Mali: Schmerzhaftes Erwachen

Souleymane Ndiaye im Gespräch mit Boubacar Boris Diop

Als Souleymane Ndiaye und Boubacar Boris Diop dieses Interview verabredeten, hatten sie eigentlich vor, über ganz andere Themen zu sprechen. Doch dann wurden sie von den Ereignissen in Mali eingeholt, wo am 11. Januar die französische "Operation Serval" begonnen hatte. Ihr Ausgang ist nach wie vor ungewiss, zumal es wenige verlässliche Nachrichten aus dem Kriegsgebiet gibt. Dennoch scheint Frankreich zumindest eines auf erstaunliche Weise gelungen: auch kritische Stimmen für das eigene Vorgehen zu gewinnen und die Reihen hinter sich fest zu schließen. Anders Diop, der nicht nur an die zwiespältige Rolle erinnert, die Frankreich im Mali-Konflikt von Anfang an einnahm. Veröffentlicht genau in jenem Moment, da die Präsidenten Hollande und Traoré sich anschickten, in Timbuktu ihren Sieg zu feiern, gelangt seine Analyse mehr noch zu dem Schluss, dass es gerade die Militärintervention ist, die vollends zu zerstören droht, was sie zu verteidigen vorgibt: die Einheit und Unabhängigkeit Malis.

 

Souleymane Ndiaye: Kann man sagen, dass im Norden Malis einmal mehr Françafrique am Werk ist?

 

Boubacar Boris Diop: Ja und Nein. Sicher befindet sich Frankreich in Mali in seinem Hinterhof, und mit Ausnahme Nigerias waren alle an der Intervention beteiligten Länder Teil seines Kolonialreichs. Aber wenn man es genau nimmt, folgt die Militärintervention in Mali eher der Logik eines globalen Krieges, so wie der US-amerikanische Einmarsch im Irak. Außerdem ging Frankreich Militärinterventionen in Afrika immer mit einer gewissen Selbstverständlichkeit an, als ob man über sie nicht groß nachzudenken bräuchte, während diese Intervention als Medienspektakel präsentiert wird: Im Elysée tagt beständig ein Kriegsrat, es gibt regelmäßige Meinungsumfragen, und die Minister der Verteidigung und des Auswärtigen zeigen sich überaus redselig.

 

Kriegsheld Hollande

 

SN: Wie erklären Sie sich diese Verhaltensänderungen?

 

BBD: Nach Beginn der Operation feierten die französischen Zeitschriften auf ihren Titelbildern Hollande als Oberkommandierenden und Feldherrn. Für einen Präsidenten, der als glanzlos, schwach und unentschieden galt, bot Nordmali also die Gelegenheit, sich mit wenig Aufwand als Führungspersönlichkeit zu inszenieren, jemand, der Frankreich wieder Ansehen und Geltung in der Welt verschafft. Der Kontrast zu vorher konnte größer nicht sein, wenn man sich an die wenig ruhmreiche Eile erinnert, mit der Paris aus Afghanistan abzog, nachdem einige französische Soldaten bei Angriffen der Taliban getötet worden waren.

 

SN: Aber ist der Versuch Hollandes, sich in ein günstigeres Licht zu rücken, ein ausreichender Grund für eine solch aufwendige Intervention?

 

BBD: Es ist ja nicht der einzige. Auf jeden Fall durfte Hollande sich eine solch goldene Gelegenheit nicht entgehen lassen. Das erklärte Ziel des Krieges ist, die territoriale Einheit Malis wiederherzustellen, aber ohne die Einnahme Konnas durch die Islamisten wäre zunächst einmal gar nichts geschehen. Zwar hatte Frankreich die ganze Zeit das Uran von Areva und die Geiseln in den Händen der Jihadisten im Blick. Aber es bedurfte des Falls von Konna, dass Paris mit einem Schlag klar wurde, wie stark seine wirtschaftlichen Interessen und seine Rolle in der Region gefährdet sind, wenn es jetzt nicht handelte. Schließlich ist es dort nicht mehr der einzige Akteur. Dieser Krieg wird aus der Nähe von Ländern wie Algerien, Mauretanien und Nigeria verfolgt, um gar nicht erst von anderen westlichen Mächten oder Qatar zu sprechen, jener Golfmonarchie, die neuerdings in Mali genau wie in Syrien und an anderen Orten ihr Spiel spielt. Sie dürfen auch nicht vergessen, dass die US-Amerikaner und Engländer seit dem Angriff von In Amenas zutiefst besorgt sind und dass Japan der UN-Unterstützungsmission für Mali (MISMA) 120 Mio. USD an Unterstützung zugesagt hat. Japan ist ein wichtiger Partner Malis auf wirtschaftlichem Gebiet und hatte in In Amenas die meisten Opfer zu beklagen.

