Brüchige Allianzen

LSBTIQ-Aktivismen im Kontext der intersektionalen und dekolonialen Praxis der südafrikanischen Studierendenbewegung

in (06.11.2020)

Einleitung: Dekolonisierung & Intersektionalität

"Wir wollten, dass die Bewegung intersektional ist, wenn nicht, ist sie nichts wert." (Interview Studierende 16.9.2018)[1] Die Studierendenbewegung Rhodes Must Fall (RMF), welche im Jahr 2015 an der University of Cape Town (UCT) entstand, und sich zu einer landesweiten Bewegung unter dem Slogan Fees Must Fall (FMF) entwickelte, stellt in ihrer Forderung nach einer inklusiven Universität zwei Schlagworte in den Mittelpunkt: Intersektionalität und Dekolonisierung. Studierende fordern mit Dekolonisierung die Abschaffung der Studierendengebühren, die Überarbeitung der Lehrinhalte und/oder die Überwindung eines universitären und gesellschaftlichen Raumes, der von Diskriminierung und Rassismen gegenüber der Schwarzen Mehrheitsgesellschaft geprägt ist.[2] Intersektionalität wird von Studierenden als analytische Brille angewendet, um sich überlappende Formen der Benachteiligung auszuloten, und um den Dekolonisierungsprozess einer herrschaftskritischen Analyse zu unterziehen. Dekolonisierung und Intersektionalität bedeuten für Studierende auch, eine gelebte alternative Praxis zu etablieren, welche die Diskriminierung von Schwarzen an der Universität und in der Gesellschaft überwindet.

Mit Dekolonisierung und Intersektionalität eignen sich Studierende zwei Konzepte an, welche sie als akademisch wahrnehmen und vorwiegend im akademischen Raum kennenlernen. Eine Schwarze Studierende erklärt:

"Was das Besondere an der Bewegung ist, ist ihre Fähigkeit, ein ziemlich fremdes akademisches Konzept zu benutzen und es für eine breite Hörer*innenschaft zu übersetzen sowie die Theorie der Dekolonisierung als ein ideologisches Instrument zu verwenden, um Widerstand anzuregen." (Xaba 2017: 98)

Studierende nutzen diese Konzepte als Deutungsrahmen für ihre Unrechtserfahrungen und übersetzen diese in die politische Praxis der Studierendenbewegung. Intersektionalität und Dekolonisierung bieten die Möglichkeit, das erlebte Unrecht zu beschreiben, Forderungen zu formulieren und zugleich eine alternative intersektionale und dekoloniale Praxis zu etablieren. So berichten Studierende, dass ihnen im Rahmen von universitären Veranstaltungen eine konzeptionelle Sprache vermittelt wird, welche sie ihre eigenen Lebensrealitäten verstehen lässt. Wissenschaftler*innen nahmen bereits vor 2015 Einfluss auf das Denken und das Wissen der Studierenden und trugen so zur Aneignung der Konzepte Dekolonisierung und Intersektionalität bei. Eine queere Studierende beschreibt ihre Erfahrung mit dem Konzept der Intersektionalität:

"Es geht darum, mich selbst zu finden und meine eigenen Kämpfe, meine eigenen Unterdrückungen artikulieren zu können, Antworten auf einige der Fragen zu haben, die ich hatte, bevor ich zur Universität kam und während ich an der Universität war […]. Auf das 'warum', das ich seit meiner Kindheit immer wieder fragte, konnte ich nun einige der Antworten finden. […] Dort [an der Universität] habe ich den größten Teil der Queer-Theorie kennengelernt, für das werde ich für immer dankbar sein, weil ich sie auch jetzt in meiner Arbeit verwende." (Interview 16.9.2018)

Im Rahmen von universitären Veranstaltungen lernen LSBTIQ-Studierende erstmals auch über ihre sexuelle Orientierung und über Diskriminierung zu sprechen. So wird in einem gesellschaftlichen Umfeld, das die Bedürfnisse und Rechte von LSBTIQs vorwiegend negiert, in der Lehre von einigen Dozent*innen ein Raum für sie geschaffen.

Mit Dekolonisierung und Intersektionalität beziehen sich die Studierenden auf Konzepte, welche durch soziale Bewegungen entstanden und später akademische Debatten prägten. Dekolonisierung geht unter anderem auf die Befreiungsbewegungen seit den 1960er Jahren in Afrika zurück (vgl. Mamdani 1995; Melber 2002) und wird von dekolonialen Denkern wie Franz Fanon (1968) oder Steve Biko (1979) aufgegriffen. Diese werden zur Inspiration für die Studierenden (Interview Studierender 29.8.2018). Bedeutend für die Studierenden sind auch die Debatten der Post Colonial Studies, welche an die Schriften der dekolonialen Befreiungskämpfe anschließen und eine Fortsetzung der kolonialen Strukturen konstatieren (vgl. Castro Varela & Dhawan 2005). Ein Schwarze Studentin bestätigt: "Meine Träume von einem besseren Leben und von einer Menschenwürde für Alle in diesem Land basieren auf Dekolonisierung und Dekolonisierungstheorien." (Interview 7.9.2018)

Mit Intersektionalität wenden Studierende ein Konzept an, welches auf die Frauenbewegung der 1970er Jahre in den USA zurückgeht (vgl. Chun u.a. 2013; Heaney 2019; Irvine u.a. 2019). In Anlehnung an Kimberlé Crenshaw (1989) wird Intersektionalität als eine sich überlappende Form der Unterdrückung Schwarzer Studierender gesehen, welche sich auf Geschlecht, Rasse, Klasse, körperliche und mentale Einschränkungen bezieht (vgl. Davis 2008; Hill Collins 2014). Eine queere Studierende erklärt:

"Kimberlé Crenshaws Schriften über Intersektionalität waren wirklich wichtig, um zu verstehen, dass wir ganzheitlich agieren und dass wir uns immer an verschiedenen Intersektionen bewegen: Ich bin also nicht nur eine Frau, nicht nur eine Schwarze Person, ich bin nicht nur queer. Diese Intersektionen werden alle zur gleichen Zeit wirksam und haben verschiedene Auswirkungen auf meine Identität und meine Erfahrungen in der Welt. […] Also, ich denke, es kann keine Dekolonisierung ohne Intersektionalität geben. In dem Sinne, dass Dekolonisierung für mich Befreiung und Gerechtigkeit und Selbstbestimmung bedeutet. Wenn wir Dekolonisierung anstreben und wir uns nur auf Rasse konzentrieren, dann wird Unterdrückung in dem Sinne fortbestehen, zum Beispiel, wenn es nur um Rassen geht, muss man einen Schwarzen Mann in die gleiche Position bringen wie einen Weißen Mann, und dann werden Schwarze Frauen und Schwarze queer Personen und Schwarze Transsexuelle weiterhin Unterdrückungen ausgesetzt sein." (Interview 29.9.2017)

