten Jahr rund zehn Millionen Euro aneignen konnte. Der Megasprung ist maßgeblich Folge einer Angleichung der Vergütung an US-amerikanische Verhältnisse im Zuge des Kaufs des Autobauers Chrysler.
Bei derart hohen Topgehältern, die sich von der normalen Lohnentwicklung in rasanter Fahrt nach oben abgesetzt haben, stellt sich die Frage, inwieweit sich diese Klassenspaltung ökonomisch rechtfertigen lässt. Gibt es eine Erklärung für die exorbitante Spanne zwischen dem Gehalt für den Chef der Deutschen Bank und der dort beschäftigten, hoch motivierten Bankfachfrau? Die Antwort ist eindeutig: Mit den Regeln des normalen Arbeitsmarktes, also aus dem Zusammenwirken von Nachfrage und Angebot nach Managern, sind deren Toplöhne nicht zu erklären. Auch der Verweis auf die internationale Mobilität, die ansonsten für Standortentscheidungen reklamiert wird, greift nicht. Wie wäre sonst zu erklären, dass trotz erheblich höherer Vergütungen in den USA eine Wanderung deutscher Manager dorthin kaum zu beobachten ist? Das Gegenteil ist der Fall: Einige deutsche Manager versuchen, die Topentlohnung aus den USA nach Deutschland zu importieren.
Eine Antwort findet man auch nicht bei der Erklärung der Arbeitskräftenachfrage entsprechend der Grenzproduktivitätstheorie, mit der vor allem Lohnbeschränkungen zu begründen versucht werden: Nach der Grenzproduktivitätstheorie ist der Einsatz einer zusätzlichen Arbeitskraft gewinnoptimal, wenn die (reale) Entlohnung dem Grenzprodukt entspricht. Wer will ernsthaft behaupten, die Vergütung von Ackermann oder Schrempp ließe sich mit ihrem Beitrag zur (zusätzlichen) Wertschöpfung erklären? Jedenfalls gilt der Grundsatz "leistungsgerechter Entlohnung" in den Chefetagen nicht. Wie die Ökonomin Joan Robinson bissig und zu Recht anmerkte, wird vielmehr die Formel "Entlohnung nach Leistung" auf den Kopf gestellt: Wer viel verdient, der leistet viel, und wenn er noch mehr verdient, dann ist das ein Zeichen für zusätzliche Leistung.
Die ökonomische Realität sieht tatsächlich gänzlich anders aus, wie das Beispiel Schrempp belegt: Sein gescheiterter Versuch, einen Auto-Weltkonzern zu schaffen, führte zu Einbußen in Milliardenhöhe - konnte ihn aber nicht von einer Gehaltserhöhung in Millionenhöhe abhalten. Die vorgeblich leistungsorientierte Entlohnung offenbart sich somit als Ideologie zur Rechtfertigung der Summen, die sich Kapitalfunktionäre auszahlen lassen.
