Welches Wachstum ist nachhaltig? Ein Argumentarium
Editor:
Friedrich Hinterberger et al.
Publisher:
Mandelbaum
Published 2009 in
Wien
224
pagesPrice:
€ 17,80
Die Diskussion um mögliche Grenzen des Wirtschaftswachstums und die
grundsätzliche Sinnhaftigkeit des Wachstumsparadigmas ist seit den
1970er Jahren und insbesondere dem Erscheinen des vom Club of Rome 1973
herausgegebenen Buchs „Grenzen des Wachstums“ nie abgerissen. Im Zuge
der aktuellen Debatte um soziale und ökologische Nachhaltigkeit hat
diese Diskussion wieder an Fahrt gewonnen. So haben ökologische
Zerstörungen, steigende Arbeitslosigkeit und soziale Ungleichheit
Zweifel an der Rolle von Wirtschaftswachstum als „Problemlöser“
aufkommen lassen. Und angesichts der gegenwärtigen Wirtschaftskrise ist
es fraglicher denn je, ob ein unendliches Wachstum überhaupt möglich
ist.
Das Sustainable Europe Research Institute (SERI) widmete sich im Auftrag des Lebensministeriums gemeinsam mit Harald Hutterer von „Karuna Consult“ in einer Studie der Frage nach dem Verhältnis von Wachstum und nachhaltiger Entwicklung. Ergebnis ist ein Argumentarium, das den Kern des Buches „Welches Wachstums ist nachhaltig?“ bildet. Ergänzt wird dieses durch 14 Beiträge von ExpertInnen aus natur-, wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen.
Nach einem Einleitungsbeitrag von Rita Trattnigg über den historischen und institutionellen Hintergrund der Debatte stehen im zweiten Teil des Argumentariums zwei Fragen im Zentrum: Lößt das derzeitige Wachstumsparadigma unsere Probleme – wie Arbeitslosigkeit, steigende Armut, Umweltverbrauch und -verschmutzung – oder verursacht es diese erst? Und welche Möglichkeiten gibt es für ein anderes, qualitatives Wachstum?
Mit Blick auf die erste Frage lässt sich konstatieren, dass die mit Wachstum verbundenen Versprechen selten eingelöst werden können. So zeigt etwa das Phänomen des Jobless Growth, dass Wachstum nicht automatisch zu mehr Beschäftigung oder einer geringeren Arbeitslosigkeit führt. Gleichzeitig heben Wachstumsprozesse die durch technologische Neuerungen und Effizienzsteigerung erzielten Einsparungen im Material- und Energieverbrauch wieder auf (der so genannte Rebound Effekt, vgl. der Beitrag von Ina Meyer). Auch hat technologischer Fortschritt als eine der Triebkräfte hinter Wirtschaftswachstum viele der aktuellen Umweltprobleme erst verursacht. Weil Wachstum in der gegenwärtigen Form also mit Problemen behaftet ist, argumentieren die AutorInnen des SERI für eine Neu-Definition und Neuausrichtung des Wachstumsbegriffs.
Kern ihres Arguments ist, dass Wachstum nur als Mittel betrachtet werden sollte, um die Lebensqualität und das Wohlbefinden der Menschen zu steigern. Erhöhte Lebensqualität sollte demnach als wichtigster Maßstab für Fortschritt und Entwicklung gelten und qualitatives, nachhaltiges Wachstum als Zuwachs an Lebensqualität verstanden werden. Entscheidend ist demnach nicht, ob Wirtschaftswachstum stattfindet oder nicht, sondern ob Lebensqualität von Umweltverbrauch und -schäden entkoppelt werden kann – ob also die Lebensqualität steigen kann, während Umweltschäden absolut sinken.