Die akademischen Debatten und auch die dahinterstehenden sozialen Kämpfe sind den Studierenden in unterschiedlichem Maße bekannt und werden variierend rezipiert. Während unter den führenden Aktivist*innen die Verwendung der Konzepte mit einer ausgesprochenen Kenntnis der akademischen Debatten einhergeht, verstehen andere Studierende die Konzepte als sprachliches Mittel, um ihre Unrechtserfahrungen zu beschreiben, wenden sie holzschnittartig an und nehmen wenig Bezug auf akademische Debatten. Unabhängig von der jeweiligen Deutung der Konzepte (vgl. dazu Daniel 2020), werden Dekolonisierung und Intersektionalität zu den zentralen Schlagworten der Studierendenbewegung und fließen in das Gründungsstatement von Rhodes Must Fall (2015) mit ein. Dekolonisierung und Intersektionalität werden in der RMF-Bewegung zum Ausgangspunkt für die Darstellung der Erfahrungswelten von Studierenden, für die Formulierung von Forderungen und werden genutzt, um eine Protestpraxis auszuloten, welche eine intersektionale Dekolonisierung – im Sinne einer Überwindung von Diskriminierung an der Universität und/oder in der Gesellschaft – in den Mittelpunkt stellt. Zugleich ermöglichen die unterschiedliche Deutung und Adaption der Konzepte die Allianzbildung unter den Studierenden, denn eine Vielzahl von Unrechtserfahrungen können darunter subsumiert werden. Damit ermöglicht der Fokus auf Intersektionalität erstmalig in der Geschichte Südafrikas eine Allianz mit LSBTIQs, denn LSBTIQ-Aktivist*innen waren nicht Teil des Anti-Apartheitskampfes (Khan 2017: 114). Die Allianz zwischen LSBTIQs und der Studierendenbewegung ist somit durchaus beachtenswert: LSBTIQ-Studierende prägten die Studierendenbewegung zu Beginn erheblich, denn ihre Beteiligung stand für sich überlappende Diskriminierungserfahrungen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, aufgrund welcher Erfahrungen beteiligten sie sich an der Studierendenbewegung? Und warum brach die Allianz später auf? Welche Konsequenzen hatte dies für LSBTIQ-Aktivit*innen und die Studierendenbewegung?

Im Mittelpunkt des Artikels stehen somit die Allianzen zwischen LSBTIQs und der Studierendenbewegung. Dabei möchte ich argumentieren, dass es wichtig ist, Proteste mit einer herrschaftskritischen Forderung, selbst einer Analyse von Exklusionsprozessen zu unterziehen. Erst diese Perspektive, welche nicht die Entität der Bewegung, sondern die einzelnen Akteur*innen und ihre Interaktion analysiert, kann die Allianzen der LSBTIQs mit der Studierendenbewegung und ihren späteren partiellen Ausschluss erklären. Die Analyse von Allianzen und Exklusionsprozessen werden zum Schlüssel, um die Studierendenbewegung zu verstehen.

Der Artikel geht auf eine qualitative Forschung zurück, welche ich zu Protest und gelebten Utopien seit 2016 durchführe.[3] Teil dieser Forschung sind die Studierendenproteste der UCT. Die Analyse der Studierendenbewegung basiert auf 15 biografischen Interviews mit Studierenden des engeren Bewegungskerns sowie auf 13 leitfadengestützten Interviews mit Wissenschaftler*innen und anderen universitären oder gesellschaftlichen Akteur*innen. Teilnehmende Beobachtung und das selbstdokumentierende Material der Aktivist*innen komplementieren diese Vorgehensweise. Teil des Forschungsprozesses ist auch eine Reflexion über die Grenzen und Herausforderung einer Forschung in dekolonialen Kontexten, denn in dem politisch aufgeladenen Forschungskontext wird eine Repräsentation von Weißen und/oder westlichen Forscher*innen zum Teil abgelehnt und eine Selbstrepräsentation der Studierenden gefordert. Eine Selbstpositionierung zum Forschungskontext und eine methodisch innovative Herangehensweise sind daher Voraussetzung, um in dekolonialen Kontexten zu forschen (vgl. Daniel 2019).

Insbesondere die Interviews mit LGBTIQ Studierenden tragen dazu bei, die Geschlechterdimension der Proteste zu verstehen. Der biografische Zugang zu den Studierenden hat zum Ziel, die individuellen und kollektiv geteilten Zukunftsvorstellungen herauszuarbeiten. Dabei werden auch Allianzen und das Aufbrechen dieser durch die Verschiebung von Machtdynamiken deutlich. Nicht zuletzt ermöglichen es die biografischen Interviews nachzuvollziehen, wann und in welcher Form Studierende mit den Konzepten Dekolonisierung und Intersektionalität in Berührung kommen. Da die Proteste an den südafrikanischen Universitäten unterschiedliche Forderungen stellten und sich in ihrem Ausmaß unterschiedlich auf Dekolonisierung und Intersektionalität bezogen (vgl. Langa u.a. 2017; Ngcaweni & Ngcaweni 2018; Nyamnjoh 2016), konzentriere ich mich auf die UCT und die RMF-Bewegung.

Im Folgenden werde ich in einem ersten Schritt die Ergebnisse meiner empirischen Studie in die Forschung der Protest- und Bewegungsforschung und insbesondere zu Allianzen einbetten (2). Die Darstellung der Unrechtserfahrungen der Studierenden an der UCT dient schließlich als Grundlage, um die Forderungen von Rhodes Must Fall zu verstehen, welche unter den Schlagworten Dekolonisierung und Intersektionalität zusammengefasst wurden (3). Daraufhin zeige ich, wie Studierende eine dekoloniale und intersektionale Praxis und damit eine Allianz zwischen LSBTIQ und der Studierendenbewegung umsetzten (4). Die zu Beginn existierenden Koalitionen zwischen LSBTIQ-Studierenden mit der RMF-Bewegung brachen jedoch auf, lösten eine Vielzahl an Macht- und Exklusionsprozessen aus (5.) und riefen Gegenreaktionen der LSBTIQ-Studierenden hervor (6.). Der Artikel zeichnet somit die Allianzen und ihre Brüche nach und beleuchtet, inwiefern herrschaftskritische Proteste selbst einer Analyse von Exklusionsprozessen unterzogen werden müssen.

Allianzen aus der Perspektive der Protest- und Bewegungsforschung

Um die Allianzen sowie damit verbundene Inklusions- und Exklusionsprozesse herauszuarbeiten, nimmt der Artikel eine poststrukturalistische Perspektive ein: In der Protest- und Bewegungsforschung existiert eine Reihe von Ansätzen, welche sich aus zumeist multidisziplinärer Perspektive mit Protest auseinandersetzen: Die Herausbildung von Allianzen in sozialen Bewegungen spielt dabei eine besondere Rolle, denn soziale Bewegungen bilden ein fluides Netzwerk an Akteur*innen, also Individuen und kollektiven Akteuren, die durch eine gemeinsame Zielsetzung motiviert sind (vgl. Diani 2010; Kern 2008). Die Herausbildung von Allianzen ermöglicht kollektives Handeln, schafft Zugehörigkeit und Zusammenarbeit für das eingeforderte Ziel. Im Rahmen von Allianzen in sozialen Bewegungen werden die Autonomie und Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Akteur*innen oft nicht vollständig aufgegeben, vielmehr werden Kompromisse für das gemeinsame und übergeordnete Ziel eingegangen (Rucht 2010). Die entstehenden Allianzen können unter anderem auf Solidarität beruhen oder strategischer Art sein; Allianzen sind sowohl kurzfristig als auch langfristig angelegt; sie sind lose oder institutionalisiert; ebenso wie sie im Rahmen einer sozialen Bewegung sowie zwischen sozialen Bewegungen aufgebaut werden können (vgl. von Dyke & McCammon 2010; Kern 2008; McCammon & Moon 2015). Allianzen werden in der Regel positiv bewertet und können einen Zugewinn an Legitimität für eine soziale Bewegung bedeuten (vgl. Heaney 2019).