Mangels einer ökonomisch rationalen Erklärung des riesigen und weiter wachsenden Einkommensgefälles wird im Zuge der Internationalisierung auf die viel höheren Vergütungen in den USA hingewiesen. Dagegen ist jedoch zweierlei einzuwenden: Zum einen unterscheidet sich die amerikanische Unternehmensverfassung von der deutschen durch den Chief Executive Officer (CEO) an der Spitze und den Verzicht auf eine Trennung von Vorständen und davon unabhängigen Aufsichtsratsmitgliedern. In Deutschland gilt für Kapitalgesellschaften das duale System mit dem streng voneinander getrennten Vorstand und Aufsichtsrat einerseits und der Hauptversammlung andererseits. Zum andern spielt gegenüber dem Basiseinkommen die Beteiligung an der Gewinn- und Aktienkursentwicklung in den USA eine viel größere Rolle. Diese
ist jedoch steuerlichen Regelungen unterworfen. Nach dem Internal Revenue Code sind ab einer Million US-Dollar die nicht leistungsbezogenen Komponenten (Basiseinkommen) steuerlich nicht abzugsfähig. Zudem liegen, gemessen am Börsenkurs, die Managergehälter in den USA oft niedriger als in Deutschland: So betrug das Salär des Chefs der City Group mit dem Topverdienst von 24,6 Mrd. Euro im letzten Jahr bezogen auf den Börsenkurs 0,01 Prozent, während der entsprechende Anteil für Josef Ackermann bei 0,02 Prozent lag.2
Nachdem die ökonomischen Theorien zur leistungsorientierten Entlohnung versagen, drängt sich die Suche nach realistischen Erklärungen dieser Gehaltspolitik der Manager auf. Ein wichtiger Anknüpfungspunkt für die Erklärung gerade auch der unterschiedlichen Höhe von Vorstandsgehältern bietet die Hierarchie der Positionen und damit der Machtverteilung innerhalb des Unternehmens. Die Einkommensdifferenzen spiegeln die Position in der Hierarchie, also innerhalb des Machtgefüges im Unternehmen, wider: Je höher und anerkannter die Machtposition, umso höher die Entlohnung.
Die Höhe der Entlohnung lässt sich letztlich nur verhaltenspsychologisch unter Einbeziehung des institutionellen Umfelds des Betroffenen erklären. Hierfür bietet das Rent-Seeking-Verhalten einen brauchbaren Ansatz. Vorstände sind in der Lage, ihre Eigeninteressen im Sinne einer "Dschungelökonomie" (Ulrich Thielemann) durchzusetzen: Allein der Manager eignet sich die Beute, die im "Dschungel" aufgespürt wird, an, obwohl diese das Produkt aller an der Wertschöpfung Beteiligten darstellt.
Die oberste Position in der Hierarchie schafft einen für die Unternehmensführung kontraproduktiven Verantwortungswahn. Es verfestigt sich die gar gut gemeinte, aber falsche Vorstellung, einzig und allein für Wohl und Gedeih des Unternehmens zuständig zu sein. Diese Selbstüberschätzung spiegelt sich in unersättlichen Einkommensansprüchen wider.
Der in der öffentlichen Debatte gängige Verweis auf dieses "Raubtierverhalten" verweist zu Recht darauf, dass die Erklärung in der Psychologie der Handelnden zu suchen ist. In der psychischen Disposition der Vorstände ist auch der Grund dafür zu finden, warum Kritik an diesem Dschungel-Verhalten von ihnen nur als Neid wahrgenommen werden kann. Das Verständnis für einen fairen Lohn hat hier keinen Platz.
Es stellt sich jedoch die Frage, wieso die abenteuerlichen Gehaltsvorstellungen einiger Topmanager innerhalb von Kapitalgesellschaften überhaupt durchsetzbar sind. Damit rücken die Entscheidungsstrukturen in den Kapitalgesellschaften in den Mittelpunkt der Betrachtung.
Die Rolle der Aufsichtsräte
Das Aktiengesetz regelt die einschlägige Kompetenz in Paragraf 87 Absatz 1: Zuständig für die "Festsetzung der Gesamtbezüge des einzelnen Vorstandsmitglieds" ist demnach der Aufsichtsrat, der dafür zu sorgen hat, "dass die Gesamtbezüge in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben des Vorstandsmitglieds und zur Lage der Gesellschaft stehen". Die Aufsichtsräte tragen folglich die Verantwortung für die Höhe und die Strukturierung der Vorstandsgehälter in den Kapitalgesellschaften.
Nach der vorherrschenden Praxis wird jedoch die Entscheidung an den Personalausschuss bzw. an andere Ausschüsse delegiert. Die Gesamtheit des Aufsichtsrates wird nicht in die Entscheidung und damit auch nicht in die Verantwortung eingebunden. Mitglieder der zuständigen Ausschüsse sind zudem zur Geheimhaltung verpflichtet. Dieser Auslagerung der Kompetenz aus dem Aufsichtsrat sollte mit dem Transparenz- und Publizitätsgesetz von 2000 entgegengetreten werden. Demnach müssen die Ausschüsse - auch über Vorstandsgehälter - regelmäßig dem Aufsichtsrat berichten.