Die Fülle an Informationen und Perspektiven, die in diesem Buch versammelt sind, bieten einen Einblick in die verschiedenen Aspekte, die mit Wachstum in Zusammenhang stehen. Zwar bleiben einige der Gastbeiträge oberflächlich und bieten zumindest denjenigen, die sich mit der Debatte schon beschäftigt haben, wenig Neues, doch finden sich in anderen Beiträgen durchaus interessante und kontroversielle Diskussionspunkte. Zum Beispiel argumentiert Judith Pühringer in ihrem Beitrag für die Ausweitung des Arbeitsbegriffs und das Konzept der Mischarbeit, das neben Erwerbsarbeit auch andere Formen der Arbeit umfassen solle. In diesem Zusammenhang diskutiert sie Möglichkeiten von Grundeinkommen, Mindestsicherung und einer Miteinbeziehung von Arbeit in die Konzeption eines „guten Lebens“. Ob die Verringerung der Arbeitszeit einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten kann, wird im Argumentarium diskutiert. Kürzere Arbeitszeit würde demnach zum einen weniger Produktion und Konsum bedeuten und zum anderen in Form von mehr freier Zeit eine „neue Form von Wohlstand“mit sich bringen.
Die Hauptthese des Buches, Lebensqualität zum Ausgangspunkt für die Diskussion um Wirtschaftwachstum zu machen, ist vielversprechend. Die Bedürfnisse und das Wohlergehen der Menschen an erste Stelle zu setzen und nachhaltiges Wachstum im Spannungsfeld zwischen einer Erhöhung der Lebensqualität und der Erhaltung der (ökologischen) Lebensgrundlagen zu diskutieren, eröffnet eine neue Sichtweise auf die Debatte um gesellschaftliche Ziele und Nachhaltigkeit.
Allerdings offenbart sich sich hier eine zentrale Schwäche des Buches. Triebfedern des Wachstums und strukturelle Wachstumszwänge – wie Wettbewerb, technologische Neuerungen, Geldpolitik etc. – werden zwar u.a. im Argumentarium und dem Beitrag von H.C. Binswanger als der freien Marktwirtschaft inhärent analysiert, doch beschränken sich die Lösungsvorschläge auf Änderungen in den von diesen Zwängen betroffenen Institutionen. Schlagworte wie Lebensqualität, gutes Leben, Zeitwohlstand usw. mögen gut klingen, werden aber wohl kaum einfach durch einen Appell an und die Hoffnung in politische Entscheidungsträger und Corporate Social Responsibility realisiert. Die Frage nach den Strategien zur tatsächlichen Durchsetzung einer „neuen Art von Wohlstand“ bleibt offen. In diesem Sinn sollte die Aussage von Hazel Henderson „it’s a crime to waste a crisis“ (zitiert im Beitrag von Trattnigg) auch für diese aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise gelten: diese könnte genutzt werden, um solche Strategien zu suchen.
Nichtsdestotrotz ist „Welches Wachstum ist nachhaltig?“ aufgrund der Reichhaltigkeit an Information und Themenfeldern eine gute Einführung in die Debatte um Nachhaltigkeit und Wachstum.
Das Sustainable Europe Research Institute (SERI) widmete sich im Auftrag des Lebensministeriums gemeinsam mit Harald Hutterer von „Karuna Consult“ in einer Studie der Frage nach dem Verhältnis von Wachstum und nachhaltiger Entwicklung. Ergebnis ist ein Argumentarium, das den Kern des Buches „Welches Wachstums ist nachhaltig?“ bildet. Ergänzt wird dieses durch 14 Beiträge von ExpertInnen aus natur-, wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen.
Nach einem Einleitungsbeitrag von Rita Trattnigg über den historischen und institutionellen Hintergrund der Debatte stehen im zweiten Teil des Argumentariums zwei Fragen im Zentrum: Lößt das derzeitige Wachstumsparadigma unsere Probleme – wie Arbeitslosigkeit, steigende Armut, Umweltverbrauch und -verschmutzung – oder verursacht es diese erst? Und welche Möglichkeiten gibt es für ein anderes, qualitatives Wachstum?
Mit Blick auf die erste Frage lässt sich konstatieren, dass die mit Wachstum verbundenen Versprechen selten eingelöst werden können. So zeigt etwa das Phänomen des Jobless Growth, dass Wachstum nicht automatisch zu mehr Beschäftigung oder einer geringeren Arbeitslosigkeit führt. Gleichzeitig heben Wachstumsprozesse die durch technologische Neuerungen und Effizienzsteigerung erzielten Einsparungen im Material- und Energieverbrauch wieder auf (der so genannte Rebound Effekt, vgl. der Beitrag von Ina Meyer). Auch hat technologischer Fortschritt als eine der Triebkräfte hinter Wirtschaftswachstum viele der aktuellen Umweltprobleme erst verursacht. Weil Wachstum in der gegenwärtigen Form also mit Problemen behaftet ist, argumentieren die AutorInnen des SERI für eine Neu-Definition und Neuausrichtung des Wachstumsbegriffs.