Die Protest- und Bewegungsforschung legt das Augenmerk häufig auf die Analyse von Netzwerken zwischen Akteur*innen und ihrem koordinierten Handeln in sozialen Bewegungen (vgl. Campbell 2005; McAdam & Scott 2005) oder die Entstehung von Zugehörigkeit und eines Wir-Gefühls (vgl. Passy 2001). Diese Ansätze betrachten das Binnengefüge einer sozialen Bewegung und die entstehenden Allianzen oft aus einer funktionalen Perspektive oder analysieren die Bedingungen für das kollektive Handeln durch eine Zugehörigkeitsperspektive. Dabei werden Kooperation und Konflikt in den Blick genommen (vgl. Rucht 2010), jedoch weniger die Macht- und Exklusionsprozesse, welche in Allianzen entstehen. Hier setzen die poststrukturalistischen Ansätze an, welche die machtvollen Beziehungen und Exklusionen untersuchen (vgl. Leinius u.a. 2017).[4] Poststrukturalistische Analysen sind skeptisch gegenüber stabilen, festen und wohlgeordneten sozialen Phänomenen und beleuchten die Dynamik, den Bruch und die Vielfalt (vgl. Hagemann u.a. 2019: 21). Infolgedessen stellt diese analytische Perspektive eine Erweiterung der Protest- und Bewegungsforschung dar, denn sie durchbricht die Wahrnehmung einer sozialen Bewegung als Entität und stellt die handelnden Akteur*innen und ihre Allianzen in den Mittelpunkt. Dabei werden insbesondere die Fluidität und die sich verändernden Allianzen im Protestverlauf und nicht die Stabilität einer sozialen Bewegung fokussiert. Zugleich wird aus poststrukturalistischer Perspektive eine soziale Bewegung nicht idealisiert, vielmehr wird analysiert, welche Machtverhältnisse sich in den Allianzen widerspiegeln. Eine post-strukturalistische Perspektive ermöglicht es somit die herrschaftskritischen Proteste der Studierendenbewegung selbst einer Analyse von Exklusionsprozessen zu unterwerfen und zu untersuchen, wie die Allianzen zwischen der RMF-Bewegung und den LSBTIQ-Studierenden entstehen und wieder zerbrechen konnten.

Die Universität als Raum für Unrechtserfahrungen

Chumani Maxwele bewarf am 9. März 2015 auf dem Universitätsgelände der UCT die Statue des britischen Kolonialisten und Rassentheoretikers Cecil Rhodes mit Fäkalien. Dieser Akt des Widerstandes begründete die Entstehung der Studierendenbewegung Rhodes Must Fall. Die Statue von Cecil Rhodes steht für eine Erinnerungskultur, welche die Ausbeutung der Schwarzen Mehrheitsbevölkerung während der kolonialen Herrschaft heroisiert (vgl. Nyamnjoh 2016). Diese Erinnerungskultur wird an einer Universität zelebriert, welche zu den höchst eingestuften Universitäten im afrikanischen Kontext zählt. Die UCT nehme damit keine Vorbildfunktion ein, sondern setze eine traumatisierende Geschichte der kolonialen Herrschaft fort (Interview Studierender 7.9.2018). Die Geburtsstunde von Rhodes Must Fall beschreibt ein Schwarzer Studierender wie folgt:

"Rhodes Must Fall 2015 versteht sich als Kampf, der vor Dekaden begann und sich bis heute fortsetzt. Die Geschichte der kolonialen Unterdrückung setzt sich fort, und Rhodes Must Fall entstand zum richtigen Zeitpunkt, als in Südafrika Bürger*innen begannen, darüber zu reflektieren was es bedeutet, in einer post-Apartheitsgesellschaft zu leben […] und zu fragen, ob die Apartheid überwunden sei." (Interview 7.9.2018)

Obwohl einige queer*feministische Aktivist*innen Chumani Maxwele und die überwiegend männliche Gruppe an Studierenden, welche diesen Protest vorbereiteten, kritisieren, weil der Protest mit einem maskulinen Dominanzgebaren einhergehe (Interview Wissenschaftlerin 29.8.2018), schlossen sich LSBTIQ-Studierende der Studierendenbewegung an, da deutlich wurde, dass die Kritik an der Erinnerungskultur mit einer grundsätzlichen Infragestellung der Diskriminierungserfahrungen an der Universität und in der Gesellschaft einherging (Matandela 2015).

Die Präsenz der Statue verweist somit nicht allein auf die Notwendigkeit, die Erinnerungskultur in Südafrika zu überdenken und damit zu dekolonisieren, sondern veranschaulicht, aus der Perspektive der Studierenden, dass das rassistische Apartheitssystem im Jahr 1994 nicht überwunden sei (Interview Studierender 28.9.2017). Studierende beklagen, dass die Regierung zwanzig Jahre nach der Beendigung des rassistischen Apartheitssystems, das Versprechen der multikulturellen Regenbogennation nicht eingelöst hat und die Diskriminierung der Schwarzen Mehrheitsbevölkerung nicht überwunden ist. Eine Schwarze Studentin erklärt ihre Gefühle, als sie realisierte, dass sie als Schwarze strukturell benachteiligt ist:

"Und dann realisierte ich, dass es nicht meine Schuld war, und dass es nicht die Schuld meiner Familie war, dass ich in Langa [Township in Kapstadt] groß wurde. Und dann wurde ich wütend, dass ich mein Leben in Schande wegen einer Geschichte voller Gewalt die ich erdulden musste, verbracht hatte. Es war wie, verdammt, ich hätte nicht so leben müssen, in dieser Scham und so wurde Scham zur Wut und die Wut kam aus dem ständigen Gefühl der Unterlegenheit, welche ich in Form von Mikroaggression jeden Tag erdulden musste." (Interview 7.9.2018)

Schwarze Studierende verbinden ihre Lebensrealitäten mit strukturellen Ausbeutungsverhältnissen, welche durch die Apartheit zementiert wurden und sich bis heute in struktureller Benachteiligung und Diskriminierung der Schwarzen Bevölkerung fortsetzen. Unter dem Schlagwort der Dekolonisierung sollen diese überwunden werden (Interview Studierender 26.3.2017).

Die anhaltende Diskriminierung von Schwarzen Studierenden zeigt sich an südafrikanischen Universitäten. Zwar öffneten sich vormals als Weiß deklarierte Universitäten, wie UCT, nach der Überwindung der Apartheit für Schwarze Studierende, sodass ihre Anzahl kontinuierlich wuchs, dennoch bleibt der Zugang zum Bildungssystem von Einkommen, Rasse und Geschlecht abhängig (Swatz u.a. 2018). Zudem werden durch die ansteigenden Studiengebühren insbesondere Schwarze Studierende benachteiligt, sodass diese vermehrt mit "Fees Must Fall" die Abschaffung der Studierendengebühren und damit einen egalitären Zugang zur tertiären Bildung, unabhängig von Einkommen oder Rasse, fordern.