An der bisherigen Praxis der Abschottung hat sich seitdem wenig geändert. Die Entscheidung liegt also weiterhin bei einem kleinen, exklusiven Kreis. Nach der Lehre der Institutionenökonomie bildet sich auf diese Weise ein Club, innerhalb dessen sich das Rent-Seeking-Verhalten, also die Durchsetzung von Eigeninteressen der Vorstände, besser realisieren lässt. An diesen Entscheidungen im abgetrennten Ausschuss sind auch betrieblich-gewerkschaftliche Vertreter beteiligt.
Um solche Fehlentwicklungen zu vermeiden, müssen zukünftig alle Entscheidungen in Ausschüssen dem gesamten Aufsichtsrat vorgelegt und überprüft werden. Diese heute bereits geltende Vorschrift aus dem Transparenzund Publizitätsgesetz wird von den meisten börsennotierten Kapitalgesellschaften nicht eingehalten. Damit würde der Aufsichtsrat endlich seiner Verantwortung in der vom Gesetz vorgesehenen Weise nach innen und außen gerecht werden. Mittlerweile haben immerhin die Gewerkschaften damit begonnen, ihre Rolle im Rahmen der Mitbestimmung über Entscheidungen zu Managergehältern selbstkritisch zu überprüfen und zur Reform beizutragen. So hat die IG Metall in mehreren Stellungnahmen erklärt, künftig zur Begrenzung der Managergehälter aktiv beizutragen.
Der German Code of Corporate Governance
Dem Ziel, die Kapitalgesellschaften zu reformieren sowie Transparenz durch interne wie externe Kontrolle zu etablieren, dient heute bereits der German Code of Corporate Governance (GCCG). Er trat nach mehrjähriger Diskussion und der Unterstützung durch eine Regierungskommission unter dem Vorsitz von Gerhard Cromme im Februar 2000 in Kraft und wurde im Mai 2003 letztmals korrigiert.
Den Kern dieses Berichtes bilden Empfehlungen (Sollregeln). Weicht eine Kapitalgesellschaft von diesen Regeln ab, muss sie dazu eine Begründung im Rahmen einer "Entsprechungserklärung" publizieren. Auch zur Vergütung von Managern stellt der GCCG Sollregeln auf. Die beiden wichtigsten Vorgaben beziehen sich auf Höhe und Struktur von Managervergütungen.
Demnach soll die Manager-Vergütung im Anhang zum Konzernabschluss individuell für die einzelnen Vorstandsmitglieder ausgewiesen werden - aufgeteilt nach dem Fixum, erfolgsbedingten Komponenten und Komponenten mit langfristiger Anreizwirkung. Wie bereits erwähnt, folgt dieser Vorschrift derzeit jedoch nur ein Drittel der DAX 30-Unternehmen (unter anderen Altana, Bayer, Deutsche Bank, SAP, Thyssen-Krupp, Deutsche Post). Weitere Unternehmen haben angekündigt, in nächster Zeit individualisierte Angaben zu publizieren. Doch die Mehrheit der Unternehmen lehnt jede Veröffentlichung unverdrossen ab.
Die dafür vorgebrachte Begründung besteht zumeist aus dem schlichten Hinweis, dass die Veröffentlichung der einzelnen Vorstandsbezüge keine relevanten Informationen für den Kapitalmarkt beinhalten würde. In diesem Zusammenhang vermutet der Vorsitzende der Regierungskommission Corporate Governance, der Aktienrechtsexperte Theodor Baums, zu Recht die Herausbildung eines Schweigekartells. Die Selbstverpflichtung im Rahmen des Corporate-Governance-Kodex reicht offenbar wegen gegenteiliger Interessen nicht aus. Deshalb ist eine gesetzliche Regelung im Aktiengesetz unerlässlich. In den USA ist die Publizitätspflicht trotz teilweise erheblich höherer Managergehälter schon heute eine Selbstverständlichkeit.
