un/vermittelt im Buch

in (06.06.2013)

 

Unter dem Banner von aesthetic education versammelt Gayatri Chakravorty Spivak Aufsätze aus dem letzten Vierteljahrhundert (darunter Klassiker wie Supplementing Marxism und Translation as Culture). Die Subalternen und Derrida, die Literatur und Gramsci durchziehen diese Studien, in denen die Subjekte immer „kontaminiert“ sind, wenig Hoffnung besteht und doch mit und gegen Aufklärung („sabotaging Schiller“) auf eine kritische Sensibilisierung der Sinne gesetzt wird. Wenn Spivak allerdings angesichts der Arbeiten von Anish Kapoor Globalisierung als „fluktuierende Insel von Zeichen in einem See von Spuren“ definiert, entsteht der Eindruck, dass die bildende Kunst hier vielleicht nicht der überzeugendste Gegenstand ist. Ausgehend von der Beobachtung, dass der educational turn im Kunstfeld zunächst vor allem im Bereich des Kuratierens rezipiert wurde – „VermittlerInnen bleiben dabei marginalisiert“ –, versammelt der Band von schnittpunkt in erster Linie Texte von KunstvermittlerInnen. Betont wird in der Einleitung das „Wissen darum, dass es kein ‚Außen’ für eine kritische Position gibt“. Das hält aber einzelne Beiträge nicht davon ab, erfahrungsbasierte Thesen wie die zu vertreten, dass „Bildungsarbeit mit den Menschen und Themen an den Rändern der Gesellschaft nur außerhalb der Institutionen stattfinden kann.“ (Rena Rädle) Rahel Puffert stellt sich diese Frage des Gelingens von Vermittlung letztlich nicht: Die Kunst und ihre Folgen fragt nach den Wirkungen und Effekten, die aus der Kunst selbst kommen. Erklärung, Adressierung, Hinwendung zum Öffentlichen seien keine nachrangigen Dimensionen, sondern „Kunst enthält Vermittlung“. Ein solch weites Verständnis von Vermittlung ist einerseits faszinierend, was die Genealogie Pufferts von den russischen Avantgarden bis zur konzeptuellen Kunst der Gegenwart untermauert, andererseits aber auch problematisch, gerade weil (Kunst)Vermittlung – andere würden dies wohl Politik nennen – dann so unproblematisch funktioniert. In Kunstvermittlung in den Medien geht es genau genommen sehr wenig um Kunstvermittlung, und vielmehr um die Schwierigkeiten – Bedingungen wäre zuviel gesagt –, heute überhaupt etwas Abgesichertes, Haltbares über Kunst zu sagen. Warum im Kunsttontext so viel Unsinn vermittelt wird, führt Oliver R. Schulz – Heideggers berüchtigte Fehlinterpretation von Van Goghs Schuhen vor Augen – auf die „große Beliebtheit eines radikalen Relativismus in den Geistes- und Kulturwissenschaften“ zurück. Denn darin gebe es keine objektiven Wahrheiten. Na ja. Dass über Kunst jedoch auch auf der Grundlage performativer, interaktiver sowie raum- und sprachtheoretischer Ansätze anspruchsvoll gesprochen werden kann, vermittelt der Band Kunstvermittlung in Transformation. Verschiedene Textsorten resümieren ein Forschungsprojekt, das an vier Schweizer Hochschulen stattgefunden hat, und ermöglichen damit einen fundierten Einstieg in zentrale Problematiken und den Stand der Debatten. Ausgangspunkt ist u.a. die Diagnose, dass Kunstvermittlung erstens am Weiterreichen symbolischen Kapitals arbeitet, ohne häufig dessen Grundlagen in Frage stellen zu können; dass Vermittlung zweitens, anders als das Kuratieren, eine Dienstleistung bleibt und dass sie drittens dennoch der Legitimierung der Institutionen dient, die ihre Offenheit präsentieren wollen. Jedenfalls ein neues Standardwerk.

 

Carmen Mörsch/ Bernadett Settele: Kunstvermittlung in Transformation. Zürich 2012 (Verlag Scheidegger & Spiess).

Julian Nida-Rümelin/ Jakob Steinbrenner (Hg.): Kunst und Philosophie: Kunstvermittlung in den Medien. Stuttgart 2011 (Hatje Cantz Verlag).

Rahel Puffert: Die Kunst und ihre Folgen. Zur Genealogie der Kunstvermittlung. Bielefeld 2013 (transcript Verlag).

schnittpunkt/ Beatrice Jaschke/ Nora Sternfeld (Hg.): educational turn. Handlungsräume der Kunst- und Kulturvermittlung. Wien/ Berlin 2012 (Verlag Turia + Kant).

Gayatri Chakravorty Spivak: An Aesthetic Education in the Era of Globalization. Harvard 2012 (Harvard University Press).


Dieser Text erscheint in Bildpunkt. Zeitschrift der IG Bildende Kunst (Wien), Nr. 29, Sommer 2013, „un/vermittelt“.