Darüber hinaus nehmen Schwarze Studierende die universitäre Kultur als entfremdend wahr: Während der Kolonialzeit als auch während der Apartheid waren die Universitäten ein Ort, in welcher die Weiße Minderheit dominierte. Forschung und Lehre orientierten sich an den europäischen und US-amerikanischen Debatten (vgl. Jansen 2017). Die westlich orientierten Bildungsinhalte als auch der geringe Anteil Schwarzer Wissenschaftler*innen ist Anlass für Kritik: Aus der Perspektive der Studierenden reproduzieren Forschung und Lehre hegemoniale Diskurse und müssen demzufolge dekolonisiert werden (Interview Wissenschaftler 14.9.2017). Dekolonisierung bedeutet für Studierende jedoch auch die Integration von queer*feministischen Debatten. Wissenschaftlerinnen der UCT beschreiben die fehlende Sensibilität für diese Positionen in der Hochschulbildung wie folgt: "Global und innerhalb des Bildungsdiskurses sind die idealen Strukturen noch immer und typischer Weise Weiß, Mittelklasse, männlich, cis-gender und heterosexuell." (Cornell u.a. 2016: 98)

Weil Forschung und Lehre sowohl Probleme der Schwarzen Bevölkerung als auch queer*feministische Themen nicht ausreichend aufgreifen, entsteht unter Studierenden ein Gefühl der Entfremdung (Cornell & Kessi 2017; Kessi & Cornell 2015). Die Entfremdung wird von Seiten der Studierenden als körperliches Leid – black pain – beschrieben (Interview Studierende 7.9.2018). Im black pain zeigt sich die verkörperlichte strukturelle Gewalt, welche durch die Gesellschaft und die Universität manifestiert wird und sich in Diskriminierung und Rassismus ausdrückt (vgl. Gugutzer 2015; Villa 2011). Infolge fühlen sich Studierende häufig unterlegen, entfremdet, sozial isoliert und das Leid drückt sich in Wut und Scham aus. Eine Schwarze Studierende erklärt wie sie die Universität zu Studienbeginn erlebte:

"Also zuerst war es Wut und Scham. Ich war sehr beschämt darüber, woher ich komme, als ich an die Universität in Kapstadt kam. Ich erinnere mich, dass es manchmal hart für mich war, allein mit jemanden zu sprechen, weil ich Angst hatte, dass mich jemand fragt 'woher kommst du?' Und weil ich von einem Township komme, war es mir so peinlich, dass ich von einem Township komme. Es war so beschämend, weil dich die Menschen dann so beäugen […], und die Menschen behandeln dich anders, weil du arm bist, weil du Schwarz und arm bist. […] Dann wurde ich wütend, weil ich mein Leben aufgrund dieser historischen Ungerechtigkeit in Scham leben musste und dass ich dies ertragen musste. Das war so ein Gefühl von 'Scheiße' – warum muss ich so leben – ich muss mit dieser Schande leben, und so wurde die Schande zu Ärger, und der Ärger war das Gefühl, minderwertig in dieser Institution zu sein, in der ich Aggression von Dozent*innen, von anderen Studierenden und von den Verwaltungsangestellt*innen erfahren musste […] Ich bin so wütend, dass ich zur UCT kam und ich immer wieder als minderwertig behandelt wurde und mir immer noch nicht mit der Würde, die jedem Menschen zusteht, begegnet wurde und dass Weiße in dieser Institution so gewaltvoll sind." (Interview 7.9.2018)

LSBTIQ-Studierende teilen diese Erfahrungen der Entfremdung, Scham oder Wut nicht nur als Schwarze Studierende, sondern auch aufgrund ihrer sexuellen Orientierung.[5] Sie sehen im universitären Raum eine Fortsetzung der symbolischen und strukturellen Gewalt, welche in der Gesellschaft wie in der Universität wirkungsmächtig ist. Beispielsweise beklagen sie geschlechterbinäre Toiletten und die Geschlechtersegregation in den Studierendenwohnheimen. Die universitäre Infrastruktur wird hier als unsensibel und traumatisierend geschildert (Interview Studierende 16.9.2018). Ebenso erzwingen die Dominanz heteronormativer Geschlechterbilder an der Universität Misstrauen gegenüber LSBTIQ-Studierenden und die Notwendigkeit, die sexuelle Orientierung zu erklären. Diese Selbstdarstellung geht häufig mit Scham und der Erfahrung der Ausgrenzung einher. Nicht zuletzt sind LSBTIQ-Studierende einem erheblichen Ausmaß an sexueller Gewalt ausgesetzt (vgl. Cornell u.a. 2016). In ihrer Erfahrung zeigt sich eine sich überlappende Form der Diskriminierung.

Aufgrund der erlebten Diskriminierung und von Rassismus streben Studierende auch nach einer Wiedergewinnung ihrer black dignity und einer black identity. Ein Schwarzer Aktivist erklärt:

"Es geht viel um Afrikanisierung, es geht um Identität und um alles was wir sein wollen. Es geht um Fragen wie: Wer wollen wir sein? Haben wir es uns ausgesucht so zu sein oder wurde diese Entscheidung von jemandem anderen getroffen und sind wir offen, dies zu ändern?" (Interview 14.9.2017)

Mit Rückgriff auf die black-consciousness-Bewegung, auf die Studierendenproteste gegen die Apartheid 1976 und auf die US-amerikanische black-power-Bewegung in den 1970er Jahren (Booysen 2016a: 12ff) streben Studierende eine Wiedererlangung einer Schwarzen Identität an. Der Körper wird hier als Mittel und Objekt der Identität konstituiert (vgl. Liebsch 2017). Schriften von Steve Biko sowie das anti-koloniale Denken Franz Fanons werden genutzt, um die Bedeutung von Schwarz-Sein zu reflektieren (vgl. Ndaba u.a. 2017). Schwarze Studierende fordern die Anerkennung ihrer Würde (Interview Studierender 8.9.2018) und die Wiedererlangung einer Schwarzen Identität durch Selbstbefreiung und kulturelle Kohäsion (Interview Studierender 29.8.2018).

Entstanden aus der Enttäuschung über die multikulturelle Gesellschaft und die Regierung des African National Congress (ANC) interpretieren Studierende mit Referenz auf Franz Fanon Dekolonisierung als ein herrschaftskritisches und gewaltsames Projekt (Interview Studierende 13.9.2018). Häufig mit einem panafrikanischen Gedanken verbunden, steht Dekolonisierung für politische Transformation. Pan-Afrikanismus wird hier zur Metapher für die Suche nach einer politischen Herrschaftsform jenseits des Nationalstaates. Eine Schwarze Studierende beschreibt ihre politische Vision mit "wir müssen durch uns selbst regiert werden, in einer dezentralen Weise, in der kein Staat existiert" (Interview 7.9.2018). Zum Teil wird diese Forderung der Studierenden auch mit der Suche nach vorkolonialen Gesellschaftsformen und mit dem Zugang zu Land verbunden (Interview Studierender 29.8.2018).

Die Forderungen der Studierenden gehen somit weit über den universitären Kontext hinaus, was am deutlichsten in der Insourcing-Kampagne (bzw. Stopp-Outsourcing-Kampagne) wird. In einer Allianz der Studierenden mit den Arbeiter*innen hat die Kampagne zum Ziel, die Position der Arbeiter*innen der UCT (aus den Dienstleistungsbereichen Reinigung, Mensa etc.) zu stärken und ihre Ausbeutung zu überwinden. Aufgrund von universitären Kürzungen wurden wesentliche Dienstleistungen für die UCT seit den 1990er Jahren ausgelagert, was mit Stellenkürzungen, vermehrten finanziellen Einbußen für die Arbeiter*innen und einem Abbau von Arbeitsschutz einherging (Nieftagodien 2016). Studierende streben somit in Allianz mit Arbeiter*innen vermehrt danach, gesellschaftliche und politische Problemfelder zu thematisieren (Interview Studierender 26.3.2017).