Nach dem Corporate-Governance-Kodex soll in den Geschäftsberichten auch die Vergütungsstruktur für die Vorstände veröffentlicht werden, die das Plenum des Aufsichtsrats zu beschließen hat und die der Hauptversammlung zu erläutern ist. Dieser Regel folgen mittlerweile alle DAX 30-Unternehmen. Die Intensität der öffentlichen Berichterstattung zur Vergütungsstruktur ist dabei jedoch von unterschiedlicher Qualität. Während die Allianz AG differenziert Auskunft gibt, beschränkt sich die Daimler-Chrysler AG auf wenige grobe Angaben. Im Zuge einer Publizierung der individuellen Vorstandsbezüge würde jedoch auch die Vergütungsstruktur deutlicher sichtbar.
Der Corporate-Governance-Kodex schlägt schließlich vor, die Manager- Vergütung der Unternehmenslage entsprechend "angemessen" zu gestalten. Dabei wird zwischen fixen und variablen Bestandteilen sowie der betrieblichen Altersversorgung unterschieden. Die wichtigsten Vorschläge für die Vergütungsstruktur der Topmanager lauten wie folgt:
Erstens sollen bei der Festlegung der fixen Bezüge die persönliche Leistung sowie die Leistung des gesamten Vorstandes im Rahmen des wirtschaftlichen Erfolges und der Zukunftsaussichten berücksichtigt werden. Innerhalb des bereits existierenden und weiter wachsenden großen Gestaltungsspielraums bei der Entlohnung müssen Kriterien der angemessenen Basisentlohnung gefunden werden.
Zweitens soll sich ein Teil der variablen Entlohnung auf ein- und mehrjährige Bonuszahlungen beziehen. Beim jährlichen Bonus sind die individuellen Leistungen an die Erfolge des jeweiligen Ressorts und der Kapitalgesellschaft insgesamt geknüpft. Die Auszahlung der Bonusleistungen erfolgt nur, wenn die daran geknüpften Ziele auch realisiert werden. Wird beispielsweise ein Drei-Jahres-Bonus eingeräumt, dann erfolgt die Auszahlung im vierten Jahr nur dann, wenn ein vorab definiertes strategisches Ziel auch erreicht worden ist. Als Zielgröße steht die nachhaltige Entwicklung der Rendite im Sinne des Roce (Return on Capital Employed) beziehungsweise die Nettowertschöpfung im Vordergrund. Durch diese erfolgsbedingten Komponenten soll ein individueller Leistungsanreiz für Manager verankert werden. Damit wird die kurzfristige Steigerung der Rentabilität zur einkommensbestimmenden Zielgröße der Manager.
Drittens kann der Teil der variablen Entlohnung, der sich aus der Vergabe von Aktienoptionen ergibt, erst nach einer Sperrfrist von etwa zwei oder fünf Jahren verkauft werden. Liegt dann der Verkaufskurs höher als der ursprüngliche Ausgabekurs der Aktienoption, entsteht ein Veräußerungsgewinn. Letztlich zielt dieses Instrument auf die Motivation des Manager zur Steigerung des eher mittelfristigen Aktienkurses.
Nicht zuletzt soll die betriebliche Altersvorsorge auf der Zusage eines Festbetrags basieren. Dessen Höhe wird neben der Betriebszughörigkeit auch individuell gestaltet. Die Zusagen werden regelmäßig überprüf
Fataler Trend zum Shareholder-Value
In der jüngsten Zeit ist die Entwicklung der Managergehälter maßgeblich von der Vergütung über Aktienoptionen geprägt. Dieser Vergütungsteil wird zumeist in ein Programm zur Schaffung von ökonomischen Anreizen zur längerfristigen Stärkung der Kapitalgesellschaft (Equitiy Incentive Program) integriert - oft auch bei Managern unterhalb der Vorstandsetage. Der Anteil dieser Komponente an der Gesamtvergütung liegt vielfach über 30 Prozent. Dadurch schwankt die Managerentlohnung zunehmend mit den Aktienkursen. So wie der letzte Börsenboom zum sprunghaften Anstieg der Vergütung aus Aktienoptionen geführt hat, sind die Managergehälter in der nachfolgenden Phase der Kursverluste zurückgegangen.
