Kein Spaß mehr, überhaupt nicht

"Hängt die Grünen“ – natürlich sind keine lebenden Personen gemeint. Wer kommt denn auf so was! Das ist nur eine Aufforderung, grüne Plakate zu hängen. Jedenfalls so lange noch Laternen frei sind. Noch nicht mal klitzekleine Galgen sind darauf zu erkennen. Witzig, witzig! Ich höre förmlich das Schenkelklatschen und das fröhliche Biertischgejohle. Ad exercitium salamandri! Uns kann keiner. Eine Gaudi muss doch wohl noch erlaubt sein!

Ist sie auch. Inzwischen richterlich beglaubigt.

Nachdem diese gar nicht lustigen Polit-Scherze einer rechten Bande namens „Der III. Weg“ um den 8. September herum in Sachsen und Bayern auftauchten, schritt die Stadt Zwickau ein und ließ die Dinger abhängen. Nach Informationen des Mitteldeutschen Rundfunks hatte die Zwickauer Staatsanwaltschaft allerdings die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen die rechtsradikale Splitterpartei abgelehnt.

Die wollte es wissen, zog vor das Verwaltungsgericht in Chemnitz – und bekam Recht. Die Plakate müssten in Sachsen geduldet werden. Sie seien doppeldeutig und würden nicht zu konkreten Straftaten aufrufen, meinte das Gericht – und setzte auf den rechten Schelm noch einen nicht minder rechten Narren drauf: Von den Grünen-Plakaten müssen die des „III. Weges“ immer in 100 Meter Entfernung hängen, damit sie eine „losgelöste Wahrnehmung“ erführen. Es sei angemessen, „deren kommunikatives Anliegen“ nicht zu beeinträchtigen.

Das Chemnitzer Gericht (und damit „Der III. Weg“) erhielt zwischenzeitlich prominente Schützenhilfe. Die Frankfurter Rundschau zitierte den Staatsrechtler Jochen Rozek. Der ist nicht irgendwer, der Mann ist Dekan der Juristischen Fakultät der Universität Leipzig. Und Rozek meint, „mit der Verfügung, die Plakate entfernen zu lassen, habe die Stadt Zwickau in die Meinungsäußerungsfreiheit des ‚III. Wegs‘ eingegriffen“.

Die Stadt – deren Oberbürgermeisterin Constance Arndt (parteilos) gebührt größter Respekt! – zog vor das Sächsische Oberverwaltungsgericht in Bautzen und legte Beschwerde gegen den Chemnitzer Beschluss ein. Das tat auch „Der III. Weg“. Am 21. September verkündete das OVG das Urteil: Die Plakate erfüllten laut FAZ „den objektiven Tatbestand der Volksverhetzung“ und seien deshalb abzuhängen. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft Leipzig in der Sache wegen des Anfangsverdachts der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten, Volksverhetzung und Billigung von Straftaten. Auch der Generalstaatsanwaltschaft in Dresden scheint der Boden unter den Füßen zu heiß geworden zu sein. Dresden hatte zuvor die Zwickauer Staatsanwaltschaft angewiesen, Ermittlungen „wegen des Anfangsverdachts der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten und zur Volksverhetzung“ aufzunehmen. Sicherlich werden die Zwickauer dem mit freudigem Eifer Folge leisten. Man kann nur den Kopf schütteln …

Dass es auch anders geht – ich muss ein Vorurteil korrigieren – bewies Joachim Herrmann (CSU). Mit genau der Dresdener Begründung wies der bayerische Innenminister bereits am 9. September die Polizeipräsidien des Freistaates an, die „mehrdeutigen“ (so der Professor Rozek) Hetz-Plakate sofort abzuhängen. Aus Bayern waren solch scholastische Spitzfindigkeiten, wie sie von sächsischen Juristen kommen, bislang nicht zu vernehmen … Auch die bayerische Justiz hat rasch Tatsachen geschaffen: „Das Landgericht München I verbietet einstweilig Plakate mit der Aufschrift ‚Hängt die Grünen!‘ der rechtsextremen Splitterpartei ‚Der III. Weg‘. Das Gericht habe der Partei […] per einstweiliger Verfügung untersagt, den Slogan öffentlich zu verwenden […]. Der Beschluss sei räumlich nicht begrenzt und gelte damit grundsätzlich bundesweit.“ So der Bayerische Rundfunk am vergangenen Montag.

Verwunderlich ist das sächsische Geschehen nicht. Wo nicht der entsprechende Nährboden vorhanden ist, gedeihen keine giftigen Gewächse. Dass sich die völkischen Nationalisten des „III. Weges“ – die Partei wird von Verfassungsschützern als extrem gewaltbereit eingeschätzt – gerade Sachsen als Tummelplatz ausgesucht haben, ist kein Zufall.