Unter dem Schlagwort der Dekolonisierung subsumieren Studierende also eine Vielzahl an Unrechtserfahrungen, welche über den universitären Raum in die Gesellschaft hineinreichen. Dekolonisierung bedeutet sowohl die Forderung nach einem freien Zugang zur tertiären Bildung, die Abschaffung der Diskriminierung und des Rassismus an der Universität ebenso wie die Überarbeitung des Curriculums und die Überwindung der Entfremdung. Dekolonisierung heißt ebenso die Beendigung der Diskriminierung und des Rassismus, welche im black pain ihren Ausdruck findet oder die Wiedererlangung einer Schwarzen Identität oder politische Transformation. Dekolonisierung ist daher für Studierende ein übergeordneter Deutungsrahmen für ihre Unrechtserfahrungen und Forderungen (vgl. Daniel 2020). Jonathan Jansen (2017: 156f) argumentiert, dass Dekolonisierung vielseitige Bedeutungen und Wünsche in sich birgt, welche zum Teil widersprüchlich in der Studierendenbewegung verhandelt werden, sich zum Teil ergänzen oder ausschließen.

Entstehende Allianzen

Aufgrund der Vielfalt an Unrechtserfahrungen und aufgrund der multiplen Deutungen von Dekolonisierung, welche von sachbezogenen Forderungen nach einer Abschaffung der Studiengebühren bis zur gesamtgesellschaftlichen Transformation reichen, beteiligten sich von Beginn an eine Vielzahl an Studierenden mit unterschiedlichen sozialen und ökonomischen Hintergründen und politischen Einstellungen. Zugleich erleichterten die integrative Struktur und die flachen Hierarchien in der Studierendenbewegung ein Mitwirken, vor allem für jene Studierenden, die häufig marginalisiert und ungehört blieben. Infolgedessen engagierten sich zu Beginn LSBTIQ-Studierende in der Bewegung und plädierten für eine intersektionale Perspektive. Der Rektor der UCT erklärt:

"Unter den sich wechselnden und sich wandelnden politischen Gruppen, waren die Ideen von Frauengruppen und LSBTIQ-Gruppen sehr machtvoll. Die Sprache wechselte schnell zu Intersektionalität, welche die unterschiedlichen Dimensionen von Macht und Unterdrückung unterstrich." (Max Price, zit. n. Jansen 2017: 59)

LSBTIQ-Studierende wollten den universitären Raum nicht ihren Kolleg*innen überlassen, sondern eine queer*feministische Position einbringen. Eine Schwarze Studierende erklärt, wie sich die Queer*Feminist*innen positionierten:

"Die Feminist*innen sagten ihr Leid, welches sich von dem Leid der Männer unterscheidet, soll ebenso Gehör finden. Wir baten um ein Treffen mit den Führer*innen der Bewegung und sagten ihnen, bevor die Bewegung zu einem starken Widerstand gegen institutionellen Rassismus wird, müsse Heilung im Inneren stattfinden, um Solidarität finden zu können. Dieses Treffen ermöglichte es denjenigen, die zum Schweigen gebracht worden waren, sich mit den Schwarzen Männern zu versöhnen, die zuvor die Erfahrungen von Frauen vereinfacht oder abgewertet hatten." (Matandela 2015)

Mit Slogans wie "Feminismus ohne Intersektionalität ist schlicht Weiße Privilegierung" oder "Die Zukunft ist intersektional" verwiesen Studierende auf ineinandergreifende Erfahrungen der Diskriminierung und die Notwendigkeit, Dekolonisierung intersektional zu gestalten (Interview Studierende 13.9.2018).

Das Trans Collective, als eine wesentliche LSBTIQ-Studierendengruppe, steht für eine intersektionale Deutung von Dekolonisierung. Intersektionalität und Dekolonisierung werden als zwei Seiten einer Medaille gesehen und damit eine Allianz begründet:

"Bereits im April 2015, nur einen Monat nach der Gründung von RMF, erklärte das so genannte Trans Collective eine unnachgiebige Loyalität gegenüber dem Patriarchat, der cis-Normativität, der Heteronormativität und der geschlechtsspezifischen Binärzahl. […] Wir behaupten, dass die Dekolonisierung notwendig ist, um unsere Menschenwürde als Schwarze, als Queer und Transgender wiederherzustellen. Unser Beitrag ist ein Akt der Schwarzen Liebe. Es ist ein Beitrag für RMF […], um sie [die Studierendenbewegung] zu unserem Traum zu machen. Es ist Teil des Weges zum 'logischen Abschluss' des Dekolonisierungsprojekts. Es wird kein Azania [hier genutzt als pan-afrikanischer Lebenszusammenhang Schwarzer Identitäten] geben, wenn Schwarze Männer einfach den Thron des Weißen Mannes übernehmen, ohne die Macht umfassend zu reorganisieren […]. Aus unserer Sicht entspricht diese Position den Zugeständnissen, die RMF in seinen Statuten vom März 2015 formuliert hat: EINEM INTERSEKTIONALEN ANSATZ." (Trans Collective 2015)

Diese Deutung von Dekolonisierung und Intersektionalität begründete die Allianz zwischen LSBTIQ-Studierenden mit der RMF-Bewegung. Dem verkörperlichten Schwarzen Leid, welches Studierende aufgrund von Diskriminierung erleben, setzt das Trans Collective die "Schwarze Liebe" entgegen. Die "Schwarze Liebe" ist ein Ausdruck der Allianz mit der Studierendenbewegung. Zugleich wird mit diesem Akt der Solidarisierung eine intersektionale Praxis eingefordert. Für das Trans Collective ist eine intersektionale Praxis jene, welche der heteronormativen Schwarzen Kultur eine intersektionale, queere und anti-patriarchale Position gegenüberstellt und dies nicht in Form des Widerstands, sondern durch Solidarität, Loyalität und "Liebe" (Trans Collective 2015).

Die Allianz der LSBTIQ-Studierenden drückt sich unter anderem in ihren Nacktprotesten aus. Der Körper wird als Instrument eingesetzt, um Diskriminierung auszudrücken und durch die Präsenz des Leibes die soziale Ordnung zu stören (Gugutzer 2015: 104). Der Schwarze weibliche Körper zeigt damit einerseits die Verwundbarkeit und symbolisiert andererseits das Recht auf Selbstbestimmung sowie das Recht auf Würde (Interview Studierende 7.9.2018). Zugleich wird der Körper Ausdrucksmittel der Allianz, denn vermeintlich weibliche Studierende setzten Nacktproteste ein, um männliche Studierende zu schützen. So bildete die Aneinanderreihung von weiblichen Körpern während der Massenproteste regelmäßig einen Schutzwall, um männliche Studierende vor den Übergriffen der Sicherheitskräfte zu bewahren (Ndlovu 2017). Heteronormative stereotype Zuschreibungen zum Schwarzen, weiblichen und verletzlichen Körper werden also bewusst eingesetzt, um die als "Schwarze Liebe" titulierte Allianz zum dekolonialen Projekt auszudrücken.