 

SN: Hatte der französische Botschafter in Dakar nicht Recht, als er erklärte, dass niemand interveniert wäre, wenn nicht sein Land es getan hätte?

 

BBD: Das kann man gerne zugestehen, und das ist auch das Geniale, dass Frankreich sich jetzt als Gegner von Schurken und Bösewichtern profilieren kann, wie der Held in einem Hollywood-Film. Wenn Sie erfahren, dass sogenannte Narkoterroristen zwei Drittel des malischen Territoriums unter ihre Kontrolle gebracht haben, Moscheen und Heiligengräber zerstören, die Bibliothek Ahmed Baba in Brand stecken und den Leuten die Hände abschneiden, dann wollen doch auch Sie diese Leute davon abhalten, weiteren Schaden anzurichten.

 

Das Versagen der Kritik

 

Lässt man nun die Stellungnahmen von diesem und jenem zu Mali Revue passieren, so fällt entsprechend die Schwierigkeit auf, diese x-te Intervention Frankreichs in Afrika richtig einzuordnen. Ich hatte noch lebhaft in Erinnerung, wie Massaer Diallo sie im Fernsehsender 2STV ohne Einschränkung begrüßte. Zwei Tage später schlossen sich ihm schon Gadio und Samir Amin an. Ist das nicht beunruhigend? Nach allem, was sie zur Aufdeckung der kriminellen Machenschaften Frankreichs im Rahmen von Françafrique beigetragen haben, sollte man meinen, dass es sich um Intellektuelle handelt, auf deren Urteil Verlass ist.

 

SN: Heißt das, dass Sie ihnen zustimmen?

 

BBD: Im Gegenteil! Ich verstehe sie, und ich habe keinen Zweifel an ihrer intellektuellen Aufrichtigkeit, aber ich teile ihren Standpunkt nicht. Die Gefahr liegt meiner Meinung nach darin, diesen Krieg isoliert zu betrachten. Alle Welt hat ihn in Verbindung gebracht mit dem Angriff auf Libyen, und dennoch hat man es unterlassen, diesen Zusammenhang richtig zu interpretieren. Es reicht nämlich nicht aus, nur festzustellen, dass der Angriff auf Libyen dazu geführt hat, dass der ganze Sahel und ganz Westafrika im Chaos versinken. Der Angriff auf Libyen und der gesamte "arabische Frühling" haben die Krise in Mali ja nicht nur zufälligerweise und ganz unbeabsichtigt eskalieren lassen. Vielleicht müssen wir sogar noch weiter zurückgehen und uns fragen, ob wir nicht bereits an jenem Tag unsere Stimmen hätten erheben müssen, an dem französische Kampfpanzer den Zugang zum Präsidentenpalast Laurent Gbagbos freischossen. Auch ohne für diesen Partei zu ergreifen, wäre es nämlich möglich gewesen, Paris zu verstehen zu geben, dass es dabei war, eine rote Linie zu überschreiten. Aber wir haben unsere Lektion in Demokratie schon so verinnerlicht, dass wir Begriffen wie "gute Regierungsführung" spontan einen Sinn zumessen, obwohl in einem Land wie Belgien niemand davon redet, und so sind wir an einem Punkt angelangt, an dem wir jeden Sinn für Differenzierungen und vor allem die Fähigkeit verloren haben, politische Ereignisse in ihren globalen Rahmen einzuordnen.

 

Brandstifter als Feuerlöscher

 

SN: Aber wenn es um Mali geht, was ist denn Frankreich konkret vorzuwerfen?