Gegen Links geht dessen Justiz gerne mit großer Rigidität vor – am selben Tag, an dem die ominösen Plakate auftauchten, begann vor dem Oberlandesgericht Dresden der Prozess gegen die 26-jährige Lina E. und drei Mitangeklagte, denen die Bundesanwaltschaft unter anderem die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, schweren Landfriedensbruch und gefährliche Körperverletzung vorwirft. Lokale Medien üben sich schon einmal in Vorverurteilung. Die Sächsische Zeitung stempelte Lina E. als „Linksterroristin“ ab – da hatte das Verfahren noch gar nicht begonnen, moniert die Berliner Zeitung. „Vorsorglich“ hat der sächsische Staatsschutzgerichtshof sich für das Verfahren gegen Lina E. Termine bis Ende März reservieren lassen. Gruselig wird es, wenn man sich die Szene der Nebenklage ansieht. Liest man allein die Namen ihrer Anwälte, „die wie das Who is Who der Anwaltsszene Sachsens klingen, welche vor allem mit rechtsradikalen bis -extremen Mandanten bekannt wurden“ (LZ. Leipziger Zeitung), kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier eine konzertierte Show gegen „Links“ abgezogen werden soll. Gegen „Rechts“ agiert man entschieden verhaltener …

Zum Nährboden gehört aber auch die feste Verankerung der sächsischen AfD in der dortigen Wählerschaft. Ich setze die nicht mit dem „III. Weg“ oder der NPD gleich. Aber wer den angeblich aufgelösten AfD-„Flügel“ flattern sehen möchte, muss sich nur unter eine Kundgebung mischen, auf der zum Beispiel Björn Höcke, sagen wir mal in Dresden, spricht. Die taz berichtete dieser Tage von einem Auftritt auf einer dortigen PEGIDA-Kundgebung: „Höcke sieht die Bundesrepublik im ‚Übergangsstadium zu einem sanften Totalitarismus‘. ‚Wir stehen vor dem Aufbau eines Überwachungsstaates‘, rief er aus. Impfungen bezeichnete er als ‚Genmanipulation‘, Impfgegner als ‚Freiheitshelden‘.“ Begeisterter Applaus. Ovationen.

Nicht zufällig sind außer der CDU die anderen Parteien in den Wahlumfragen deutlich auf die billigen Plätze verwiesen. Der „Sachsentrend“ des Mitteldeutschen Rundfunks – der aktuellste stammt vom 20. August – sieht die AfD mit 23 Prozent vor der CDU (21 Prozent) bei den bevorstehenden Bundestagswahlen. Dramatisch sieht es bei den Erststimmen aus. Mit Ausnahme der beiden Leipziger Wahlkreise registriert election.de mit Stand vom 10. September Chancen für die AfD, alle Direktmandate im Freistaat abzuräumen …

Nein, witzig ist das alles nicht. Die Rechten meinen es ernst in Sachsen. Und nicht nur da. Aber irgendwo muss man ja anfangen. Wenn man so wohlwollende Begleitung erfährt … „Denn heute gehört uns Dresden, und morgen …“

                                                                                                                *

Notwendige Ergänzung: Wenn die linke Landtagsabgeordnete Juliane Nagel zu einer Solidaritätsdemo zum Beispiel für Lina E. aufruft, so wäre das auch in Ordnung. Nagel weiß allerdings, dass so etwas in Leipzig-Connewitz mitnichten friedlich ausgehen kann. Dazu ist sie in der dortigen Szene zu gut vernetzt. Dass dann nach dem offiziellen Ende einer Demo Barrikaden brennen und ein bissel Bürgerkrieg gespielt wird, gehört für einige Leute inzwischen zum Ritual. Dem „System“ gehören seine Grenzen aufgezeigt, meinen sie. Das hört man auch auf PEGIDA-Demonstrationen. Und wenn auf derselben Demo – die Nagel angemeldet hat, für die sie also demonstrationsrechtlich gerade zu stehen hat – neben den zur Revoluzzer-Folklore gehörenden geschleuderten „Demo-Argumenten“ ein Transparent getragen wird, das eine kaum verhüllte Morddrohung zeigt, hätte sie die Pflicht gehabt, die Sache sofort zu beenden. Aber laut neues deutschland ist sie ja nur mitgegegangen … und distanziert sich inzwischen von den Gewalteskalationen. Sie hat aber „Verständnis für die Wut“, wie DIE ZEIT berichtet.

Außerdem, das sei ja kein Mordaufruf gewesen, höre ich jetzt anderswo. Nur ein lustiger, warnender Knüttelvers an die Adresse des Chefs der Extremismus-Einheit der sächsischen Polizei: „Bald ist er aus Dein Traum, dann liegst Du im Kofferraum“. Der Mann hat eben keinen Humor. Dass das eine deutliche Anspielung auf RAF-Praktiken sei, muss erst einmal bewiesen werden …

Nein, witzig ist das alles nicht. Das ist wie mit dem Plakat des „III. Weges“. Das ist wie mit dem Plakat „Hier könnte ein Querdenker hängen!“ des angeblichen Satire-Vereins „Die PARTEI“. Die gewählten Mittel sind dieselben. Die dahinter stehende Menschenverachtung ist dieselbe. Das politische Ziel, die Zerstörung unserer demokratischen Strukturen, ist dasselbe.

Es sind gleiche Brüder und Schwestern, allerdings mit unterschiedlichen Kappen.

Und es ist nachgerade unverschämt, sich mit solchen – mit Verlaub – Sauereien hinter Kurt Tucholsky zu verschanzen. Auch die Satire darf eben nicht alles.