Ebenso sollte eine intersektionale und dekoloniale Protestpraxis etabliert werden: Die intersektionale Protestpraxis wurde insbesondere während der Besetzung eines Universitätsgebäudes durch die Studierenden deutlich. Im März 2015 besetzen 50 bis 60 Studierende ein Universitätsgebäude und nannten es Azania-Haus. Ein Studierender erklärt, die Bedeutung von "Azania":

"Die Bezeichnung kommt von einer pan-afrikanischen Tradition […]. Azania ist der Name für einen Raum, in dem Schwarze frei und unabhängig sind. Wir nannten das Universitätsgebäude in Azania um, weil es ein Raum für Schwarze sein sollte, um über ihre Erfahrungen des Leides zu sprechen und wie die Gesellschaft neugestaltet werden könnte. Und wir begannen mit der Neugestaltung der UCT." (Interview 26.3.2017)

Das Haus sollte ein Heimatort für Studierende an der als entfremdend wahrgenommenen Universität werden, insbesondere für jene LSBTIQ-Studierenden, welche mehrfach Diskriminierung erfahren hatten. Hier sprachen sie über ihre Erfahrung der Ausgrenzung, brachten ihre Position ein und fanden Gehör. So berichtet eine Schwarze queer-Aktivistin von ihren Erfahrungen:

"Es war das erste Mal in meinen Leben, dass ich fähig war meinen Schmerz zu artikulieren und diesen in Bezug zu den Theorien zu setzen, welche ich während meines Studiums kennengelernt hatte." (Interview 19.9.2018)

Studierende erzählten von ihren Erfahrungen, organisierten Vorträge und Diskussionsrunden und verstanden das Azania-Haus als einen Ort des Lernens. Studierende unterrichteten sich häufig untereinander und profitierten von den vielfältigen Herkünften der Studierenden. Eine Wissenschaftlerin, welche sich an den Protesten beteiligt, bestätigt: "Es war eine erstaunliche Energie und Solidarität zu Beginn unter den Studierenden." (Interview 30.9.2017) Vielfach lernten Studierende erst im Rahmen der Besetzung, was Dekolonisierung und Intersektionalität bedeuten. Eine weitere an der Besetzung beteiligte Wissenschaftlerin beschreibt das Azania-Haus und die Lernprozesse unter den Studierenden:

"Ich erinnere mich an die erste Nacht […]. Eine Diskussion über Patriarchat und sexuelle Orientierung begann. […] Die lesbischen, schwulen und transsexuellen Studierenden hatten das Gefühl, über ihre sexuelle Orientierung sprechen zu müssen, um diese zu erklären. Aber niemand konnte den Unterschied zwischen Sex und Gender erklären. […] So fingen sie an, sich nach bestem Wissen gegenseitig zu unterrichten und ihre Erfahrungen zu teilen." (Interview 20.8.2018)

Eine intersektionale Protestpraxis zeigt sich auch in der Organisation der Besetzung. So sollte das Intersectional Audit Committee die Beteiligung von LSBTIQs im Azania-Haus sichern (Matandela 2017: 12). Aufgrund des integrativen und reflexiven Raumes beschreibt eine Studierende dieses Haus als einen Ort des "Heilens", welches die Erfahrungen der Diskriminierung in den Hintergrund treten lässt (Interview 29.9.2017). Zugleich kam LSBTIQ-Studierenden immer wieder die Rolle zu, daran zu erinnern, dass Dekolonisierung ohne Intersektionalität nicht möglich sei (Interview Wissenschaftlerin 20.8.2018). Damit übernahmen LSBTIQ-Studierende eine Appellfunktion, indem sie für Inklusion, Vielfalt und Gleichheit einstanden.

Aufbrechende Allianzen

Obwohl das Azania-Haus zu Beginn ein Ort der Inklusion, des Lernens und der Allianzbildung war, brachen rasch Konflikte auf. Non-binäre Geschlechterkonzeptionen und die intersektionale Dimension der Studierendenbewegung wurden zum Streitpunkt.[6] Eine Studierende erklärt: "Und dann begann ich zu beobachten, dass die Präsenz von Schwarzen Frauen und Schwarzen Queers in revolutionären Räumen vermehrt hinterfragt wurden" (Interview 16.9.2018). Während Dekolonisierung als Deutungsrahmen für die Unrechtserfahrungen der Studierenden unumstritten blieb, weigerte sich eine Riege männlicher Führungsfiguren zunehmend non-binäre Positionen zu Geschlecht anzuerkennen. Der Kanzler der UCT erklärt: "Tatsächlich ist die RMF-Kerngruppe Schwarz, maskulin und sehr chauvinistisch und sexistisch. Es gab also andauernde Spannungen […], und von Zeit zu Zeit wurden die Frauen vertrieben." (Max Price, zit. n. Jansen 2017: 59)

Jedoch lässt sich der beschriebene Konflikt nicht ausschließlich einer männlichen Führungsriege zuschreiben, wie es der durchaus umstrittene Kanzler darstellt. Vielmehr kritisierten auch viele Frauen feministische oder non-binäre Positionen (Interview Wissenschaftlerin 5.9.2018). Damit wird deutlich, dass eine Kluft zwischen der Proklamation von Intersektionalität und ihrer Umsetzung entstand. Auf diesem konfliktiven Terrain entstand Raum für Machtpositionen, die sich eine vorwiegend männliche Führungsriege aneignete. Eine Wissenschaftlerin erzählt, wie sie realisiert hat, dass Intersektionalität und non-binäre Geschlechterkonzeptionen in der Studierendenbewegung vermehrt kritisiert und abgelehnt wurden:

"Es war einer der schmerzhaftesten Tage für mich. […] Mir wurde klar, dass die klügsten Leute auf dem Campus und die besten Denker der Universität eine junge Frau nicht verstehen können, wenn sie sagt: 'Ihr solltet die Tatsache akzeptieren, dass ich mich entschieden habe keine intime oder sexuelle Beziehung mit Männern zu haben.' Das konnten viele junge Männer nicht akzeptieren. An diesem Punkt war die Bewegung gescheitert." (Interview 20.8.2018)

Eine männliche Gruppe hatte im Protestverlauf an Dominanz gewonnen und sich zugleich in ihrer Deutung von Dekolonisierung radikalisiert. War die Studierendenbewegung zu Beginn von einer überparteilichen und nicht-hierarchischen Idee der Führung geprägt, kristallisierte sich eine männliche Führungsriege heraus, welche eine Machtposition für sich beanspruchte und parteipolitische Positionen vertrat (Interview Studierende 11.4.2017; Wissenschaftlerin 20.8.2018). Infolgedessen wurde Dekolonisierung vermehrt als gesellschaftstransformatives Projekt verstanden, in dem die Dekolonisierung der Universität nur ein Vorbote eines umfassenden politischen Wandels ist. Dekolonisierung als gesamtgesellschaftliche politische Transformation, welche mit dem Wunsch der Herausbildung einer Schwarzen Identität oder einem pan-afrikanistisch interpretiertem Wandel einhergeht, wird von einer männlichen Führungsriege zelebriert und mit einer Performanz von Hypermännlichkeit in Szene gesetzt (vgl. Xaba 2017). Insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmend gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den universitären Sicherheitskräften und den Studierenden nutzten männliche Studierende ihre körperliche Präsenz und ein männliches Dominanzgebaren, um sich gegen Sicherheitskräfte symbolisch zu behaupten und die Gewaltbereitschaft unter den Aktivist*innen zu mobilisieren. Diese Form der Hypermännlichkeit wird von Seiten der LSBTIQ-Studierenden als eine "Internalisierung der Weißen Privilegierung und der Normalisierung von Gewalt gegen Minoritäten" (Xaba 2017: 202) interpretiert. Diese zunehmende Zurschaustellung des männlichen Schwarz-Seins drängt Intersektionalität und damit die Positionen von LSBTIQs zurück. Eine Schwarze Studierende erklärt: "Es stellte sich jedoch heraus, dass Schwarze Männer in der Bewegung die Freiheit Schwarzer Männer wollten und weiterhin Schwarze Frauen vergewaltigten, und dass die heterosexuellen Menschen homophob waren." (Interview Studierende 7.9.2018)