 

BBD: Es reicht, sich den Gang der Ereignisse vor Augen zu führen. Nachdem Frankreich dafür gesorgt hatte, dass Qadhdhafi unter skandalösen Umständen ermordet wurde, sah es den Zeitpunkt gekommen, den Kampf gegen die Al-Qaida-Ableger AQMI und MUJAO einem Subunternehmer zu überlassen, nämlich den aufständischen Tuareg. Wie Ibrahima Sène in seiner Entgegnung an Samir Amin hervorhob, erlaubten Paris und Washington den Tuareg in Libyen, schwer bewaffnet nach Mali zurückzukehren, aber, und das ist ein bedeutsames Detail, nicht nach Niger, wo man wegen der Areva-Uranminen kein Risiko eingehen wollte. Die Tuareg waren begeistert von dem Gedanken, dass sie endlich ihren Traum von der Unabhängigkeit mit Hilfe eines neuen, mit dem Westen verbündeten Staates namens Azawad verwirklichen konnten.

Gewisse französische Medien warben geradezu für die "Blauen Männer der Wüste", die schlicht und einfach gegen Mali in den Krieg ziehen wollten. Aus den Sendungen von "France24" und RFI lässt sich ohne Weiteres ablesen, dass insbesondere die "Nationalbewegung zur Befreiung von Azawad" (MNLA) auf Geheiß Sarkozys von den Geheimdiensten geschaffen worden war. Deren Strategen wussten genau, dass die Folge ihres Handelns nichts anderes als das Auseinanderbrechen Malis und die Teilung seines Territoriums sein würde. Dennoch haben sie keine Sekunde von ihren Plänen abgelassen. Juppé ging sogar so weit, dass er den Massenmord an Dutzenden malischen Soldaten und Offizieren am 24. Januar 2012 durch die Tuareg in Aguelhok verharmloste und gleichzeitig davon sprach, dass es bald ein unabhängiges Land Azawad im Norden geben könne. Aber er hatte die Rechnung ohne die MNLA gemacht, die sich gegenüber den Jihadisten als machtlos erwies und sich praktisch selbst demontierte, was auf seine Weise eine Premiere in der Geschichte der Unabhängigkeitsbewegungen ist. Bei allem befand sich Frankreich ganz klar in der Rolle des Brandstifters, der sich als Feuerwehr betätigt. Alles scheint zwar dafür zu sprechen, dass es die Jihadisten besiegen wird, aber dieser Sieg wird die Malier ihren Staat und ihre Ehre kosten.

 

SN: Wie meinen Sie das?

 

Sandkastenspiele des Westens im Norden Malis

 

BBD: Ich möchte damit nichts weiter sagen, als dass es für lange Zeit vorbei ist mit der Unabhängigkeit Malis und seinem vergleichsweise starken inneren Zusammenhalt. Man muss schon sehr naiv sein, um wirklich zu glauben, dass Frankreich, wenn es einmal mit soviel Aufwand den Norden befreit hat, einfach die Schlüssel des Landes an Dioncounda Traoré und die Malier zurückgeben und sich verabschieden wird. So laufen die Dinge nicht. Vielmehr hat Frankreich sich durch die Intervention in Mali gut in Stellung gebracht für den Wettlauf um die Bodenschätze der Sahara, und man wird kaum davon ausgehen können, dass es die Trumpfkarte des Tuareg-Aufstands vorschnell aus der Hand gibt. Bezeichnend dafür war die Einnahme von Kidal. Anfangs hieß es, die MNLA habe Kidal befreit, obwohl diese militärisch schon lange keine Rolle mehr spielte. Dann rückten am 29. Januar französische Soldaten in Kidal ein, allerdings ohne den malischen Streitkräften zu erlauben, sie zu begleiten. Trotz ihrer militärischen Niederlage üben die Tuareg-Separatisten also heute eine stärkere politische Kontrolle über den Norden aus als jemals zuvor. Das ist ein erstaunliches Paradox, wobei allerdings ein malischer Zentralstaat, der die Kontrolle über die nördlichen Teile des Landes verloren hat, genau den Interessen des Westens entspricht. So hat Frankreich denn auch begonnen, Druck auf Traoré auszuüben, um ihn zu Verhandlungen mit den "moderaten" Tuareg zu bewegen, die Paris aus dem Ärmel geschüttelt hat, und man wird wohl kaum erwarten dürfen, dass ein derart geschwächter Präsident wie Traoré Hollande Widerstand leistet. Iyad Ag Ghali, der Chef von "Ansar ed-Dine", der aufgrund seiner Beziehungen zu AQMI und MUJAO jede Glaubwürdigkeit verloren hat, ist zwar aus dem Rennen. Aber sein "moderater" Widersacher Alghabasse Ag Intalla, Chef der "Islamischen Bewegung Azawad" (MIA), hat gute Chancen, mit Paris ins Reine zu kommen. Ob uns das gefällt oder nicht, ist doch eine Folge des "arabischen Frühlings", dass Nordafrika ein für alle Mal vom Rest des Kontinents abgekoppelt wird, und die "neue Grenze" verläuft eben durch Nordmali. Dem liegt ein klares strategisches Konzept des Westens zugrunde, das gerade in die Tat umgesetzt wird.