Höchst problematisch ist, dass durch die Einkommensabhängigkeit vom Aktienkurs das Management an die Shareholder-Interessen gekoppelt wird. Durch die Reduktion der Unternehmensentwicklung auf steigende Aktienkurse und Renditen werden die berechtigten Interessen der Stakeholder nicht berücksichtigt. Das sind im weiteren sozialen Kontext die von der Entwicklung des Betriebes Betroffenen, aber auch die Kunden und Zulieferer sowie der Staat (Gemeinde) mit dem Anspruch auf Steuergelder und schließlich die Öffentlichkeit mit ihrem Interesse an Umweltschutz. So kann es im Interesse des Betriebes vernünftig sein, heute auf Prozente bei der Kapitalrendite zu verzichten, um die Kräfte auf Produkt- und Prozessinnovationen zu lenken, weil gerade diese Strategie sich künftig auszahlen kann.
Nach der schlichten Shareholder-Logik werden Manager jedoch veranlasst, Arbeitsplätze der kurzfristigen Steigerung der Kapitalrendite zu opfern. Dabei sind die Aktienkurse kein geeignetes Instrument zur Messung der nachhaltigen Wertsteigerung der Unternehmen, da lediglich ungefähr 30 Prozent der Dynamik der Aktienkurse sich auf unternehmensrelevante Daten zurückführen lassen. Vor allem der längerfristige Einfluss von Spekulationen verzerrt die Aussagekraft der Aktienkurse. Daraus ergibt sich durchaus die Gefahr, dass Manager versuchen, durch spekulative Geschäfte die Kurse zu ihren Gunsten nach oben zu treiben. Manager einer Kapitalgesellschaft wären demgegenüber gut beraten, ihren Erfolg an der längerfristigen Sicherung der Wettbewerbwerbsfähigkeit und der Stärkung der Motivation der Beschäftigten sowie weiteren sozialen und ökologischen Zielen auszurichten. Dazu gehört auch die Anerkennung der Sicherung von Arbeitsplätzen.
Für diese Umorientierung spricht paradoxerweise noch etwas anderes: Die Ausrichtung der Managergehälter an der Steigerung der Aktienkurse erweist sich nämlich als ineffektiv, was den angestrebten Zweck anbelangt. Eine empirische Untersuchung von Joachim Zimmermann konnte zeigen, dass zwischen der Vorstandsvergütung und der Entwicklung der Aktienkurse als Indikator der Unternehmensperformance keine Korrelation nachweisbar ist.3
Reformvorschläge zur Manager-Vergütung
All dies zeigt, dass die Vergütung der Topmanager dringend reformbedürftig ist. Zu diesem Zweck seien abschließend drei schnell umsetzbare Vorschläge unterbreitet.
Erstens: Da die Selbstverpflichtung der Unternehmen nach dem Corporate Governance-Kodex offensichtlich an den gegensätzlichen Interessen der Betroffenen scheitert, muss die Pflicht zur Veröffentlichung der individuellen Vergütung der Vorstandsmitglieder durch eine Ergänzung des Aktiengesetzes sichergestellt werden.
Zweitens: Die Entscheidungen über die Vorstandsvergütung müssen im dafür zuständigen Ausschuss vorbereitet, jedoch endgültig vom gesamten Aufsichtsrat beschlossen und mitverantwortet werden.