Studierende setzten Schlagwörter wie black consciousness oder ubuntu ein, um den intersektionalen Ansatz der Dekolonisierung zu delegitimieren. Nobulelo Shange (2017: 65) argumentiert, dass das philosophische Konzept "ubuntu", welches im südafrikanischen Kontext mit Humanität und Reziprozität gleichgesetzt und als Teil der dekolonialen Praxis interpretiert wird, in der Studierendenbewegung genutzt wurde, um binäre Geschlechterpositionen durchzusetzen und um den Ausschluss von LSBTIQ-Studierenden zu begründen. LSBTIQ-Studierende bestätigen, dass "das Patriarchat, sexuelle Gewalt, die Diskriminierung von Behinderten und Anfeindungen von LSBTIQs normalisiert oder ignoriert wurden" (Xaba 2017: 96). Was mit einer intersektionalen und dekolonialen Vision begann und zum Leitgedanken der Studierendenbewegung wurde, kehrte sich gegen jene Studierende, welche ganz besonders von Diskriminierung und Ausgrenzung betroffen sind. Dies ist nicht erstaunlich, insofern sich damit fest etablierte gesellschaftliche Praxen der Diskriminierung erneut durchsetzten, wie eine Wissenschaftlerin argumentiert: "Es war nicht erstaunlich […]. So sind einfach die gesellschaftlichen Strukturen." (Interview 20.8.2018)

LSBTIQ-Studierende erlebten also im Protestverlauf Ausgrenzung und Diskriminierung (Khan 2017). Diese zunehmend negative Erfahrung setzte sich in der Angst von Studentinnen und von LSBTIQ-Studierenden vor körperlichen Übergriffen fort. Eine Studierende beschreibt ihre Angst vor ihren männlichen Kollegen während der Azania-Besetzung: "Ich hatte das Gefühl, dass ich nicht wirklich in diesem Bereich sein kann, wenn ich keinen männlichen Partner oder Kameraden habe, der… nicht mal unbedingt meine Stimme legitimiert, sondern mich beschützt." (Matandela 2017: 25) Dieses Gefühl setzt sich in Vorfällen sexueller Gewalt gegenüber Student*innen fort (Bernardo 2015). Aufgrund des Streits über Intersektionalität, der erlebten Diskriminierung ebenso wie aufgrund von sexuellen Übergriffen brach die Allianz zwischen LSBTIQs und der Studierendenbewegung schließlich auf.

LSBTIQ-Aktivismen revisited

Die brüchigen Allianzen riefen eine Reihe an Reaktionen hervor, welche vom Austritt der LSBTIQ-Studierenden bis zu Gegenprotesten reichen. Zusammengehalten wurden die unterschiedlichen Positionen von der gemeinsamen Grundannahme "Ich glaube nicht, dass irgendein Mann mich befreien kann" (Interview 7.9.2018), wie es eine queere Studierende ausdrückt.

Zum einen entschieden sich LSBTIQ-Aktivist*innen, die Studierendenbewegung zu verlassen und suchten sich mitunter alternative Ausdrucksformen. So dienen soziale Medien Student*innen dazu, eine geschlechtersensible und intersektionale Dekolonisierung zu proklamieren. Mit dem Schlagwort "writing instead of rioting" wird eine dekoloniale und intersektionale Praxis fortgeführt, welche in den offline-Räumen nicht mehr möglich war. Damit erobern sich Student*innen auch ihre Selbstrepräsentation zurück (vgl. Godsell u.a. 2016). Student*innen sind so nicht mehr auf die Repräsentation ihrer männlichen Kollegen angewiesen, stellen sich als unabhängige politische Subjekte dar und kritisieren mitunter die Führungsriege der Bewegung (vgl. Daniel 2019).

Zum anderen reagierten LSBTIQ-Studierende mit Gegenprotesten. Mit separaten Demonstrationen wie mit Rape Must Fall und Silent Protest eroberten sich LSBTIQ-Studierende den öffentlichen Raum zurück und verwiesen auf die Notwendigkeit, Dekolonisierung intersektional zu denken. Die Proteste verurteilten sexualisierte Gewalt an der Universität und kritisierten die sexuellen Übergriffe innerhalb der Studierendenbewegung (Interview Wissenschaftlerin 5.9.2018). Als Kritik ist auch der symbolische Akt des Widerstandes zu verstehen, bei welchem sich eine LSBTIQ-Studierende auf dem Sockel ablichten ließ, auf dem vormals Cecil Rhodes stand. Diese Fotoselbstdokumentation hat zum Ziel, sich als LSBTIQ-Heroin zu inszenieren und daran zu erinnern, dass Dekolonisierung als politische Praxis die Befreiung von Diskriminierung sowie von struktureller und symbolischer Gewalt bedeutet. Dekolonisierung ohne Intersektionalität sei demnach undenkbar. Mit dieser Selbstinszenierung möchten die Studierenden die maskuline Repräsentation der RMF-Bewegung durch eine LSBTIQ-Position konfrontieren und LSBTIQs einen Raum geben (Cornell u.a. 2016: 110).

Explizit brachten Studentinnen und LSBTIQs mit den Protesten unter dem Schlagwort Patriarchy Must Fall die Kritik an der männlichen Führungsriege zum Ausdruck. Dabei nutzten Studierende auch Nacktproteste. Während diese vormals ein Ausdruck der Allianz mit der Studierendenbewegung waren, wurde der Körper nun genutzt, um sich gegen die Studierendenbewegung aufzulehnen. Der weibliche Körper soll hier die Dominanz der Hypermännlichkeit infrage stellen, soll erschrecken und wachrütteln und damit nicht zuletzt an die intersektionalen Versprechen der Studierendenbewegung erinnern (Interview Wissenschaftlerin 5.9.2018). Studierende setzten somit ihren Köper ein, um mit ihrer körperlichen Präsenz den Ist-Zustand zu überwinden und sich universitäre Räume zurückzuerobern.

Körperpolitik als Widerstandsform gegen die Studierendenbewegung wird auch bei der Fotoausstellung im Jahr 2016 deutlich (Hendricks 2016): Die Ausstellung unter dem Titel Echoing Voices from Within beabsichtigte, die junge Studierendenbewegung fotografisch darzustellen und damit einen Ort zu bieten, über den Verlauf und die Erfolge der Studierendenbewegung zu reflektieren. Vor der Eröffnung stürmte das Trans Collective nackt die Fotoausstellung, blockierte die Eingänge und verschaffte sich dadurch Präsenz. Die LSBTIQ-Studierenden beschmierten die Fotos, welche zumeist männliche Studierende darstellten, mit Farbe. Der Protest hatte zum Ziel, non-binäre Geschlechterpositionen und ihre Akzeptanz einzufordern und den universitären Raum wiederzugewinnen.