 

In den Köpfen war die Unabhängigkeit schon verloren

 

SN: Was haben Sie gedacht, als Sie die jungen Malier gesehen haben, die mit der französischen Fahne winkten?

 

BBD: Gewisse Stimmen behaupten, es handle sich um Fotomontagen. Das glaube ich nicht. Im Gegenteil sprechen diese Bilder für die enorme Erleichterung der Malier. Zugleich haben sie etwas Verstörendes. Die wichtige Frage ist ja nicht so sehr, was wir von Frankreich halten sollen, als vielmehr von uns selbst, oder genauer: von uns afrikanischen Intellektuellen und Politikern. Wie kommt es, dass sich unsere Bevölkerungen in einem solchen Zustand der Verwahrlosung befinden? Denn genau das halten diese Bilder fest: Die französischen Truppen, die unser Nachbarland Mali fast ein Jahrhundert lang als Kolonie unterdrückt hielten, kehren fünfzig Jahre nach der Unabhängigkeit zurück und werden als Befreier begrüßt. Verschlägt einem das nicht die Sprache? Welchen Wert hat sie also am Ende gehabt, die malische Unabhängigkeit? Was ist geworden aus dem Erbe Modibo Keitas? Die entscheidende Frage, die sich uns allen in den alten französischen Kolonien südlich der Sahara stellt, ist also die nach dem Wert und der Bedeutung unserer Unabhängigkeit. Gewisse historische Veränderungen sind schwer hinzunehmen, aber wir sind für sie alle mitverantwortlich. Dies gilt vor allem auch für unsere Historiker: Manchmal habe ich den Eindruck, dass die Mehrzahl von ihnen darauf verzichtet, die Kenntnis der Vergangenheit in den Dienst eines besseren Verständnisses der Gegenwart und ihrer Herausforderungen zu stellen.

 

SN: Welche anderen Bilder aus diesem Krieg haben Sie betroffen gemacht?

 

BBD: Vor allem eines: Das jener malischen Jungen am Straßenrand, die die europäischen Soldaten vorbeifahren sehen, ein wenig wie die Rallye Paris-Dakar. Ich frage mich seitdem, was wohl im Kopf dieser Kinder vor sich gehen mag, wenn sie solche Bilder sehen. Selten erlebt man eine Bevölkerung, die dermaßen verblüfft ist durch das, was um sie geschieht, und nichts von dem versteht, was gleichwohl die ganze Zeit als ihr Krieg dargestellt wird. Man hat den Eindruck, dass sie nicht ganz zu glauben scheinen, was sich vor ihren Augen abspielt, weil es so verrückt ist, es könnte die Wirklichkeit, aber auch Fernsehen sein.

 

Das schmerzhafte Erwachen steht noch bevor

 

SN: Bedeutet die "Operation Serval" nicht trotz allem einen Imagegewinn für Frankreich in Afrika?