Kern ihres Arguments ist, dass Wachstum nur als Mittel betrachtet werden sollte, um die Lebensqualität und das Wohlbefinden der Menschen zu steigern. Erhöhte Lebensqualität sollte demnach als wichtigster Maßstab für Fortschritt und Entwicklung gelten und qualitatives, nachhaltiges Wachstum als Zuwachs an Lebensqualität verstanden werden. Entscheidend ist demnach nicht, ob Wirtschaftswachstum stattfindet oder nicht, sondern ob Lebensqualität von Umweltverbrauch und -schäden entkoppelt werden kann – ob also die Lebensqualität steigen kann, während Umweltschäden absolut sinken.
Die Fülle an Informationen und Perspektiven, die in diesem Buch versammelt sind, bieten einen Einblick in die verschiedenen Aspekte, die mit Wachstum in Zusammenhang stehen. Zwar bleiben einige der Gastbeiträge oberflächlich und bieten zumindest denjenigen, die sich mit der Debatte schon beschäftigt haben, wenig Neues, doch finden sich in anderen Beiträgen durchaus interessante und kontroversielle Diskussionspunkte. Zum Beispiel argumentiert Judith Pühringer in ihrem Beitrag für die Ausweitung des Arbeitsbegriffs und das Konzept der Mischarbeit, das neben Erwerbsarbeit auch andere Formen der Arbeit umfassen solle. In diesem Zusammenhang diskutiert sie Möglichkeiten von Grundeinkommen, Mindestsicherung und einer Miteinbeziehung von Arbeit in die Konzeption eines „guten Lebens“. Ob die Verringerung der Arbeitszeit einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten kann, wird im Argumentarium diskutiert. Kürzere Arbeitszeit würde demnach zum einen weniger Produktion und Konsum bedeuten und zum anderen in Form von mehr freier Zeit eine „neue Form von Wohlstand“mit sich bringen.
Die Hauptthese des Buches, Lebensqualität zum Ausgangspunkt für die Diskussion um Wirtschaftwachstum zu machen, ist vielversprechend. Die Bedürfnisse und das Wohlergehen der Menschen an erste Stelle zu setzen und nachhaltiges Wachstum im Spannungsfeld zwischen einer Erhöhung der Lebensqualität und der Erhaltung der (ökologischen) Lebensgrundlagen zu diskutieren, eröffnet eine neue Sichtweise auf die Debatte um gesellschaftliche Ziele und Nachhaltigkeit.
Allerdings offenbart sich sich hier eine zentrale Schwäche des Buches. Triebfedern des Wachstums und strukturelle Wachstumszwänge – wie Wettbewerb, technologische Neuerungen, Geldpolitik etc. – werden zwar u.a. im Argumentarium und dem Beitrag von H.C. Binswanger als der freien Marktwirtschaft inhärent analysiert, doch beschränken sich die Lösungsvorschläge auf Änderungen in den von diesen Zwängen betroffenen Institutionen. Schlagworte wie Lebensqualität, gutes Leben, Zeitwohlstand usw. mögen gut klingen, werden aber wohl kaum einfach durch einen Appell an und die Hoffnung in politische Entscheidungsträger und Corporate Social Responsibility realisiert. Die Frage nach den Strategien zur tatsächlichen Durchsetzung einer „neuen Art von Wohlstand“ bleibt offen. In diesem Sinn sollte die Aussage von Hazel Henderson „it’s a crime to waste a crisis“ (zitiert im Beitrag von Trattnigg) auch für diese aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise gelten: diese könnte genutzt werden, um solche Strategien zu suchen.
Nichtsdestotrotz ist „Welches Wachstum ist nachhaltig?“ aufgrund der Reichhaltigkeit an Information und Themenfeldern eine gute Einführung in die Debatte um Nachhaltigkeit und Wachstum.