Dieses Ereignis verdeutlicht die Radikalität der Köperpolitik einerseits und andererseits, dass der Körper nicht mehr als Mittel der Allianz, sondern ausschließlich zur Anerkennung non-binärer Geschlechter gebraucht wird. Dabei geht es nicht um die Ablehnung des dekolonialen Projektes, sondern um die Wiedereinführung einer intersektionalen Perspektive auf Dekolonisierung, wie eine Aktivist*in des Trans Collective erklärt:

"Die Revolution wird von Schwarzen angeführt und intersektional sein, oder sie wird Scheiße sein. Die Stimmen des Trans Collective sind innerhalb der RMF marginalisiert worden […] und die Ausstellung spiegelte weder ihren Beitrag zur RMF noch ihren einzigartigen Kampf als Transgender- und Transsexuelle-Studierende wider." (Aktivist*in HeJin Kim, zit. n. Omar 2016)

Zugleich verdeutlicht das Trans Collective, dass es hier nicht um eine Schwächung der Studierendenbewegung geht, sondern um die Rückeroberung des dekolonialen Projektes: "Wir müssen jedoch unmissverständlich feststellen, dass unser störendes Eingreifen auf der RMF-Ausstellung unter keinen Umständen als Ablehnung von RMF oder als Abkehr von der Dekolonisierung zu verstehen ist." (Trans Collective 2015)

Der Protest des Trans Collective führte dazu, dass die Ausstellung nie eröffnet wurde. Auch später engagierten sich LSBTIQ-Studierende für die Beibehaltung einer intersektionalen Perspektive. Dies ist der Grund, warum einige Studierende auch in der Bewegung ausharrten und immer wieder für eine intersektionale Position eintraten (Interview Studierende 29.9.2017). Diese Position ist jedoch unter den Studierenden umstritten: Während einige LSBTIQ* Studierende zu Gegenprotesten aufriefen, andere ihre sexuelle Identität dem Schwarz-Sein unterordneten, erinnerten andere an das intersektionale Versprechen der Dekolonisierung. Das Trans Collective organisiert sich jedoch vermehrt jenseits der Studierendenbewegung.

Schlussbetrachtung

Die Erfolge der Studierendenbewegung sind ambivalent: Auf der einen Seite stehen die Errungenschaften; auf der anderen Seite die aufgebrochenen Allianzen: Durch die anhaltenden Proteste der Studierenden wurde die Statue von Cecil Rhodes vom Campus entfernt. Der Druck der Massenproteste bewirkt auch die Einführung freier tertiärer Bildung für sozioökonomisch benachteiligte Studierende im Jahr 2017. Danach nimmt die Anzahl der Proteste deutlich ab, während die Mobilisierung gegen sexualisierte Gewalt an Studierenden kontinuierlich fortgesetzt wird. Die Studierendenbewegung trug auch dazu bei, verstärkt über Exklusion und Diskriminierung an der Universität und in der Gesellschaft zu reflektieren. Das Curriculum wird überarbeitet und die Erfahrungen des Rassismus und der Gewalt an der Universität aufgearbeitet (Interview Wissenschaftlerin 31.8.2018).

Aus herrschaftskritischer Perspektive wird die Studierendenbewegung ihrem Anspruch, eine intersektionale und dekoloniale Praxis zu etablieren und damit universitäre und gesellschaftliche Verhältnisse neu zu praktizieren, jedoch nicht gerecht. Häufig werden die Gegenproteste des Trans Collective als Spitze der aufbrechenden Allianzen gesehen, welche den unvereinbaren Konflikt um Geschlechterpositionen aufzeigen. Die Allianz zwischen LSBTIQs und Rhodes Must Fall zerbrach, als sich eine dekoloniale Praxis durchsetze, die vorwiegend auf einer heteronormativen Position, der Ablehnung von Intersektionalität und einer Hypermännlichkeit basierte. Der Verlauf der Studierendenbewegung veranschaulicht, dass sich im Rahmen dekolonialer Praktiken, welche sich auf die Überwindung bestehender Macht- und Herrschaftsverhältnisse beziehen, Ungleichheiten und Exklusionsmechanismen tradieren können. Dies war für LSBTIQ-Studierende der Fall. Die Verdrängung von LSBTIQ-Studierenden führte zu Konflikten, welche im Verlauf der Bewegung nicht überwunden werden konnten. Die Brüchigkeit der Allianz ist in der Organisiertheit der Bewegung selbst verhaftet: Flache Hierarchien und die Ablehnung von Führungspositionen folgen zwar dem Streben, einen macht- und herrschaftsfreien Raum zu kreieren, lassen jedoch zu, dass sich Einzelpositionen manifestieren. Hier setzt eine oft geäußerte Kritik an der Studierendenbewegung an: Durch das Streben nach hierarchiefreien und flachen Strukturen in den Entscheidungsprozessen habe es die Studierendenbewegung verpasst, Ziele und Forderungen (wie sie beispielsweise in den Statuten festgelegt sind) langfristig zu verankern. Einzelpersonen und charismatischen, männlichen Führern sei zu viel Raum gegeben worden (Interview Aktivistin 19.9.2018).

Das Beispiel der Studierendenbewegung verdeutlicht, wie wichtig es ist, herrschaftskritische Proteste selbst einer Analyse von Macht- und Exklusionsprozessen zu unterziehen. Dabei ist eine poststrukturelle Perspektive wertvoll, denn veränderte Allianzen führen zu Machstrukturen, Brüchen und Exklusionsprozessen. Diese Perspektive erklärt zugleich, auf welche Art und Weise sich gesellschaftliche Strukturen in den Dynamiken der sozialen Bewegungen widerspiegeln. Ebenso wird deutlich, dass Intersektionalität nicht nur ein umstrittenes Thema der Studierendenbewegung ist, sondern auch ein wesentliches analytisches Instrumentarium, um Allianzen in sozialen Bewegungen zu verstehen. Eine herrschaftskritische und intersektionale Analyseperspektive birgt das Potenzial, soziale Prozesse in Kollektiven, wie sozialen Bewegungen, zu reflektieren und den Einfluss dieser auf den Protestverlauf herauszuarbeiten.

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Anschrift der Autorin:
Antje Daniel
antje.daniel@univie.ac.at

https://doi.org/10.3224/peripherie.v40i1-2.06

 

[1]       Alle Interviews wurden von der Autorin aus dem Englischen übersetzt und aus forschungsethischen Gründen anonymisiert. Dies betrifft sowohl die Interviews mit den Studierenden, als auch mit Wissenschaftler*innen und Angestellten der University of Cape Town. Alle Interviews werden in einer geschlechtergerechten Sprache wiedergegeben, wenn auch das Englische diese Differenzierung nicht erlaubt.

[2]       Schwarz und Weiß verweisen auf die soziale Konstruktion von Kategorien der Marginalisierung, Diskriminierung und des Rassismus, welche im südafrikanischen Kontext gebräuchlich sind.

[3]       Die Datenerhebung ist Teil des Forschungsprojektes "Aspiring to Alternative Futures: Protest and Living Utopia in South Africa". Die Studierendenbewegung ist eine von vier Fallstudien. Die Fallstudien werden hinsichtlich ihrer Zukunftsvisionen und -aspiration untersucht.

[4]       Weitere Dimensionen der poststrukturalistischen Forschung zu sozialen Bewegungen sind die Analyse der Relation zwischen sozialen Bewegungen und Gesellschaft, die Selbstpositionierung der Forschenden und eine spezifische Perspektive auf das Verhältnis von Theorie und Empirie; vgl. Leinius u.a. 2017; Hagemann u.a. 2019.

[5]       Im Widerspruch zur Verfassung Südafrikas, welche die Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes verbietet, gehört diese zum Alltag vieler LSBTIQs. Zu non-binären Studierenden in Südafrikas Universitäten s. Hames 2007 oder Msibi & Francis 2011; zu LSBTIQs in Südafrika s. Gunkel 2010.

[6]       Weitere Konfliktpunkte waren die Interaktion mit dem Universitätsmanagement, die politische Repräsentativität der Studierenden durch institutionalisierte hochschulpolitische Organe der Studierendenvertretung oder die Rolle von politischen Parteien.