 

BBD: Das ist nicht ausgeschlossen, aber es würde mich überraschen. Die Sympathie gegenüber den französischen Soldaten kommt zwar von Herzen, aber sie ist vorübergehend. Die französischen Medien mögen weiter an ihren Illusionen festhalten, aber es wäre ehrlicher, sich einzugestehen, dass das doch alles zu schön ist, um wahr zu sein. Die tatsächlichen Motive dieses Krieges werden den Maliern mit der Zeit immer deutlicher erkennbar werden, und irgendwann wird es für sie ein schmerzhaftes Erwachen geben. Nirgends auf der Welt haben sich ausländische Truppen jemals als freundlich erwiesen. Auch müssen Sie wissen, dass die "Operation Serval" in einem Moment stattfindet, in dem die Presse in Paris jeden Tag weitere Ungeheuerlichkeiten über die Verwicklung des französischen Geheimdiensts in das Attentat vom 6. April 1994 enthüllt, das den Völkermord an den Tutsi in Ruanda auslöste. Frankreichs Mitschuld am letzten Völkermord des 20. Jahrhunderts ist aber ein unauslöschlicher Fleck auf der weißen Weste des Landes. Ihn kann auch Jubel in Gao und Timbuktu nicht zum Verschwinden bringen.

 

SN: Welche Lehren kann Mali aus diesem Konflikt ziehen?

 

BBD: Zunächst ist anzumerken, dass es zur Zeit schwer ist, ein malischer Militär zu sein. Es gibt eine nationale Armee, die sich im eigenen Land im Kampf befindet, und ihre Toten zählen nicht einmal, im Unterschied zu denen Frankreichs. Solche Demütigungen sollten Mali vor Augen führen, dass eine gespielte Demokratie, die hauptsächlich den Sinn hat, ausländischen Gönnern zu gefallen, nutzlos ist. Mali ist ein Schulfall: Überall als leuchtendes Beispiel hervorgehoben, hat sich die Fassade in Nichts aufgelöst. Und man sieht sogar schon die Mechanismen der Ausgrenzung am Werk, die ein mörderisches Potential entfalten können: Jeder Tuareg oder Araber riskiert neuerdings, als Verbündeter der Jihadisten oder der Separatisten wahrgenommen zu werden. Vor dieser Gefahr haben malische Intellektuelle wie Aminata Dramane Traoré in den vergangenen Monaten ununterbrochen gewarnt, aber niemand wollte sie hören. Die Beziehungen zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen in Mali waren schon immer zerbrechlich, und die Gefahr ethnischer Konflikte war noch nie so groß wie heute. Es ist aber an der Zeit, alte Feindseligkeiten hinter sich zu lassen. Kurz nach dem Massaker von Aguelhok besuchte ich ein Gymnasium in Bamako. Es gab unter den Schülern junge Tuareg, und sie hatten offensichtlich Angst. Aber nichts, rein gar nichts soll ihnen geschehen. Sie haben die Verbrechen nicht zu verantworten, die einige ehrgeizige Politiker begehen, und das obendrein im Dienste Frankreichs.

 

Afrika muss sich selbst verteidigen

 

SN: Immer wieder wird gesagt, dass es erst die nachlässige afrikanische Reaktion war, die Frankreich den Weg bereitete. Wie kann man verhindern, dass sich eine solche Situation wiederholt?

 

BBD: Die Hinhaltetaktik der afrikanischen Staaten wurde vielfach kritisiert, auch ganz zu Recht, aber man muss verstehen, dass es selbstmörderisch ist, sich mit leeren Händen in einen derart komplexen Krieg zu stürzen. Genau dies ist natürlich der Vorwurf, den man an unsere Länder richten kann: dass sie sich nicht in die Lage versetzt haben, sich selbst zu verteidigen, sei es als Gemeinschaft oder einzeln für sich. An dieser Stelle muss man auf das zurückkommen, was Cheikh Anta Diop hervorgehoben hat: "Sicherheit geht der Entwicklung voraus, und der politische Zusammenschluss folgt auf den wirtschaftlichen." Stets hat Cheikh Anta Diop auf der Notwendigkeit einer starken gesamtafrikanischen Armee bestanden. Deren Schaffung ist natürlich alles andere als einfach, aber wenn man sieht, wie westafrikanische Soldaten plötzlich wieder die gleiche Rolle einnehmen, die sie schon zu Kolonialzeiten hatten, als Hilfstruppen der Franzosen, sollte es einem doch auch ein wenig die Schamröte ins Gesicht treiben, und man muss sich zugestehen, dass Cheikh Anta Diop auch in dieser Frage seiner Zeit voraus war.

 

Das Interview erschien am 2. Februar 2013 auf "lesenegalais.net". Aus dem Französischen übersetzt von Jörg Tiedjen.