Drittens: Zur Vergütung wird schließlich folgender Gehaltsrahmen vorgeschlagen. Obwohl die exakt "angemessene" Höhe und Struktur der Vergütung mit streng ökonomischen Methoden nicht ableitbar ist, lassen sich doch Kriterien zur Vermeidung von völlig überzogenen Einkommensansprüchen durch Manager angeben. Die vielfach geforderte absolute Deckelung der Gehälter durch einen Festbetrag ist nicht sinnvoll, weil die Beteiligung an der Wertschöpfungsdynamik dadurch ausgeschlossen würde. Im Sinne des Aktiengesetzes sollte bei der gesamten Vergütung durchaus ein realistischer Bezug zur individuellen Leistung sowie zur Unternehmensentwicklung hergestellt werden. Vorgeschlagen wird ein (fixes) Basiseinkommen, das das 30fache des durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommens im jeweiligen Unternehmen nicht übersteigt (2003: 880000 Euro). Dadurch werden die Managergehälter an die Dynamik der Lohnentwicklung gekoppelt.
In der deutschen Unternehmensgeschichte gibt es für diese Koppelung durchaus Vorbilder: Ernst Abbe, der zusammen mit Carl Zeiss in Jena 1867 die berühmte Firma für Mikroskopebau gegründet hat, setzte nicht nur soziale Reformen für die Beschäftigten durch (bezahlter Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Mitspracherechte, Gewinnbeteiligung), sondern hat nach der Überführung in die Carl-Zeiss-Stiftung 1891 auf die Einhaltung eines Paragrafen besonderen Wert gelegt: Das Einkommen der Geschäftsführung durfte nicht das Zehnfache des durchschnittlichen Arbeitslohnes übersteigen. Allerdings gab es auch damals ein zusätzliches Anreizelement: Einen Bonus gab es (nur) als Anerkennung für eigene Erfindungen.
Neben dem hier unterbreiteten Vorschlag für das Basiseinkommen sollen die variablen Einkommensanteile in Form von Bonuszahlungen und Aktienprogrammen einen Anteil von 50 Prozent an der gesamten Vergütung nicht übersteigen. Soweit die jährlich definierte Grenze im Einzelfall überschritten werden muss - etwa um einen Manager aus den USA zu gewinnen -, hat die Hauptversammlung dieser Abweichung nach oben zuzustimmen.
Bei den Anreizprogrammen im Bereich der variablen Vergütung müssen die unternehmerischen Erfolgskennziffern klar definiert sein und dürfen nachträglich nicht mehr verändert werden. Berücksichtigt werden müssen vor allem Indikatoren für einen nachhaltigen Unternehmenserfolg. Dazu zählen beispielsweise soziale Faktoren zur Stärkung der Corporate Identity, ökologische Erfolgskriterien sowie die Erfüllung eines Ethikkodex. Auf der Basis der hier vorgeschlagenen fixen und variablen Vergütung wäre schließlich auch eine angemessene betriebliche Altersvorsorge zu gewährleisten.
Bei einer derart differenzierten Regelung steht eines fest: Mit diesem Vorschlag würde das Vergütungssystem trotz der derzeit unter deutschen Topmanagern gehegten Blütenträume über genügend Flexibilität bei der Auswahl der Vorstände in börsennotierten Kapitalgesellschaften verfügen.
1 Der Corporate Governance-Bericht 2003 gibt für den Vorstandsvorsitzenden die Grundvergütung mit 1,15 Mio. Euro an. Hinzu kommt für Bonus- und Incentive-Programme ein Baranteil von 6,57 Mio. Euro. Weitere Gehaltselemente ergeben sich aus der aktienbasierten Vergütung.
2 Allerdings hat das Einkommensgefälle durchaus Einfluss auf das strategische Verhalten deutscher Konzerne - so wird gemunkelt, dass der Kauf des Chrysler-Komplexes auch dem Ziel diente, das Gehalt von Jürgen Schrempp auf US-amerikanisches Niveau hochzuschrauben.
3 Vgl. den ausgezeichneten Beitrag von Jochen Zimmermann, Sind Managergehälter wirklich zu hoch?; in: HHWA-Wirtschaftsdienst, 6/2004.
Blätter für deutsche und internationale Politik © 2005
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